In vielen Prozessen der Oberflächentechnik müssen gebildete Metallsalze ausgeschleust werden, z. B. aus Beizen oder Ätzbädern. Während bei gebräuchlichen Verfahren zur Badpflege – wie Retardation, Diffusionsdialyse oder Röstverfahren – Säuren und Metallsalze oder Metalloxide zurückgewonnen oder ausgeschleust werden, können mit Elektrolyseverfahren die Metalle und die Prozesssäuren zurückgewonnen werden.
Bei der konventionellen Elektrolyse von Badlösungen wird normalerweise an der Anode Wasser in H+-Ionen und Sauerstoff aufgespalten und an der Kathode das Metall abgeschieden. Bei der konventionellen Elektrolyse von Chloridlösungen entsteht jedoch Chlorgas an der Anode. Für eine Rückgewinnung von Salzsäure wird hier zusätzlich H2 benötigt.
H2-Gasdiffusionselektroden (H2-GDE) werden derzeit für die Anwendung in Brennstoffzellen (BZ) optimiert. Der Wirkungsgrad für die Stromerzeugung aus H2 in der BZ liegt im Normalbetrieb im Bereich von 50 % bezogen auf den unteren Heizwert von Wasserstoff. Der Einsatz von H2 in neuen Elektrolyseverfahren mit H2-GDE zur Rückgewinnung von Metallen und Säuren kann deutlich mehr Strom substituieren, als alternativ in einer BZ erzeugt würde. Aufgrund der Überspannung von O2 in konventionellen Elektrolysen kann im Vergleich zu konventionellen Elektrolysen oftmals sogar mehr als 100 % des Energieinhalts von H2 an Strom substituiert werden.
Die Gewinnung von Metallen – z. B. Zn, Fe, Co, Ni, Sn, Pb, Cu – durch Elektrolyse mit H2-GDE von Prozessbädern führt somit im Vergleich zur konventionellen Elektrolyse zu deutlich reduzierten Kosten für elektrische Energie und bietet auch im Vergleich zu anderen Rückgewinnungsverfahren signifikante ökologische und ökonomische Vorteile bei der Badpflege. Aufgrund der überragenden industriellen Bedeutung werden nachfolgend Eisenbeizen diskutiert.
Beizbäder für Eisen/Stahl
Stahl wird üblicherweise in Salz- oder Schwefelsäurebädern gebeizt. Hier bedeutet Beizen das Ablösen von Korrosionsschichten auf Oberflächen oder das Entfernen von Deckschichten aus vorhergehenden Prozessen, z. B. Walz- oder Glühzunder. Beim Beizen mit Mineralsäuren gehen Eisenoxide in Lösung, aber auch ein Teil des Grundmetalls wird unter Wasserstoffbildung angegriffen. Gebildete Eisen(III)-Salze reagieren zudem mit Eisen weiter zu Eisen(II)-Ionen. In der Beizsäure sind daher größtenteils Eisen(II)-Salze gelöst. Salzsäure löst alle Eisenoxide vollständig auf, Schwefelsäure löst FeO leicht, Fe304 schwer und Fe203 kaum [1]. Daher werden Eisenbeizen mit Salzsäure bevorzugt. Auch für Fe3+-Salze werden hier wie für Fe2+ je 2 mol HCl/mol gelöstes Fe benötigt.
Fe2O3 + Fe + 6 HCl → 3 Fe2+ + 6 Cl– + 3 H2O <1>
Der Beizeffekt ist vom Zustand eines Beizbades abhängig. Insbesondere stören beim Beizen das Absinken des Säure- und der Anstieg des Eisenspiegels, wobei Letzterer die Beizzeiten und den Beizeffekt am stärksten beeinflusst. Dem Absinken des Säurespiegels wird durch Nachschärfung mit Frischsäure entgegengewirkt. Das Ergebnis sind abgearbeitete Bäder mit relativ hoher Eisenmenge und relativ hohem Säuregehalt [2].
Konzentrationen über 1 mol/l Eisenionen in verbrauchten Beizlösungen verhindern aufgrund des hohen osmotischen Drucks den effizienten Einsatz moderner Säurerückgewinnungsverfahren wie Nanofiltration und/oder Diffusionsdialyse für Eisenbeizen. In der Praxis werden daher in kleineren Anlagen Eisenbeizen auch heute noch nach Erreichen der maximalen Eisenkonzentration im Bereich von 50 – 100 g Fe/l verworfen, oder durch Retardation mit Säurerückgewinnungsraten bis zu 90 % für die freie Säure aufbereitet. Die freie Säure macht allerdings nur einen kleinen Teil der ursprünglich eingesetzten Säuremenge aus. Auch die Abwassermenge wird bei Einsatz einer Retardation im Vergleich zum Verwerfen der Lösung um über 100 % erhöht [3].
