Reinräume: sterile Herzkammern der Hightech-Produktion

 Reinräume: sterile Herzkammern der Hightech-Produktion

Reinraumtechnik spielt eine entscheidende Rolle in der Elektronik, da die Kontrolle von Partikeln und Verunreinigung in der Luft und der Fertigungsumgebung die Herstellung hochpräziser und fehlerfreier Bauteile ermöglicht. Aber auch für andere Produktionen ist moderne Reinraumtechnik unerlässlich.

Wer schon einmal das Herzstück einer Chipfabrik selbst besucht hat, der weiß, welcher Aufwand für Mensch, Maschinen und Finanzen die Produktion hochtechnologischer Produkte wie Prozessoren und anderer Schaltkreise mit sich bringt: Die Subfab unter dem eigentlichen Fertigungsflur mit all ihren Zuleitungen, Spezialchemierohren, Abluft- und Überdrucksystemen und Aufbereitungsanlagen verschlingen Milliarden für den Bau einer modernen Mega-Fab – und verursachen später im Betrieb erhebliche laufende Kosten.

Die Chipwerker wiederum müssen sich Schicht für Schicht in Ganzkörperoveralls samt Maske und Reinraumschuhen hineinzwängen und müssen viele Stunden lang unter schier ewigem Kunstlicht arbeiten. Auf solch besonders sterile Orte sind aber eben viele heutigen Technologiebranchen zwingend angewiesen: nicht nur die Mikroelektronik-Hersteller, sondern auch Sensorik-Betriebe, Pharma- und Biotech-Unternehmen und viele andere.

Zu den Branchen, die auf Reinräume angewiesen sind, gehören:

  • Halbleiterindustrie: Die Fabs stellen Mikrochips und andere elektronische Bauteile her, die sich selbst durch kleinste Verunreinigungen während der Produktion in extrem teuren Ausschuss verwandeln.
  • Pharmaindustrie: Sie gewinnt in Reinräumen sterile Arzneimittel, Impfstoffe und medizinische Geräte, die höchste Qualitäts- und Sicherheitsstandards erfüllen.
  • Optikindustrie: Linsen, Spiegel und andere optische Komponenten werden in Reinräumen gefertigt, um Verzerrungen und Reflexionen zu minimieren.
  • Medizintechnik: Implantate, Herzschrittmacher und andere medizinische Geräte erfordern eine äußerst saubere Produktionsumgebung.
  • Raumfahrtindustrie: Satelliten und Raumfahrzeuge entstehen unter Reinraum-Bedingungen, damit sie später im Weltraum zuverlässig funktionieren.
  • Uhrenindustrie: Manche hochpräzise Uhrenmechanismen werden in Reinräumen montiert, um eine lange Lebensdauer und höchste Genauigkeit zu sichern.

Reinräume werden nach ihrer Reinheits-Klasse klassifiziert, die die maximale Anzahl an Staub- oder Rußpartikeln, Schuppen oder anderen Fremdteilchen pro Kubikmeter Luft angibt. Je niedriger die Partikelzahl, desto höher ist die Reinheitsklasse. Die gängigsten Klassifizierungen sind:

  • ISO-Klasse 1-9: Die internationale Norm ISO 14644-1 definiert neun Reinheitsklassen. Dabei ist Klasse 1, die für die Herstellung hochpräziser Produkte wie Mikrochips genutzt wird, am saubersten: In einem Reinraum dieser Klasse darf sich in jedem Kubikmeter Luft maximal zehn Partikel mit einer Größe von 0,1 µm befinden.
  • GMP-Klassen A-D: GMP steht dabei für ‚Good Manufacturing Practice‘. Ein Leitfaden der Europäischen Union definiert hier die vier Klassen von A bis D für die pharmazeutische Industrie, die den ISO-Klassen entsprechen.

Trend geht zum smarten und modularen Reinraum

Die Reinraumtechnologie entwickelt sich kontinuierlich weiter. Zu den jüngeren Trends gehören smarte Reinräume: Durch den Einsatz von IoT-Sensoren und ‚Künstlicher Intelligenz‘ lassen sich das ‚Wetter‘, die Produktionsprozesse und Wartungsintervalle heute weit präziser und flexibler steuern als früher. Solche ‚intelligenten‘ Reinräume reagieren teilweise bereits selbstständig auf Veränderungen. Auch ‚modulare Reinräume‘ sind im Kommen: Modulare Systeme ermöglichen eine flexible Anpassung an wechselnde Produktionsanforderungen und eine schnellere Inbetriebnahme. Dieses Konzept spart Ressourcen, kann zudem Investitionen je nach Marktentwicklung strecken oder straffen. Nicht zuletzt spielen auch die Themen Nachhaltigkeit und Energieeffizienz eine wachsende Rolle.

Blick in den Reinraum der Bauelemente-Fabrik von SAW COMPONENTS (Bild: Heiko Weckbrodt)Blick in den Reinraum der Bauelemente-Fabrik von SAW COMPONENTS (Bild: Heiko Weckbrodt)

Fast jede Weltregion hat ihren eigenen Vorschriftenkanon

Hinzu kommen neue Regeln und Standards, die teils von der Branche selbst weiterentwickelt, teils staatlich oder überstaatlich vorgegeben werden. Ein Beispiel dafür ist der ‚Annex 1‘ zum EU-GMP-Leitfaden, den die EU-Kommission im Herbst 2022 finalisiert hat. Er stellt neue Anforderungen an Reinräume in der pharmazeutischen Industrie.

Zur Überwachung des ‚Reinraumwetters‘ hat der Halbleiterhersteller Infineon zeitweise solche Roboter eingesetzt (Bild: Infineon)Zur Überwachung des ‚Reinraumwetters‘ hat der Halbleiterhersteller Infineon zeitweise solche Roboter eingesetzt (Bild: Infineon)

10 % Marktwachstum pro Jahr sind zu erwarten

Die wachsende Bedeutung von Reinräumen bietet Unternehmen, die Reinraumausrüstungen herstellen und betreiben, erhebliche wirtschaftliche Chancen: Die steigende Nachfrage für hochwertige Elektronik-, Pharma- und Medizinprodukte treibt auch den Bedarf an Reinraum-Ausrüstungen weiter an. Unternehmen, die innovative Lösungen für die Reinraumtechnologie entwickeln, können sich hier einen Wettbewerbsvorteil sichern. Branchenbeobachter gehen davon aus, dass vor allem der deutsche Reinraum-Markt auf absehbare Zeit um 10 % pro Jahr zulegt.

www.sawcomponents.de, www.infineon.com

 

  • Ausgabe: Januar
  • Jahr: 2020
  • Autoren: Heiko Weckbrodt
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