Das Zeitalter der Maschinenmenschen
Seit einigen Jahren treten technische Wesen in unser Blickfeld, die in Aussehen und Verhalten ihren menschlichen Schöpfern nachempfunden sind. Der Umgang mit androiden und humanoiden Robotern ist allerdings abseits der futuristisch anmutenden Begegnung von Mensch und Maschine gewöhnungsbedürftig. Da gibt es einerseits die Androiden. Roboter, die mit dem Ziel entwickelt werden, möglichst menschenähnlich zu sein – sowohl im Aussehen als auch im Verhalten. Sie haben häufig eine künstliche Haut, menschliche Gesichtszüge, tragen Haare, und sie bewegen sich menschlich. Mit solchermaßen technischer Nachahmung des Menschen wollen ihre Entwickler insbesondere die soziale Interaktion erforschen – oder auch einfach nur unterhalten. In Japan hat Hiroshi Ishiguro, Professor an der Osaka University, einen ihm zum Verwechseln ähnlichen Roboter erschaffen, der ihn über den Tod hinaus repräsentieren soll.
Humanoide Roboter hingegen orientieren sich lediglich in ihrer Statur am menschlichen Körperbau – haben also einen Kopf, zwei Arme und zwei Beine. Ihr Design wirkt gegenüber einem Androiden eher mechanisch-technisch, und ihre Funktionalität ist auf praktische, inzwischen häufig industrielle Anwendungen ausgerichtet. Humanoide wollen den Menschen nicht nachahmen. Ihren Entwicklern geht es eher darum, mit Maschinen in den Abmessungen und Bewegungsmöglichkeiten des menschlichen Körpers in der von uns und für uns gestalteten dreidimensionalen Arbeits- und Lebenswelt aktiv werden zu können. Humanoide Roboter sollen nützliche Helfer sein.
Das unheimliche Tal der Verstörung
Die Vorstellung, dass künstliche Menschen in unser Leben eintreten und darin Aufgaben übernehmen, ist nicht neu. Im Jahr 1818 veröffentlichte etwa Mary Shelley ihren Roman „Frankenstein - Der moderne Prometheus“, in dem sie die Geschichte eines Studenten der Naturwissenschaften erzählt, dem es in nächtelanger Arbeit gelang, aus toter Materie einen Menschen zu erschaffen. Schließlich gelingt es, aber der angehende Wissenschaftler ist entsetzt vom Anblick seines Monsters und flieht aus dem Labor.
1970, in der Frühzeit der industriellen Roboterentwicklung, ging Masahiro Mori in einem Essay der Frage nach, wie Menschen auf Roboter reagieren würden, die fast menschlich aussehen und sich fast menschlich verhalten. Mori war damals Professor für Robotik am Tokyo Institute of Technology, „In letzter Zeit gibt es viele Industrieroboter, und wie wir wissen, haben diese Roboter kein Gesicht oder Beine, sondern können sich nur drehen oder ihre Arme ausstrecken und zusammenziehen“, beschrieb Mori den damaligen Stand der Technik. „Sie haben keine Ähnlichkeit mit Menschen“, ihre Gestalt folge schlicht ihrer Funktionalität. Mori war jedoch überzeug, dass die Menschen selbst das Endziel der Robotik sind, „weshalb wir uns bemühen, menschenähnliche Roboter zu bauen“. Und das, so vermutete er, habe ungewollte Konsequenzen. In seinem Essay postulierte er, dass die Reaktion einer Person auf einen menschenähnlichen Roboter abrupt von Empathie zu Abscheu wechseln würde, wenn dessen Äußeres sich einem lebensechten Aussehen annähert, es aber nicht ganz erreicht: „Mir ist aufgefallen, dass, je menschlicher Roboter erscheinen, unser Gefühl ihrer Vertrautheit zunimmt, bis wir in ein Tal kommen. Ich nenne diese Beziehung das unheimliche Tal (Uncanny Valley)“.
In jüngerer Zeit hat das Konzept des „Uncanny Valley“ auch deshalb Interesse gefunden, weil es in der Filmwirtschaft immer besser gelang, computeranimierte, menschenähnliche Charaktere zu kreieren und in Szene zu setzen. Um ein Abgleiten ins Uncanny Valley zu vermeiden, hat zum Beispiel James Cameron in seinem Film „Avatar – Aufbruch nach Pandora“ die Bewohner der fremden Welt nicht exakt wie Menschen aussehen lassen, sondern deren Optik verfremdet und unter anderem die Arme und Beine etwas verlängert.
