Wir haben ihn alle noch in der Nase, den Geruch der Messehallen in Nürnberg. Egal ob SMTconnect, PCIM oder Sensor+Test. Jeder hat seine Kontakte, Gespräche und seine Laufwege noch im Kopf. Nun aber, kaum vier Wochen später, ist für einen Teil dieses Messe-Triptychons das Ende gekommen: Die SMT (mit verschiedenen Namenszusätzen über die Jahre) wird es ab sofort nicht mehr geben.
Natürlich haben das viele aus der Community schon seit Jahren vorausgesagt und kommen sehen. Auch die immer weiter schwindende Hallenbelegung war einfach nicht mehr zu übersehen. Erst verschwand vor ein paar Jahren der Kongress und nun ist auch die Messe vom Tourplan der Community gestrichen. Jetzt die finale Gewissheit zu haben, macht in seiner Endgültigkeit dann doch ein wenig wehmütig. Daher Achtung – der folgende Text kann Spuren von romantischer Verklärung enthalten. Ich will jetzt hier nicht die Schuldfrage klären oder den großen Schwanengesang anstimmen: Für Ersteres fehlen mir das Wissen und die statistischen Daten, für Letzteres die Stimme. Nur noch mal kurz ein paar Sachen rekapitulieren und das auch noch völlig subjektiv. Als Student am Fraunhofer IZM hörte ich Ende der 1990er Jahre das erste Mal von der SMT-Messe und dem zugehörigen Kongress und irgendwo in diesem Zeitraum liegen auch die Anfänge der ‚Future-Packaging-Linie', die damals noch von VDI/VDE Innovation + Technik im Auftrag des BMBF organisiert wurde. Es herrschte damals eine riesige Aufbruchsstimmung in der AVT/SMT-Szene in Deutschland und Europa! Hier wurden noch Handys gefertigt, Flip-Chips entwickelt und aufgebaut, Siemens stellte noch Bestück-Automaten her usw. usf. Jedes Jahr gab es große Innovationen in allen Bereichen: neue Bauelemente, feinere Lote, genauere Maschinen. Die Future-Packaging-Linie wollte all das zusammenfassen und auf einem Stand für die Besucher erlebbar machen. Damals noch auf einem Stand, der mit 30 m Länge und 5m Tiefe gerade mal 150 m² groß war. Zum Vergleich: 2024 waren wir jetzt bei einer Gesamtfläche von fast 1200 m2 angekommen. Ab 2007, glaube ich, habe ich aktiv an der SMT teilgenommen und die Linie mit aufgebaut: Erst noch zusammen mit Lutz John (R.I.P.) von VDI/VDE Innovation + Technik. Nach deren Rückzug von der Messe haben wir dann als Fraunhofer IZM den gesamten Stand alleine organisiert und koordiniert. Es war jedes Jahr ein spannendes Projekt, die verschiedenen Maschinen und Gerätehersteller zu koordinieren und alles punktgenau in Nürnberg zu haben und zum Messebeginn auch direkt zu produzieren. Die SMT war schon immer anders als die ‚productronica' oder ‚electronica' in München. Es war eine ‚walk in'-Messe der Macher, Entwickler und manchmal auch der verschrobenen Ingenieure. Es gab keine ewig langen vorherigen Terminabsprachen, sondern hier galt die Devise: einfach hinkommen und mit den relevanten Leuten direkt auf Augenhöhe über die nächsten Schritte, Prozesse, Technologien oder Maschinen sprechen. Dieser liebenswerte Hauch von Hemdsärmeligkeit der Messe machte für mich den erfrischenden Kontrast zu den anderen Messen aus. Auch Nürnberg als Stadt hatte immer viel zu bieten, neben den exorbitanten Messepreisen der Hotels. Man weiß erst, dass man zu oft in ein und demselben Hotel abgestiegen ist, wenn sich das Laptop automatisch wieder ins WLAN einloggt. Über die Jahre gab es immer wieder Schwankungen: Mal wuchs die SMT-Messe und dann wurde sie wieder kleiner. Abhängig von den aktuellen Marktbewegungen im Bereich Automotive oder auch Maschinenbau gab es diese Schwankungen in den Aussteller- und Besucherzahlen. Irgendwann nahmen die Innovationen ab, die Entwicklungszyklen wurden länger und es ging eher um kleine Verbesserungen in der Effizienz und der