Warum die Beschränkung von PFAS längst überfällig ist

Anfang 2025 zeigten Stichproben, dass auch der Meeresschaum an deutschen Küsten mit PFAS-Chemikalien belastet ist

Eine PFAS-Beschränkung bietet stärkeren Schutz von Mensch und Umwelt – und bietet neue Chancen für Unternehmen.

Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) sind eine Gruppe von über 10.000 Verbindungen, die aufgrund ihrer Stabilität sowie fett- und wasserabweisenden Eigenschaften in einer Vielzahl von Anwendungen, auch in der Elektronik- und Halbleiterbranche, eingesetzt werden.

Die hohe Stabilität der PFAS ist zwar technisch erwünscht, für den Umwelt- und Gesundheitsschutz jedoch höchst problematisch. PFAS sind in der Umwelt praktisch unzerstörbar und reichern sich daher kontinuierlich in Wasser, Boden und Organismen an. Sie werden weltweit [1]in Blut und Muttermilch von Menschen und Tieren sowie in Trink- [2] und Regenwasser [3] nachgewiesen. Die meisterforschten ‚Ewigkeitschemikalien' werden mit bestimmten Krebserkrankungen, Entwicklungsstörungen und anderen schweren Gesundheitsproblemen [4] in Verbindung gebracht. Mit steigenden Konzentrationen werden Umwelt und Gesundheitsschäden immer wahrscheinlicher.

Was beinhaltet die geplante Beschränkung?

ECHA-Headquarters in Helsinki, FinnlandDer im Januar 2023 eingereichte Beschränkungsvorschlag ist ein strukturierter und kalkulierbarer ‚Fahrplan' zur Beendigung der Produktion und Verwendung von PFAS [5]. Für unverzichtbare Verwendungen, für die bisher keine ausreichenden Alternativen bekannt sind, werden Übergangsfristen von 6,5 bzw. 13,5 Jahren vorgeschlagen. Für die Elektronik- und Halbleiterbranche sind bisher keine Übergangsfristen formuliert, da nach den Informationen, die bei der Erarbeitung des Vorschlags vorlagen, einige Alternativen bereits im Einsatz oder in der Entwicklung sind.

In der Konsultation von März bis September 2023 konnte die Beschränkung kommentiert werden. Die Ausschüsse der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) beraten nun darüber, ob aufgrund der hier neu erhaltenen Informationen Änderungen für die zukünftige Beschränkung nötig sind.

Wie bewertet CHEM Trust den Vorschlag?

Die Persistenz der PFAS, in Kombination mit weiteren kritischen Eigenschaften wie die hohe Mobilität oder Bioakkumulierbarkeit sowie die gesundheitsschädigenden Wirkungen der bereits untersuchten und z.T. bereits verbotenen Vertreter dieser Gruppe (z. B. PFOS und PFOA) zeigen den dringenden Handlungsbedarf und rechtfertigen die Beschränkung. Dies gilt auch für Fluorpolymere, bei denen besonders Herstellung und Entsorgung erhebliche PFAS-Emissionen verursachen [6] und die somit ebenso kritisch sind wie nichtpolymere PFAS.

Würde nur ein Teil der PFAS-Gruppe beschränkt, könnten Unternehmen bereits regulierte PFAS durch (noch) nicht regulierte PFAS ersetzen (‚regrettable substitution'), was unnötige Kosten verursachen und ‚wirkliche' Innovation hin zu sichereren Alternativen verhindern könnte. Dies ist in der Vergangenheit bereits oft geschehen, z. B. beim Ersatz von Bisphenol A [7].

Das ‚Forever Pollution Project' fand über 23.000 mit PFAS belastete Orte in ganz Europa, davon über 1.500 in Deutschland, deren Sanierung höchst problematisch ist, wie etwa der Fall des ‚Hotspots' Rastatt zeigt [8]. Etliche PFAS-haltige Produkte werden weltweit genutzt und entsorgt. Die Ergebnisse von Untersuchungen zum Verhalten von PFAS in Abfallverbrennungsanlagen sind uneindeutig [9] und es ist unklar, ob und wie sehr diese Verbindungen tatsächlich zerstört werden. Unseres Erachtens kann also in keinem Fall von der Möglichkeit einer ausreichenden Emissionskontrolle oder einer geordneten Entsorgung ausgegangen werden. Daher bewertet CHEM Trust den Vorschlag, PFAS als Gruppe zu beschränken, als sinnvoll und effektiv.

Produktionsanlage für Fluorpolymere in Dordrecht (Niederlande)

Welche Chancen stecken in der Beschränkung?

