Neues Jahr – neue Regierung – neue Probleme
Das neue Jahr bringt eine neue Regierung für Deutschland mit sich, und die vielen Freunde Deutschlands in der Welt wünschen Kanzler Scholz und seiner Koalitionsregierung viel Erfolg. Aber wir werden die bemerkenswerten sechzehn Jahre von Angela Merkel nicht so schnell vergessen. Nur wenige Staatsoberhäupter haben weltweit einen solchen Respekt genossen. Und während viele Staatschefs große Fehlentscheidungen getroffen haben, waren nur wenige so trittsicher wie Frau Merkel. Politische Analysten werden nun ein Urteil über „Muttis“ Jahre im Amt abgeben. Manche werden sagen, sie war zu vorsichtig und zu tolerant gegenüber Russland. Und damit zur neuen Ampel-Koalition! Einige der von ihr versprochenen Maßnahmen sind in der Tat mutig und – z. B. in Bezug auf Cannabis – könnten ältere und konservativere deutsche Bürger durchaus stören. Für andere außerhalb Deutschlands wäre es falsch, Kommentare abzugeben, und wir sollten einfach zusehen und lernen.
Die neue deutsche Regierung muss, wie alle anderen auch, einen „grünen“ Energieplan für Deutschland entwerfen. Ich habe keine Kommentare zu Kernkraft gesehen, aber ich gehe davon aus, dass die neue Regierung, wie die CDU vor ihr, keine neuen KK-Anlagen plant und die CDU- Politik der schrittweisen Schließung bestehender KK- Anlagen fortsetzen wird. Darin unterscheidet sich die deutsche Politik meines Erachtens von der eines jeden anderen großen Industrielandes in der Welt, mit Ausnahme von Japan. Die neue Koalition plant einen starken Ausbau der Wind- und Solarenergie. Doch werden diese den Bedürfnissen der deutschen Industrie und der Haushalte gerecht? Ich werde später darauf zurückkommen.
Ein großes Problem, mit dem die neue deutsche Regierung (und jede andere europäische Regierung) konfrontiert ist, ist das Problem der illegalen Einwanderung, deren Tempo zuzunehmen scheint. Die Leser werden den Tod von etwa 30 Migranten nicht vergessen haben, die Ende November versuchten, von Frankreich aus über den Ärmelkanal nach England zu gelangen. Zum Vergleich: In den letzten ein bis zwei Jahren sind schätzungsweise 3000 Migranten ertrunken, als sie versuchten, das Mittelmeer zu überqueren, um nach Europa zu gelangen. Länder wie Griechenland und Polen bauen derzeit neue Mauern an ihren Grenzen zur Türkei und zu Weißrussland. Deutschland, in der Mitte Europas und innerhalb des Schengen-Raums, kann dies nicht tun.
Woher kommen diese Migranten? Und wohin kommen sie, nachdem sie Europa betreten haben? Die Abbildungen 1 und 2 geben eine ungefähre Antwort. Bei der Betrachtung von Abbildung 1 wird der Leser feststellen, dass mit Ausnahme von Indien und El Salvador (die beiden Länder mit den niedrigsten Werten) jedes einzelne Land muslimisch ist. Ist dies ein Zufall?
Etwa 70 % der Migranten, die nach Europa kommen, sind junge alleinstehende Männer. Und diejenigen, denen Asyl gewährt wird, beantragen in vielen Fällen anschließend den Familiennachzug. Die Abbildungen 1 bis 3 sind kalte Statistiken. Abbildung 4 zeigt die Realität, eine Menschenmenge von Migranten an der US-Mexiko-Grenze, die sich so weit in die Ferne erstreckt, wie das Auge reicht. Viele dieser Migranten sind sehr ehrlich und geben an, dass sie einfach auf der Suche nach einem besseren Leben sind. Aber so gerne wir ihnen auch helfen würden, für jede Million, die nach Europa oder in die USA einreisen will, gibt es weitere 10 Millionen, vielleicht auch 100 Millionen. Die Dürre in weiten Teilen Afrikas, der Klimawandel, der in Zentralafrika und Teilen Indiens wochenlang Temperaturen von bis zu 50 Grad Celsius mit sich bringt, sind sogenannte Push-Faktoren, die die Migration antreiben. Sie werden durch Pull-Faktoren ergänzt. Dank Handys ruft ein Mann, nennen wir ihn Mohammed, nachdem er Deutschland erreicht hat, seine Familie an, um ihr zu erzählen, was für ein wunderbares Land es ist.