Das Interesse an dem psychologischen Uncanny-Valley-Effekt dürfte sich jetzt und in Zukunft noch verstärken, da sich die technischen Möglichkeiten zur Herstellung androider Roboter ständig verbessern und inzwischen die Möglichkeit besteht, die Maschinen mit künstlicher Intelligenz auszustatten. Angela Schoellig, Humboldt-Professorin an der Technischen Universität München (TUM) und Koordinatorin des Robotics Institute Germany, spricht bei diesem „organischen“ Zusammenwirken von Mechanik und KI von „verkörperter Intelligenz“ (embodied AI).
Die Begegnung mit Androiden kann uns Menschen frösteln lassen. Bevor Ishiguro seinen Roboter-Doppelgänger baute, entstand in seinem Labor eine lebensechte Roboter-Kopie seiner zu der Zeit vierjährigen Tochter. Beim Anblick dieser Kopie soll das Kind dermaßen erschrocken sein, dass es das Labor seines Vaters nicht noch einmal betreten habe, aus Angst, seiner Doppelgängerin erneut zu begegnen.
Derartige Sorgen werden uns – in Abgrenzung zu den Androiden – die humanoiden Roboter (noch) nicht bereiten. Die Modelle, die derzeit in den großen Wirtschaftsräumen Nordamerika, Europa und Ostasien die Labore verlassen, haben ein explizit maschinenhaftes Hightech-Aussehen. Sie faszinieren mit ihrer menschenähnlichen Gestalt, erschrecken uns aber nicht. Auch wenn ich noch nie einem dieser humanoiden Roboter gegenübergestanden habe, so staune ich gerne über ihre zum Teil akrobatischen Künste, die in zahlreichen Videos im Internet wohlfeil sind.
Einen aktuellen Überblick zum technischen Stand der Entwicklung geben Yuchuang Tong, Haotian Liu und Zhengtao Zhang in ihrer Studie „Advancements in humanoid robots: A comprehensive review and future prospects“ [1]. Die Funktionalität humanoider Roboter hat in den letzten Jahren durch Fortschritte in Mechanik, Elektronik, Künstlicher Intelligenz und Sensorik enorm zugenommen. In ihrer Arbeit analysieren die Autoren die Struktur der Maschinen, Steuerungsmechanismen, Wahrnehmung der Umgebung und Interaktion mit Menschen sowie mögliche Einsatzbereiche. Ihre Ergebnisse lassen sich so zusammenfassen:
- Technologischer Fortschritt: Fortschritte in der bionischen Mechanik, den Materialien und Steuerungs-technologien ermöglichen humanoiden Robotern menschenähnliche Beweglichkeit und Interaktion. Dennoch bestehen Herausforderungen wie etwa Energieverbrauch oder Balance.
- Forschung und Entwicklung: Historisch betrachtet, reicht die Entwicklung von humanoiden Robotern von zunächst grundlegenden Gehfähigkeiten bis hin zu hochdynamischen Bewegungsabläufen wie etwa bei dem System „Atlas“ von Boston Dynamics. Aktuelle Modelle integrieren maschinelles Lernen und neuronale Netzwerke, um autonom Entscheidungen zu treffen.
- Anwendungsbereiche: Potenzielle Anwendungen reichen vom Gesundheitswesen über Katastrophenhilfe, Bildung und Industrie bis hin zur Raumfahrt. Die Fähigkeit der Humanoiden, gefährliche und monotone Aufgaben zu übernehmen, erweitert die Einsatzmöglichkeiten erheblich.
- Zukunftsaussichten: Forschung ist weiterhin notwendig, um biologische Strukturen und Prozesse besser zu verstehen, damit es gelingen kann, humanoide Roboter weiter zu optimieren. Die Integration von biologischer Steuerung, effizienter Energieumwandlung und neuen Materialien wird als entscheidend angesehen.
- Herausforderungen: Neben technischen Hürden stehen ethische Fragen und gesellschaftliche Akzeptanz im Mittelpunkt. Robotersicherheit und Fehlertoleranz sind entscheidend, um humanoide Roboter sicher in menschlichen Umgebungen einsetzen zu können.
