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Mittwoch, 15 Juli 2020 07:00

Online-Event als Alternative zum Live-Kongress

von Gustl Keller
Geschätzte Lesezeit: 4 - 7 Minuten

Nach dem Corona-Epidemie-bedingten Verbot öffentlicher Veranstaltungen bieten nun etliche Organisationen Online-Alternativen an. Zu den ersten Veranstaltungen dieser Art in der Elektronikbranche gehörte die Zuken Innovation World Deutschland Digital 2020. Sie war ein Beispiel mit Vorbildcharakter.

Die Zuken Innovation World 2020 Digital ist von Zuken als Ersatz für den ursprünglich in Darmstadt geplanten Zuken Innovation World Live Kongress veranstaltet worden. Die als Webinar-Reihe konzipierte ZIW Deutschland Digital umfasste die wichtigsten der geplanten Präsentationen. Sie startete auch am Plandatum der Live-Veranstaltung und war für die Teilnehmer sogar kostenfrei. Die ZIW Deutschland Digital verzeichnete mit 325 Teilnehmern (ohne Mitarbeitende von Zuken) einen neuen Rekord.

Das Webinar-Konzept

Da eine Live-Veranstaltung nicht 1:1 in ein Webinar überführt werden kann, sind die Inhalte von Zuken auf 2 Wochen und je 3 Tagen pro Woche mit jeweils 1,5 Stunden verteilt worden. Dies war für die Teilnehmer nicht nur deutlich angenehmer als stundenlang nonstop im (Home-)Office ein Webinar zu verfolgen sondern auch wirksamer für ihren Lernerfolg. Das Zuken Webinar-Konzept hat somit Vorbildcharakter. Die Vorträge waren dabei in 3 Tracks zu Schwerpunktthemen eingeteilt:

  • Electrical Engineering – Neue Features und Anregungen für die tägliche Anwendung von E3.series und DS-E3
  • Electronic Engineering – Neue Features und Anregungen für die tägliche Anwendung von CR-8000 und DS-CR
  • Digital Engineering – Experten aus Wissenschaft und Industrie geben Einblick in Zukunftsszenarien der digitalen Produktentwicklung

Die von Zuken Fachleuten bestrittenen Tracks Electrical Engineering und Electronic Engineering fanden jeweils parallel statt. Der Track Digital Engineering war zeitlich so versetzt, dass sich keine Überschneidung mit den anderen Tracks ergab.

Die vermittelten Inhalte

Der Track Electrical Engineering umfasste folgende Beiträge bzw. Themen:

  • Achim Stirner informierte über die Highlights der aktuellen E3.series 2020.
  • Den Schaltschrankaufbau mit E3.panel erläuterten Achim Wenzelburger und Holger Sielaff.
  • Die E3.ComponentCloud Konfiguration behandelten Bernd Bross und Bernd Schlenk.
  • Über die E3.series PLM-Integration sprach Markus Neubauer.
  • Wie mit dem neuen Modul E³.formboard Advance die Kabelsatzdaten für Fertigung und Montage generiert werden können, stellte Uwe Schütz vor. Es unterstützt die Parallelentwicklung von Stromlaufplan und Kabelbaum sowie das Variantenmanagement und den Datenimport von Fremdsystemen.
  • Reinhold Blank referierte über automatisch generierte Schaltpläne für Diagnose im Service.
  • Auch über die E3.3DTransformer MCAD-Collaboration sprach Reinhold Blank.

