Am 26. Februar 2025 versammelten sich in der Stadthalle Erding nahe München Experten des Netzwerkes ‚Bavarian Chips Alliance', um über resiliente Lieferketten für kostengünstige Leiterplatten zu debattieren und nachhaltige Ansätze aus Industrie und Forschung zu präsentieren.
Das von Bayern Innovativ organisierte und mit den Partnern FED, ZVEI und VDMA gemeinsam präsentierte Leiterplattenforum genießt einen guten Ruf. Die ursprünglich von Prof. Dr. Josef Nassauer, TU München, ins Leben gerufene Veranstaltung findet seit 2003 statt und hat sich nach mehrjährigen Treffen in München und Nürnberg die Stadt Erding als Standort auserkoren – gut erreichbar von München, ob mit dem Auto oder mit der S-Bahn. Ehrensache, dass auch wir von der PLUS in der altbayrischen Herzogstadt vorbeischauten, zumal ein ‚Matador' unserer Zeitschrift, der Kolumnist und Leiterplattenexperte Hans-Joachim Friedrichkeit, zu den Urgesteinen des Leiterplattenforums zählt.
Die gut besuchte Veranstaltung lockte weit über hundert Leiterplattenbegeisterte nach Erding. Nach der Begrüßung durch Jürgen Frickinger, Bayern Innovativ, trat als erster Redner der bereits erwähnte Hans-Joachim Friedrichkeit an das Mikrofon und wagte in seiner Keynote einen Blick nach vorn.
Schon nach wenigen Minuten stand fest: Schönfärberei ist Friedrichkeits Sache nicht. Die ökonomische Gesamtlage nach der Wahl von Donald Trump, die sich auftürmenden Zollbarrieren der USA, das Wettrennen auf dem KI-Markt, die Disruptionen des europäischen Automobilmarktes und das explosionsartige Wachstum des globalen Halbleitermarktes waren die Themen, die Friedrichkeit auf seine Zuhörer einprasseln ließ. Unsanfte Kritik an den Entscheidungen der EU, z. B. am geplanten Verbrenner-Aus ab 2035 und an der Schwerfälligkeit der europäischen Industrie gab es ‚on top'– sogar das emblematische Krabbenbrötchen aus der PLUS-Ausgabe 7/2023 feierte auf Friedrichkeits Folien eine Wiederaufstehung (‚Die Zukunft kann man nicht kaufen'). Friedrichkeit empfahl mit warnendem Blick auf des Brötchen-Menetekel, Chinas Erfolge im Sektor der PHEV (Plug-in-Hybrid Electric Vehicles) bzw. BEV (Battery Electric Vehicles) unter die Lupe zu nehmen: Was genau macht chinesische Hersteller auf diesem Markt so erfolgreich, und was lässt sich aus dem Preisverfall bei Li-Ionen-Akkus ablesen? Als Lichtblick stellte Friedrichkeit in Aussicht, dass Deutschland mit Mut und Optimismus dennoch einen Umschwung, den ‚Turnaround', schaffen könnte – wobei man annehmen darf, dass der PLUS-Kolumnist auch in Zukunft die Entwicklungen der Branche kritisch begleiten und sich mahnende Worte nicht verkneifen wird.
