Warum ein Benchmark Board sinnvoll ist. Am Beispiel des Qualifizierungs Boards KYv9

Warum ein Benchmark Board sinnvoll ist. Am Beispiel des Qualifizierungs Boards KYv9

Mehr und mehr übernehmen elektronische Baugruppen lebenswichtige Funktionen, beispielsweise bei elektronischen Bremssystemen. Dies führt zu immer höheren Anforderungen an die Qualität der Produkte, denn ein elektronisches Bremssystem sollte ja im Notfall unser Leben schützen und nicht zusätzlich bedrohen. Das heißt, die Güte einer Lötstelle muss zweifelsfrei messtechnisch ermittelt und für die Nachverfolgbarkeit mit all ihren geometrischen Eigenschaften dokumentiert werden.

Wie wir bereits in der 3D-Lotpasteninspektion erlebt, haben die gestiegenen Anforderungen in der Lötstellenbewertung der 3D-Messtechnik zum Durchbruch verholfen. Immer mehr Anbieter versuchen auf den 3D-Zug aufzuspringen, sodass der Markt aktuell mit 3D-Systemen überflutet ist.

Die Anwender werden von einer Masse an Marketingmaterialien und Spezifikationen überhäuft. Allein anhand der Datenblätter lassen sich die Maschinen nur noch schwer unterscheiden. Sie benötigen also einen soliden Performancevergleich, der Ihnen eine Entscheidungshilfe gibt. Wo sind die Grenzen der neuen Geräte? Welche Fehler, Bauteilgrößen und -abstände lassen sich noch sicher messen? Wie viel Zeit muss man für die Programmerstellung und die Programmanpassung, das Debuggen, aufwenden? Wie wiederholgenau ist die Messung? Haben das Layout und die Orientierung der Bauteile einen Einfluss? Kann man nach IPC-Klassen inspizieren? Schnell wird hier klar, dass die Aufgabe eines ordentlichen Maschinenvergleichs keine leichte ist.

Umso wichtiger ist die richtige Wahl einer geeigneten Testbaugruppe. Leider ist diese jedoch nicht immer im richtigen Moment zur Hand:

  • Produktionsleiterplatten eignen sich nicht, denn sie bilden nicht die Grenzen des Machbaren ab, da sie für eine Produktion mit geringer Streuung entworfen wurden.
  • Demonstrationsleiterplatten der Hersteller eignen sich ebenso wenig, da sie in der Regel demonstrieren, was der Hersteller kann und nicht, was er nicht kann.
  • Ein anderes Problem stellt sich bei der Abbildung der 3D-Messung. Viele Testboards adressieren die Anforderungen der 2D-Inspektion, d.h., es wird ein „Fehlerbild“ überprüft. Bei einer 3D-Messung werden jedoch Höhen und Volumen „gemessen“. Hier werden also unterschiedliche Höhen und Volumen benötigt, um die Grenze des Erfassbaren zu definieren. Das Ausfallkriterium ist ein Wert. Ein Test- und Benchmark Board muss also die Möglichkeit der Prüfung mit unterschiedlichen Ausfallwerten bieten.
  • Die Entwicklung eines eigenen Demonstrators ist kosten- und zeitaufwendig und es bedarf zudem einer gewissen Erfahrung, um Fehler reproduzierbar und realistisch herzustellen.

Aus dieser Not heraus setzte sich Koh Young vor einigen Jahren mit der Hannusch Industrieelektronik und der Christian Koenen GmbH zusammen und entwickelte gemeinsam ein Benchmark Board, dass auch die Anforderungen einer 3D-Messung erfüllt. So entstand das erste „Qualifizierungs Board“.

Aus der anfänglichen Selbsthilfe wurde über die Zeit ein Produkt, das bereits in der 9. Generationen von produziert wird. Mittlerweile unterstützt eine größeren Gruppe von Kooperationspartnern aus der SMT-Welt mit Fachartikeln, Material und reichlich Expertise die Produktion. Das Ergebnis sehen Sie im Design des aktuellen Qulifizierungs Boards KYv9, oder aber in den vielen Fachartikeln unseres Booklets „Koh Young Test & Benchmark Board Version 9“, das mittlerweile in der 5. Auflage erschienen ist.

Aber was verbirgt sich nun hinter dem vielversprechenden Namen „Qualifizierungs Board“?

Das Board Design

Mit der Erfahrung der Nutzer und Programmierer aus der 2D-AOI-Welt wurden herausfordernde Layouts entwickelt. So werden bei gleichen Bauformen die Pad-Abstände und -Größen variiert, denn die Produktionsrealität mit schlechten Layouts und Ätztoleranzen der Leiterplatten soll möglichst praxisnah simuliert werden. Basieren die Prüfalgorithmen auf Bildvergleichen, werden Schwierigkeiten bei der Zuordnung gleicher Bauteile auftreten. Damit lassen sich dann vier Vergleiche abbilden:

  1. Ob das AOI Bildvergleich (2D) oder ein Messverfahren (3D) anwendet.
  2. Wieviel Aufwand beim Optimieren des Prüfprogramms (Debuggen) entsteht.
  3. Reagiert das Prüfsystem sensibel auf Inter-Reflektionen zwischen benachbarten Lötstellen.
  4. Kann das Prüfsystem kleine Bauteilabstände auflösen.

