USA, China und Europa drehen emsig an der Subventionsschraube für die Halbleiterindustrie, um sich bei Spitzenchips Wertschöpfung und strategische Positionen zu sichern.
Weltweit ist ein neuer Wettlauf um Chipfabriken und andere Halbleiter-Investitionen ausgebrochen, kaum getrübt durch die jüngsten, eher ungünstigen Bilanzberichte mehrerer Tech-Riesen. Denn hier geht es um langfristige Wertschöpfung und Hightech-Jobs, vor allem aber um digitale Souveränität, technologische Überlegenheit in der Schlüsseltechnologie Mikroelektronik und weltwirtschaftliche Dominanz. Ausgefochten wird dieser neuentbrannte Wettstreit mit immer schwindelerregenderen Subventionen, Embargos und verbalem Säbelrasseln. Hauptakteure für diesen Halbleiter-Konflikt sind vor allem die USA und China, während sich die großen Aufsteiger Taiwan und Südkorea dezent aus der Schusslinie herauszuhalten versuchen. Derweil verkündet Europa zwar ambitionierte Ziele, agiert in der globalen Halbleiterwelt aber nur in ausgewählten Nischen.
Da die Schlagzeilen in manchen Medien die Vorstellung suggerieren, es lieferten sich die USA und China ein Duell auf Augenhöhe, seien hier die Relationen gerade gerückt: Gemessen am Umsatz dominieren US-Unternehmen nach wie vor mit einem Anteil von 54 % den globalen Halbleitermarkt, gefolgt von Südkorea mit 22 % und Taiwan mit 9 %. Das einst in der Mikroelektronik starke Japan ist auf klägliche 6 % abgerutscht, ebenso Europa. Erst dahinter steht China mit nur 4 % [1].
Warum dann die ganze Aufregung, mag man fragen. Und warum überhaupt wird eine Industrie, die über Jahrzehnte von internationaler Arbeitsteilung so sehr profitiert hat wie die Halbleiterbranche, nun zum Schauplatz von Neo-Protektionismus und globalen Auseinandersetzungen?
Nachwehen der Chipkrise von 2007
Der Konflikt um nach Asien ausgelagerte Jobs und Wertschöpfung schwelt im Westen schon lange und zieht sich durch immer mehr Branchen: Erst waren es einfache Erzeugnisse wie Hämmer, dann Transportschiffe und schließlich immer komplexere Technologieprodukte, die nicht mehr in Deutschland, England oder den USA hergestellt wurden, sondern in Japan, Korea oder eben China. Und das gilt eben auch für die Mikroelektronik, deren industrieller Schwerpunkt sich in den 1980er Jahren bereits nach Japan und im neuen Jahrtausend dann gen Taiwan und Südkorea verlagert hatte.
Zu eskalieren begann der Streit mit der großen Chipkrise 2007, der auch der letzte große deutsche Speicherchipkonzern Qimonda zum Opfer fiel. Ähnlich wie wenig später beim großen Sterben der deutschen Solarbranche fokussierte sich die öffentliche Ursachensuche der Europäer und Amerikaner auf – teils nur vermeintliche - Subventionen, mit denen die Chinesen, Koreaner und Taiwanesen ihren Chip- und Solar-Unternehmen einen unfairen Wettbewerbsvorteil gegenüber der europäischen und nordamerikanischen Konkurrenz verschaffen würden. Seinerzeit drängten insbesondere die Sachsen darauf, der Bund und die EU sollten Qimonda retten und einen weiteren Verlust an Halbleiterindustrie in Europa verhindern – damals noch vergeblich.
„Ich möchte, dass sich unsere Chip-Produktion auf etwa 20% der Weltproduktion verdoppelt. Ich möchte, dass Europa mehr Chips in Europa produziert als die Vereinigten Staaten im eigenen Land.“ Neelie Kroes, damalige Vizepräsidentin der EU-Kommission, im Jahr 2013
2013 kam es dann doch zu einem Anlauf in Brüssel, Europas Chipbranche wieder aufzupäppeln. EU-Vizepräsidentin Neelie Kroes verkündete das Ziel, den europäischen Anteil an der weltweit produzierten Mikroelektronik auf 20 % zu verdoppeln. Der Versuch blieb halbherzig und verpuffte: Statt zu steigen, ist der europäische Anteil bis heute auf 6 bis 7 % abgesackt. Der 2022 durch die EU verkündete ‚Chips Act' wärmt nun die alten Zielstellungen mit neuer Terminierung auf, gilt aber ebenfalls als unterdotiert.
Noch hinkt Chinas Chipproduktion technologisch hinterher
Etwas anders sieht das in den USA und in China aus. Die Wirtschaftslenker in Peking bauen über Dekaden hinweg in kleinen Schritten eine eigene Chipindustrie auf. Daraus sind inzwischen recht starke Unternehmen wie SMIC hervorgegangen. So konnte China seinen Weltmarktanteil peu à peu ausbauen, wenn auch auf weiterhin niedrigem Niveau. Allerdings hinken die chinesischen Chip-Hersteller technologisch der Weltspitze noch zwei bis drei Generationen hinterher. In Zusammenspiel mit der US-Sanktionspolitik schürt das Ängste in Peking, dass die mangelnde Verfügbarkeit neuester Schaltkreise die ansonsten recht erfolgreiche chinesische Industrie-Strategie empfindlich ausbremsen könnte. Denn dass die globale digitale Transformation auch am Zugriff auf modernste Chips hängt, ist den Entscheidern in Peking ebenso wie denen in Berlin, Brüssel und Washington mittlerweile klar geworden.