In größeren Salzsäurebeizen wird die verbrauchte Beizlösung mit Röstverfahren aufbereitet [4]. Hierbei verdampfen zuerst die Flüssigkeit und das freie HCl, anschließend wird das Metallchlorid unter Bildung von weiterem HCl in Oxid umgewandelt.
3 FeCl2 + 3 H2O + ¾ O2 → 1,5 Fe2O3 + 6 HCl <2>
Das HCl im Abgas wird ausgewaschen und dem Beizprozess wieder zugeführt. Als Produkte entstehen somit Eisenoxid und Salzsäure. Im Gegensatz zur Retardation wird eine nahezu 100%ige Rückgewinnung der gesamten eingesetzten Salzsäure erreicht, allerdings mit hohem Energieeinsatz und apparativem Aufwand. Unter Annahme einer hohen Fe-Konzentration von 1,5 kmol/m3 Lösung müssen je t ausgeschleustem Fe ca. 12 m3 Lösung verdampft werden, womit für die Verdampfung ein Energiebedarf im Bereich von 10 MWh/t Fe resultiert.
Regenerierung von Eisenbeizen mit Elektrolysen
Die Regenerierung von Salzsäurebädern mit einer konventionellen Elektrolyse mit Chlorgasbildung an der Anode
Fe2+/Fe // 2Cl–/Cl2ideale Zellspannung Δ_Eo = 1,77 V <3>
benötigt eine reale Zellspannung im Bereich von 2 V (bei Vernachlässigung der Überspannung von Chlor) mit einem resultierenden Energiebedarf im Bereich von 2 MWhel je t abgeschiedenem Eisen. Um die Salzsäure zurückzugewinnen, wird zudem ein zusätzlicher Reaktor zur HCl-Bildung benötigt, bei dem 1,2 MWh H2 zur Bildung von 1,3 t HCl eingesetzt werden müssen. Im Vergleich zu Röstverfahren ergibt sich eine Reduzierung des Energiebedarfs von ca. 10 MWhth auf 2 MWhel + 1,2 MWh H2 = 3,2 MWh/t Fe. Die Säure wird ebenfalls vollständig zurückgewonnen und man erhält mit Eisen ein höherwertiges Produkt als Eisenoxid. Das gebildete Eisen ist kohlenstofffrei und optimal für die Weiterverarbeitung zu Edelstahl geeignet.
Signifikante zusätzliche Einsparungen werden erzielt, wenn Wasserstoff direkt in der neuen Elektrolyse mit H2-GDE eigesetzt wird:
Fe /Fe2+//2 H+/H2
ideale Zellspannung Δ_Eo = 0,45 V<4>
Die Verluste in der Elektrolyse werden mit ca. + 0,3 V abgeschätzt, da H2 an platindotierten H2-GDE nur eine minimale Überspannung aufweist. Die benötigte Spannung für eine Zelle ergibt sich zu ca. 0,75 V, und mit Berücksichtigung der Abreicherung an Fe2+-Ionen während der Elektrolyse zu 0,8 V. Dann resultiert ein Energiebedarf von 1,2 MWh H2 und < 0,6 MWhel je Tonne rückgewonnenes Fe. Das gesamte in der Beize verbrauchte HCl (2 mol/mol Fe, ca. 1,3 t HCl/ t Fe) wird nun direkt in der Elektrolyse zurückgewonnen, ohne zusätzlichen apparativen Aufwand.
Aus energetischer Sicht ist der Einsatz einer Elektrolyse mit H2-GDE daher hochattraktiv zur Aufbereitung von Eisenbeizen mit Gewinnung von Eisen. Im Vergleich zu Röstverfahren ergibt sich eine Reduzierung des Energiebedarfs von ca. 10 MWhth auf 0,6 MWhel + 1,2 MWh H2 = 1,8 MWh je t ausgeschleustes Fe. Im Vergleich zur konventionellen Elektrolyse ergibt sich eine Reduzierung des Energiebedarfs von ca. 2 MWhel + 1,2 MWh H2 = 3,2 MWh je t auf 0,6 MWhel + 1,2 MWh H2, insgesamt 1,8 MWh je t ausgeschleustes Fe. Der Einsatz von 1,2 MWh H2 direkt in der Elektrolyse führt somit im Vergleich zur konventionellen Elektrolyse zu einer Einsparung von 1,4 MWhel.