Ausbeute anstelle von großen Würfen. Der Kongress wurde bis zur Einstellung immer kleiner, die Tutorials waren immer schlechter besucht. Es gab einfach keinen Entwicklungs- oder Innovationsstau für die Bereiche der SMT-Elektronik, die in DACH und Europa noch relevant sind. Die Verstetigung des Entwicklungsstandes hatte zudem die Branche erwischt. Die SMT war wohlverstanden in einer ganzen Altersgruppe von Ingenieuren und Entscheidern als anwendungsbereites Wissen angekommen und verfügbar. Das war aber auch nicht schlimm, war die Messe in den letzten 10-15 Jahren gefühlt doch eher das ‚Sommerlager der Ingenieure'. Man traf sich, man redete miteinander, tauschte Wissen und Kontakte aus, nahm ein Getränk miteinander und hatte Zeit für eben genau das. Ich habe ehrlich keine Ahnung, wen und wie viele ich auf der oder durch die SMT kennengelernt habe. Aber über die Jahre gerechnet, bewege ich mich hier sicher im mittleren dreistelligen Bereich. Manche wurden Freunde, manche Projektpartner und manche nur lose Kontakte, auf die man aber trotzdem mit dem Verweis auf „…was wir auf der Terrasse der SMT besprochen hatten“ oder so ähnlich, immer wieder zurückkommen konnte. Und das war auch eine der großen Stärken der SMT. Aufgrund ihrer ‚passenden' Größe hat man in den drei Tagen wirklich jeden der anderen Aussteller mindestens einmal getroffen und kurz miteinander gesprochen oder sich direkt zu anderen Terminen verabredet. Es fühlte sich familiär und angenehm an. Man kannte fast jeden oder fast jeder kannte einen. Ehrlich, was hatten wir stellenweise für einen Spaß auf der Terrasse des Messezentrums oder dann später am Tag in der Altstadt.
Ein liebenswerter Hauch von Hemdsärmeligkeit
Zurück zum Business. Die SMT-Fertigung in der Großserie war, wie bekannt, schon vor einiger Zeit in andere Regionen der Welt abgewandert. Zusätzlich dazu etablierten sich Bereiche der Standard-AVT als selbstständige Branchen und, wie die aufkeimende Power-Elektronik und andere Verbindungstechniken wie Flexible Schaltungsträger, Textil, additive Herstellung, Photonik etc., zu eigenständigen Disziplinen mit eigenen Messen und Kongressen. Doch schon vor 2020 und Corona begann sich zusätzlich zu dieser Diversifikation der Angebote immer mehr eine Kannibalisierung abzuzeichnen. Bedingt durch enger werdende Märkte suchten viele Aussteller ihr Heil in Hausmessen, regionalen Technologietagen etc. Diese Formate boten einige Vorteile: noch näher am Kunden, intensivere Gespräche und gelöstere Atmosphäre. Doch dadurch wurde die SMT dann ihrer letzten Relevanz, der Multiplikator-Funktion in den Kontakten, beraubt. Es blieb am Ende eine leere Halle, äh Hülle. Nach Corona hatten alle in der Branche gefühlt zwei Jahre ohne Messen überlebt und der Informationsfluss hatte sich ein neues Flussbett gesucht. Rein digitale Formate zur Informationsgewinnung über Neuheiten haben an Gewicht zugenommen, Reisebeschränkungen bremsten die Besucher und Aussteller, während Corona hatte es ja auch ohne Messebesuche funktioniert etc.
Leider darf die nächste Generation von Technikern und Ingenieuren nun das beschriebene ‚Sommerlagergefühl' nicht mehr weiter pflegen oder überhaupt kennenlernen, und ich denke, vielen anderen und mir wird es ehrlich fehlen! Vielleicht finden wir ja ein neues Format und einen Ort, an dem wir uns alle für einen Nachmittag/Abend wiedersehen und einfach über das Heute und Morgen der Branche sinnieren und versuchen, alle Player miteinander zu verknüpfen und Neulinge immer an Bord zu holen. Müssen ja nicht immer Maschinen hin und her gekarrt werden, ist dann auch besser für die Umwelt. Nun denn… „Kieken wa mal“, wie wir Berliner sagen! Tschüss, SMT, schön war’s trotzdem jedes Mal!