Informationen über Branchentrends und neue technologische Entwicklungen sowie der Austausch unter Fachleuten waren zentrale Bestandteile des von Viscom auf ihrem Campus in Hannover unter dem Motto ‚Unlocking the Potential of AI – Smart Connectivity, Decision Making and Inspection Systems' veranstalteten Technologieforums 2023.
Schwerpunktthema des Technologieforums war der Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) bei smarten Maschinen, was wie die gesamte Veranstaltung großes Interesse fand. Das Programm umfasste neben den Workshops und Vorträgen einen Blick weit über den Tellerrand der Inspektionstechnologien der Elektronikfertigung. Zudem gab es eine Systemausstellung, individuelle Innovation Touren, einen Unternehmensrundgang, der Einblicke in die Fertigung und Logistik bot, und ein ‚Get-together'.
Zur Begrüßung spannte Vorstand Carsten Salewski einen mit Anekdoten gespickten Bogen von den Anfängen des Unternehmens bis hin zur heutigen internationalen Aufstellung mit mehreren Unternehmenstöchtern und einem weltweiten Vertrieb. Er betonte: „Wir bleiben jung, wir machen so weiter, sind innovativ und haben noch viel vor.“ Später vor der ersten Keynote ergänzte er, dass alle Technologien zu nutzen sind, um besser zu werden, und dass für die Zukunft der Inspektion neben KI und Technologie das User Interface ein wesentlicher Faktor ist.
Mit einer Keynote zur Konnektivität startete die Vortragssitzung am ersten Tag
Dr. Sabine Seymour, bekannt als Datenökonomin, Unternehmerin, Forscherin, Professorin und Investorin in der internationalen Tech-Szene, appellierte in ihrer Keynote: ‚Get connected: Mit neuen Technologien Synergien gestalten – sozial, ökonomisch und ökologisch' an die Zuhörer. Der menschliche Körper ist mit der, wie sie formulierte „Leiterplatte im Hirn“, ein Knoten in einem vernetzten System und die Technologie der Textilelektronik ist Basis für das Empowerment durch Sensoren und Informationstechnik. Anhand von Beispielen für High-Tech-Anwendungen in Bereichen wie Mode, Landwirtschaft oder Gesundheit – chronisch Kranken kann mit Implantaten geholfen werden – zeigte sie Vorteile auf und machte auch auf deren Risiken und mögliche Fehlentwicklungen aufmerksam. Dr. Seymour nannte sieben Prinzipien für die Realisierung der Privacy by Design. Für die Wertigkeit von Daten gilt, wie sie betonte, dass auch bei der KI Qualität vor Quantität kommt, denn Nachhaltigkeit ist gefordert. Weisheit, Wissen und Informationen/Daten sind die Basis. Europa braucht hierfür eine eigene Infrastruktur und unterstützende Gesetze, wie das Recht auf Reparatur. Sie schloss ihre Keynote mit acht ethischen Fragen bzgl. der KI (Fairness, Verantwortlichkeit, Sicherheit, Auswirkungen auf die menschliche Interaktionen und Beschäftigung, Entscheidungsbefugnis und Roboterrechte).
Wie die beste Maschinenperformance für wiederholgenaue Prüfergebnisse realisiert werden kann, erklärte Manuel Salgueiro, Viscom, ausgehend von den Widrigkeiten bei und Anforderungen an die Prüftechnik. Wartung und Instandhaltung von Soft- und Hardware der Prüfsysteme sowie eine systematische Optimierung der Prüfpläne sind Voraussetzung. Dazu kommt bei vVision 3.40 eine kontinuierliche Anlagenüberwachung im Automatikbetrieb nach jeweils 50 Leiterplatten, wobei u. a. Grauwerte und Kontraste überprüft werden sowie eine 3D-Höhenprüfung und eine Prüfung des XM-Sensormoduls erfolgen, um 100 % Sicherheit zu erreichen.
Über vSPC 2.0 – die neue Statistik-Software auf Basis von vConnect informierte Florian Martin, Viscom, nach einem Rückblick auf die SW-Entwicklung. vSPC 2.0 ermöglicht nun eine standortübergreifende Integration der statistischen Prozesskontrolle, einer der Vorteile der Einbindung in vConnect. Er sagte: „Es gibt Standorte, die dezentral arbeiten, aber kombiniert und verknüpft werden wollen“. Man wolle immer mehr Informationen in kürzester Zeit auswerten und analysieren. Unter Einhaltung höchster Sicherheitskriterien werde ein neues Level der Transparenz erreicht. Hier seien bei den Abfragen und Ergebnissen eine hohe Performance und sehr gute Usability entscheidend.
Dass die Künstliche Intelligenz auf dem Vormarsch ist, zeigte Dr. Maren Awiszus, Viscom, ausgehend von deren Definition und Historie auf. Dabei ging sie auch auf deren Probleme hinsichtlich Datenschutz und -sicherheit sowie der Erfüllung legaler Anforderungen und der Dokumentation ein. Zu den klassischen Aufgaben der KI gehört das Lernen aus Daten, aber mehr als nur Deep Learning. Denn inzwischen gibt es die generative KI, die weit mehr Möglichkeiten eröffnet. Es gilt nun diese KI für Anwendungen verantwortungsbewusst und gemeinsam zu entwickeln und zu nutzen.
