Leiterplattentechnologie für die Gründergeneration

Leiterplattentechnologie für die Gründergeneration

Ein Workshop zur Leiterplatte und zur Elektronikfertigung für junge Gründerinnen und Gründer weckte unser Interesse. Chefredakteur Markolf Hoffmann meldete sich im Innovationslabor der Universität Tübingen für einen Besuch an – und wurde nicht enttäuscht.

Das Start-up-Center der Eberhard-Karl-Universität Tübingen unterstützt Gründerinnen und Gründer mit verschiedenen Informationsveranstaltungen in ihren Geschäftsideen. Dazu gehört auch ein Workshop zur Leiterplattentechnologie und Elektronikfertigung von Dr. Andreas Krauß, der das Innovationslabor des Start-up-Centers verantwortet. Ende Juni konnte ich an dem Workshop teilnehmen.

Das Innovationslabor liegt außerhalb der studentisch geprägten Tübinger Innenstadt. Dennoch suchen regelmäßig Interessenten das Universitätsgebäude ‚Ob dem Himmelreich 7' auf. Es handelt sich in der Regel um Alumni kurz nach ihrem universitären Abschluss oder um Studenten kurz vor einem solchen – in einer spannenden Phase also, dem Übergang von der Ausbildung zu einer beruflichen Orientierung. Hier sprudeln oft Gründungsideen und führen zu innovativen Projekten, die von Kreativität und Wagemut der Jungakademiker zeugen. Das Startup-Center Tübingen genießt hier einen besonders guten Ruf: Im Ranking der besten Universitäten für Start-ups im Jahr 2022, erstellt von der Plattform ‚Top50 Start-Ups' (F.A.Z.-Gruppe), belegte die Eberhard-Karls-Universität den dritten Platz [1]. Auch räumten etliche Ausgründungen der Universität verschiedene Start-Up-Preise ab [2].

Lange Warteliste für Workshops des Innovationslabors

Innovationslabor‚ Ob dem Himmelreich 7‘ in TübingenInnovationslabor‚ Ob dem Himmelreich 7‘ in TübingenDie Workshops zur Produkt- und Prototypenentwicklung im Innovationslabor sind höchst beliebt, und Dr. Krauß musste wegen begrenzter Kapazitäten im Juni zwei separate Veranstaltungen (Elektronikentwicklung und Leiterplatte) zusammenlegen. In der Regel werden fünf bis maximal zehn Teilnehmer zugelassen; an diesem Junitag nahmen allerdings nur drei Personen teil. Die hochsommerlichen Temperaturen mögen ein Grund gewesen sein, denn normalerweise sind die Kurse rasch ausgebucht – und die Warteliste ist lang.

Bei meinem letzten Gespräch mit Dr. Krauß hatte ich bereits erfahren, dass die Gründerinnen und Gründer oft aus elektronikfernen Studiengängen kommen. Dieses Mal nahmen eine Neurobiologin, ein Physiker und ein Astrophysiker an dem Workshop teil – teilweise seit kurzem Absolventen, teilweise kurz vor ihrem Abschluss. Auch ihre Anliegen unterscheiden sich. Die Neurobiologin will sich im Innovationslabor für ein Forschungsvorhaben auf dem Gebiet der Elektronik weiterbilden; die zwei anderen Teilnehmer verfolgen Gründungsprojekte (über die sie allerdings nicht sprechen wollen – Geheimnis!). Alle drei lauschten konzentriert den Ausführungen von Dr. Krauß, der das Wagnis angeht, in knapp vier Stunden Basiswissen der Leiterplatte, ihres Designs, ihrer Fertigung und ihrer Einsatzbereiche sowie andere Bereiche der Elektronikentwicklung zu vermitteln.

Von der Historie bis zur heutigen Elektronikfertigung

Von der ersten Sekunde an war die Atmosphäre dicht. Krauß begann mit einer historischen Übersicht der Elektronikfertigung und wie sich Elektromechanik, Leiter und Halbleiter, Isolatoren, Transistoren entwickelt haben. Dann gab er eine Marktübersicht und wies auf das gegenwärtige und erwartete Wachstum etwa durch 5G, Home-Office und Elektrofahrzeuge hin, damit die Workshopteilnehmer Potential und Bedeutung der Elektronikfertigung ermessen können [3].

Im Anschluss wurde auf hohem Niveau – aber kompakt – der Ablauf einer Elektronikentwicklung dargestellt, der ‚Design Flow': von der Konzeptphase über erste Tests früher Protoypen einer Leiterplatte mithilfe von Steckplatinen (Breadboarding) bis hin zur Designphase als Startschuss eines diffizilen Projekts. Als Beispiel zog Dr. Krauß elektronische Nasen heran, die er selbst lange Jahre mitentwickelt hat [4].

Auch wurde in einer Art ‚Guerilla Research' ein moderner, im Laborgebäude zu Bruch gegangener Computermonitor untersucht, um die Miniaturisierung heutiger Leiterplattenstrukturen und Bauteile (im Vergleich mit ihren Vorgängern) zu verdeutlichen. Dr. Krauß hob die enorme Bedeutung der Miniaturisierung von Volumen – und damit von Kosten – in der Leiterplattenfertigung hervor, rekurrierte auf die Mikrofeinleitertechnik (<50 µm), stellte mit der integrierten Schaltung ‚NE555'eines der ‚berühmtesten Bauteile überhaupt' vor und streifte wichtige Aspekte, die bei Elektronikentwürfen insgesamt zu beachten sind (EMC/ESD-Prüfungen, rechtliche Vorgaben, CE-Siegel).

