Feuerläufer in Villingen – EIPC-Winterkonfererenz 2024

Feuerläufer in Villingen – EIPC-Winterkonfererenz 2024

Nachdem die letzte Sommerkonferenz des EIPC in München stattgefunden hatte, wurde auch die legendäre Winterkonferenz in den süddeutschen Raum verlagert. Diesmal führte die Reise ins badische Villingen. Das Programm sah ein besonderes Highlight vor – die Besichtigung von Schweizer Electronic in Schramberg.

Alun MorganDas angekündigte Vortragsprogramm der Winterkonferenz stieß auf großes Interesse, so dass die Stuhlreihen des Veranstaltungsorts am ersten Konferenztag voll belegt waren. Das EIPC hatte sich das Haus der Wirtschaft an der IHK-Akademie Schwarzwald-Baar-Heuberg auserkoren, wo in modernem Ambiente die Zuhörerschaft von den neusten Trends der Leiterplattentechnik erfahren konnte.

Nach Grußworten des EIPC-Präsidenten Alun Morgan und des Co-Gastgebers Nicolas-Fabian Schweizer, der als CEO von Schweizer Electronic seine Freude über die internationalen Gäste seiner Firma zum Ausdruck brachte, begannen eng getaktet die Vorträge. Wie immer werden sie in den kommenden Monaten auf den EIPC-Verbandsseiten der PLUS ausführlich dargestellt; hier folgt deshalb nur eine Auswahl.

Andreas Folge, Nan Ya Plastics Corporation (Taiwan), sprach über neuste Entwicklungen bei IC-Substraten (Integrated Circuit Substrates). Nachdem er zunächst die Grundlagen (Materialien, Herstellungsmethoden, Packagjng-Typisierungen, Eigenschaften) erläutert hatte, kam er auf Prognosen des IC-Substratmarktes zu sprechen, der den Entwicklungen des Halbleitermaktes folgt. Entsprechend war es im Geschäftsjahr 2023 gegenüber dem Vorjahr zu einem deutlichen Dämpfer gekommen (laut Zahlenmaterial der Prognose: -9,7 % bei Halbleitern, -26,4 % bei IC-Substraten). Als kommende Markttreiber nannte Folge FBGAs (Flip Chip Ball Grid Arrays) für 2D- und 3D-Packaging, AiP- und SiP-Substrate sowie das erwartbare Wachstum bei Flip-Chip-CSPS (FCCSP) und bei Memory-Chips. Natürlich stellte Folge auch die ultradünnen Substrate von Nan Ya vor (2 bis 5 μm) und deutete an, wie sich die Substrattechnologie bei Nan Ya weiterentwickeln wird. Hierzu hatte bereits Volker Klafki, Technolam (ein Distributor von Nan Yas Produkten) einen lesenswerten Fachartikel für die PLUS geschrieben (Ausgabe 6/2023).

Thomas Gottwald von Schweizer Electronic stellte die (Smart) p2 Pack-Technologie zur Einbettung von Leistungshalbleitern in die Leiterplatte vor. Anwendungen, die das Schalten hoher Leistungen erfordern, können von p2 Pack profitieren (durch den geringen thermischen Widerstand, geringe Schaltverluste, geringere Induktivität und Robustheit). Gottwald erwähnte die Kooperation von Schweizer mit dem Halbleiterproduzenten Infineon, die bei der Entwicklung von p² PACK Gen 1 (für niedrige und hohe Spannung) zusammenarbeiten. Auch ging Gottwald allgemein auf die Vorteile von IGBTs gegenüber SiC-Mosfets ein.

