Underfilling in der Halbleiterelektronik

Underfilling in der Halbleiterelektronik

Dieser Fachartikel behandelt das Underfilling, ein wesentlicher Prozess in der Halbleitelektronik zum Schutz von BGAs, Flip-Chips und CSP.

Das Underfilling bzw. ‚Unterfüllen' beschreibt einen Prozess, bei dem der Zwischenraum eines Körpers und eines unterliegenden Substrates über ein fließfähiges Medium aufgefüllt wird. Je nach Fließverhalten des gewählten Materials kann das Vorliegen einer Kapillare so wie die Beeinflussung der relevanten physikalischen Einflussgrößen (hydrostatischer Druck, Viskosität, Oberflächenspannung), die Durchdringung bzw. Unterfüllung begünstigen. Der Abstand zwischen dem Körper und dem Substrat darf dabei nicht zu groß sein, da ein entsprechend niederviskoses Material sich nur bedingt in der Höhe aufbauen kann, bevor es sich in der Fläche ausbreitet. Ein zu hoher Abstand zwischen Körper und Substrat ist in der Halbleiterelektronik aufgrund der immer fortschreitenden Verkleinerung von Baugruppen und auch Bauteilen ein zu vernachlässigender Faktor. Im Gegenteil führen die kleinen Abstände zu anderweitigen Herausforderungen. Die Einstellung der gewünschten Eigenschaften des Unterfüllmaterials erfordert Zusätze bzw. Füllstoffe mit einer gewissen Partikelgröße. Daraus folgt, dass ein erfolgreiches Unterfüllen nur gelingen kann, wenn ein Mindestabstand vorliegt, ohne dass die wirtschaftliche Verarbeitung aufgrund einer zu hohen Viskosität verhindert wird.

Abb. 1: BGA mit UnderfillingAbb. 1: BGA mit Underfilling

Was ist ein Underfiller?

Als Underfiller werden epoxidbasierte Materialien eingesetzt. Sie werden so ausgelegt, dass sie lückenfrei den Freiraum unter sensiblen Bauteilen ausfüllen und diese fest mit dem unterliegenden Substrat verbinden. Gleichzeitig stellen sie eine Mediationsschicht zwischen den unterschiedlichen Materialien dar. Dies erreichen sie über Füllstoffe, welche ihre charakteristischen Eigenschaften (Viskosität, Klebkraft, thermische Vernetzung usw.) definieren.

Vorheizen - Applizieren - Vernetzen

Wie bereits erwähnt, ergibt sich daraus eine Herausforderung für das Underfilling an sich, aber auch außerhalb des eigentlichen Applikationsprozesses gilt es etwas zu beachten. Da die Füllstoffe über die Lagerzeit zu sedimentieren beginnen, wird eine kühle Lagerung für Underfillmaterialien grundlegend vorausgesetzt. Unter Anwendung spezieller Techniken ist ein erneutes Durchmischen bedingt realisierbar und sollte möglichst vermieden werden.

Warum Underfilling?

Die gängigen Underfiller für diesen Zweck stellen ein gleichmäßiges Vertreiben von Luft sicher, stabilisieren den Unterbereich effektiv vor Außeneinwirkungen, vernetzen varianzlos und bieten den zusätzlichen Vorteil, dass sie das Bauteil mit dem Substrat fest verbinden. Durch die mechanische Stabilisierung bieten sie einen effektiven Schutz vor Lötstellenermüdung. So werden Vibrationen oder Schwingungen vom Material aufgenommen und über den gesamten Körper abgefangen, anstatt die Schwachstellen der Lötung zu belasten. Zusätzlich zum Mitigieren des mechanischen Stresses werden auch thermomechanische Belastungen aufgrund abweichender, thermischer Ausdehnungskoeffizienten (CTEs) ausgeglichen. Die gleichmäßige Ausprägung der physikalischen Materialeigenschaften wird durch eine thermisch angetriebene Vernetzung bei hohen Temperaturen (ca. 120 °C) realisiert. Speziell für den Schutz von BGAs (Ball Grid Arrays), Flip-Chips oder CSP, mit ihren eng gepackten Lotperlen (engl. Balls), ist das Underfilling eine optimale Technologie. Die engen Zwischenräume bilden eine natürliche Kapillare aus, die das Unterfließen der Bauteile begünstigt. Neben dem Unterfüllen gibt es noch weitere Möglichkeiten, welche einen gängigen Umgang mit diesen Bauteilen, im Zusammenhang mit dem grundsätzlichen Baugruppenschutz, darstellen:

  1. Überlackieren
  2. Abdichten

Überlackieren

Mit dem Überlackieren ist eine Lackierung mit einem Schutzlack (engl. conformal coating) gemeint.

Lösemittelvernetzende Systeme eignen sich gerade aufgrund ihrer geringen Viskositäten hervorragend, um einen BGA zu unterfüllen. An den Randbereichen kann das im Lack enthaltene Lösemittel problemlos entweichen. Für das Restfluid unterhalb des Bauteils gestaltet sich dieser Prozess nun schwieriger. Die bereits ausgebildete Polymerschicht am Rand erschwert den Lösemitteln das Verflüchtigen und es kann lange Zeit ein undefinierter Vernetzungszustand vorherrschen, welcher eine verlässliche Aussage über die Wirkung von hohen thermischen Belastungen und/oder Wechseln erschwert. Zum einen können hier die thermischen Ausdehnungskoeffizienten je nach Vernetzungsstand variieren, zum anderen setzt eine hohe Temperatur die rückliegenden Lösemittelanteile unter einen chemothermischen Stress, welcher weitere undefinierte Auswirkungen auf das Bauteil haben kann.

Abdichten

Ein weiterer Umgang mit dem Schutz von Bauteilen kann ein Abdichten der Randbereiche mit einem thixotropen Material darstellen. Die Abdichtung schützt die Lotbälle vor Einwirkungen von außen, ohne einen variablen Zustand im Inneren zurückzulassen. Im Austausch befindet sich dort eingeschlossen die vorliegende Luft. Gerade bei niedrigen Temperaturen ist zu beachten, dass je nach Luftfeuchteanteil der eingeschlossenen Atmosphäre, Kondenstropfen entstehen könnten. Welche Herangehensweise die Projektanforderungen am zuverlässigsten erfüllt, muss klar definiert und besprochen werden. Aus rein technischer Sicht bietet das Unterfüllen die höchste Sicherheit. Unabhängig davon ist die korrekte Applikation des Materials ein Kernpunkt für die Ausbildung der Schutzeigenschaften.

Wie läuft Underfilling?