Im Track Electronic Engineering gab es folgende Präsentationen bzw. Informationen:

  • Marcel Voges informierte über die Highlights der CR-8000 2020, wobei er mit einem Produktüberblick startete und danach die neuen Features der Tools Design Gateway bzw. Design Force für das virtuelle Multiboard-Prototyping erläuterte. Beispielsweise kann mittels Leiter-Anklicken eine simultan zum Layout erfolgende SI- bzw. PI-Analyse mit einem 2D-Field-Solver erfolgen. Weiterhin ging er auf das Advanced Design for Manufacturing mit über 800 Regelchecks sowie auf die DS CR Möglichkeiten für die Workflow-Integration ein. U. a. können damit die Kosten eines Artikels im Stromlaufplan angezeigt werden.
  • Ralf Brüning betrachtete die technologische Entwicklung und die daraus resultierende zunehmende Forderung nach SI/PI-Analysen sowie deren Grundlagen und Praxis. Der Zuken High Speed-Designflow mit CR-8000 unterstützt die entwurfsbegleitende Simulation, d. h. einen Designprozess für HS-Leiterplatten, bei dem gleichzeitig mit dem Layout Analysen der Signal- und der Power-Integrität sowie der EMV-Konformität erfolgen und zudem angezeigt wird, was passiert, wenn eine Forderung/Regel nicht eingehalten werden kann.
  • Details der Constraint-Spezifikation in CR-8000 beschrieb Herbert Ritthaler.
  • Das Library- und Designdaten-Management mit DS-CR erläuterte Michael Flügel. Zusätzlich zu Schaltplan, Layout und Stückliste erfolgt auch ein Vergleich der Bibliotheken inklusive Update der Metadaten, so dass ggf. (z. B. bei Obsoleszenz) auf einen Schlag auf alle Varianten zugegriffen werden kann und die benötigten Produktionsdatensätze automatisch erstellt werden können.
  • Jim DeLap, Ansys, erläuterte die Ansys-CR-8000 direct Integration.
  • Werner Rissiek und Manfred Vogt beschrieben anhand von Beispielen, wie anwenderspezifische Funktionen und Schnittstellen realisiert werden. Sie erläuterten dabei auch das zugehörige Projektmanagement und die erhältlichen Ad-On-Tools.
  • Torsten Armerding zeigte die Möglichkeiten des Multiboard-Layouts in 3D samt der zugehörigen Checks auf. Dazu zählen beispielsweise Kollisionsprüfungen und Prüfungen des Isolationsabstands zwischen den Designobjekten.

Im Digital Engineering Track spannte sich der Bogen vom Komplexitätsmanagement bis zur KI-Anwendung

Dr. Ing. Christian Dölle, Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen, referierte am ersten Tag über das ganzheitliche Komplexitätsmanagement. Zu Beginn betonte er, dass einen schlechten Prozess zu digitalisieren, einen schlechten Digitalprozess zur Folge hat. Die Gesamtkomplexität steigt exponentiell, da Funktions-, Produktprogramm- und Netzwerkkomplexität zunehmen. Deshalb ist das Komplexitätsmanagement inzwischen für die Unternehmen zu einer Pflicht geworden. Nicht die Vermeidung von Komplexität sondern die Identifikation einer optimalen Komplexität ist die angestrebte Lösung. Mittels Variantenmanagement im Produktprogramm ist die Beherrschung der marktseitigen Komplexität möglich. Eine verursachungsgerechte Verteilung der Kosten unterstützt dabei die Portfolioprofitabilität. Die interne und die externe Vielfalt müssen aufeinander abgestimmt werden. Diese Abstimmung unterstützt bei der Erarbeitung einer Baukastenlogik zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit. Die Gestaltung von Produktbaukästen ist ein zentraler Bestandteil des Komplexitätsmanagements. Diese sollte nicht allein von der Entwicklung erfolgen, da eine ganzheitliche Betrachtung der Wertschöpfungskette notwendig ist. D. h. der Baukasten ist nicht als Standard sondern kommuniziert, von den Anforderungen des Kunden ausgehend, zu realisieren.