Seit Veröffentlichung des Beschränkungsvorschlags ist eine Verunsicherung über die möglichen Folgen wahrzunehmen, auch in den Lieferketten der Elektronik- und Halbleiterbranche. Da viele PFAS aufgrund fehlender Daten keine chemikalienrechtliche Einstufung haben, wurde bisher über ihren Gehalt in (Vor-)Produkten kaum kommuniziert. Daher ist vielen Firmen unklar, wie die Beschränkung sie beträfe und für welche Verwendungen sie Alternativen benötigen. Die geplante Beschränkung kann die Emissionen der Ewigkeitschemikalien effektiv minimieren und den Weg zu einer PFAS-freien Wirtschaft ebnen. Für die notwendigen Innovationen wird die Wirtschaft kurzfristig Ressourcen investieren müssen. Diese sind jedoch mit dem gesellschaftlichen Nutzen ins Verhältnis zu setzen. Journalist*innen des ‚Forever Pollution Projects' schätzen allein die Kosten für die Sanierung der Umwelt in der EU auf 100 Milliarden Euro pro Jahr [10]. Einer Studie zufolge belaufen sich die mit PFAS in Verbindung stehenden Gesundheitskosten in der EU auf 52-84 Milliarden Euro pro Jahr [11]. Diese Kosten kann die Beschränkung zumindest signifikant reduzieren.

Zudem unterstützt die Beschränkung Unternehmen, die PFAS bereits ersetzt haben, gibt denen, die dies noch tun müssten, eine eindeutige Perspektive und schafft Klarheit für Hersteller von Alternativen über mögliche zukünftige Märkte. Auch Investoren drängen zunehmend darauf, PFAS und damit Haftungs- und Geschäftsrisiken zu vermeiden [12].

Es ist verständlich, dass sich Unternehmen über mögliche Schwierigkeiten bei der Umstellung der Produktion sorgen. Das sollte jedoch nicht dazu führen, dass die Beschränkung abgelehnt oder verwässert wird, sondern sollte konstruktive Energien wecken und Innovationen anstoßen.

Informationen über Alternativen sind öffentlich verfügbar. Die Datenbank [13] des ZeroPM-Projektes listet z. B. circa 100 Alternativen zu PFAS in der Elektronik- und Halbleiterindustrie auf, von denen ca. 50 bereits als Schmier-, Löse- und Reinigungsmittel eingesetzt werden. Verschiedenste Forschungskooperationen suchen nach Ersatz für PFAS – der nicht notwendigerweise in einem einzelnen Stoff, sondern auch in alternativen Technologien, Materialien oder Verfahren gefunden werden kann. Die gesamte Industrie sollte jetzt die Chance ergreifen, diese Herausforderung gemeinsam zu stemmen – in Einklang mit dem Ziel einer wirklich grünen, also auch schadstofffreien Transformation.

Referenzen

[1] https://chemtrust.org/de/publikation/pfas-die-ewigen-chemikalien/ (Abruf: 1.3.2025).
[2] https://chemtrust.org/de/pfas-trinkwasser-skandale-europa/ (Abruf: 1.3.2025).
[3] https://www.bbc.com/news/scienceenvironment-62391069 (Abruf: 1.3.2025).
[4] https://www.unep.org/topics/chemicals-and-pollution-action/pollution-and-health/persistent-organic-pollutants-pops/and#:~:text=They%20are%20a%20large%20family,Stockholm%20Convention%20as%20industrial%20POPs (Abruf: 1.3.2025).
[6] https://chemtrust.org/de/fuenf-gruende-eu-pfas-verbot/
[7] Dalmijn et al. (2024): 'Emission inventory of PFASs and other fluorinated organic substances for the fluoropolymer production industry in Europe’
https://pubs.rsc.org/en/content/articlelanding/2024/em/d3em00426k (Abruf: 1.3.2025).

[8] https://www.chemtrust.org/wp-content/uploads/chemtrust-toxicsoup-summary-mar18.pdf (Abruf: 1.3.2025).
[9] https://www.bundestag.de/resource/blob/999196/2a397b671b7e3f7972ec72160ce8bba4/20-16-266-B_Landratsamt-Rastatt.pdf (Abruf: 1.3.2025).
[10] https://foreverpollution.eu/lobbying/the-stress-test-methodology/ s. Expertin Herzke zu Argument 7: ‚Waste can be managed' (Abruf: 1.3.2025).
[11] https://foreverpollution.eu/lobbying/the-cost-of-remediation/ (Abruf: 1.3.2025).
[12] Goldenmann et al. (2019): ‚The cost of inaction: A socioeconomic analysis of environmental and health impacts linked to exposure to PFAS’. http://dx.doi.org/10.6027/TN2019-516 (Abruf: 1.3.2025).
[13] https://chemsec.org/knowledge/IIHC/ (Abruf: 1.3.2025).

  • Titelbild: Anfang 2025 zeigten Stichproben, dass auch der Meeresschaum an deutschen Küsten mit PFAS-Chemikalien belastet ist
  • Ausgabe: März
  • Jahr: 2025
  • Autoren: Dipl.-Biol. Antonia Reihlen, CHEM Trust
  • Link: https://chemtrust.org/de/
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