Tarja Rapala-Virtanen, EIPC, sprach über die Roadmap zur Nachhaltigkeit von Leiterplatten, die von der Forschungsgruppe iNEMI (International Electronics Manufacturing Initiative) erstellt wird. Unter anderem behandelte Rapala-Virtanen eine mögliche Kreislaufwirtschaft für aufbereitetes Kupfer aus Leiterplatten. Es kann zwar aufgrund von Mikropartikeln, die während der Herstellung oder des Recyclings im Kupfer verbleiben, nicht erneut für Leiterplatten verwendet werden (oder es wäre schlicht unwirtschaftlich, das Cu noch weiter zu reinigen). Sehr wohl ist aber eine Verwendung des Kupfers andernorts denkbar. Die iNEMI setzt sich insgesamt für die Etablierung einer Kreislaufwirtschaft, eine Reduktion des CO2-Fußabdrucks bei der Leiterplattenproduktion sowie für die Verwendung sicherer Chemikalien und neuer, ‚grünerer' Materialien ein. Auffallend war, dass auch bei diesem wichtigen und aktuellen Vortrag nur wenige Fragen aus der Zuhörerschaft kamen – insgesamt war die Diskussionsfreude am ersten Konferenztag gering.

Ausflug nach Schramberg

Umso mehr fieberten alle dem Besuch von Schweizer Electronic in Schramberg entgegen. Per Shuttle-Bus wurde die ca. 30 km lange Entfernung bewältigt. Am Ziel wurden die Konferenzteilnehmer in vier Gruppen unterteilt, in einem Showroom herzlich begrüßt und dann durch die ausgedehnten Fabrikhallen und Gänge des wichtigen deutschen Leiterplattenherstellers geführt. Über 100 Personen in vier Gruppen durch die Produktion zu lotsen, ohne diese zu stark zu beeinträchtigen, war eine logistische Herausforderung. Es wurde gebeten, auf Fotografien zu verzichten. Ein Konferenzteilnehmer kritzelte stattdessen behelfsmäßig und emsig die Seiten seines Notizbuchs voll (was manchen seiner Begleiter etwas befremdete). Das Interesse war auf jeden Fall riesig. Kein Wunder: die Professionalität der Fertigung und der Einsatz modernster Maschinen bei Schweizer weckte Begeisterung.

Der Abend klang in herzlichem Rahmen bei einem Restaurantbesuch aus. Hier konnte man sich im lockeren Rahmen über die Konferenz und den spannenden Firmenbesuch austauschen.

Zweiter Tag

Der zweite Konferenztag begann erneut in aller Frühe. Ein Highlight war zweifelsohne die Präsentation von Dr. Hayao Nakahara über die Marktentwicklung bei IC-Substraten. Wie auch in seinen PLUS-Kolumnen hatte Dr. Nakahara eine beeindruckende Datenfülle zusammengetragen. Auch wies er darauf hin, dass zum Jahresende 2023 Huawei mit seinem Smartphone ‚Mate 60 Pro' die iPhone-Verkäufe auf dem chinesischen Markt überholen konnte – auch dank einem Application-Chip mit 7 nm-Technologie von HiSilicon und SMIC. Dies belege, wie China in der IC-Technologie weiter aufsteige – größere Investments seien zu erwarten. Spannend waren die aktuellen Impressionen, die Nakahara bei seinem jüngsten zehntägigen Besuch in Shenzen gewonnen hatte und die er mit der Konferenz teilte – in Wort und Bild. Dort sei im Straßenbild der Zuwachs an Elektrofahrzeugen (EFZ) klar zu erkennen. 100 % der Busse und Taxis seien elektrisch betrieben, vor allem von der Firma BYD. Eine grüne Lizenzmarke weise klar auf die Antriebsform hin. Insgesamt war es eine besonders faktenreiche Präsentation und der Applaus auffallend stark. Zwar war Dr. Nakahara selbst nicht zugegen, doch es war spürbar, welch hohen Stellenwert seine Expertise in der Leiterplattenbranche genießt.

