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Freitag, 23 Dezember 2022 10:59

Tappen Sie nicht in die Falle!

von Martyn Gaudion
Geschätzte Lesezeit: 4 - 8 Minuten
Tappen Sie nicht in die Falle! Bild: Yevhenii Kazykin/Adobestock

Martyn Gaudion sprach in seinem Vortrag auf der EIPC-Sommerkonferenz in Örebro (Schweden) über Auswirkungen des Gleichstromwiderstands auf die Messung der charakteristischen Impedanz von Leiterplatten. Für die PLUS hat er den Vortrag verschriftlicht.

Abb. 1: Ist der elektrische Widerstand bei all diesen Kabeln immer 50 Ohm?Abb. 1: Ist der elektrische Widerstand bei all diesen Kabeln immer 50 Ohm?Es ist toll, wieder hier zu sein und alle persönlich zu treffen, nach gefühlt so langer Zeit. Es ist auch sehr gut, viele Materiallieferanten zu sehen.

Leiterbahnstrukturen werden ja immer filigraner, und Ihre Kunden, die Leiterplattenhersteller, fangen manchmal an, die Messungen der Dielektrizitätszahl in Frage zu stellen, die Sie als Materiallieferanten so sorgfältig vornehmen.

Ich werde Ihnen eine einfache Korrektur zeigen, die Sie bei den Messungen vornehmen können, damit die gemessene Dielektrizitätszahl viel besser mit der geprüften Dielektrizitätszahl in der Leiterplattenindustrie übereinstimmt.

Was ist eine impedanzkontrollierte Leiterbahn auf einer Leiterplatte? Es handelt sich eigentlich um die Simulation eines Koaxkabels und ich denke, Sie alle stimmen zu, dass – wenn Sie ein Koaxkabel von einem Lieferanten kaufen, sagen wir 50 Ohm oder 75 Ohm oder 100 Ohm – immer dieser Wert eingestellt ist.

Eine Frage, die man sich stellen sollte, ist Folgende: Ist der elektrische Widerstand bei einem ein Meter langen Kabel immer noch 50 Ohm, und bei einem zwei Meter oder einen Millimeter langen Kabel immer noch 50 Ohm? Oder ändert er sich dann (Abb. 1)?

Wenn ich also ein 50-Ohm-Kabel nehme und halbiere – sind es dann zwei 25-Ohm-Kabel? Das ist eine Falle, in die einige Leiterplattenhersteller tappen. Ich werde Ihnen im Folgenden aufzeigen, was das Problem ist.

Es gibt also unterschiedliche Kabellängen, aber bei allen die gleiche Kabelimpedanz. Wir simulieren ein Koaxkabel auf einer Leiterplatte, indem wir es auf eine bestimmte Art und Weise entwerfen, und die Vorstellung, dass sich die Impedanz mit der Länge ändert, hat sich wirklich nur eingeschlichen, weil die Geometrien immer feiner geworden sind. In dieser Situation kann es passieren, dass der Gleichstromwiderstand der Leiterbahn die Messung verfälscht.

Abb. 2: Schaubild aus einem TDR-Konzeptbuch der Firma  Tektronix (Bild: James A. Strickland, Time-Domain Reflectometry Mesurements, Tektronix, 1969, S. 27)Abb. 2: Schaubild aus einem TDR-Konzeptbuch der Firma Tektronix (Bild: James A. Strickland, Time-Domain Reflectometry Mesurements, Tektronix, 1969, S. 27)Vor einiger Zeit stellte einer meiner Kollegen Herrn Dr. Eric Bogatin [1] folgende Frage: „Dr. Bogatin, was stimmt den nun – die Simulation oder die Messung?“ In der Erwartung, als Antwort „die Messung“ zu hören, antwortete Dr. Bogatin zum Entsetzen meines Kollegen: „Nun, tut mir leid – beides ist falsch“. Die Simulation sagt Ihnen, welches Ergebnis Sie in einer perfekten Situation vorhersagen können, und die Messung sagt Ihnen, was das Messsystem sieht. Aber auch die Messung kann fehlerbehaftet sein, und Sie müssen zuerst mit Ihrer technischen Intuition überlegen, wie die richtige Antwort lautet, und sowohl die Messung als auch die Simulation betrachten.