Diversifikation der Lieferkette
Manuel Martin, KSG, analysierte im Anschluss die Herausforderungen für die Lieferkette in der Elektronik. Die gestiegene Nachfrage nach Chips und Bauelementen trifft auf eine nicht immer zuverlässige Rohstoffverfügbarkeit, die sich durch neue Regulatorik (z. B. Umweltauflagen oder die EU-Konfliktmineralienverordnung, vgl. PLUS Ausgabe Ausgabe 4/2024) und durch geopolitische Unsicherheiten verschärft hat. Als Reaktion empfiehlt sich, die Lieferketten zu diversifizieren, die Kreislaufwirtschaft für bestimmte Rohstoffe voranzutreiben und die Forschung über Ersatzstoffe und neue innovative Fertigungsansätze zu intensivieren. All dies gute Vorschläge – doch der knapp halbstündige Vortrag reichte kaum aus, sie intensiver zu beleuchten. Manuel Martin konnte viele Aspekte nur streifen, und es wäre sicher sinnvoll gewesen, sie in einer Podiumsdiskussion zu vertiefen.Wärmemanagement und High-Density-Technologien
Haris Sabanovic, Varioprint, stellte in seiner Präsentation Wärmemanagementlösungen für elektrische Systeme vor. So eignen sich Metallkernleiterplatten besonders gut für HF-Anwendungen mit vielen verteilten Wärme-Hotspots. Auch partiell eingebettete Cu-Coins können das Wärmemanagement solcher Hotspots verbessern, während Dickkupfer (Innenlagen bis zu 400 µm) bei höherer Stromfähigkeit die Wärmeableitung innerhalb der Leiterplatte optimiert. Angesichts der nach wie vor geltenden jährlichen Verdopplung der Transistoren und Widerstände auf Chips (Moore'sches Gesetz) ist die gezielte Kühlung der Chips unabdingbar – und genau hier spielt der kreative Ansatz von Varioprint seine Stärken aus.
Über das Auto der Zukunft sprach Andreas Folge, OEM Marketing für Nanya Plastics. Er gewährte Markteinblicke für die Elektronik, (E-)Automobile, Laminate und Leiterplatten. Diese seien in den 2020ern immer wichtiger geworden, und die Technologien, v. a. für High Density, hätten enorme Sprünge nach vorn gemacht. Andreas Folge betonte dabei stärker die Chancen als die Risiken, hob Marktpotenziale hervor und nicht die Hemmnisse. Gewissermaßen war sein Vortrag die lichtere Kongruenz des Vortrags von Hans-Joachim Friedrichkeit. Die von Andreas Folge behandelten Themen werden umfassender in seinem mit Hrvoje Zaric gemeinsam verfassten Artikel in dieser PLUS-Ausgabe behandelt (siehe S. 742).
Advanced Packaging
Beste Laune bei Sandra Engle, VDMA, und Stefan Lotter, Messe MünchenEin Highlight des Leiterplattenforums war die Präsentation von Michael Gößler, AT&S, über NextGen Packaging. Die hohe Bedeutung des österreichischen Weltunternehmens ist bekannt – kein Wunder, dass dort Entwicklungen in den Bereichen UHDI (Ultra High Density Interconnect) und Substrattechnologie vorangetrieben werden. Gößler bot eine umfassende Marktanalyse für ICs und High-End-Leiterplatten, wies auf den wachsenden Energiehunger von Supercomputern mit heutigen Technologie hin – laut Gößler könnte bis 2035 der Energiebedarf eines solchen Computers bis zu 500 MW erreichen, was etwa die halbe Leistung eines Atomkraftwerks darstellt – und hob die Bedeutung von Advanced Substrates & Packaging hervor, um die Energieeffienz von Elektronik zu erhöhen (bis zu 75 % Energieeinsparung), Übertragungsverluste zu minimieren und die Miniaturisierung durch Embedding und Bauteilintegration weiter vorantreiben – was ebenfalls dabei hilft, Energie einzusparen. Fazit: Ein umfassender, enorm spannender Einblick in die Substrat- und Packaging-Forschung bei AT&S, das auch in Erding die Rolle als ‚Platzhirsch' selbstbewusst wahrnahm.
Im anschließenden Vortrag von Jürgen Wolf, Würth Elektronik, drehte sich alles um die Effizienz von Produktionsprozessen, Nachhaltigkeit in der Leiterplattenproduktion, das Einsparpotenzial von Inkjet-Verfahren und die Herausforderungen entsprechender Regulatorik. Wolf zeigte auf, wie das Unternehmen Würth strategisch und praktisch mit den entsprechenden Transformationen umgeht. Gelungen war ein Vergleich konventioneller und additiver Verfahren. Als Beispiel diente die Auftragung von Lötstopplack mithilfe der Inkjet-Technologie des Partnerunternehmens Notion Systems – erläutert in Wort, Fotografien und Druckergebnissen. Auch die Zusammenarbeit mit dem englischen Startup JIVA Materials kam zur Sprache, das ein Substrat aus polymergebundenen Jute- und Flachsfasern durch starke Verpressung entwickelt (Produktname Soluboard).