Die neue deutsche Regierung steht vor anderen Problemen. Warum befinden sich jetzt ca. 170.000 russische Soldaten an der ukrainischen Grenze? Präsident Putin ist erfolgreich auf der Krim einmarschiert. Möchte er nun einen Teil der Ukraine annektieren? Wie werden Deutschland und seine westlichen Verbündeten reagieren, wenn er dies versucht? Und Nordstream 2 ist ein Teil der Gleichung.
Kraftversorgung ohne Kernkaft?
Ohne eine zuverlässige Energieversorgung kann keine fortschrittliche Wirtschaft gedeihen. Deutschland und Japan haben sich offenbar gegen den Einsatz von Kernkraft entschieden. Deutschland hat jedoch nichts dagegen, Strom aus Frankreich zu importieren, der größtenteils aus KK-Strom besteht. In einigen Jahren werden auch mehrere osteuropäische Länder über KK-An- lagen verfügen und in der Lage sein, Strom nach Deutschland zu exportieren. Aber es gibt noch eine zweite Frage. Deutschland und Japan lehnen die Kernkraft, also die „Spaltungskernkraft“, strikt ab. Wie werden sie zur „Fusionskernkraft“ stehen? Diese neue Technologie hat in den letzten Jahren Fortschritte gemacht und verwendet keine radioaktiven Metalle wie Uran. Fusionsreaktoren müssen Temperaturen aushalten, die etwa dreimal so hoch sind wie die auf der Sonnenoberfläche. Abbildung 5 zeigt eine Fusionsreaktion, die im ST40 Tokamak in Culham, UK, beobachtet wurde. Die Herausforderung besteht darin, eine solche Reaktion über lange Zeiträume aufrechtzuerhalten, was bisher noch nicht gelungen ist.
In den USA wird in der National Ignition Facility (NIF) ein leistungsstarker Laser eingesetzt, um Wasserstoffbrennstoff zu erhitzen und zu komprimieren und so die Fusion einzuleiten. Ein Experiment deutet darauf hin, dass das Ziel der Zündung, bei der die durch die Fusion freigesetzte Energie die vom Laser gelieferte übersteigt, in greifbare Nähe gerückt ist. Die Nutzung der Kernfusion, des Prozesses, der die Sonne antreibt, könnte eine unbegrenzte, saubere Energiequelle darstellen. Abbildung 6 zeigt das Innere der NIF in den Lawrence Livermore Laboratories in den USA.
Bei dem als Trägheitsfusion bezeichneten Prozess werden 192 Strahlen des NIF-Lasers – des energiereichsten Lasers der Welt – auf eine pfefferkorngroße Kapsel mit Deuterium und Tritium gerichtet. Dadurch wird der Brennstoff auf das 100-fache der Dichte von Blei komprimiert und auf 100 Millionen Grad Celsius erhitzt, heißer als das Zentrum der Sonne. Diese Bedingungen tragen dazu bei, die thermonukleare Fusion in Gang zu setzen. Bei dem am 8. August 2021 durchgeführten Experiment wurde eine Energie von 1,35 Megajoule (MJ) gewonnen, etwa 70 % der Laserenergie, die der Brennstoffkapsel zugeführt wurde. Um die Zündung zu erreichen, muss die Fusionsausbeute größer sein als die 1,9 MJ, die der Laser eingebracht hat.