Wenn man an Leiterbahnen mit breiteren Geometrien denkt, war die Messung der charakteristischen Impedanz ziemlich einfach, da nichts in der Messung scheinbar ‚verfälscht' wurde. Aber als die Geometrien immer feiner wurden, bemerkten wir, dass der Gleichstromwiderstand die Messungen beeinflusste.

Die Geometrien feiner Leitungen sind erst vor kurzem so weit verkleinert worden, dass der Gleichstromwiderstand für die Messtechnik-Branche bedeutsam geworden ist. Aber bereits in den 1950er und 1960er Jahren wussten die Kabelhersteller davon. Der ohmsche Widerstand in einem Kabel ist eine wichtige Spezifikation, die jedoch von der charakteristischen Impedanz zu unterscheiden ist. Bis vor kurzem ermöglichten es die Geometrien, mit denen wir in der Leiterplattenindustrie arbeiteten, dass wir den Gleichstromwiderstand in Hochgeschwindigkeits-Leiterbahnen ziemlich sicher ignorieren konnten. Doch heute sind die Strukturen so fein geworden, dass der Gleichstromwiderstand aus den TDR-Messwerten [2] entfernt werden muss, bevor die charakteristische Impedanz abgeleitet wird.

Dieses Schaubild aus einem TDR-Konzeptbuch aus dem Jahr 1969 von der Firma Tektronix zeigt die Auswirkungen des Gleichstromwiderstands in Kabeln. (Abb. 2) Dort wird sogar vorgeschlagen, die Steigung der TDR-Kurve zu verwenden, um zu berechnen‚wie viele ‚Ohm pro Meter' man sieht.

Betrachten wir zum Beispiel zwei 50-Ohm-Leitungen mit einer dritten 50-Ohm-Leitung in der Mitte (Schaltung A), die einen Gleichstromwiderstand aufweist. Es ist zu sehen, dass die Kurve in der Mitte ansteigt und dann abflacht. Aber die Leitung am Anfang und die Leitung am Ende sind beide identisch. Die eine sitzt am anderen Ende einer Leitung mit Serienwiderstand, so dass die Impedanz bei der Messung mit der Länge anzusteigen scheint.

Die Falle, in die man tappen kann, besteht in dem Glauben, dass das Impedanzmessgerät immer korrekt sei und die Impedanzmessung z. B. auf dem ansteigenden Abschnitt vorgenommen wird. Doch bei feinen Linien muss man den Gleichstromwiderstand aus der Messung eliminieren.

Abb. 3: Darstellung in der Software von Polar InstrumentsAbb. 3: Darstellung in der Software von Polar Instruments

Spezialisten für Signalintegrität verwenden einen Fachausdruck, den sie als ‚De-Embedding' bezeichnen, d. h. der Serienwiderstand muss aus der Messung herauskorrigiert werden, um die korrekte charakteristische Impedanz der Leiterbahn zu erhalten. Würde man den Serienwiderstand nicht aus der Impedanzmessung entfernen, könnte man daraus schließen, dass das Datenblatt falsch ist, weil die Simulation nicht mit der Messung übereinstimmt. Daraus könnte man folgern, dass die Korrelation falsch ist, weil die Dielektrizitätszahl im Datenblatt nicht korrekt sei. Die eigentliche Ursache für die Ungenauigkeit liegt jedoch darin, dass der wirkliche Grund für die schlechte Korrelation nicht erkannt wurde, weil die Gleichstrom-Widerstandskomponente nicht aus den TDR-Messwerten entfernt wurde.

Man kann den Widerstand modellieren und die Auswirkung auf eine TDR-Leiterbahn simulieren. Mit einer sehr einfachen Simulation habe ich die Leiterbahngeometrie dieses Differentialpaares eingegeben. Durch Modellierung der Kupferbreite und -dicke können wir sehen, wie hoch der Anstieg auf der TDR-Leiterbahn aufgrund des Kupferwiderstands pro Millimeter sein wird. Dann können wir diesen Effekt aus der TDR-Messung auch entfernen (Abb. 3 und 4).

Abb. 4: Darstellung in der Software von Polar InstrumentsAbb. 4: Darstellung in der Software von Polar Instruments

Wenn Sie die durchschnittliche Messung zugrundelegen und die Länge der Leiterbahn verdoppeln, steigt sie von einem 100-Ohm-Differentialpaar auf ein 105-Ohm-Differentialpaar und auf ein 110-Ohm-Differentialpaar, was eindeutig eine unsinnige Messung ist. Aber wir beobachten, dass dies immer wieder vorkommt.