Wie eine 100 %-ige Qualitätskontrolle für Leistungsmodule und IGBT-Anwendungen erfolgen kann, beschrieb Peter Krippner, wobei er zuerst auf die besonderen Herausforderungen bei der 3D-Röntgeninspektion dieser Objekte einging. So ist die Einhaltung von Sicherheits- und Performanceanforderungen essentiell. Das ‚3D-AXI-System iX7059 Module Inspection' ist für diese besonderen Anforderungen konzipiert. Das vollautomatische 3D-Röntgensystem mit integrierter Computertomografie punktet mit einfach zu klassifizierenden, exakten Schichtprüfbildern und einem großen Prüfumfang. Für spezielle Aufgaben wie die Inspektion von IGBT-Modulen ist eine 180 kV-Röntgenröhre als Komponente erhältlich, womit die verschiedenen Schichten des Prüfobjekts mit höchster Präzision analysiert und mittels CT vermessen werden können. Am Beispiel der messtechnischen Analyse von Voids auf IGBT-Modulen wurden die Möglichkeiten verdeutlicht.
Mit einem Vortrag über Weltraum-Produktionsverfahren endeten die Vorträge am zweiten Tag
Im Rahmen der Begrüßung am zweiten Tag ging Carsten Salewski auf das Thema Nachhaltigkeit ein und zitierte dabei das Viscom Motto: „Wir machen Technik sicher, zuverlässig und nachhaltig.“ Das heißt: sichere Endprodukte durch Prüfen mit zuverlässiger Funktion und langer Nutzungsdauer sowie Upgrading- und Reparaturmöglichkeiten, Clean Energy-Produktion (mit Ziel Klimaneutralität), Verpackung mit Papier statt Luftpolster, langjährige Mitarbeiter und 22 Auszubildende, und weitere Punkte wie eine eigene Kindergrippe. Viscom kommt auch der Compliance-Verpflichtung nach und hat für 2022 einen entsprechenden Nachhaltigkeitsbericht publiziert.
Florian Martin erläuterte anschließend, wie man Prozesse mit vConnect smart digitalisieren kann. Er ging dabei auf die neuesten Features der digitalen Mehrzweck-Plattform ‚vConnect' ein. Mit ihr lassen sich Workflows smart digitalisieren und zentral über Tablets, Smartphones und andere Geräte steuern. Vom effektiven und kompetenten IT-Service für eingesetzte Viscom-Inspektionssysteme und dazugehörige Peripherie-Hardware über komplett automatisierte Predictive Maintenance bis hin zu Schulungsangeboten und zukunftsorientierten Cloud-Lösungen stehen viele Anwendungsmöglichkeiten bereit.
Nachdem Dr.-Ing. Christoph Lotz, Institut für Transport- und Automatisierungstechnik der Leibniz Universität Hannover, sein Institut vorgestellt und über die Weltraumforschung allgemein informiert hatte, referierte er über die Forschung an Produktionsverfahren unter Weltraumbedingungen. Für die Kolonisierung des Weltraums ist es erforderlich, vor Ort produzieren zu können.
Die für die Untersuchungen benötigte Schwerelosigkeit wird mit dem in Hannover stehenden Einstein-Elevator realisiert. Diese hochmoderne Weiterentwicklung eines klassischen Fallturms hat eine Gesamthöhe von 40 m und kann für 4 s die Schwerelosigkeit simulieren. Die Forschungsfelder erstrecken sich von der Untersuchung der Produktion unter Weltraumbedingungen – u. a. laufen Experimente für die substratfreie additive Fertigung – bis hin zur physikalischen Grundlagenforschung wie z. B. der Detektion und dem Messbarmachen dunkler Energie.
Workshop über die autonome Erkennung von Bauteilen und Lötverbindungen
Detlef Beer, Leiter der Produktentwicklung bei Viscom, präsentierte in einem Workshop anhand der Bediensoftware vVision, wie die autonome Erkennung von Bauteilen und Lötverbindungen beim Erstellen eines neuen Prüfprogramms erfolgt. Er ging auf das Trainieren der dabei eingesetzten KI-Modelle ein, zeigte zur Verfügung stehende Optionen und erklärte, warum dieser Ansatz insbesondere für kleine Losgrößen und Prototypen von besonderem Vorteil ist. Detlef Beer unterstrich dabei, dass KI klassische Technologien keineswegs ersetze. Vielmehr stellt sie eine zusätzliche Methode dar, die als ergänzende Inputgeberin großen Mehrwert bietet.
Folgende weitere, teils parallel stattfindende Workshops konnten besucht werden:
- Vorteile von KI-gestützter Bildverarbeitung von Benedict Eicke
- Deep Learning bei der Verifikation nutzen von Julien Jahn
- Wie der Umstieg von SI auf vVision gelingt von Nils Steding
- Schnelle AOI/AXI Programmerstellung auf Basis von ECAD-Daten in der Praxis von Claas Schwabe
- Die neue Generation X8011-III: Mit vVision und KI den Fehler im Fokus von Dennis Fukas
- Die neue Systematik – Drahtbondinspektion mit vVision von Wolf Rüdiger Pennuttis
Acht Innovation Touren, die an ausgestellten Inspektionssystemen Halt machten, um gruppenweise die Prüftechnologien von Viscom live zu erleben, bildeten den Abschluss der zweitägigen Veranstaltung.
Bilder
Sämtliche Aufnahmen: Gustl Keller