Der ZVEI wartete nicht lange, um seine Einschätzung des Konjunktur-verlaufs seiner mehr als 1600 Verbandsmitglieder im neuen Jahr zu veröffentlichen. Am 18. Januar erschienen der ZVEI-Präsident Günther Kegel und Wolfgang Weber, Vorsitzender der Geschäftsführung, vor der online zugeschalteten Fach- und Wirtschaftspresse. Sie gaben einen realistischen und zugleich auch optimistischen Ausblick auf die Lage der deutschen ‚Elektro- und Digitalindustrie' (vormals: Elektrotechnik- und Elektronik-Industrie).
Kegel bezeichnete in Rückschau 2022 als „ein starkes Jahr trotz aller Widrigkeiten“. Ukrainekrieg, Energiekrise, Inflation und angespannte Lieferketten hätten im Vordergrund gestanden, und das würde auch weiterhin so sein. Doch die preisbereinigte Produktion der Branche sei zwischen Januar und November 2022 um 3,7 % gewachsen. „Das ist fast eine Punktlandung unserer Prognose von 4 %“, freute sich Kegel. Die Branche profitiere erkennbar von den beiden großen Treibern Elektrifizierung und Digitalisierung.
Die nominalen Erlöse der im ZVEI vereinten Industrien, so Kegel, stiegen im vergangenen Jahr um 12 % auf ein Rekordhoch von 224 Mrd. €.Die höchsten Zuwächse gab es bei den elektronischen Bauelementen (+ 21 %), gefolgt von der Informations- und Kommunikationstechnik, Batterien, Energietechnik (alle + 14 %) und Automation (+12 %). Die Zahl der Beschäftigten lag bei knapp 895000 und damit 2,3 % über dem Vorjahr.
Auch beim Export sei 2022 ein Rekordjahr gewesen. Die Ausfuhren hätten 246 Mrd. € erreicht – ein Plus von 9 %. Wichtigster Absatzmarkt sei die Europäische Union mit 126 Mrd. € gewesen. „Der Binnenmarkt ist das größte Asset der EU“, so Kegel. „Wir müssen ihn weiterentwickeln – unternehmerisch und regulatorisch.“ Die Globalisierung hingegen stehe an einem Scheitelpunkt: „Die protektionistische Wirtschaftspolitik Chinas und der USA sind für uns ein hohes Risiko.“ Für das laufende Jahr zeigt sich der ZVEI eher bescheiden, aber zuversichtlich: „Nach heutigem Stand gehen wir von einer schwarzen Null aus“, sagte Kegel. „Das entspricht einer Konsolidierung auf sehr hohem Niveau.“
Energiewende in den Fokus rücken
„Nachdem sich die Politik im zurückliegenden Jahr der Energiesicherheit und Bezahlbarkeit zuwenden musste, sollte 2023 die Energiewende in den Fokus rücken“, erklärt Wolfgang Weber. Dabei seien zwei Aufgaben anzugehen: der zügige Ausbau der Netzinfrastruktur und ihre Digitalisierung sowie die Weiterentwicklung des Strommarkt-Designs.
Aktuell liege der Strombedarf bei 550 TWh/a. Mit 15 Mio. Ladepunkten und 6 Mio. Wärmepumpen steige dieser Bedarf bis 2030 auf über 700 TWh/a, und bis 2045 auf 1000 bis 1200 TWh/a. Dazu müssten die Erzeugungskapazitäten bei den erneuerbaren Energien mindestens um das 4,5-fache steigen. „Darauf ist unser Stromnetz derzeit nicht ausgelegt, es ist nicht energiewendefähig“, folgerte Weber. „Das Stromnetz muss zu einem Klimaneutralitätsnetz umgebaut werden.“ So fordert der ZVEI, dass mehr Tempo in den flächendeckenden Rollout intelligenter Messsysteme kommen müsse.
Durch konsequente Digitalisierung ließe sich der Primärenergieverbrauch um bis zu 65 % reduzieren. Um diesem Ziel näher zu kommen, wäre laut Weber ein weitere Entlastung des Strompreises von Steuern, Umlagen und Abgaben unabdingbar: „Das künftige Strommarktdesign muss so gestaltet sein, dass Verbraucherinnen und Verbraucher von attraktiven Preisen für Strom aus erneuerbaren Energien profitieren.“