Präzision als Schlüssel – Neue Wege in der Qualitätssicherung von Conformal Coatings

Abb. 1: Coating-Detektion mittels UV-Licht

Die Schutzbeschichtung von elektronischen Baugruppen gewinnt immer mehr an Bedeutung, was verschiedensten technologischen Trends geschuldet ist.

Elektrische Antriebe verdrängen immer mehr die Verbrennungsmotoren. Andererseits sorgen neue Kommunikationsstandards und KI-Anwendungen für höhere Ansprüche an den Isolations-, Korrosions- und Kontaminationsschutz. Marktforschungsinstitute sagen der Conformal Coating Industrie eine Verdoppelung des Umsatzes bis 2035 voraus [1,2]. Dabei wird Deutschland innerhalb Europas eines der höchsten Wachstumspotenziale prognostiziert.

Sprühverfahren auf dem Vormarsch

Zwei Beschichtungsmethoden besitzen großes Wachstumspotenzial: die chemische Gasabscheidung mit Parylen für High-Tech- und Halbleiteranwendungen, sowie die Sprühbeschichtung mit VOC-freien und UV-aushärtenden Materialien für industrielle Anwendungen. Acrylate und Silikone bilden den Hauptanteil der verwendeten Materialien bei der Sprühbeschichtung, wobei Acrylate aufgrund ihrer Kosteneffizienz und Rework-Fähigkeit bevorzugt in der Elektronik eingesetzt werden. Silikone finden vermehrt in der E-Mobilität und in allen Bereichen, wo hohe Temperaturen und raue Umweltbedingungen herrschen, Anwendung.

Die Vorteile des Sprühverfahrens sind der geringe Materialverbrauch, die Geschwindigkeit, Wiederholgenauigkeit und die Flexibilität bei verschiedenen Bauteilen und Baugruppen-Designs. Mit zunehmendem Druck, Kosten zu senken und gleichzeitig die Qualität zu steigern, sind dies erhebliche Vorteile. Beide Beschichtungsverfahren erzeugen dünnere Schichtstärken. Da die REACH-konformen Varianten ohne Lösemittel durch die Trocknung kaum an Volumen verlieren, entspricht die Nassschicht ungefähr der Schichtstärke im trockenen Zustand. Tabelle 1 zeigt die typischen Auftragsstärken der Materialien nach der Trocknung.

Tab. 1: Conformal-Coating-Schichtstärken nach der Trocknung
Coating Material Schichtstärke
Acrylic (AR), Epoxy (ER), Urethane (UR) 30-130 µm
Silicone (SR) 50-210 µm
Parylene (XY) 10-50 µm

Die dünneren Beschichtungen bieten nicht nur den Vorteil eines geringeren Materialverbrauchs, sondern auch den Vorteil einer effizienteren und schnelleren Trocknung. Dazu belegen Studien eine vielfach höhere Zuverlässigkeit der dünneren Schichtstärken. Diese kann durch eine optimierte UV-Trocknung mit konzentriertem UVA-Licht deutlich erhöht werden. Diagramm 1 und 2 zeigen den Einfluss der Schichtstärke und der Trocknung. Für die reine UVA-Trocknung wurden zwei Coating-Materialien bezüglich ihrer UVA-Licht-Absorption optimiert.

Diagramm 1: Vergleich der Zuverlässigkeit von reiner UVAStrahlung vs. dem vollen UV-Spektrum bei 60 μm SchichtstärkeDiagramm 1: Vergleich der Zuverlässigkeit von reiner UVAStrahlung vs. dem vollen UV-Spektrum bei 60 μm Schichtstärke

Diagramm 2: Vergleich der Zuverlässigkeit von reiner UVAStrahlung vs. das volle UV-Spektrum bei 120 μm SchichtstärkeDiagramm 2: Vergleich der Zuverlässigkeit von reiner UVAStrahlung vs. das volle UV-Spektrum bei 120 μm Schichtstärke

Schichtdickenmessung bei dünnen Beschichtungen

Abb. 2: Linien-ScanAbb. 2: Linien-ScanDünnere Schichten erfordern nicht nur eine präzisere Auftragstechnik, sondern auch eine zuverlässige Methode zur Überprüfung der Schichtdicke. Wie die Studien von Humiseal zeigen, wirken sich zu hohe Materialaufträge negativ auf die Zuverlässigkeit aus. Das gleiche gilt für zu dünne Schichten.

Traditionelle Methoden zur Messung der Schichtdicke, wie das manuelle Messen mit Mikrometern oder zerstörende Prüfungen, sind in einer Produktionsumgebung ungeeignet. Sie sind zeitaufwendig, fehleranfällig und unterbrechen den Produktionsprozess. Eine In-Line-Prüfung ist hier unerlässlich, um den Produktionsfluss nicht zu stören und gleichzeitig präzise Daten zur Schichtdicke in Echtzeit zu liefern.