Deshalb reagiert der Westen nun viel empfindlicher als früher auf das Mantra der chinesischen Volksrepublik, Taiwan sei nur eine abtrünnige Provinz. Die Befürchtung: Sollte Peking die Hightech-Insel erobern, würde der Westen enorm verlieren und China enorm gewinnen. Dann nämlich könnten den Chinesen mit einem Schlag die weltweit modernsten Chipfabriken von TSMC, UMC und anderen taiwanesischen Halbleiterriesen in die Hände fallen, während ganze Lieferketten fabrikloser Unternehmen in den USA und Europa ersatzlos zusammenbrechen würden. Auch daher wohl wollte Nancy Pelosi (Demokraten), bis Januar 2023 Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, mit ihrer umstrittenen Taiwan-Visite im August 2022 dem kommunistischen Staatspräsident Xi Jinping zeigen, dass die USA einen Einmarsch Chinas in Taiwan nicht tolerieren würden.
Schon Donald Trump (Republikaner) hatte eine wirtschaftspolitische Wende in den Vereinigten Staaten eingeleitet. Unter dem vielzitierten Motto ‚America First' drängte er Unternehmen wie Apple und andere Tech-Konzerne, mehr Wertschöpfung in die USA zurückzuholen. Gleichzeitig baute Trump an einer Embargo-Mauer gegen China. Dies sollte einerseits die US-Wirtschaft gegen das exportstarke China schützen und stärken, anderseits außeramerikanischen Unternehmen wie TSMC in Taiwan oder ASML in den Niederlanden die Geschäfte verhageln, da diese die Chinesen seither nicht mehr mit modernsten Chips beziehungsweise Chip-Belichtern beliefern dürfen.
Protektionistische Tendenzen
Trotz aller Differenzen in anderen Fragen hat Trumps Nachfolger Joe Biden (Demokraten) diese protektionistische und de-globalisierende Politik fortgesetzt. Sein ‚Chips Act' – dem die EU inzwischen mit einem eigenen, geringer dotierten ‚Chips Act' gefolgt ist – soll in Summe rund 280 Mrd. $ in die US-amerikanische Halbleiterwirtschaft pumpen. Parallel dazu setzt die Biden-Adminstration AMSL und andere ausländische Hersteller noch stärker unter Druck, keine modernen Anlagen mehr an SMIC & Co. zu verkaufen. Für Zündstoff sorgen auch Bemühungen, eine US-geführte ‚Chip 4 Alliance' zwischen den Vereinigten Staaten, Südkorea, Taiwan und Japan zu schmieden, um China von allen Halbleiter-Technologieflüssen abzuschneiden.
Beigetragen zu diesem protektionistischen Schwenk der ursprünglich so freihandels-freudigen US-Amerikaner haben auch verlorene weltwirtschaftliche Claims. Ein Beispiel unter vielen: Der einstige Dauerprimus Intel wurde mittlerweile von den Südkoreanern als weltweit größter Chiphersteller überholt und hinkt auch technologisch Samsung sowie TSMC etwas hinterher.
Und schließlich führten dann noch die globalen Lieferketten-Störungen während der Corona-Pandemie den USA wie auch Europa vor Augen, was passiert, wenn China oder Taiwan plötzlich nicht mehr liefern. All dies hat unter den Slogans ‚Resilienz', ‚Digitale Souveränität' und ‚America First' in Europa und den USA die Versuche angeheizt, einst verlorene Industrien aus Asien zurückzuholen und dabei eine bisher beispiellose Subventionsspirale in Gang gesetzt. Die Ansiedlungszusage von Intel in Magdeburg im Gegenzug für milliardenschwere Staatszuschüsse zeigt exemplarisch, wohin das führen kann: Hätten nach den alten Subventionsgrenzen der EU-Kommission allenfalls 15 % der 17 Mrd. $ für diese Chipwerke zugeschossen werden dürfen, muss der deutsche Steuerzahler nun tatsächlich 40 % zuschießen.
Und auch die Taiwanesen, die sich ungern in die großen Streitereien der Weltmächte hineinhängen, sehen plötzlich Bedarf, im Westen zu investieren – ein Novum für TSMC, die sonst ganz aufs Heimatland fokussiert ist. Der weltweit größte Chip-Auftragsfertiger hat bereits eine große Chipfabrik in den USA zugesagt und liebäugelt auch mit dem Bau einer Mega-Fab in Dresden. Dabei dürften sowohl avisierte Subventionen, die Lieferketten-Erfahrungen der Corona-Zeit wie auch die sicherheitspolitischen Risiken im Konflikt zwischen China, den USA und Taiwan eine Rolle spielen.
Referenzen
[1] IC Insights 4/22