Abb. 1: Fließbild zur Metall- und Säurerückgewinnung aus Eisenbeizen
Gesamtverfahren zur Regenerierung Eisenbeizen mit H2-GDE Elektrolyse
Eisenbeizen enthalten neben Säure und Eisensalzen weitere Verunreinigungen, beispielsweise Feststoffe (z. B. Silikate), Öle und Fette und weitere gelöste Metallsalze. In Abbildung 1 ist ein Verfahrensfließbild zur kontinuierlichen Rückgewinnung von Eisen und Säure aus einer Beizlösung durch Membranelektrolyse mit H2-GDE dargestellt. Die Eisenbeize kann stationär betrieben und eine für den Beizvorgang optimale Badzusammensetzung kann eingestellt werden. Hierzu wird kontinuierlich aus der Beize ein Stoffstrom über eine Mikrofiltration dem Kathodenraum einer Membranelektrolyse mit H2-GDE zugeführt. In der Mikrofiltration werden Öle, Fette und Feststoffe entfernt, bevor in der Elektrolyse Eisen an der Kathode abgeschieden wird. Die entsprechende Menge an Chloridionen diffundiert durch die Anionentauschermembran in den Anodenraum, wo aus diesen und H2 die Säure entsteht.
Die aus dem Kathodenraum austretende Lösung enthält noch Salzsäure mit der Säurekonzentration wie in der Beize, einen Restgehalt an Fe-Ionen sowie andere Metalle (Zn, Al etc.), die elektrolytisch schwer oder nicht abgeschieden werden.
Ein Teilstrom der aus dem Kathodenraum austretenden Lösung wird einer Diffusionsdialyse mit Anionentauschermembran zur Entfernung der Fremdmetalle bei gleichzeitiger Rückgewinnung der Säure zugeführt. Hier wird die Säure durch im Gegenstrom geführtes Wasser abgereichert und man erhält ein Abwasser, in dem sich noch ca. 10 % der ursprünglichen Säuremenge und die gelösten Fremdmetallsalze befinden. Diese können beispielsweise durch Zugabe von Laugen oder gebranntem Kalk als Metallhydroxide ausgefällt werden.
Das Diffusat der Diffusionsdialyse wird gemeinsam mit der übrigen aus dem Kathodenraum abströmenden Lösung dem Anodenraum und abschließend die dort regenerierte Lösung wieder dem Beizbad zugeführt.
Das an der Kathode abgeschiedene Eisen wird mit Wasser gewaschen, das angesäuerte Wasser wird dem Diffusatkanal der Diffusionsdialyse zugeführt. Das Abwasser 2 enthält nur eine minimale Menge an Chloridionen, somit wird fast das gesamte Chlorid als Salzsäure zur Beizlösung zurückgeführt.
In Tabelle 1 ist eine überschlägige Wirtschaftlichkeitsbetrachtung für das neue Verfahren zusammengefasst. Hierbei wird eine auszuschleusende Eisenmenge von ca. 1 t/h = 5 mol/s bei einer Badzusammensetzung mit 60 g/L Fe und 15 % HCl angenommen. Der Eisen- und Säureverlust im Abwasser wird vereinfachend vernachlässigt. Es werden ca. 18 m3/h Badlösung der Elektrolyse zugeführt, in welcher der Eisengehalt der Lösung auf 4 g/L reduziert wird. Die kumulierte Stromstärke über alle H2-GDE ergibt sich zu ca. 1 MA, womit bei 500 mA/cm2 ca. 200 m2 Fläche H2-GDE benötigt werden. Die Kosten der Elektrolyseanlage werden mit ca. 4000 Euro/m2 H2-GDE angenommen. Hier kann zukünftig eine Halbierung der Kosten erreicht werden, wenn H2-GDE-Membraneinheiten in Massenproduktion für Brennstoffzellen hergestellt werden.
Invest |
2,5 Mio. Euro |
Jährliche Betriebskosten |
2 Mio. Euro/a |
Verkauf Fe |
3 Mio. Euro /a |
Ersparnis Salzsäure |
1 Mio. Euro /a |
Zur Ausschleusung der Fremdmetalle werden ca. 10 % = 2 m3/h der Lösung in die Diffusionsdialyse geleitet. Die Spiralwickel der Spiraltec GmbH haben für Salzsäureanwendungen eine Kapazität von 20 l/h. Es werden somit 100 Wickel benötigt. Für die Kosten der Diffusionsdialyse werden 4.000 Euro/ Wickel angenommen.
Die Investition für die Gesamtanlage wird auf 2,5 Mio. Euro geschätzt, wovon ca. 1,2 Mio. Euro auf die Hauptkomponenten Membranelektrolyse mit H2-GDE und Diffusionsdialyse entfallen.