Die Bedeutung der In-Line-Prüfung

In der heutigen Elektronikfertigung werden immer höhere Ansprüche an Qualität und Prozesskontrolle gestellt, insbesondere in Branchen wie der Automobil- oder Luftfahrtindustrie, wo Baugruppen extremen Bedingungen standhalten müssen. In diesem Kontext ist die In-Line-Schichtdickenprüfung ein unverzichtbares Werkzeug. Sie ermöglicht es, die Schichtdicke während des Beschichtungsprozesses in Echtzeit zu messen, was eine sofortige Korrektur von Abweichungen ermöglicht.

In-Line-Systeme zur Schichtdickenmessung müssen nicht nur präzise sein, sondern auch flexibel an jeder beliebigen Stelle der Baugruppe im nassen wie auch getrockneten Zustand messen können. Andernfalls ist eine sinnvolle Kontrolle des Beschichtungsprozesses nicht möglich.

LIFT-Technologie als Lösung für die In-Line-Schichtdickenmessung

Bisher ist die In-Line-Kontrolle des Conformal Coatings eine automatisierte 2D-Sichtkontrolle. Zu diesem Zweck sind den transparenten Coating-Materialien UV-Tracer beigemischt. Dadurch wird das Material unter UV-Licht sichtbar und es können die Abwesenheit des Coatings, Spritzer, Einschlüsse, Risse und Verschmutzungen erkannt werden. Schichtdickenunterschiede werden in der Intensität des reflektierten UV-Lichts wahrgenommen. Diese Unterschiede sind jedoch nicht skalierbar und geben nur Anhaltspunkte, aber keine Werte (siehe Abb. 1).

Optische Höhenmessungen scheitern in der Regel an der Transparenz des Materials und der Messung einer sinnvollen Referenzhöhe. Oft wird eine Referenzhöhe in einer unbeschichteten Region der Baugruppe gemessen und dann auf die ermittelte Höhe der Coating-Oberfläche angewendet. Das hat ungefähr die gleiche Genauigkeit, wie im schneefreien Hamburg die Null-Höhe zu messen, um auf der Zugspitze die Schneefallhöhe zu ermitteln. Wenn die Coating-Schichtstärke im Bereich unter 200 µm gemessen werden soll, kann man die Unebenheiten der Leiterplatte und Toleranzen der Bauteile nicht einfach ignorieren. Deshalb sollte im Idealfall durch das Coating-Material zur beschichteten Oberfläche gemessen werden.

Abb. 3: Coating-Höhen auf und zwischen QFP-LeadsAbb. 3: Coating-Höhen auf und zwischen QFP-Leads

Koh Young hat ein Messverfahren aus seiner Medizinsparte für diese Anwendung adaptiert. Ursprünglich war das Messverfahren zum Aufspüren von Krebszellen in Gewebeproben entwickelt worden. Das Messlicht dringt in transparente und halbtransparente Materialien ein und kann dabei die Position der Grenzschichten erfassen. Der Abstand der Grenzschichten ist gleich der Beschichtungsstärke. Führt man nun einen engmaschigen Linien-Scan der Oberfläche durch, ergibt sich eine 3D-Topografie der Beschichtung. So lassen sich z. B. die Schichtdickenunterschiede auf und zwischen QFP-Leads darstellen.

Das Messverfahren ähnelt der OCT-Messung beim Augenarzt (Optical-Coherence-Tomography). Bei Koh Young sprechen wir allerdings von der LIFT-Technologie, der Laser-Interferometry-for-Fluid-Tomography. Bei dieser Messung wird ein Laser-Lichtwellenpaket im Nah-Infrarotbereich (NIR) in die Messprobe geschickt. Ein Strahlteiler spaltet das Licht in ein Mess- und ein Referenzsignal. Die Messprobe reflektiert an den Grenzschichten unterschiedliche Wellenlängen des Messsignals. Die reflektierten Wellen und das Referenzsignal werden wieder zusammengeführt und in einem Detektor aufgenommen. Aufgrund des Kohärenzeffekts verstärken sich die Wellen mit gleicher Frequenz und Phase. Die Auswerte-Logik ermittelt aus den Kohärenzsignalabständen, den bekannten Wellenlängen und dem Brechungsindex des Materials die Schichtdicke.

Dabei ist die Messung nicht auf Coating-Material begrenzt. Underfill-Materialien, Dichtungs- und Vergussmassen können ebenfalls gemessen werden.