Das Herz elektronischer Geräte

Prof. Krauß bei der Einführung in ‚Fusion360‘Dr. Krauß bei der Einführung in ‚Fusion360‘Die Leiterplatte als ‚Herz' jedes elektronischen Gerätes wurde gesondert behandelt und der heutige ‚Standard' (FR4-Basismaterial, ein- oder mehrlagige Leiterplatten) grafisch verdeutlicht. Auch zeigte Dr. Krauß, wie eine Leiterplatte ‚ganz einfach' im DIY-Prozess entstehen kann – und wie sich dieser von der hochvolumigen Industriefertigung unterscheidet, die in der PLUS stetiges Thema ist. Gezeigt wurden beispielhaft Fertigungs- und Bestückungsprozesse bei Würth, ASM, Sick und Eso Electronic. Anhand des 3D-Druckers ‚V-One' von Voltera für Leiterplatten wurden Fräsen und Bohren, der Tintendruck für Schalt- und Lötpaste sowie Durchgangsbohrungen erläutert. Zugegeben – ein schneller und heißer Ritt durch die PCB-Fertigung. Die Teilnehmer – wie erwähnt neu in dem Metier – folgen jedoch mit großer Aufmerksamkeit.

Nun ging Dr. Krauß zum praktischen Teil des Workshops über. An einer kreisrunden Leiterplatte für ein ‚elektronisches Roulette' konnten sich die Teilnehmer selbst am Handlöten versuchen – nach Sicherstellung der Belüftung, um Lötrauch abzuleiten. Ebenso bestand die Möglichkeit, mithilfe des CAD-Programmes ‚Fusion360' ein Leiterplattendesign zu optimieren oder gar selbst ein Design zu erstellen. Da ‚Fusion360' Bildungseinrichtungen kostenlos zur Verfügung steht, wies Krauß auf die Möglichkeiten des Programms, die üppige Bauteilbibliothek und die verschiedenen 2D- und 3D-Schaltungsansichten hin. Dieser Software-Aspekt wirkte allerdings in seiner Komplexität fast einschüchternd – die Teilnehmer wagten es nicht, selbst Hand an den Rechner zu legen und das Design der Leiterplatte umzugestalten. Sie stellten jedoch spezifische Fragen zu den Bereichen, die für ihre eigenen Projekte entscheidend sind – zur Sensorik, zu bestimmten Bauteilen und Lötverbindungen. Entsprechend beendete Dr. Krauß den Workshop mit einem Verweis auf zahlreiche Webseiten, die zur Vertiefung der angesprochenen Inhalte im Selbststudium hilfreich sein könnten.

Erfolgreicher Workshop trotz Sommerhitze

Workshopteilnehmer – die Neurobiologin ist bereits beim HandlötenWorkshopteilnehmer – die Neurobiologin ist bereits beim HandlötenAm Ende rauchte sicher nicht nur der Lötdraht, sondern auch mancher Kopf. Es war jedoch beeindruckend, wie in einem kompakten Workshop ‚Neulingen' die Grundlagen der Leiterplatten- und Elektronikfertigung vermittelt wurden. Sicher war es dabei von Vorteil, dass die Teilnehmer zwar kein Ingenieurvorwissen besaßen, aber durch ihre universitäre Ausbildung vorgeprägt waren. Als Gründerinnen und Gründer können sie auf jeden Fall auf diesem Fundament aufbauen. Das Wissen, welche Kompetenzen sie für ihre Projekte benötigen werden, ist zweifellos kostbar – und dass die Eberhard-Karl-Universität Tübingen mit dem Start-up-Center diese Möglichkeit anbietet, regt zum Nachdenken an: Wie lassen sich gerade in Zeiten des Fachkräftemangels Grundlagen jenen vermitteln, die neu und/oder rasch in der Elektronikindustrie anfangen, in eigener Initiative Gründungsideen entwickeln oder beruflich mit der Leiterplattenfertigung in Berührung kommen? Es dürfte sich lohnen, solche Konzepte weiter zu beobachten.

Weblinks

www.uni-tuebingen.de/forschung/innovation/startup-center/
www.autodesk.de/products/fusion-360/
www.top50startups.de

Referenzen

[1] Platz 1: RWTH Aachen, Platz 2: TU Berlin. Siehe hierzu: www.top50startups.de
[2] Vgl. die Broschüre des StartUpCenters: www.uni-tuebingen.de/forschung/innovation/startup-center/newsfullview-aktuelles/article/neue-broschuere-des-startup-centers/ (Abruf: 1.8.2023).
[3] Zur Sprache kommen u. a. die Großinvestitionen vonWolfspeed (vgl.PLUS 2/2023, S. 146) und Intel, vgl. die Kolumne von Heiko Weckbrodt in diesem Heft (S. 1044)
[4] Siehe S. 1008.

  • Ausgabe: August
  • Jahr: 2023
  • Autoren: Markolf Hoffmann
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