Eine Elektronikproduktion, die höchsten Qualitätsansprüchen genügt, setzt neben präzisen Lötparametern und einem stabilen Prozess auch eine regelmäßige Wartung der Lötanlagen voraus. Dabei stehen den Serviceingenieuren nicht selten enge Zeiträume zur Verfügung. In diesem Zeitfenster werden die zum Teil noch heißen Lötanlagen gewartet und von Kondensatablagerungen gereinigt.
Kondensat ist weitaus mehr als nur ein kondensierter Rückstand aus dem Flussmittel oder Lötstopplack an den Wänden der Lötanlagen. Je nach Produkt und Lötrezeptur können in den Lötanlagen unterschiedliche Substanzen aus der Lotpaste, dem Lötstopplack, der Leiterplatte sowie Bauteilen ausgasen. Diese kondensieren, polymerisieren und vernetzen sich miteinander im Lötprozess. Darüber hinaus können sie alle in der Lötatmosphäre miteinander reagieren und so Wachstum, Menge und Zusammensetzung des Kondensats bestimmen. Je nach Kombination der ausgasenden Verbindungen sowie Temperaturfenster werden nicht selten allergieauslösende, giftige und krebserregende Substanzen freigesetzt wie z. B. Furanverbindungen oder der Photoinitiator 2-Methyl-4'-(methylthio)-2-morpholino-propiophenon. Letztere Substanz sollte chemisch gebunden sein und sich in der Lötstoppmaske befinden. Es stellt ein ernsthaftes Qualitätsproblem der Leiterplatte dar, wenn sie im Überschuss im Kondensatrückstand zu finden ist.
Schadstoffe im Kondensat zuverlässig erkennen
Werden diese Substanzen im Kondensat rechtzeitig identifiziert, können beim Wartungs- und Reinigungsprozess geeignete Schutzmaßnahmen getroffen werden, um die Gesundheit der Serviceingenieure nicht zu gefährden und nicht zuletzt den Umweltauflagen gerecht zu werden.
Für die Identifikation der chemischen Verbindungen stehen mehrere Analyseverfahren zur Verfügung. Eine der bekanntesten ist die Fourier-Transformations-Infrarot-Spektroskopie, kurz FT-IR. Hier kann der Kondensatrückstand innerhalb weniger Sekunden analysiert werden. Ein Datenbankabgleich unterstützt bei der Identifikation der Kondensatbestandteile.
Mikroskopie dient zur visuellen Unterstützung, ist jedoch für die Identifikation nicht geeignet. Denn was unter dem Mikroskop sehr ähnlich aussieht, hat oft nicht nur unterschiedliche chemische Zusammensetzung, sondern auch unterschiedliche Entstehungsursachen. Ein kristalliner Kondensatrückstand kann eine vergleichsweise harmlose Ursache haben, wie z. B. ausgasende Acrylatverbindungen (Abb. 1). Er kann aber auch aus einem ausgasenden Photoinitiator bestehen (Abb. 2), was nicht nur ein ernstes Qualitätsproblem der fertigen Baugruppe darstellt, sondern auch ein ernst zu nehmendes gesundheitliches Risiko, wenn keine geeigneten Schutzmaßnahmen während der Wartung getroffen werden.
Substanzen, die Hautirritationen und Allergien auslösen können, entstehen meist erst durch chemische und thermische Veränderung wie z. B. die Abietinsäure des Kolophoniums aus der Lotpaste. Diese reagiert irreversibel unter dem Einfluss von Temperatur, aber auch von Sauerstoff und Licht zu 15-Hydroperoxiabietinsäure, 15-Hydroperoxidehydroabietinsäure, 7-Oxodehydroabietinsäure, 13,14-Epoxyabietinsäure sowie 5-Hydroxy-7-oxodehydroabietinsäure. Diese Substanzen können sich im Kondensatrückstand befinden, wenn kolophoniumbasierte Lotpasten verarbeitet werden.
Eine FT-IR (Fourier-Transformations-Infrarot-Spektroskopie) Materialanalyse hilft z. B., die Bestandteile im Kondensatrückstand zu identifizieren und einzuordnen. Bestandteile der kolophoniumbasierten Lotpasten, die Hydroabietinsäureverbindungen enthalten, zeigen ihr spezifisches Spektrum ebenso wie Furanverbindungen oder Triaminotriazin (Abb. 3 und Abb. 4). Furanverbindungen können entstehen, wenn Kondensatbehandlung in Lötanlagen mittels Pyrolyse vorgenommen wird.
Triaminotriazin ist beispielsweise als karzinogen eingestuft, genauso wie der Photoinitiator 2-Methyl-4'-(methylthio)-2-morpholinopropiophenon. Finden sich beide Substanzen in einer höheren Konzentration im Kondensat-Rückstand, sollten geeignete Schutzmaßnahmen getroffen werden.
Abb. 3: FT-IR Spektrum von Furan und Kondensat- Rückstand
Abb. 4: FT-IR Spektrum von Triaminotriazin und Kondensat-Rückstand
Qualitätsprobleme aus dem Kondensat ableiten
Während Substanzen wie Kolophonium ohne Qualitätseinbußen für die Baugruppe im Lötprozess aus der Lotpaste ausgasen, können Photoinitiatoren aus dem Lötstopplack und Leiterplattenbestandteile wie Triaminotriazin ein Hinweis darauf sein, dass die Qualität der Leiterplatten nicht stimmt. Hierbei kann es sich um nicht vollständig abgeschlossene chemische Reaktionen bei der Leiterplattenherstellung handeln.
Der Photoinitiator kann z. B.: im Überschuss vorliegen, um die Polymerisations- und Vernetzungszeit der Lötstoppmaske zu beschleunigen oder in seiner Reaktionsfähigkeit durch nicht eingehaltene Prozessparameter gehemmt worden sein. Auf diese Weise ist er in der Lötstoppmaske zwar vorhanden, jedoch chemisch nicht ausreichend gebunden und kann im Lötprozess ausgasen und zum vermehrten kristallinen Kondensatwachstum führen.
Reagieren
Einige chemische Verbindungen im Kondensat formen spitze, nadelförmige, kristalline Strukturen mit einer Breite von weniger als 5 µm. Als Vergleich dazu beträgt die Größe eines Feinstaubpartikels ca. 2 µm. Es ist deshalb wichtig zu verstehen, wie Kondensatbildung funktioniert und welche chemischen Verbindungen entstehen können. Sind die kritischen Kondensatbestandteile erst identifiziert, können im nächsten Schritt geeignete Schutzmaßnahmen für den Maschinenwartungsprozess vorgenommen werden. Diese reichen von der passenden Schutzausrüstung der Serviceingenieure bis zur geeigneten Reinigung und zum Auffangen der Kondensatrückstände sowie einer umweltgerechten Entsorgung.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist das frühzeitige Erkennen von gravierenden Qualitätsproblemen der Baugruppe aus dem Kondensat. Kommt es zur einer ungewöhnlich exzessiven Kondensatbildung mit kristallinen Strukturen, ist es ein Warnzeichen, das nicht ignoriert werden sollte. Mit dem Verständnis der Kondensatbildung und dem Wissen, welche Materialien in der Leiterplatte verarbeitet wurden, kann hier frühzeitig korrigierend eingegriffen werden. Dadurch werden nicht nur Kosten gespart, sondern es kann auch ein erheblicher Beitrag zur nachhaltigen Produktion geleistet werden.