Die International Federation of Robotics (IFR) zählt die Weiterentwicklung der humanoiden Roboter zu den „Top 5 Robotik-Trends 2025“. Die Vision: Roboter werden zu Allzweckwerkzeugen, die selbstständig eine Spülmaschine beladen oder anderswo am Fließband arbeiten können. Robotik-Start-ups arbeiten laut IFR an humanoiden Alleskönnern. Große Hersteller konzentrierten sich demgegenüber auf Humanoide, die individuelle Einzelaufgaben bewerkstelligen sollen. Die meisten dieser Pilotprojekte laufen in der Automobilindustrie. Diese Branche spielt seit jeher eine Pionierrolle bei der Entwicklung von Roboteranwendungen, ruft die IFR in Erinnerung. Das gelte sowohl für die Industrie-Robotik als auch für die Logistik und Lagerhaltung. Aus heutiger Sicht bleibe aber abzuwarten, ob humanoide Roboter einen wirtschaftlich tragfähigen und skalierbaren Business-Case für die breite industrielle Anwendung darstellen.
Das Potenzial humanoider Roboter werde zwar oft gerühmt, aber konkrete Anwendungen seien noch selten, gibt sich auch das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) in einer im Januar dieses Jahres veröffentlichten Studie [2], die im Rahmen des KI-Fortschrittszentrums veröffentlicht wurde, durchaus skeptisch und analysiert den Trend zu humanoiden Robotern unter der Überschrift „Game-Changer oder Irrweg?“ In den mehr als 100 Rückmeldungen von Fachleuten aus der Industrie wurden als mögliche und sinnvolle Einsatzszenarien von Humanoiden am häufigsten der Materialtransport, das Maschinenbeladen und das Greifen komplexer Gegenstände genannt, berichtet das Autorenteam um Simon Schmidt, Joshua Beck, Lasse Höltge, Alexandra Huber und Ramez Awad. Die Hürde zum Erfolg beschreiben sie so: „Gegenüber bisherigen Lösungen sollten Humanoide insbesondere durch ihre Flexibilität bei der Ausführung verschiedener Aufgaben hervorstechen.“ Werner Kraus, Leiter des Forschungsbereichs Automatisierung und Robotik und Mitherausgeber der Studie, präzisiert diese Anforderung so: „Genau die Kombination aus möglichen Ortswechseln und flexibler Greiftechnik ist in meinen Augen game-changing. Denn hiermit können auch Aufgaben in bestehenden Anlagen, dem Brownfield, mit geringem Integrationsaufwand automatisiert werden.“
Die Befragten der Studie beurteilen die technischen Möglichkeiten von Humanoiden aktuell noch zurückhaltend und vermuten, dass derartige Maschinen erst einmal Aufgaben ausführen werden, bei denen Genauigkeit, Systemstabilität oder Prozessgeschwindigkeit als Roboterfähigkeiten weniger relevant sind. Vielfach wurde als Beispiel der Transport von Kisten als mögliche Aufgabe gesehen. Ob Humanoide für die gewünschten Aufgaben zwei Beine haben müssen, bezweifeln laut Sudie 60 Prozent der Befragten. Sie finden eine radgetriebene Plattform oder gar eine stationäre Anwendung mit einem Zweiarmroboter zweckmäßiger.
Sicherheit und Wirtschaftlichkeit als zentrale Kriterien
Die größte Herausforderung beim Praxiseinsatz ist laut Fraunhofer-Studie die funktionale Sicherheit, die aktuell noch weitgehend ungeklärt sei und aufgrund des Roboteraufbaus besondere Anforderungen stelle wie etwa hinsichtlich ihrer Stabilität. „Deshalb sehe ich als wahrscheinliche Szenarien für erste Einsätze vorerst keinen Mischbetrieb mit dem Menschen“, ist Werner Kraus überzeugt.