KohYoung 1 Unterschiedliche Pad GroessenBild 1: Unterschiedliche Pad-Größen und -AbständeDas Board hat einen repräsentativen Schnitt an Bauformen, die sich noch sinnvoll in einem Design vereinen lassen. Deshalb wurde die kleinste Chip-Größe auf 01005 begrenzt. Insgesamt befinden sich etwas mehr als 1.500 kleine bis große Bauteile auf dem Board.

Größere Bauteile können durch Abschattung die Inspektion anderer Bauteile erschweren, sogar unmöglich machen. So werden schnell die Grenzen der Seitenkameratechnik deutlich. Zusätzlich zeigen zeigt der Bauteil-Mix, wie gut ein AOI mit seinen Beleuchtungsmöglichkeiten diese Schattenbereiche ausleuchten kann und wie die Algorithmen die Störsignale verarbeiten.

Reflektionen stellen einen weißen Fleck in der Messung dar. Bildinformationen werden einfach überblendet. Dies passiert schnell bei der Messung spiegelnder Flächen oder weißer Bauteile. Beide Aspekte werden durch geeigneter Bauteile berücksichtigt.

 

KohYoung 2 BauteilmixBild 2: Bauteilmix

KohYoung 3 SchattenszenarioBild 3: Beispiel Schattenszenario

KohYoung 4 Reflektierende BauteileBild 4+5: Reflektierende Bauteile und weiße LED

KohYoung 5 weisse LED

Manipulierte Fehler

Nicht alle Fehler lassen sich über das Leiterplatten-Layout realisieren. Deshalb die Produktion und das Material gezielt manipuliert werden.

1. Gedruckte Fehler (Schablonenmanipulation)

Hier werden über das Schablonen-Layout Offset- und Volumenfehler erzeugt. So lassen sich bei den Chip-Bauteilen die unterschiedlichen IPC-Klassen abbilden, BGA’s können verkippt verlötet und Grabsteine und Lotperlen erzeugt werden.

KohYoung 7 SchabloneBild 7: Schablone...

KohYoung 8 Pastendruck Bild 8: ...und Druckergebnis

2. Bestückte Fehler (Manipulation Bestücker)

Mit der Bestückung lassen sich Bauteilverdrehungen, Offsets, Polaritätsfehler, Falschbestückung und „dropped components“ umsetzen. Speziell gegurtete SOT’s werden upside-down bestückt.

KohYoung 9 BestueckfehlerBild 9: Bestückfehler (mitte Rotation,unten mitte upside-down, oben rechts 180° verdreht, unten rechts missing

KohYoung 10 Lifted Lead FehlerBild 10: Lifted-Lead-Fehler

3. Manipulierte Bauteile

Mit speziell angefertigten Biegewerkzeugen werden an QFP’s lifted-lead-Fehler erzeugt.

Wählt man die schärfsten Inspektionskriterien inklusive IPC-Lötklassenprüfung, so lassen sich bis zu 1.200 Fehler bei einer 100%-Inspektion detektieren. Da verliert man schnell die Übersicht. Deshalb sind alle Manipulationen und die daraus resultierenden Fehler dokumentiert.

Warum der Aufwand?

Es geht um die Vergleichbarkeit von optischen Messystemen. Dazu gehört auch, die Grenzen der optischen Inspektionssyteme zu kennen und Unterschiede in der Prüfphilosophie und in den Messkonzepten offenzulegen. All dies ist anhand eines Vergleichs von Datenblättern nicht möglich. Gewöhnliche Baugruppen und Demonstrations-Boards beinhalten zu wenige Extreme und keine Strukturen zur variablen Gestaltung der Ausfallkriterien, wie z.B. linear ansteigende lifted-lead-Fehler. Deshalb ist ein Benchmark Board essentiell für den wertfreien Vergleich von AOI-Systemen.

KohYoung 11 BillboardBild 11-13: Beispiele 3D-Messung (v.l.: Billboard-Fehler, Joint-Messung, 3D-Polaritätsmarke)Was heißt 3D aus der Sicht der einzelnen AOI-Anbieter?

- Heißt 3D 100% 3D-Messung oder nach Bedarf?
- Heißt 3D nur Planarität oder 100% Bauteil- und Lötstelleninspektion?

An dieser Stelle wird der Begriff 3D sehr strapaziert. Ein Benchmark Board wird die Unterschiede transparent darstellen.
3D-Lötstelleninspektion heißt auch die Messung einer Lötstelle mit Volumen, Benetzungshöhe, Lead-Höhe und Position unter widrigen Umständen: Reflektionen, spiegelnde Oberflächen, Messrauchen von benachbarten Lötstellen, gewölbte Leiterplatten und vieles mehr. In diesem rauen Umfeld zeigt sich die Güte der 3D-Messung.

