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Mittwoch, 17 Juni 2020 14:06

Auf den Punkt gebracht: Die Corona-Pandemie treibt die digitale Transformation

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Geschätzte Lesezeit: 3 - 6 Minuten

Eine Karikatur bringt es vielleicht ganz gut auf den Punkt: Wer leitet die digitale Transformation in Ihrem Unternehmen? A) Der Geschäftsführer B) Der technische Leiter C) Covid-19!
Wesentliche Veränderungen kommen häufig in Unternehmen nicht aus eigenem Antrieb – wie es hinterher gerne dargestellt wird – sondern durch äußeren Druck. Marktveränderungen, aggressive Wettbewerber, disruptive Innovationen, Veränderungen der Gesetzeslage oder neue gesellschaftliche Megatrends sind in vielen Fällen die Treiber.

Vernetzte Produktionsanlagen, Echtzeit-Kommunikation zwischen Maschinen, individuelle Unterstützung vom Kollegen Roboter: Die Digitalisierung der Industrieunternehmen in Deutschland macht Fortschritte. Fast 6 von 10 Industrieunternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitern in Deutschland (59 %) nutzen spezielle Anwendungen aus dem Bereich Industrie 4.0. Vor zwei Jahren waren es erst 49 %. Zugleich ist der Anteil der Unternehmen, für die Industrie 4.0 gar kein Thema ist, auf 1 % geschrumpft.

‚Corona‘ ist zusätzlicher Treiber

Je digitaler die Industrieunternehmen aufgestellt sind, desto schneller werden sie sich von den Folgen des Shutdowns erholen. Diese Erkenntnis ist auch im größten Teil der Unternehmen verankert: 94 % sehen in der Industrie 4.0 die Voraussetzung für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie.
Mehr als jeder Zweite (55 %) betont, Industrie 4.0 gebe dem eigenen Geschäft generell neuen Schub. Insgesamt sieht eine überwältigende Mehrheit von 93 % der Industrie-Unternehmen die digitale Transformation als Chance – und nur 5 % als Risiko.

Digitalisierung schafft neue Geschäftsmodelle

Bei fast drei Vierteln (73 %) der deutschen Industrieunternehmen werden im Zuge von Industrie 4.0 nicht nur einzelne Abläufe oder Prozesse verändert, sondern ganzeThumb Folie2Abb. 1 : Digitalisierung schafft neue Geschäftsmodelle in der Industrie Geschäftsmodelle – eine deutliche Zunahme seit 2018, wo es noch 59 % waren (Abb. 1).

Etwas mehr als jedes zweite Unternehmen (51 %) entwickelt neue Produkte und Dienstleistungen oder plant dies (2018: 39 %). Jedes Vierte verändert bestehende Produkte oder hat dies vor. Automobilproduzenten entwickeln sich zu Anbietern von Mobilitätslösungen und Hersteller von Medizintechnik werden zu smarten Gesundheits-Dienstleistern. Wenn die Produktion mit Abbau der Corona-Beschränkungen nun langsam wieder hochgefahren wird, sollte das eigene Geschäft erneut auf den Prüfstand gestellt werden.
Die Geschäftsmodelle der Zukunft sind ausschließlich digital. Die Mehrheit der Industrieunternehmen, die neue Produkte und Dienstleistungen im Zuge von Industrie 4.0 entwickeln, setzt dabei auf Plattformen.

88 % entwickeln digitale Plattformen neu oder weiter oder beteiligen sich daran. Auf ihnen können Produkte oder Services vertrieben oder auch Kunden mit Lieferanten vernetzt werden. 45 % haben sogenannte Pay-Per-Use- oder Production-as-a-Service-Modelle eingeführt: Thumb Folie4Abb.2 : Hemmnisse beim Einsatz von Industrie 4.0
Damit verkauft etwa ein Maschinenbauer keine Maschinen mehr, sondern vielmehr Produktionskapazitäten, je nach Bedarf des Kunden. Die Reifenfirma Michelin entwickelte einen neuen besonders haltbaren aber kostenaufwendigen Lkw-Reifen, der im Markt floppte. Dies änderte sich schlagartig als man den Speditionen eine Pay-Per-Use Lösung nach gefahrenen Kilometern anbot.

18 % der befragten Unternehmen, in denen neue Produkte und Dienstleistungen im Zuge von Industrie 4.0 entwickelt oder geplant werden, setzen auf datenbasierte Geschäftsmodelle. Allerdings wirken die neuen Geschäftsmodelle aktuell nur zu einem kleinen Teil disruptiv: Bei 3 % der betreffenden Unternehmen wurden bisherige Geschäftsmodelle komplett abgelöst. Bei einer Mehrheit von 77 % existieren neue und alte Geschäftsmodelle vorerst noch nebeneinander.
Natürlich gibt es auch Hemmnisse bei der Einführung von Industrie 4.0 wie Abbildung 2 verdeutlicht.

 

Was ist eine Plattformökonomie?