Thomas Gottwald, Schweizer Elektronik, gab einen Überblick über die Smart-p2-Pack-Technologie und ihre Embedding-Vorteile. Auch präsentierte Gottwald – quasi als ‚Teaser' – kommende Weiterentwicklungen von p2 Pack in Zusammenarbeit mit dem Chiphersteller Infineon. 2026 soll die zweite Generation (mit organischer Isolation), 2027 die dritte (mit keramischer Hochspannungsisolierung) in Serienfertigung gehen. Die Effizienz von p2 Pack bei Schaltungsverlusten sei enorm bei gleichzeitig hoher Zuverlässigkeit, geringen thermischen Widerständen (Rth von 0,4-0,2 K/W pro Chip).
Leiterplatten am Kaupke-Stand – und dort bekam man wirklich jede Frage beantwortet
Sputtering und Chiplets
Ein ‚Exotenthema' behandelte Marc Hauer, Dyconex, der die Erkenntnisse aus Forschungen im Unternehmen zu alternativen Leitern und alternativen Basismaterialien teilte. Dyconex experimentiert mit bislang nicht oder kaum genutzten Metallen des Periodensystems, die durch Kathodenzerstäubung für Leiterplattensubstrate nutzbar gemacht werden. Es galt herauszufinden, wie neue Materialien auf die Sensorik, auf die Wärmerzeugung, Leitfähigkeit, Biokompatibilität und Umgebungsbelastungen (z. B. Einsatz im Salzwasser) reagieren und ob sich dadurch bislang ungeahnte Vorteile ergeben können. Marc Hauer stellte dabei alternative Leiter aus reinem Gold (absolut korrisionsbeständig), aus Titan (geringe Leitfähgkeit, aber hoher Temperaturkoeffizient), aus Niob (sehr widerstandsfähig gegen extreme Hitze) und die gegen Oxidation und Korrosion sehr beständige Legierung Konstantan (55 % Kupfer, 44 % Nickel, 1 % Mangan) vor. Weitere Aspekte zu alternativen Basismaterialien und Oberflächen schlossen sich an. Marc Hauers lockerer, sehr verständlicher Vortragsstil half dabei, dem anspruchsvollen Inhalt gut zu folgen.
Dr. Andreas Ostmann, Fraunhofer IZM, läutete mit seinem Vortrag das Finale des Leiterplattenforums ein. Er behandelte hochdichte Substrate für Chiplet-Systeme. KI-Prozesse trieben die Entwicklung des Advanced Packaging voran, da sich durch Chiplets Leistungssteigerungen bei gleichzeitiger Kostenkontrolle erzielen lassen. Im Fokus stehen dabei Glaskernsubstrate (siehe PLUS-Ausgabe 12/2024), die gegenüber organischen Substraten eine hohe Verbindungsdichte mit dichterem High-Density-Routing bieten. Als wesentliche Vorteile des Glassubstrats nannte Ostmann die nahezu homogenen und isotropischen Eigenschaften, sehr stabile Geometrien, hohe thermische Stabilität, keinerlei Wasseraufnahme und die geringen prozessbedingten Verformungen. Insgesamt ermögliche die Chiplets-Technologie den Aufbau sehr großer und effizienter Module zu akzeptablen Kosten, während Glaskernsubstrate eine ähnliche Verdrahtungsdichte wie Silicium böten und zugleich sehr große und kostengünstige rechteckige Produktionsformate ermöglichten.
Mit Andreas Ostmanns Finale endete das Vortragsprogramm des Leiterplattenforums – nicht aber das gesellige Verweilen. Die Stadthalle Erding blieb für Gespräche mit allen Referenten geöffnet, und es ließen sich die Stände unterstützender Unternehmen besichtigen, darunter Kaupke Leiterplatten, Polar Instruments und Lackwerke Peters. Insgesamt war die Stimmung exzellent und zugewandt, und die Zusammenstellung des Vortragsprogramms wurde einhellig gelobt.