Abb. 5: Kann der Gleichstromwiderstand aus der Impendanzmessung entfernt werden?Abb. 5: Kann der Gleichstromwiderstand aus der Impendanzmessung entfernt werden?Dieser Effekt wirkt sich erst dann auf die Messungen aus, wenn wir bei den dünnen Kupfersubstraten, die wir heute verwenden, bei den Leitungsbreiten auf 75 μm und darunter gehen. Ich habe also dasselbe Modell noch einmal verwendet und dickere Kupferleitungen mit acht mil (0,2mm) verwendet, und plötzlich hat man eine schöne, flache TDR-Leiterbahn, für die es nichts zu kompensieren gibt, so dass man durch die Erstellung eines einfachen Diagramms in Excel mit einem Tool sehen kann, ob der Gleichstromwiderstand aus der Impedanzmessung entfernt werden muss oder nicht (Abb. 5).

Es gibt zwei bewährte Methoden zur Entfernung des Gleichstromwiderstands aus der Impedanzmessung, von denen manche OEMs die eine der anderen vorziehen. Erstere ist die Startpunkt-Extrapolation (LPE) – beim IPC-Fachverband wurden viele Diskussionen darüber geführt. Bei LPE wird eine Regressionsgerade auf die TDR-Leiterbahn angepasst und zurück zum Anfang des Abschnitts projiziert. Man könnte fragen: Warum haben Sie nicht einen sehr kurzen Abschnitt gemessen? Nun, wenn der Abschnitt sehr kurz ist, stört die Verbindung von der Sonde die Messungen. LPE ist eine Technik, die eine schöne, stabile Länge der TDR-Messung verwendet und zum Anfang des Abschnitts zurückprojiziert. Auf diese Weise kann ich die Durchschnittsmessung des Abschnitts erhalten, nachdem der Effekt des Gleichstrom-Serienwiderstands entfernt wurde (Abb. 6).

Kommen wir zur zweiten Methode, die wir seit etwa 28 Jahren in unseren Geräten verwenden. Ursprünglich haben wir dies für ein japanisches Unternehmen eingeführt, das den Gleichstromwiderstand pro Zoll berechnen und diese Zahl addieren wollte, um dann direkt den vorhergesagten Wert in Ohm/m von jedem Abschnitt der Leiterbahn zu entfernen. Diese alternative Methode wird ‚Gleichstrom-Widerstandskompensation' genannt. Beide Methoden funktionieren.

Abb. 6: Bei LPE wird eine Regressionsgerade auf auf die TDR-Leiterbahn angepasst und rückprojiziert werden  Abb. 6: Bei LPE wird eine Regressionsgerade auf auf die TDR-Leiterbahn angepasst und rückprojiziert werden Wenn Sie sich also in einem Gespräch zwischen einem Materiallieferanten und einem Leiterplattenhersteller wiederfinden, die darüber debattieren, ob die Zahlen zum Dielektrizitätswert wirklich korrekt sind, dann lohnt es sich nachzuhaken, ob sie bei Leiterplatten mit sehr feinen Strukturen den Gleichstromwiderstand kompensieren.

Man muss sich sowohl die Messung als auch die Modellierung ansehen und sein technisches Gespür einsetzen. Nicht immer ist die Messung korrekt und nicht immer das Modell. Man muss ein gutes Modell und eine gute Messung haben – und Effekte berücksichtigen, die man vielleicht in der Vergangenheit nicht berücksichtigen musste.

Selbst wenn Sie keinen Zugang zu Polar-Tools haben, können Sie einfach das Ohmsche Gesetz U = R * I und die Leitfähigkeit des galvanisch abgeschiedenen Kupfers verwenden, um dies für sich selbst abzuschätzen.

Vielen Dank, es hat mich gefreut, wieder vor Ihnen zu sprechen.-dir/rom-

www.polarinstruments.eu, www.tek.com

Referenzen

Dr. Eric Bogatin, außerordentlicher Professor für Elektro-, Computer- und Energietechnik an der University of Colorado Boulder
Zeitbereichsreflektometrie (Time-Domain-Reflectometrie)

Quellen

James A. Strickland, Time-Domain Reflectometry Mesurements, Tektronix, 1969

Weitere Informationen

  • Ausgabe: 12
  • Jahr: 2022
  • Autoren: Martyn Gaudion, Polar Instruments

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