Als Plattformökonomie bezeichnet man internetbasierte Geschäftsmodelle, bei der Anbieter mit Interessenten / Kunden auf einem digitalen Marktplatz zusammengebracht werden, z. B., Handelsplattformen wie Amazon, Suchende und Werbetreibende (Suchmaschinen wie Google), Hungrige und Gastronomie (Lieferservice), Mietinteressenten mit Immobilienanbietern (Immobilienportale), Selbständige mit Auftraggebern (Freelancer- und Projektseiten),
Fahrer und Autos mit Transportbedürftigen (MyTaxi), Reisende und Wohnungsbesitzer (Unterkunftsvermittlung, Airbnb ) oder Hotels (Hotelportale Booking.com, HRS)

5G – Nervensystem von Industrie 4.0

Thumb Folie1Abb.3 : Wichtigkeit von 5G für die IndustrieDer Großteil der deutschen Industrieunternehmen setzt große Hoffnungen in den neuen Mobilfunkstandard 5G, mit dem sich große Datenmengen drahtlos und in Echtzeit übertragen lassen. 73 % der Industrieunternehmen sehen die Verfügbarkeit von 5G für das eigene Geschäft als wichtig an – davon 36 % als ‚sehr wichtig‘ und 37 % als ‚eher wichtig‘ (Abb. 3). 5G ist für die deutsche Industrie eine Schlüsseltechnologie und das Nervensystem der Industrie 4.0

Künstliche Intelligenz in jedem siebten Unternehmen

Eine ebenfalls große Bedeutung wird Künstlicher Intelligenz (KI) beigemessen. Jedes siebte Unternehmen (14 %) nutzt aktuell Künstliche Intelligenz im Kontext von Industrie 4.0, wobei größere Unternehmen ab 500 Mitarbeitern mit 23 % deutlich häufiger auf KI setzen als kleinere Unternehmen mit weniger als 200 Mitarbeitern (9 %) oder 200 bis 499 Mitarbeitern (11 %).

Zu den gängigen KI-Anwendungen zählen etwa Predictive Maintenance, bei der mithilfe von Algorithmen und Sensoren der Betrieb von Maschinen überwacht wird, so dass die KI noch vor einem drohenden Ausfall auf die notwendige Wartung hinweist (Abb. 4). Auch Roboter, die ihre Arbeitsabläufe auf aktuelle Erfordernisse hin selbständig anpassen können, sind ein solches Beispiel.

Zu den wichtigsten Vorteilen von KI in der Industrie zählen die Unternehmen neben der genannten Möglichkeit der vorausschauenden Wartung (43 %) eine Steigerung der Produktivität (41 %) sowie die Optimierung von Produktions- und Fertigungsprozessen (39 %). Mehr als jedes zweite Industrieunternehmen (58 %) sieht in KI disruptives Potenzial, hält es also für wahrscheinlich, dass Geschäftsmodelle dadurch nachhaltig und tiefgreifend verändert werden.

Deutschland international weit vorn?

Thumb Folie5Abb. 4: Die wichtigsten Vorteile von KI im Kontext Industrie 4.0Die deutsche Industrie stellt sich in Sachen Industrie 4.0 sehr selbstbewusst auf: Mehr als jedes fünfte Unternehmen (22 %) sieht Deutschland derzeit weltweit auf einer Spitzenposition, knapp hinter den USA, die 27 % auf Platz eins sehen. 19 % sehen Japan vorn, jeder Siebte (14 %) China. Südkorea wird von 9 % an der Spitze positioniert (Abb. 5). Digitalisierung erzeugt mehr Wettbewerb und dieser Wettbewerb führt zu mehr Innovationen – ein Glücksfall für Deutschland.
Die Angaben basieren auf dem Ergebnis einer repräsentativen Studie zur Digitalisierung der deutschen Industrie im Auftrag des Digitalverbands Bitkom, für die 552 Industrieunternehmen ab 100 Mitarbeitern von Mitte Februar bis Anfang April 2020 befragt wurden.

Auf den Punkt gebracht:

  1. 81 % der Industrieunternehmen in Deutschland nutzen oder planen in 2020 Anwendungen im Rahmen von Industrie 4.0 lt. einer neuen Umfrage des Branchenverbandes bitkom
  2. Bei 73 % der Industrieunternehmen beeinflusst Industrie 4.0 das Geschäftsmodell; 2018 waren dies nur 59 %
  3. Plattformbasierte Geschäftsmodelle stehen mit 88 % ganz vorne, gefolgt von Pay-per Use Modellen mit 45 % und Datenbasierten Geschäftsmodellen mit 18 %Thumb Folie3Abb. 5: Welche Nation ist Ihrer Meinung nach derzeit bei Industrie 4.0 führend?
  4. 58 % der befragten Industrieunternehmen glauben das künstliche Intelligenz (KI) ihre Geschäftsmodelle tiefgreifend verändern wird, dabei werden eine Vielzahl von Vorteilen gewonnen (Abb. 4)

Industrie 4.0 ist eine wesentliche Voraussetzung für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie. Die künstliche Intelligenz muss zu einer europäischen Schlüsseltechnologie werden, damit der Umbau von alten zu neuen Geschäftsmodellen gelingt. Dazu gehört auch die digitale Souveränität und Daten-Souveränität in Europa. Eine sichere europäische Cloud Infrastruktur ist eine dringende Voraussetzung,

 

Alles Gute in diesen außerordentlichen Zeiten

Ihr

Hans-Joachim Friedrichkeit

 

 

Kontakt
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Weitere Informationen

  • Ausgabe: 6
  • Jahr: 2020
  • Autoren: H. J. Friedrichkeit

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