Eine zu große Erwartungshaltung und Unklarheit über die Wirtschaftlichkeit sind weitere Hürden, die Unternehmen aktuell sehen. Etwa die Hälfte aller Befragten wäre bereit, für einen Humanoiden bis zu 100 000 Euro zu zahlen. „Meiner Ansicht nach wird es für einen erfolgreichen Einsatz von Humanoiden nicht nur Use Cases brauchen, die technisch möglich sind, sondern insbesondere auch Business Cases, die betriebswirtschaftlich interessant sind“, resümiert Simon Schmidt, Geschäftsbereichsleiter am Fraunhofer IPA und Mitautor der Studie, die Ergebnisse.
Die aus der Studie abgeleiteten Handlungsempfehlungen lauten:
- Entwicklung softwareseitiger Sicherheitsfunktionen und -features
- Entwicklung und Optimierung genauer Handhabung und Feinfühligkeit von Effektoren
- Einfaches Programmieren und Optimieren humanoider Roboter für ihren Einsatz
- Technologien zur Wahrnehmung der Umgebung und entsprechender Reaktion
- Erstellung einer Norm/Technischen Spezifikation, vergleichbar mit der für die Mensch-Roboter-Kollaboration
- Schaffung rechtlicher Evaluierungsmöglichkeiten für Unternehmen
- Förderung kritischer und differenzierender Technologien, insbesondere die Wachstums-finanzierung von Start-ups
Alles, was in diesen sieben Punkten angesprochen wird, klingt logisch, plausibel und notwendig – und doch ein wenig „typisch deutsch“, ist mein Eindruck. Habt ihr schon einmal etwas von „China Speed“ gehört, möchte man fragen. Ein kultureller Unterschied zwischen unserer sprichwörtlichen „deutschen Gründlichkeit“ und den Akteuren in Fernost in der Herangehensweise an neue technische Herausforderungen und deren Lösung besteht nach meiner Beobachtung auch darin, dass wir hierzulande erst dann handeln, wenn alle Meilensteine auf dem Weg zum Ziel exakt formuliert und ihre Umsetzung zu 100 Prozent gesichert erscheint. Demgegenüber ist man in China bereit, sich unmittelbar in ein Abenteuer zu stürzen – und loszulegen. Dabei rechnen die Beteiligten durchaus damit, dass es nicht so läuft wie anfangs gedacht. Aber dann schlägt man eben einen Haken und macht anders weiter. Was in unseren Augen planlos erscheinen mag, ist es nicht wirklich. Ihr Ziel verlieren die Akteure nicht aus den Augen. Kurzum: Systematisches Planen konkurriert mit systematischem Ausprobieren. Zugegeben, meine Charakterisierung der kulturell bedingt unterschiedlichen Handlungsstrategien ist holzschnittartig, plakativ – und beruht auf nichts als Schlussfolgerungen aus subjektiver Beobachtung. Auf die Frage, warum es in China derzeit an Ansätzen für humanoide Roboter nur so sprudelt, würde ich jedoch als Antwort in Erwägung ziehen, dass dahinter auch so etwas wie eine spielerische Annäherung an den Gegenstand stecken könnte. Wer käme hierzulande schon auf die Idee, einen Halbmarathon für humanoide Roboter zu veranstalten? In der ersten Hälfte dieses Jahres soll ein solcher Roboterwettlauf in der Beijing Economic-Technological Development Area (Beijing E-Town) an den Start gehen.
Die US-Investmentbank Morgan Stanley gibt mit „Humanoid 100“ Investoren einen Überblick über die aktuelle Zusammensetzung der Humanoid-Wertschöpfungskette [3]. Aus der Studie geht hervor, dass 73 Prozent der Unternehmen, die nachweislich an Humanoiden beteiligt sind, und 77 Prozent der Integratoren ihren Sitz in Asien haben (56 Prozent, 45 Prozent in China). Kein Zweifel: China entwickelt sich zu einem Hotspot der humanoiden Roboter. Und man muss wohl hinzufügen: zu einem leistungsfähigen Hotspot. Dieser Tage, Mitte März, verbreitete der chinesische Hersteller Unitree Robotics mit Sitz in Hangzhou ein Video, das den Humanoiden „Unitree G1“ bei der Ausführung eines seitlichen Saltos zeigt [4].
