Die Schallplattengalvanik ist eine der ältesten Anwendungen des Galvanoformings und wird im Kern unverändert seit den 1920er-Jahren betrieben. Die Schallplattenproduktion beginnt mit einem Schnitt auf eine Folie, von der galvanisch Abzüge hergestellt werden, die dann als Pressmatrize verwendet werden. Diese unterteilen sich in Lack- und DMM-Schnitte.
Beim klassischen Lackschnitt werden die Rillen in einen mit Acetatfolie beschichteten Aluminiumrohling geschnitten (Vater), der dann entfettet und dekapiert wird. Nun wird er mit einer Mischung aus flüssigem Silber und Reduktionslösung besprüht. Die Silberfolie (Mutter) wird abgezogen und vernickelt. Die Abzüge der Mutter, Söhne genannt, sind die fertigen Pressmatrizen, die in die Schallplattenpresse eingesetzt werden. Eine Pressmatrize kann ca. 1000 Schallplatten herstellen und hat eine Stärke von ca. 200 Mikrometern.
Die letzte signifikante technische Neuerung in der Schallplattenherstellung war der DMM(Direct Metal Mastering)-Schnitt, der 1981 von Teldec/Neumann auf den Markt gebracht wurde. Hier wird anstatt Acetatfolie eine ca. 200 Mikrometer starke Nickelschicht auf dem Rohling verwendet, es wird also direkt die Mutter geschnitten. Dadurch entfällt der aufwendige und problembehaftete Versilberungsprozess und es können direkt Söhne vom Schnitt (Abzüge) gemacht werden. Dies spart Ressourcen, schont die Umwelt und vereinfacht und beschleunigt den Prozess erheblich. Leider wurde diese Technik erst kurz vor dem Einzug der CD in die Musikgeschäfte auf den Markt gebracht, dadurch wurden nur sehr wenige Schnittmaschinen gebaut, die DMM-kompatibel sind. Durch die mangelnde Verfügbarkeit der Kupferrohlinge wurden einige dieser Maschinen sogar nachträglich auf Lackschnitt umgerüstet. Sie sind also leider eine Seltenheit in der Schallplattenindustrie.
Lackfolie (l.) und DMM-Folie (r.)
Ob auf Acetat oder DMM geschnitten wurde, macht nur in der Vorbereitung des Masters einen Unterschied, die Vernickelung ist bei beiden Varianten identisch. In den allermeisten Fällen wird Nickelsulfamat unter Zugabe von Borsäure in einem stark durchspülten Bad verwendet. Die Warenbewegung erfolgt meist über einen Drehteller, auf dem der Schnitt befestigt wird.
Im Regelfall werden keine Glanzmittel oder Einebner zugegeben. Netzmittel sind hier meist die einzigen verwendeten Organika.
Die Anforderungen an die Schallplattengalvanik weisen im Vergleich zur industriellen Galvanik einige Unterschiede auf, auf die wir etwas näher eingehen wollen. Für viele Anwendungen in der Galvanik ist die Haftung der aufgetragenen Schicht eine der größten Herausforderungen. Die allermeisten industriellen Beschichtungen unterliegen hohen Anforderungen an Haltbarkeit und Funktion der abgeschiedenen Schichten. Korrosionsschutz steht hier meistens im Vordergrund, ebenso Optik und Haptik. Eine gute Einebnung ist ebenfalls eine Eigenschaft, die oft vom Galvaniseur gefordert wird.
In der Schallplattengalvanik ist Einebnung absolut nicht erwünscht, da sonst die Rillen im Bereich von 50 bis 80 Mikrometern Breite nicht präzise abgebildet werden. Selbst minimale Abweichungen führen hier zu erheblichen tonalen Problemen. Korrosion hat ebenfalls keine Priorität, da die Abzüge zeitnah zur Produktion verwendet werden und nicht den Elementen ausgesetzt sind. Die Duktilität der Abzüge ist jedoch sehr wichtig, da die Pressmatrizen über 100 Tonnen Druck standhalten müssen, ohne zu brechen.
Da im Regelfall mehrere Negative von einem Werkstück gezogen werden, ist die Passivierung eine der größten Herausforderungen für den Galvaniseur. Jegliche Haftung führt hier zu Ausbrüchen der Rillen und damit zu Ausschuss. In einem Markt mit engen Margen und kurzen Turnarounds ist dies problematisch. Meistens wird zur Passivierung mit Kaliumdichromat gearbeitet; aufgrund der toxischen Eigenschaften von Chrom(VI) wird hier jedoch aktiv nach Alternativen gesucht. Die Verwendung von eiweißbasierten Passivierungen birgt hier einiges an Potenzial.
Eine auf den Mikrometer genaue Abbildung der Rillen, perfekte Passivierung und eine gute Duktilität sind also die wichtigsten Anforderungen in der Schallplattengalvanik. Nachdem die Vinylschallplatte in den letzten Jahren eine Renaissance erlebt hat und die Produktionszahlen stetig steigen, wird sie noch einige Zeit interessante Arbeitsplätze für Galvaniseure sichern. Trotz ihrer weiten Verbreitung und langen Geschichte bleibt die Schallplattengalvanik ein Exot in der Branche, was sie gerade für musikbegeisterte junge Galvaniseure zu einer interessanten beruflichen Alternative macht. In Deutschland arbeiten aktuell noch viele Presswerke täglich daran, die sich immer über Nachwuchs freuen.
Trotz ihrer langen Geschichte bleibt die Schallplattengalvanik ein Exot