Im Vereinigten Königreich wird in Kürze der Standort für einen neuen Fusionsreaktor (Abb. 7) bekannt gegeben. Deutschland ist mit der Wendelstein-Anlage in Greifswald ein ernsthafter Akteur auf dem Gebiet der Kernfusion. Weltweit gibt es weitere Projekte, die zumeist von den Regierungen finanziert werden. Zu den privat finanzierten Projekten gehören General Fusion (finanziert von Herrn Bezos, dem Chef von Amazon), Commonwealth Fusion Systems USA, Helion Energy und TAE Technologies mit Sitz in Kalifornien. Eine kürzlich von der Fusion Industry Association (www.fusionindustryassociation.org) durchgeführte Umfrage ergab, dass mindestens 35 Unternehmen im Bereich der Kernfusion tätig sind.
Wir haben es also mit einem Wettlauf zwischen einerseits den vielen Unternehmen zu tun, die kleine, modulare Spaltreaktoren (SMR) entwickeln, und andererseits der eindeutig überlegenen Fusionstechnologie. Wir wissen wenig über die Projekte in Russland oder China, aber alle Experten haben Respekt vor der chinesischen Technologie, und sie könnte durchaus als Sieger aus diesem Rennen hervorgehen. Die meisten Experten glauben, dass Fusionsreaktoren noch mindestens zehn Jahre weit weg sind. Funktionstüchtige, vollständig zugelassene Kernreaktoren werden jedoch wohl kaum vor 2026 zur Verfügung stehen. Der Wettbewerb ist also sehr hart. Ich habe letzten Monat über SMRs geschrieben und wollte nicht noch einmal auf das Thema zurückkommen, aber ich werde ein anderes Projekt erwähnen, a) weil es europäisch ist und b) weil es einzigartig ist. Das dänische Unternehmen Seaborg Technolgies entwickelt Kernkraftwerke, die in Lastkähne eingebaut werden sollen (Abb. 8). Das Unternehmen weist darauf hin, dass eventuelle Probleme besser bewältigt werden können, da sie nicht an Land installiert werden.
Nicht-nukleare Energiequellen
Die neue Bundesregierung plant, den Ausstieg aus der Kohlenutzung bis 2030 zu beschleunigen, statt wie bisher geplant bis 2038. Es handelt sich dabei jedoch eher um eine Absichtserklärung als um ein festes Versprechen, und über die Nutzung von Erdgas wurde bisher wenig gesagt. Das Hauptaugenmerk wird also auf Wind- und Solarenergie liegen, und da es sich dabei um unstete Energiequellen handelt, kommt der Energiespeicherung große Bedeutung zu.
Windturbinen
In diesem Jahr wird der dänische Windturbinenhersteller Vestas einen sehr großen Prototyp einer Windturbine mit einer Leistung von 15 MW aufstellen, die ausreicht, um ca. 13 000 Haushalte mit Strom zu versorgen. Es wird die größte derartige Anlage der Welt sein, wenn auch möglicherweise nicht für lange. Windturbinen werden immer größer und das schneller als irgendjemand vorhergesagt hat. Das chinesische Unternehmen MingYang hat kürzlich Pläne für eine noch leistungsstärkere Anlage mit einer Leistung von 16 Megawatt angekündigt. Noch vor wenigen Jahren hatte die größte Windturbine eine Leistung von 8 Megawatt. Der Bau größerer Turbinen erfordert nicht nur Kosten für die Produkt- entwicklung, sondern auch größere Häfen und größere Schiffe und Kräne, um sie zu installieren. Siemens-Gamesa bietet bereits eine 14-MW-Einheit an, die auf 15 MW aufgerüstet werden könnte, und erwägt möglicherweise die Entwicklung einer etwas größeren Anlage. Wo liegt die Grenze? Branchenexperten gehen davon aus, dass es bald eine 20-MW-Einheit geben wird. Die amerikanische Regierung plant die Errichtung von Windparks an der Ost- und Westküste sowie im Golf von Mexiko. Ihr Ziel sind 30 GW bis 2030, was für die USA mit ihrem riesigen Energiebedarf kaum von Bedeutung ist. Und es gibt starken Widerstand von Fischern, die behaupten, die Turbinen würden ihrer Industrie schaden.