Der Underfiller kann sowohl manuell über ein luftdruckbetriebenes Handgerät als auch via Dosiernadel mit einem 3-Achs-Roboter aufgetragen werden. Um die Applikation, beziehungsweise das Unterfließen nach dem Auftragen zu optimieren, wird eine Kombination aus beheizten Werkzeugträgern und projektspezifischen Temperprogrammen eingesetzt. So kann während des Applikationsprozesses die Fließgeschwindigkeit und der nahtlose Unterfüllungsgrad maximiert und die Prozesszeit minimiert werden. Auf den Applikationsseiten bildet sich ein Meniskus aus. Je nach Unterfüllungsfläche kann ein einziger Auftrag genügen oder die Menge muss in mehreren Depotdosierungen erfolgen. Dabei muss die aufgebrachte Materialmenge so gewählt werden, dass keine umliegenden Bauteile oder Freihalteflächen (Goldflächen, Stecker, Oberflächen zur thermischen Anbindung) benetzt werden. Appliziert man einen kleinen Vorrat an Material, dringt dieses nach und nach unter das Bauteil, bis der Vorrat aufgebraucht ist. Die Dosierhäufigkeit und Dosierfrequenz wird hauptsächlich durch die Größe des Bauteils und die Fließgeschwindigkeit vorgegeben. Exakt an dieser Stelle kommt die bereits angesprochene Einflussnahme über angewandte Thermodynamik zum Tragen. In der Theorie kann die Menge so genau abgemessen werden, dass kein Meniskus an der Applikationskante zurückbleibt. Um die Qualität abzusichern, wird in der Regel mit einer höheren Materialmenge gearbeitet. Abschließend kann über die auftragsfreien Kanten eine Angleichungsspur aufgetragen werden, woraus sich ein gleichmäßiges Bild des Materialumlaufes ergibt. Dieses rein optische Angleichen sowie die gewählten Dosierseiten sind abhängig von dem Bauteilabstand zu den materialfreien Bereichen. Als Empfehlung wird hier ein Mindestabstand von 2 mm ausgesprochen, um ein sauberes Arbeiten zu gewährleisten. Daher ist es eminent wichtig, die genaue Erwartungshaltung an das Underfilling klar und zweifelsfrei zu definieren. Diese Entscheidungen nehmen weiteren Einfluss auf die Wahl des optimalen ‚Applikationsmusters'. Je nach Bauteilgröße und -orientierung auf der Baugruppe wird der Underfiller in unterschiedlichen Pfaden entlang der Bauelementkanten appliziert.

Applikationsmuster

Die gängigste Methode stellt der Auftrag in einer L-Form dar (siehe Abb. 2, Mitte). Der Underfiller wird über zwei angrenzende Seiten in einer Linie aufgetragen. So kann das Material das Bauteil an zwei Angriffsflächen unterlaufen und bietet gleichzeitig ein hohes Maß an Evakuierungsfläche für die vorhandene Luft. Für kleinere Bauteile eignet sich eher die mehrfache Dosierung über eine Kante (siehe Bild links). In seltenen Fällen bzw. bei äußerst großen Bauteilen ist es möglich, die Applikation über drei Seiten in einer U-Form durchzuführen (siehe Abb. 2, rechts). In diesem Fall muss besonders darauf geachtet werden, dass genug Zeit zum Verdrängen der Luft bleibt.

Abb. 2: Applikationsmuster für UnderfillingAbb. 2: Applikationsmuster für Underfilling

Abschluss

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Underfilling einen Kernprozess beim Schutz von BGAs, Flip-Chips oder CSP gegen Umwelteinflüsse, thermische und mechanische Belastungen darstellt. Bei der Verarbeitung arbeitet die in Nürnberg ansässige Firma InnoCoat über definierte Applikationswege und thermische Unterstützungsprozesse, wodurch das Fließverhalten und somit Taktzeit und Unterfüllungsgrad maßgeblich beeinflusst werden. Um Lufteinschlüsse zu minimieren, wird das Material, je nach Bauteilgröße und -orientierung auf der Baugruppe, in unterschiedlichen Mustern entlang der Bauelementkanten appliziert. Hierfür ist eine genaue Definition der angestrebten Parameter zu optischen Anforderungen sowie Toleranzen für die umliegenden Bereiche und Bauteile zwingend erforderlich. Sind diese Vorgaben geklärt, steht einem langfristigen, nachhaltigen und qualitativ hochwertigen Schutz hochempfindlicher Bauteile nichts mehr im Wege.

Quellen

Underfill Materials: All You Want To Know | Henkel Adhesives | Circuit Board Protection, Video (youtube), www.youtube.com/watch?v=zSmr2Tv2NsU, (Abruf: 15.10.2024).
Unterfüllung, Nordsom Corporation, www.nordson.com/de-de/divisions/electronics-solutions/your-process/fluid-types/underfill (Abruf: 15.10.2024).
Applikation Dosiertechnik, AAT Aston GmbH, https://aston.de/wp-content/uploads/Applikation-Underfill.pdf (Abruf: 15.10.2024).

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