Hier ist ein Benchmark Board hilfreich, das die verschiedenen Lotvolumen abbildet und Reflektionen von benachbarten Bauteilen und Lötstellen erzeugt. Auch lassen sich über die manipulierten Bauteile unterschiedliche Lead-Höhen messen. Ideal für die Ermittlung der Wiederhol- und Messgenauigkeit oder Linearitätsvergleichen.

 

KohYoung 12 3D Joint MessungBild 12

KohYoung 13 3D PolaritaetBild 13

Eine Welt voll Licht und Schatten

KohYoung 14 SchattenproblemeBild 14: SchattenproblemDas Layout einer Leiterplatte nimmt keine Rücksicht auf die Bedürfnisse einer optischen Inspektion. Es gibt zwar immer wieder Bemühungen seitens der AOI-Hersteller Designempfehlung zu geben, aber in der Realität wird das Design und das Layout durch die elektrischen und mechanischen Funktionen, sowie dem vorhandenen Platz bestimmt. Um sich nicht im Vorfeld bereits aller Flexibilität in der Produktion zu berauben, sollte man die Schattenszenarios bewusst erzeugen und prüfen. Ein Benchmark Board erzeugt diese kritischen Layout-Szenarien.

Die Schatten treten auch bei kleinen Bauteilen in dichter Bestückung auf. Deshalb sind die Anzahl, die Anordnung und der Projektionswinkel der Lichtquellen wichtige Faktoren für eine schattenfreie Messung.

Ein Benchmark Board hilft an dieser Stelle die Unterschiede zwischen den AOIs herauszuarbeiten. Wenn z.B. die Baugruppe mit unterschiedlichen Rotationswinkeln inspiziert wird, zeigt der Rotationstest die Unterschiede in den Beleuchtungsquellen.

Positionsbestimmung

Grundsätzlich gilt, dass die Positionsbestimmung über den Bauteilkörper die genauere ist. Denn je nach Lotvolumen wird es schwer Anfang und Ende eines Bauteilkontakts zu bestimmen. Hier unterscheiden sich die AOI-Anbieter ebenfalls. In der 2D-Welt wurde die Position über die detektierten Bauteilanschlüsse bestimmt. Dies wurde von vielen Anbietern in die 3D-Welt übernommen. Jedoch lassen sich die Konturen eines vollständig mit Lot überzogener Bauteilanschlusses nur noch schwer deuten. Ein Benchmark Board bietet verschiedene Lotvolumen bei gleichen Bauformen an. So lassen sich über Wiederholmessungen die Robustheit und Stabilität der Positionsmessung nachweisen.

KohYoung 16 LED 3DBild 15: Beispiel 3D-LED-MessungDie Positionsbestimmung einer LED wird schnell zum entscheidenden Qualitätskriterium, da der Winkel und die Position der Lichtquelle entscheidend zur Funktion beitragen. Bei einer 100% 3D-Messung lassen sich selbst auf einer weißen LED die Polarisationsmarken und der Bauteilkörper eindeutig und genau ermitteln. Da der Phosphor-Chip unter der LED-Linse selbst Positionstoleranzen zum LED-Gehäuse aufweist, wird die Position und die Ausrichtung des Phosphor-Chips ebenfalls gemessen. Deshalb verfügt das Benchmark Board über eine Reihe von weißen LEDs mit entsprechenden Messmöglichkeiten.

Das sind nur einige Beispiele aus dem Layout des aktuellen Qualifizierungs Boards. Sie sollen ihnen die Vorteile und den Nutzen eines durchdachten Test- und Benchmark Boards aufzeigen.

Ein Benchmark Board kann niemals alle Applikationen und Fehlerbilder abdecken. Dennoch versuchen wir möglichst viele Fehlerformen und Herausforderungen darzustellen. Ein Benchmark Board, wie das Qualifizierungs Board KYv9, kann ein sinnvolles Instrument zur Orientierung sein. In einer Welt von Hochglanzprospekten, Marketingversprechen und kaum unterscheidbaren Spezifikationen gibt es uns ein klares Bild basierend auf soliden Messergebnissen. Die vielen Szenarien zeigen uns nicht nur die Grenzen der optischen Inspektion, sondern auch die Möglichkeiten für schwierige Situationen die richtige Lösung zu finden. So kann ein Benchmark Board auch schnell zum Test- und Trainings Board für Algorithmen und Mitarbeiter werden.

Deshalb entwickelt Koh Young mit seinen Partnern immer wieder neue Generationen des Qualifizierungs Boards mit neuen Herausforderungen für alle optischen Messsysteme. Unsere Ideen basieren dabei auf unseren Erfahrungen und den Applikationen unserer Kunden.

Übrigens, für Koh Young ist das Qualifizierungs Board ebenfalls eine Herausforderung und auch wir stoßen an unsere Grenzen.

Aber das finden Sie am besten selbst heraus.

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