Schwimmende Windparks
Fast alle kommerziellen Windturbinen sind auf einem Mast montiert, der in den Meeresboden getrieben wird. Das bedeutet, dass sie nur in recht flachen Gewässern installiert werden können. Die aufregendste neue Entwicklung ist das Konzept der schwimmenden Windturbinen, die in viel tieferen Gewässern installiert werden können, wie zum Beispiel vor der Küste Japans.
Hywind Scotland ist der weltweit erste kommerzielle Windpark mit schwimmenden Windturbinen, der 29 Kilometer vor Peterhead in Schottland liegt. Der Windpark besteht aus fünf schwimmenden 6-MW-Hywind-Turbinen mit einer Gesamtkapazität von 30 MW.
Die norwegische Equinor (damals noch unter dem Namen Statoil bekannt) hat 2009 die weltweit erste schwimmende Tief- see-Großwindkraftanlage, Hywind, in Betrieb genommen. Der 120 Meter hohe Turm mit einer 2,3-MW-Turbine wurde im Juni 2009 für einen zweijährigen Testlauf 10 Kilometer vor der Küste in den Amoy-Fjord in 220 Meter tiefes Wasser geschleppt, wo er jedoch etwa 10 Jahre lang blieb und Windgeschwindigkeiten von 40 m/s und 19 m hohe Wellen überstand.
Im Jahr 2015 erhielt das Unternehmen die Genehmigung zur Errichtung eines Windparks in Schottland, um die Kosten im Vergleich zur ursprünglichen Hywind zu senken. Die Fertigung für das Projekt, dessen Kosten mit 2 Milliarden NOKr (etwa 200 Mio. Euro) veranschlagt sind, begann 2016. Die Turbinen wurden im Sommer 2017 in Stord in Norwegen mit Hilfe eines Schwimmkrans zusammengebaut, und die fertigen Turbinen wurden in die Nähe von Peterhead gebracht. Jede Turbine wird von drei Ankern gehalten. Hywind Scotland wurde im Oktober 2017 in Betrieb genommen. Obwohl die Kosten im Vergleich zum ersten Hywind-Projekt gesenkt werden konnten, beliefen sich die endgültigen Kapitalkosten auf fast 300 Millionen Euro, d.h. ca. 10 Millionen Euro/MW, was etwa dem Dreifachen der Kapitalkosten von festen Offshore-Windparks entspricht. In den ersten Betriebsjahren hat die Anlage einen durchschnittlichen Kapazitätsfaktor von 57 % im Jahr 2021 erreicht, ein Rekord für alle britischen Offshore-Anlagen. Abbildung 9 zeigt die schottische Anlage. Die Masten schwimmen auf einem Schiff, das unter Wasser liegt und somit unsichtbar ist. Hywind ist nicht der einzige Akteur. Principle Power (www.principlepowerinc.com) befindet sich ebenfalls in einem fortgeschrittenen Stadium der Entwicklung schwimmender Windparks. Die Website ist einen Besuch wert. Wir befinden uns jetzt in einer spannenden Phase. Für tiefe Gewässer sind schwimmende Windparks die einzige Option. Aber sind sie auch die kostengünstigste Option? Auch müssen 6 MW nicht die Obergrenze sein. Erwarten Sie spannende Entwicklungen in diesem Bereich!