Abb. 4: Messschema LIFT und OCTAbb. 4: Messschema LIFT und OCT

Die reine 3D-Schichtdickenmessung deckt jedoch nicht alle Fehlerbilder ab. Deshalb nutzt das Messsystem mit dem Namen Neptune C+ eine Kombination aus 2D-UV-Licht-Inspektion und der 3D-LIFT-Technologie zur Schichtstärkenmessung. Das ermöglicht auch die intelligente Verknüpfung der Verfahren. Wenn z. B. kein Coating-Material mit der 2D-Prüfung detektiert wird, kann die 3D-Messung übersprungen werden. Das spart Zeit im In-Line-Betrieb. Bei fast allen Prüf- und Messaufgaben helfen KI-Algorithmen, um die Detektion im UV-Spektrum zu optimieren oder den Brechungsindex automatisch zu ermitteln.

Ein integriertes maschinelles Lernen optimiert die Erfassung und Beurteilung von Einschlüssen [Bubbles].

Das Ergebnis ist eine umfassende 2D/3D-Prüfung vor und nach der Trocknung. Hierbei deckt die Schichtstärkenmessung einen Höhenbereich von 5 µm bis 3,5 mm ab. Deshalb wird die Neptune C+ bereits weltweit in unterschiedlichen Bereichen, wie Automotive, Medizintechnik und Industrieelektronik, eingesetzt.

Abb. 5: Underfill-Höhe an den BGA-SeitenAbb. 5: Underfill-Höhe an den BGA-Seiten

Abb. 6: Automatisches UV-TeachingAbb. 6: Automatisches UV-Teaching

Abb. 7: Detektierte Einschlüsse im CoatingAbb. 7: Detektierte Einschlüsse im Coating

Abb. 8: Höhenschnitt der Coating-StärkeAbb. 8: Höhenschnitt der Coating-Stärke

Vorteile der LIFT-Technologie

Neptune C+Neptune C+Die LIFT-Technologie von Koh Young bietet eine Reihe von Vorteilen. Der Hauptvorteil ist jedoch die präzise zerstörungsfreie Prüfung im Takt der Produktion, was ein ‚Real-Time'-Monitoring des Produktionsprozesses ermöglicht. Das spart Zeit und Kosten.

Zweitens bietet die LIFT-Technologie die Messgenauigkeit für die dünneren Schichtdicken im Bereich <100 µm.

Drittens misst die LIFT-Technologie berührungsfrei. Das heißt, das Material kann vor und nach der Aushärtung geprüft werden. Darüber hinaus an jeder beliebigen Stelle der Baugruppe.

Fazit

Die Elektronikfertigung steht durch neue Technologie-Trends vor gestiegenen Anforderungen beim Schutz elektronischer Baugruppen. Geringere Bauteilabstände bei steigender Leistung und höheren Frequenzen fordern wirksamen Isolations- und Korrosionsschutz. Dabei setzen sich mehr und mehr die Materialien durch, die hohe Temperaturen und raue Umgebungsbedingungen überstehen. Gleichzeitig zeigen Studien, dass dünnere Schutzschichten eine deutlich höhere Zuverlässigkeit bieten. Deshalb ist die Messung der Schichtstärke essenziell für die Lebenserwartung der Baugruppen. Unter dem Aspekt der automatisierten industriellen Fertigung muss diese Messung in Echtzeit in der Produktionsline stattfinden, um den kritischen Beschichtungsprozess sowie die Trocknung zu überwachen.

Koh Youngs LIFT-Technologie bietet eine zuverlässige Lösung für diese Herausforderung. Sie ermöglicht eine präzise, zerstörungsfreie In-Line-Messung transparenter und semi-transparenter Medien an jeder beliebigen Stelle der Baugruppe im In-Line-Betrieb.

Referenzen

[1] Vgl. Roots Analaysis, Conformal Coating Market, Till 2035: Industry Trends and Global Forecast, www.rootsanalysis.com/conformal-coating-market (Abruf: 25.03.2025).
[2] Vgl. Mordor Intelligence, ‚Conformal Coatings Market Size & Share Analysis - Growth Trends & Forecasts (2025 - 2030)”, www.mordorintelligence.com/industry-reports/conformal-coatings-market (Abruf: 25.03.2025).
[3] Phillips Rogers, ’Sources and Applications of Ultraviolet Radiation’, Academic Press, London, Oxford, Boston, New York und San Diego 1983.
[4] Chris Brightwell Humiseal Europe, Conformal Coatings – New Solutions to Existing Problems, SMTA Proceedings 2022
[5] Fortune Business Insights

Zur Person

Axel LindloffAxel Lindloff ist Dipl.-Ing. (FH) der Elektrotechnik und arbeitet seit 2012 für Koh Young Europe. Herr Lindloff ist als Senior Process Specialist für alle Fragen rund um den SMT-Process und die Datenanalyse verantwortlich. Hierbei baut er auf 25 Jahre Erfahrung als Trainer und Applikationsingenieur.

  • Titelbild: Abb. 1: Coating-Detektion mittels UV-Licht
  • Ausgabe: April
  • Jahr: 2025
  • Autoren: Axel Lindloff, Koh Young Europa GmbH
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