Nach ihrem Auftritt bei der Frühlingsfest-Gala Ende Januar im chinesischen Fernsehen, die von 2,8 Milliarden Zuschauern verfolgt wurde, avancierten humanoide Roboter in China plötzlich zu beliebten Mietartikeln auf E-Commerce-Plattformen. Das Modell G1 von Unitree Robotics beispielsweise zum Preis von 99.000 Yuan (13.700 US-Dollar) und das teurere Modell H1 (650.000 Yuan) sind besonders gefragt. Die Kunden nutzen die Maschinen hauptsächlich für Ausstellungen oder Veranstaltungen, aber auch für Markenwerbung oder Firmenempfänge.
Der chinesische Roboterhersteller Ubtech hat den E-Auto-Hersteller Zeekr mit Robotermitarbeitern ausgestattet, die miteinander kollaborieren (Foto: Ubtech)
Lange Zeit schien es so, als hätte das amerikanische Unternehmen Boston Dynamics mit Sitz in Waltham, Massachusetts, mit dem Modell „Atlas“ einen uneinholbaren Vorsprung bei humanoiden Robotern. Aber auf Grundlage der rasanten Fortschritte in der Künstlichen Intelligenz können nun die Karten neu gemischt werden. Im Wettbewerb wollen sich auch deutsche Unternehmen beweisen. Auf der Consumer Electronics Show (CES) 2025 Anfang Januar in Las Vegas zeigte zum Beispiel die Schaeffler AG aus Herzogenaurach Innovationen im Bereich der Motion Technology. Das Unternehmen hat angekündigt, neue technologische Wege zu gehen, und will durch den 2024 vollzogenen Zusammenschluss mit Vitesco Technologies seine globale Präsenz mit neuen Produktionsstätten erweitern sowie seine Forschungs- und Entwicklungskapazitäten stärken. „Von humanoiden Robotern bis hin zu Innovationen im Automobil- und Industriebereich zeigen wir, wie Schaeffler im Bereich Motion Technology ganz vorne mit dabei ist“, kommentierte Marc McGrath, Regional CEO Americas.
Im Mittelpunkt stand bei Schaeffler in Las Vegas ein Humanoid Technology Exhibit. Das Exponat bot interaktive Einblicke in die Robotik-Entwicklung, indem es menschliche Bewegungen simuliert. Mit seiner produktionstechnischen Kompetenz unter Einbeziehung künstlicher Intelligenz und auf Basis seiner Kernkompetenz in der vertikalen Integration will Schaeffler einen höheren Automatisierungsgrad und mehr Effizienz beim Einsatz von humanoiden Robotern ermöglichen.
Auch das deutsche Start-Up-Unternehmen Neura Robotics, 2019 in Metzingen gegründet, mischt im Kartenspiel mit. Im Zeitalter der kognitiven Roboter wollen die Metzinger die Entwicklung humanoider Roboter beispielsweise mit der Isaac-Plattform von Nvidia vorantreiben. CEO David Reger möchte unter anderem dazu beitragen, mit kognitiven Robotik-Lösungen die Produktion der schwächelnden Automobilindustrie in Deutschland wieder international konkurrenzfähig zu machen: „Wenn Deutschland jetzt mutige Entscheidungen trifft und die kognitive Robotik zum neuen Wirtschaftsmotor macht, können wir erneut globale Märkte prägen“, ist er überzeugt.
Inzwischen arbeiten bei Neura mehr als 300 Teammitglieder an der Umgebungswahrnehmung, der Antriebs- und Steuerungstechnik, der Werkstofftechnik, der mechanischen Konstruktion und der künstlichen Intelligenz. Dabei gilt es, gemäß der Firmenphilosophie alle Schlüsselkomponenten wie KI, Steuerungssoftware, Sensorik und mechanische Komponenten auch für den humanoiden Roboter „4NE-1“ selbst zu entwickeln.
Im internationalen Vergleich gebührt derzeit sicherlich dem humanoiden Roboter „Optimus“ von Tesla die Auszeichnung, Platzhirsch zu sein. Auf einer Firmenveranstaltung Mitte März äußerte sich Elon Musk zu dessen Perspektiven. Tesla sei derzeit das einzige Unternehmen weltweit, das die Produktion von humanoiden Robotern hochskalieren könne, betonte der CEO in seiner Rede an die Mitarbeiter, die als Video auf der Plattform Youtube abrufbar ist [5]. Eine Grundlage dafür sei, dass man bei Tesla über alle notwendigen Komponenten im eigenen Haus verfüge, um intelligente humanoide Roboter in großen Stückzahlen produzieren zu können. Noch in diesem Jahr will Tesla mit der Pilotproduktion im großen Stil beginnen. Optimus werde „mit Abstand das großartigste Produkt aller Zeiten“ sein – nichts werde auch nur annähernd so groß sein, schwärmte Musk.