Solarenergie
Die Solarenergie spielt in den Plänen der neuen deutschen Regierung eine wichtige Rolle. Gemeint ist die Installation von Solarkollektoren auf den Dächern von Wohn- und Geschäftshäusern. Aber es gibt noch viele andere kreative Ideen für die Solarenergie. Wir in der nördlichen Hemisphäre erhalten nur begrenzt Sonnenlicht. Xlinks (www.xlinks.co), ein Start-up-Unternehmen im Energiebereich, behauptet, mit dem längsten Unterwasser-Stromkabel der Welt die Antwort gefunden zu haben. Insgesamt vier Kabel sollen über 3800 km entlang des Meeresbodens verlaufen, von einem Solar- und Windpark in Marokko durch Portugal, Spanien und Frankreich, bevor sie im britischen Dorf Alverdiscott in Devon landen. Xlinks hofft, das Projekt bis zum Ende des Jahrzehnts in Betrieb nehmen zu können. Wenn alles nach Plan läuft, wird das Kabel von Xlinks 3,6 GW Strom für 20 oder mehr Stunden pro Tag liefern.
Bisher hat noch niemand eine Unterseekabelinfrastruktur in dem von Xlinks vorgeschlagenen Umfang gebaut. In der Regel wird ein kleiner Graben im Meeresboden ausgehoben, um Kabel wie dieses zu verlegen, die dann manchmal unter Betonplatten oder Felsen vergraben werden.
Das Kabel wird auf einer Strecke verlegt, die an der tiefsten Stelle 700 m unter dem Meeresspiegel liegt, was das Risiko von Schäden durch Anker und Fischereigeräte verringert. „Es ist nicht der kürzeste Weg nach Großbritannien, aber er stellt die geringsten technischen Anforderungen. Es wird auf der gesamten Strecke unter der Oberfläche verlegt“, so ein Sprecher von Xlinks. Entlang des Kabels wird es einen gewissen Energieverlust geben – -13 % –, aber Xlinks sagt, dass die Erzeugungskosten in Marokko niedrig genug sein werden, um die Rentabilität des Projekts zu gewährleisten.
Solarenergie aus Afrika? Warum nicht aus dem Weltraum? Das ist das Ziel eines chinesischen Teams. China hat einen Durchbruch in seinem Bestreben verkündet, orbitale Kraftwerke zu entwickeln, die Energie von der Sonne ernten und direkt zur Erde leiten können. Wie die Regierung mitteilte, wurde mit dem Bau der Weltraum-Solarenergiestation Bishan in der südwestlichen Stadt Chongqing begonnen. Die Tests sollten bis Ende 2021 beginnen und auf Experimenten zur Energieübertragung über große Entfernungen aufbauen. Die Wissenschaftler hoffen, bereits 2035 ein funktionsfähiges System zu bauen und bis 2050 eine Anlage zu entwickeln, die ein Gigawatt Energie erzeugen kann. Das Endziel ist der Start riesiger Satelliten, möglicherweise mit einer Länge von mehr als einem Kilometer. Sie könnten 24 Stunden am Tag ungehindert von Wolken das Sonnenlicht einfangen. Die Energie würde in Mikrowellen umgewandelt und an bodennahe Empfänger gesendet, die an das Stromnetz angeschlossen wären. 1941 wurde die Idee erstmals von dem amerikanischen Science-Fiction-Autor Isaac Asimov skizziert. Mehrere Länder, darunter auch das Vereinigte Königreich, untersuchen, ob die erforderliche Technologie verwirklicht werden kann. Die ersten chinesischen Tests werden jedoch bescheiden ausfallen und Energie über eine Entfernung von etwa 300 m senden. Dazu müssen mehrere technische Hürden überwunden werden. Eine davon besteht darin, riesige Solarenergiesammelsatelliten in der Umlaufbahn zu montieren – eine Aufgabe, die in dieser Größenordnung noch nie durchgeführt wurde. Außerdem muss eine Technologie entwickelt werden, um die Energie sicher zur Erde zu leiten. Abbildung 10 zeigt eine schematische Darstellung des Konzepts.