Digitaler Zwilling, Digital Thread, PLM und MBSE sind Schlagworte, die man immer häufiger hört. Oliver Hechtl, Head of Strategic DM/ & I Solutions der Zuken GmbH, erläuterte diese. Er sagte, dass der Digitale Zwilling (Digital Twin) die Königsdisziplin sei, indem damit die Realität simuliert sowie auch rückgekoppelt würde. Voraussetzung ist die Robustheit des Prozesses und eine erfolgreiche Digitalisierung erfordert eine partielle Digitalisierung. Denn viele Ansätze sind in vielfacher Hinsicht komplementär und können, mit Maß und Ziel eingesetzt, helfen, die Informationsflüsse nicht nur in der Produktentwickung der Industrie sondern auch bei komplexen IT-Projekten zu kanalisieren.

Als Keynote präsentierte Prof. Dr. Gerd Ganteför, Universität Konstanz, am dritten Tag den Beitrag ,Heute Science Fiction – morgen Realität. An den Grenzen des Wissens und darüber hinaus'. Er räumte dabei mit der verbreiteten Meinung auf, in der Wissenschaft seien keine großen Erkenntnisse mehr zu erwarten. Doch Forschung ist nie am Ende. Schließlich gibt es Tausende von offenen und sehr spannenden Fragen wie: ,Gibt es ein Ende der Welt?', ,Sind wir dazu verurteilt, alt und schwach zu werden und zu sterben?' und die Frage nach der Existenz außerirdischen Lebens. Wie der aktuelle Stand der Forschung und Technik ist, zeigte er an Beispielen auf. Nun kommen Nanotechnik und KI sowie deren Anwendungen. Mit den Grenzen des Wissens und den Visionen für die Zukunft schloss er den Vortrag. Als Energievisionen zählte er dabei Raumtemperatur-Supraleiter, Schwarze Minilöcher und Dunkle Energie auf.

Über die (Alt-)Datenübernahme in e3.series und CR-8000 informierte Heinrich Dotzauer, Gründer und Geschäftsführer von pan42. Im Zuge der Integration übernommener Unternehmen oder Unternehmensteile, der Harmonisierung heterogener Systemlandschaften oder des Wechsels zu einem zeitgemäßigen CAD-System, müssen in der Regel größere Mengen von Bestandsdaten konvertiert und migriert werden. Pan42 verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Übertragung von E-CAD-Daten zwischen unterschiedlichen Designsystemen. Die verschiedenen Möglichkeiten und die Vorgehensweise bei der Datenmigration auf die neueste Version von Zuken E3.series und CR-8000 wurden dargelegt.

Im letzten Vortrag erläuterte André Alcalde, Chief Product Officer CELUS – Contunity GmbH, wie die KI-unterstützte Generierung von PCB-Designs realisiert wurde. Inzwischen kann mit der von CELUS entwickelten Plattform in einem automatisierten Verfahren das HW-Design der Leiterplatte so einfach wie SW generiert werden.

ZIW Europa Digital 2020 – Fortsetzung der Webinar-Vortragsreihe

Aufgrund der allgemeinen Lage mussten auch alle geplanten Live ZIW Events außerhalb Deutschlands abgesagt werden. Nach der erfolgreichen Veranstaltung der ZIW Deutschland Digital hat Zuken beschlossen, auch in anderen Ländern Europas digital nachzuziehen und die Highlights aus den übrigen ZIW Live Programmen in einer gemeinschaftlichen digitalen Webinar-Vortragsreihe zu präsentieren. Das Resultat ist ein europaweiter, mehrwöchiger Online-Event in fünf Sprachen mit 40 Sitzungen zu Themen aus dem Electrical und Electronic Engineering. Der Event ist eine Erweiterung der ZIW Deutschland Digital mit einem zusätzlichen Vortragsangebot. Die persönliche Agenda kann auch hier individuell zusammengestellt werden und auch die Teilnahme an der ZIW Europa Digital 2020 ist kostenfrei.

Der Termin für die nächste ZIW-Live steht bereits fest: 4. bis 5. Mai 2021.

Weitere Informationen

  • Ausgabe: 7
  • Jahr: 2020

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