Wie eine Reprise wirkte der Vortrag von Manfred Huschka, der ein Consultingunternehmen leitet. Er stellte die Frage, ob das Konzept ‚China + 1' wirklich funktionieren kann. Gemeint ist die behutsame Abkehr von einer zu starken Fokussierung auf den Fertigungsstandort China, indem vermehrt in anderen Ländern investiert wird – Huschka nennt als Beispiele Malaysia, Vietnam, Thailand, Indien und Mexiko, all dies im Zuge eines ‚De-Risking', um Abhängigkeiten von China zu verringern und geopolitischen Entwicklungen Tribut zu zollen. Huschka gab zu bedenken, dass China selbst in vielen dieser Länder investiert, und zeigte anhand des Beispiels Thailand die Menge der bestehenden und geplanten Fertigungen auf. Insgesamt bezweifelte er, dass (abgesehen von IC-Substraten) die Marktlage all diese Investitionen rechtfertigt, wies auf Infrastrukturprobleme in den betreffenden Ländern hin (etwa bei der Wasserversorgung) und auf schon jetzt bestehende Überkapazitäten. Huschkas Einschätzung nach wird China der Platzhirsch in der Leiterplattenfertigung bleiben. Als zusätzliche Anekdote lüftete Huschka das Geheimnis, dass selbst der Weihnachtsmann vermutlich nicht am Nordpol lebt, sondern wohl eher in der ostchinesischen Stadt Yiwu – dort werden 90 % unseres Weihnachtsschmucks produziert. Eine ernüchternde Zahl, die man wohl auch als Mahnung verstehen darf. Insgesamt war Huschkas Vortrag besonders lebendig, da er kein Blatt vor dem Mund nahm und zugleich seine Bedenken fundiert begründen konnte.

Manfred HuschkaManfred Huschka

Milena FritzMilena Fritz

Großer Diskussionsbedarf

Celia WenzlerCelia WenzlerLebendig geriet auch das Ende der Konferenz. Zwei Vorträge zum inkjet-Printing wurden zu den meistdiskutierten der Veranstaltung. Celia Wenzler, Notion Systems, führte grundlegend in diese Technologie ein; Milena Fritz, SAT Electronic, beschäftigte sich explizit mit den Vorteilen, aber auch den Stolpersteinen des innovativen Tintendrucks für den Leiterplattenbereich. Beide Vorträge waren besonders präzise, kompakt und gut aufgebaut – als hätten beide Frauen schon geahnt, dass sie mit Vorbehalten zu rechnen hätten. Bei der folgenden Diskussion wurde große Skepsis geäußert: Ist diese Technologie nicht zu langsam, zu unausgereift, zu grob – und insgesamt ein Rückschritt, weil Mehrlagigkeit und bestimmte Vias kaum möglich sind? Aber auch andere Stimmen wurden laut: Dies sei eine Zukunftstechnologie, wie in einigen Ländern längst erkannt worden sei, und die Vorteile der Flexibilität, Nachhaltigkeit und Kostenreduktion dürfe man nicht ignorieren. Es wird sich lohnen, diese Diskussion auf der LOPEC in München weiterzuverfolgen. Notion Systems ist dabei einer der Aussteller (siehe S. 146).

Erfrischend war das Finale der Winterkonferenz: ein ‚Quick Fire Walk In' sollte nochmal die Diskussionsfreude anfachen. EIPC-Präsident Alun Morgan selbst moderierte das Format, in dem er gezielte Fragen zu ausgewählten Folien der Sommer- und Winterkonferenz stellte. Eine gelungene Idee, zumal sich die ‚Feuerläufer' hervorragend bei der Fragerunde schlugen.

Man kann festhalten, dass die EIPC-Winterkonferenz zu Recht eine große Besucherzahl ansprechen konnte. Der internationale Touch, der spannende Besuch in Schramberg und die insgesamt gute Stimmung werden in Erinnerung bleiben.

www.eipc.org
www.schweizer.ag

 

  • Ausgabe: Februar
  • Jahr: 2024
  • Autoren: Markolf Hoffmann
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