Erneuerbare Energien haben auch ihre Schattenseiten
Es besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass erneuerbare Energiequellen wie Wind- oder Solarenergie von Natur aus immer eine Art Reserve benötigen. Doch wenn diese Reserve, z.B. ein erdgasbetriebenes Kraftwerk, zu sagen wir 60 % der Zeit ungenutzt bleibt, ist das eine verschwendete Ressource. In England wurden kürzlich Verträge für Windenergie zu einem Preis von ca. 50 Euro/MWh abgeschlossen – die Hälfte der Kosten für Kernenergie. Doch diese scheinbar attraktive Zahl ist trügerisch, denn das Nationale Stromnetz muss sicherstellen, dass andere Stromquellen zur Verfügung stehen, wenn der Wind abflaut. Die einzige Alternative zur sogenannten Stand-by-Kraft ist die Energiespeicherung.
In der Schweiz, in Österreich und zu einem kleinen Teil in Schottland gibt es seit langem Wasserkraftwerke zur Energiespeicherung. Bei geringem Bedarf wird Wasser bergauf zu einem hohen Stausee gepumpt, und bei hohem Bedarf wird dieses Wasser zum Antrieb einer Turbine freigegeben. Aber fast alle geeigneten Standorte für solche Projekte sind inzwischen ausgeschöpft, und obwohl sie nach wie vor wertvolle Ressourcen darstellen, ist deren Grenze weitgehend erreicht. Wie können wir also Energie in großem Maßstab speichern?
Vor ca. zehn Jahren gab es Begeisterung für große Schwungräder, die im Vakuum arbeiten. Diese Idee scheint gestorben zu sein. Jetzt haben wir große Lithiumbatterien zur Energiespeicherung. Die Moss Landing Energy Storage Facility südlich von San Francisco, Kalifornien, wurde an das Stromnetz angeschlossen und begann am 11. Dezember 2020 mit der Speicherung von Energie. Mit 300 MW/1200 MWh ist dieses auf Lithium-Ionen-Batterien basierende Energiespeichersystem wahrscheinlich das größte der Welt (Abb. 11). Im September letzten Jahres traten bei der Anlage Probleme auf, da mehrere Module überhitzten; die Ursache dafür ist noch nicht vollständig geklärt. Es gibt auch etwas kleinere Anlagen in Australien, während in den USA Anlagen von bis zu 2GW geplant sind, z. B. am Copper Mountain in Nevada. Dummerweise wird bei vielen dieser neuen Projekte zwar die Leistung (in MW), nicht aber die Energiekapazität (in MWh) angegeben. In Großbritannien sind ca. 16GW an Batterieprojekten installiert, im Bau oder geplant.
Einmal mehr erleben wir einen Wettbewerb zwischen verschiedenen Technologien. Die erste Frage ist, ob wir Energie in großen zentralen Anlagen oder in unseren eigenen Häusern oder an unseren Arbeitsplätzen speichern sollten. Es ist eine Tatsache, dass die Batterietechnologie keine signifikanten Scale-up-Vorteile bietet–- Big is not Beautiful.
Die zweite Frage ist, ob Lithiumbatterien die wirtschaftlichste Option für statische, groß angelegte Energiespeicher sind, bei denen die Energiedichte (im Gegensatz zum Antrieb von Elektrofahrzeugen) kein Problem darstellt.
Die Technologie der Natrium-Ionen-Batterien ist sicherlich nicht tot, und es gibt mehrere Unternehmen auf der ganzen Welt (natürlich auch in China), von denen einige bis 2023 ein Produkt versprechen. Es gibt auch noch eine dritte Möglichkeit. Eine Batterie ist ein komplexer und teurer Gegenstand. Sie erfüllt zwei Funktionen. Erstens die Speicherung von Energie und zweitens die Umwandlung chemischer Energie in elektrische Energie. Was wäre, wenn wir diese beiden Funktionen voneinander trennen könnten? Das ist in der Tat die Grundlage der sogenannten Flow Battery, bei der die Reagenzien in großen, kostengünstigen Behältern gespeichert und dann in einer Elektrolysezelle umgesetzt werden.