Wird eine Betriebszeit von 6000 h/a = 6.000 t Fe/a angenommen, resultiert ein jährlicher Bedarf an Wasserstoff von 7.200 MWh und an Strom von 3.600 MWh. Die Energiekosten ergeben sich bei Preisen von je 100 Euro/MWh zu ca. 1 Mio. Euro/a. Bei dieser Anlagengröße kann die Bereitstellung von H2 durch Dampfreformierung von Biogas mit 1,2 MW Leistung ohne resultierende fossile CO2 - Emissionen erfolgen [5]. Zukünftig kann auch eine sehr kostengünstige H2-Erzeugung durch Pyrolyse von Erdgas erfolgen, um Kosten < 50 Euro/MWh H2 zu erreichen [6]. Die gesamten jährlichen variablen Betriebskosten werden konservativ mit 2 Mio. Euro abgeschätzt, Betriebskosten unter 1 Mio. Euro/a sind mit günstigen Energiekosten wahrscheinlich erreichbar.
Bei Preisen von 500 Euro/ t Fe kohlenstofffrei (C-Stahl ca. 800 Euro/t [7]) resultiert ein Umsatz von ca. 3 Mio. Euro/a. Zusätzlich werden 8.000 t/a HCl für die Beize eingespart, mit einem Wert von ca. 1 Mio. Euro.
Aufgrund dieser einfachen überschlägigen und konservativen Betrachtung kann neben den energetischen Vorteilen auch für die Wirtschaftlichkeit des Gesamtverfahrens mit einem operativen Ergebnis von ca. 2 Mio. Euro/a bei Investitionen von 2,5 Mio. Euro/a eine sehr positive Einschätzung angenommen werden.
Ausblick und weitere Anwendungen
Die prognostizierten Vorteile für die Aufbereitung von Eisenbeizen mit H2-GDE und Diffusionsdialyse sollten im nächsten Schritt in der Praxis verifiziert werden. Neben Eisen kann der neue Prozess dann auch zur Rückgewinnung von weiteren elektrolytisch abscheidbaren Metallen aus sauren Lösungen mit simultaner Säurerückgewinnung eingesetzt werden, z. B. Zn, Fe, Co, Ni, Sn, Pb, Cu. Aufgrund der höheren Preise für all diese Metalle wird hier eine noch höhere Profitabilität erwartet. Es können auch andere Säuren wie Schwefelsäure oder Salpetersäure oder auch Mischsäuren mit Metallsalzen, z. B. Edelstahlbeizen, mit dem neuen Verfahren aufbereitet werden. In einem weiteren Schritt könnten auch Metalle selektiv aus Mischungen von verschiedenen Metallsalzen durch mehrere in Reihe geschaltete Elektrolysen mit aufsteigender Spannung abgeschieden werden.
Zudem kann der neue Elektrolyseprozess zukünftig auch für eine effiziente Metallgewinnung aus Erzen ohne CO2-Emissionen eingesetzt werden, nachdem die Vorteile bei der Aufbereitung von Eisenbeizen verifiziert wurden. Für die konventionelle Oxygenstahlerzeugung werden ca. 5 MWh Brennstoffe und weitere 0,4 MWh Strom/t benötigt [8]. Werden Eisenerze alternativ in Säure gelöst und der neue Prozess zur Metallgewinnung und Säurerückgewinnung eingesetzt, reduziert sich der Energiebedarf für die Stahlgewinnung (C-frei!) auf 1,2 MWh H2 und 0,6 MWh Strom, auch mit einer großtechnischen H2-Bereitstellung durch Pyrolyse von Erdgas ohne CO2-Emissionen. Man erhält somit einen hocheffizienten kalten Hochofen ohne gasförmige oder Lärmemissionen zur Her-stellung von hochwertigen Stählen.
Literatur
[1] A. Hake, Wasser und Abwasser, Wien 1967, S. 109 ff.
[2] Th. Borgolte, Galvanotechnik 57 (1966) Nr. 8, S. 531 ff.
[3] K. Klein, Galvanotechnik 85 (1994) Nr. 1, S. 210 ff.
[4] Patent EP 1 253 112 B1
[5] www.dbfz.de/fileadmin/user_upload/Referenzen/DBFZ_Reports/DBFZ_Report_46.pdf
[6] P. Lott et al., ChemSusChem 2023, 16, e202201720.
[7] www.stahlpreise.eu
[8] www.bmwk.de/Redaktion/DE/Downloads/E/energiewende-in-der-industrie-ap2a-branchensteckbrief-stahl.pdf