Und er nennt Zahlen: „Wir hoffen, in diesem Jahr etwa 5.000 Optimus-Roboter produzieren zu können. Unser Ziel ist es, genug Teile für 10.000, vielleicht sogar 12.000 Stück zu haben. Da es sich aber um ein völlig neues Produkt handelt – wirklich alles daran ist neu – wäre es schon ein Erfolg, wenn wir die Hälfte der 10.000 schaffen würden. Aber auch 5.000 Roboter – was übrigens der Größe einer römischen Legion entspricht – sind eine beeindruckende Zahl.“ Im kommenden Jahr 2026 sollen laut Musk bereits zehn Legionen Optimus-Roboter die Fabriken bevölkern. Musk mag sein Bonmot. „Ich denke, das ist cool – Legionen als Maßstab. Also werden es wahrscheinlich um die 50.000 sein.“
Die Ankündigung, Optimus „auszurollen“, ist auch als Statement für die weitere Automatisierung der Produktion zu verstehen, die nun auch Montagearbeiten umfassen wird, die zuvor die Hand des Menschen brauchten. Schon vor Monaten hatte Musk die voraussichtlichen Preise für den Optimus genannt. In der Basisversion soll er um die 30.000 Dollar kosten. Man darf auf den bevorstehenden Einzug der eisernen Gesellen in die Fabriken gespannt sein.
ZUR INFO
Humanoide Roboter in der Galvanik
Aufgrund der rasanten und beeindruckenden Entwicklungen in der Robotik hat sich die Galvanotechnik-Redaktion Gedanken gemacht, wie humanoide Roboter in Galvaniken sinnvoll eingesetzt werden könnten. Schnell wurde klar, dass hierfür einige Bedingungen erfüllt sein müssen:
- eine verbesserte Feinmotorik,
- die Erweiterung durch ein modernes, lernfähiges LLM,
- Korrosionsbeständigkeit sowie Wasser- und Chemieresistenz in einer galvanotechnischen Umgebung.
Besonders prädestiniert sind Tätigkeiten, die mit gewissen Gefahren verbunden sind – etwa Neuansätze, bei denen exotherme Reaktionen auftreten oder giftige Gase entstehen können. Gleiches gilt für gefährliche oder zumindest äußerst unangenehme Reinigungsarbeiten, beispielsweise bei schlammbildenden Elektrolyten oder Heißbrünierungen.
Bei ausreichender Feinmotorik sind zudem Arbeiten denkbar, die hohe Präzision und Geduld erfordern, etwa das Abkleben für partielle Beschichtungen oder gar die Tampongalvanisierung selbst. Auch Hilfsarbeiten, die im Artikel beschrieben wurden, zählen dazu. Neben dem Transport von Kisten sind dies das Hantieren mit Säcken, Gebinden und Anoden, die zugleich nachgefüllt werden können.
Mit hochentwickelten Sensoren und Kameras ausgestattet, könnte ein humanoider Roboter auch in der Qualitätssicherung eingesetzt werden – sei es für Stichproben oder 100 %-Kontrollen.
Um Stillstandszeiten des Roboters zu minimieren, bietet sich der Einsatz an Wochenenden für Aufgaben an, die ihn unter normalen Umständen zu teuer machen würden. Dazu gehören die Bestückung von Gestellen, verschiedene Vorbereitungsarbeiten oder auch Reinigungen, um einen möglichst perfekten Start in den nächsten Arbeitstag zu gewährleisten.
QUELLEN:
[1] https://ieeexplore.ieee.org/document/10415857
[2] https://www.ki-fortschrittszentrum.de/de/studien.html
[3] https://advisor.morganstanley.com/john.howard/documents/field/j/jo/john-howard/The_Humanoid_100_-_Mapping_the_Humanoid_Robot_Value_Chain.pdf
[4] https://www.youtube.com/watch?v=9Wz4XIhODPM
[5] https://www.youtube.com/watch?v=QGJysv_Qzkw