Kommentar Dirk Stans, Eurocircuits (zu Beitrag: "Die Uhr tickt")

Dirk Stans

Aus strategischen, wirtschaftlichen und sozialen Gründen muss Europa die gesamte Elektronikindustrie gezielt stärken. Ein widerstandsfähiger Elektronikmarkt trägt nicht nur zum Wirtschaftswachstum bei, sondern sichert auch Europas führende Position auf der Weltbühne“, sagt Dirk Stans, Geschäftsführender Gesellschafter der Eurocircuits Firmengruppe mit Hauptsitz in Mechelen/Belgien und Vorsitzender der FHI, die Vereinigung der technischen Industrien in den niederländischsprachigen Gebieten.

Der europäische Elektronikfertigungsmarkt, dem Ökonomen bis 2030 ein jährliches Wachstum von 7 % vorhersagen, ist eine zentrale Säule für das Wirtschaftswachstum. Im Jahr 2022 erwirtschaftete die Baugruppenproduktion (PCBA) rund 154 Mrd. € in Europa, wovon etwa 52 Mrd. € auf 2.200 EMS-Firmen und 81 Mrd. € auf OEMs entfallen. Für diesen Produktionsumfang sind Leiterplatten im Wert von rund 9,25 Mrd. € nötig. Die 2023 verbliebenen 170 europäischen Leiterplattenhersteller lieferten mit 1,76 Mrd. € nur einen Bruchteil; über 80 % der Leiterplatten hängen vom Export ab. Dabei ist jede Leiterplatte ein einzigartiges Stück Technologie und geistiges Eigentum (IP). Der europäische Chips Act, seit 2020 von EU-Parlament und Kommission vorangetrieben, zielt auf eine führende Rolle der EU in Forschung und Technologie, die Erweiterung der Produktionskapazitäten für fortschrittliche Chips und die Reduzierung der Abhängigkeit von globalen Lieferketten. Der Chip-Anteil der EU soll bis 2030 von 10 auf 20 % des Weltmarktvolumens steigen, was nahezu eine Vervierfachung der Produktion gegenüber 2020 erfordert. Ein zentraler Fakt wird jedoch übersehen: Damit Chips funktionieren können, braucht es die Verbindungstechnik der Leiterplatte und die gesamte Wertschöpfungskette.

Handlungsfelder zur Stärkung der Elektronikindustrie

  1. Attraktivität und Priorisierung: Die Elektronikindustrie muss als bedeutender Sektor in die öffentliche Wahrnehmung und akademische Programme eingebunden werden. Öffentliche Mittel und Subventionen sollten europäische Industrieprojekte priorisieren. Ein EU-weites Rohstoffdatensystem und ein europäisches E-CAD-Paket für Leiterplatten könnten eine zukunftsgerichtete Lösung darstellen.
  2. Investitionen in Fachkräfte: Technische Studiengänge und Ausbildungsprogramme müssen intensiv gefördert werden. Eine engere Verzahnung von Industrie und Bildungseinrichtungen mit Elektronikschwerpunkt ist entscheidend.
  3. Wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen: Ein fairer Wettbewerb erfordert den Abbau von Einfuhrzöllen und die Stärkung einer lokalen Rohstoffindustrie. Die EU-Herkunft von Produkten sollte in der öffentlichen Beschaffung gefördert werden. Zudem müssen Energiepreise stabil bleiben und digitale Verwaltungsprozesse eingeführt werden.
  4. Gezielte Investitionen: Intelligente Investitionen sollten auf die Entwicklung technischer Bildung, Bauteile, ein EU-E-CAD-Paket, Chip- und Chiplet-Fertigung sowie Leiterplattenfertigung und -bestückung fokussiert sein.
Image

Eugen G. Leuze Verlag GmbH & Co. KG
Karlstraße 4
88348 Bad Saulgau

Tel.: 07581 4801-0
Fax: 07581 4801-10
E-Mail: info@leuze-verlag.de

 

Melden Sie sich jetzt an unserem Newsletter an: