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Mittwoch, 15 November 2023 13:00

Im Gegenteil! - Satz und Gegensatz

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Im Gegenteil! - Satz und Gegensatz Bild von morhamedufmg auf Pixabay

Ich halte es für eine gute Denkübung, Sätze, die im öffentlichen Diskurs als ewige Wahrheiten präsentiert werden, mit ihren Gegensätzen zu vergleichen, um zu sehen, ob an ihnen nicht auch etwas dran ist. Hier ein paar Bespiele: Statt „Ich weiß, dass ich nicht(s) weiß“, sollte man sagen, „Ich weiß, dass ich wissen will“, was man doch unmittelbar spürt.

Und stimmt es, wenn man sagt, „Aller Anfang ist schwer“? Muss es nicht umgekehrt heißen, „Aller Anfang ist leicht.“ Durchhalten ist schwer. Und wenn der chinesische Philosoph Konfuzius meint „Der Weg ist das Ziel“, wäre es nicht besser zu schreiben „Das Werden ist das Ziel“. Berühmt ist der Spruch „Zeit ist Geld“, tatsächlich aber ist Zeit umsonst. Es ist das einzige, das Menschen kostenlos für ihr Leben bekommen und das sie auch brauchen, um zu wachsen und etwas zu sagen. Philosophen sagen gerne Sätze wie „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.“ Besser wäre, Das Ganze ist anders als die Summe seiner Teile. Der große Newton hat geschrieben, „Ich mache keine Hypothesen!“. Wusste er nicht, dass man ohne Hypothesen gar nichts machen kann? Das bringt uns zur Wissenschaft, vor der man meint, sie lüftet die Geheimnisse der Welt. Tatsächlich passiert des Gegenteil: Die Wissenschaft vertieft die Geheimisse der Welt. Es gibt nämlich keine „Entzauberung“, dafür aber „Die Verzauberung der Welt“. Das Leben wird dadurch offen, denn mit wachsendem Wissen wird die Zukunft nicht vorhersehbar, sondern immer unvorhersehbarer. Beispiel: Mit dem Humanen Genom­projekt hoffte man, einen Überblick über die Gene der Menschen zu bekommen. Tatsächlich hat man mit den vielen Daten die Übersicht verloren – über mögliche Deutungen. Zu den berühmten Sätzen des Sozial­philo­sophen Theodor W. Adorno gehört die Behauptung, Es gibt kein richtiges Leben im falschen, was falsch wird, wenn man ein Wort ergänzt: Es gibt kein richtiges Leben im falschen Körper. Gibt es doch. Die Medizin bemüht sich bei ihren Patienten sehr darum, viel richtiges Leben im kranken Körper zu erlauben. Vielleicht hätte Adorno sich fragen sollen, ob es richtiges Denken im falschen Kopf gibt. Seine Schüler haben versucht, eine Theorie der Gesellschaft ohne Anleihe bei den Naturwissenschaften zu entwerfen. Das hat man davon, wenn man die Geschichte der Naturwissenschaften ignoriert. Sie zeigt, dass man nicht einmal die Genetik ohne Physik verstehen kann, obwohl die ersten Erforscher der Vererbung nichts mehr wünschten als das.

 

Weitere Informationen

  • Ausgabe: 11
  • Jahr: 2023
  • Autoren: Ernst Peter Fischer

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