Auch hier gibt es inzwischen mehrere Unternehmen, die diese Technologie anbieten, z. B. ESS Inc (www.essinc.com). Abbildung 12 zeigt eine Anlage in Brasilien. Typische Einheiten speichern bis zu 20 MWh und werden über 6 bis 12 Stunden entladen, was den Einsatz von Dieselgeneratoren überflüssig macht. Die ESS-Website ist sehr informativ und enthält viele Daten. Typische Lithium-Batterien kosten rund 350 US-Dollar pro Kilowattstunde, während ESS Inc. Nur 200 US-Dollar dafür angibt. Der gleiche Elektrolyt (Eisenchlorid) wird auf beiden Seiten der Elektrolysezelle verwendet. Abbildung 13 zeigt den tatsächlichen Aufbau der Zelle.
ESS Inc. hat mindestens sechs US-Patente, die unter folgender Adresse aufgeführt sind:
https://sectors.patentforecast.com/patent-forecast/energy-storage-flow-batteries/company/ESS%20TECH und die den Aufbau der Zelle, den Betrieb des Elektrolyten und andere Aspekte beschreiben. Könnte man diese Technologie in einer Galvano-Anlage vielleicht in Verbindung mit Solarzellen verwenden? Es würde die Kosten für einen Gleichrichter sparen.
Und Wasserstoff?
Wasserstoff gilt als beste „grüne“ Technologie. Seine Anwendung wird optimiert, Massenproduktion senkt die Kosten. Deutschland spielt eine führende Rolle. Auch für die Massenspeicherung von Energie könnte Wasserstoff eingesetzt werden. Als Metallhydrid gespeichert, kann im Vergleich zu komprimiertem Gas ca. 20 Mal so viel Wasserstoff pro Volumen gespeichert werden und das viele Monate lang. Das Schlüsselpatent ist US 7708815B. Das System wurde kürzlich erfolgreich in einem Haus in Südtirol installiert, das „Knappenhaus-Projekt“ (Abb. 14). Die Speicherung von Wasserstoff war bisher ein großes Problem, und seine Speicherung als Hydrid könnte der große Durchbruch sein, auf den wir gewartet haben.
Die japanische Geschichte
Japan ist historisch eng mit Deutschland verbunden, und viele Japaner sind wie viele Deutsche vehement gegen Kernkraft, insbesondere nach der Katastrophe von Fukushima. In den Jahren danach hat die japanische Regierung 22 kohlebefeuerte Kraftwerke gebaut und dabei billige Kohle aus Australien verwendet. Derzeit wird ein 1,3-GW-Kohlekraftwerk über der Bucht von Tokio gebaut, das 7 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr ausstoßen wird. Trotzdem plant Japan jetzt den Übergang zu einer Wasserstoffwirtschaft. In Bezug auf Wasserstoff-getriebene Pkw ist es führend, wie z.B.der Toyota Mirai. Aber letztes Jahr haben die japanische und die australische Regierung ein Abkommen unterzeichnet, wonach Braunkohle in Latrobe, Australien, abgebaut und in Wasserstoff umgewandelt, bei -235 °C verflüssigt und nach Japan verschifft werden soll. In der Zwischenzeit würde das bei diesem Prozess entstehende CO2 vergraben werden, vielleicht unter dem Meer, wodurch sogenannter „blauer Wasserstoff“ entsteht. Viele Japaner sind zutiefst schockiert – das Vergraben von Wasserstoff ist ein unerprobtes Verfahren, aber natürlich freuen sich die Australier (wie ich letzten Monat berichtet habe), dass es eine Zukunft für ihre lebenswichtige Kohleindustrie zu geben scheint.
Fazit:
Die Welt (oder zumindest die meisten Länder) erkennen die Bedrohung durch die globale Erwärmung und reagieren (vielleicht zu langsam) darauf. Gleichzeitig sind wir in Europa nicht glücklich darüber, bei einem Großteil unserer Energie so abhängig von Russland zu sein. Die nächsten fünf bis zehn Jahre könnten schwierig werden, aber es besteht die Hoffnung, dass neue Technologien uns von diesen beiden Bedrohungen befreien werden.