In Sachsens Mikroelektronik rollt die Investitionswelle nach der Ansiedlung von TSMC und dem Infineon-Fabrikneubau weiter: Jetzt will auch Globalfoundries sein Dresdner Werk milliardenschwer vergrößern, FMC plant eine Speicherchip-Fab.
Globalfoundries baut Chipfabrik Dresden aus
Der US-amerikanische Mikroelektronik-Auftragsfertiger Globalfoundries (GF) baut seine Dresdner Chipfabrik aus. Das hat der deutsche GF-Kommunikationsdirektor Jens Drews auf unsere Anfrage bestätigt. Genaue Informationen zu Summen und Bauplänen wollte er noch nicht nennen: „Nähere Details werden wir in den kommenden Wochen bekannt geben.“
Es dürfte sich aber um eine Milliardeninvestition handeln, mit der das Unternehmen seine Kapazitäten wie auch seine Fertigungsspezialitäten ausbauen möchte. Dabei geht es nicht nur um einen Fabrik-Anbau und mehr Anlagen für die Chipproduktion, sondern wahrscheinlich auch um qualitativ neue Fertigungsmöglichkeiten. Denn GF Dresden hatte sich zuletzt – neben der Massenproduktion für große Industriekunden – auch als Universalproduzent von Kleinserien innovativer Halbleiter-Lösungen aus dem sächsischen Hightech-Mittelstand und von Forschungsinstituten profiliert. Die Dresdner GF-Chipwerker verstehen sich daher zunehmend auch als ‚Ermöglicher' für Innovationen.
Damit passt diese Investition auch recht gut ins Muster des ‚Europäischen Chipgesetzes'. Das nämlich erlaubt ausdrücklich Sonder-Zuschüsse für besonders innovative Vorhaben, für die es im EU-Raum bisher kaum Beispiele gibt. Für den nun avisierten Ausbau hatte das Unternehmen daher auch bereits im Vorfeld Chipgesetz-Subventionen beantragt. Bei früheren Chipgesetz-Projekten anderer Unternehmen hatten Bund und Land zuletzt zwischen 20 und 50 % der Gesamtsumme aus Steuergeldern zugeschossen. Das heißt: GF hofft vermutlich auf Zuschüsse irgendwo im Bereich zwischen 200 und 600 Mio. €, von denen dann wiederum der Bund 70 % und der Freistaat Sachsen 30 % finanzieren würde.
Inzwischen gibt es anscheinend auch schon eine Vorab-Zusage vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWE) aus Berlin: „Globalfoundries Dresden hat auf Grundlage eines vorläufigen Maßnahmebeginns durch das BMWE mit der Realisierung seines European-Chips-Act-Projekts in Dresden begonnen“, erklärte Drews. Das bedeutet: Zwar müssen Bundestag, Landtag und EU noch zustimmen, doch die Zusage gilt als sicher genug, dass GF schon mal mit den Bauvorbereitungen und ersten Maschinen-Bestellungen beginnen kann.
Fabrik für ferroelektrische KI-Speicherchips geplant
Das Dresdner Halbleiter-Unternehmen Ferroelectric Memory (FMC) plant den Bau einer großen Chipfabrik und hat dafür auch bereits Fördergelder beantragt. Das hat FMC auf Anfrage der PLUS im Grundsatz bestätigt. In der Fab will das Unternehmen neuartige Speicher-Schaltkreise produzieren, die sich Daten auch ohne ständige Stromzufuhr merken und besonders schnell sind. Zudem sind diese Chips ‚lernfähig', eignen sich damit für den Bau von künstlichen Neuronen für Neurocomputer und für KI-Rechner. Mit Details hält sich FMC noch zurück. Aber es könnte sich um eine Milliardeninvestition handeln – als Standort zeichnet sich Magdeburg ab.
FMC arbeitet daran, „wie eine sichere Versorgung der Industrie mit diesen systemkritischen Speicherchips umgesetzt werden kann“, teilte das Unternehmen auf Anfrage mit. „Wir haben in diesem Kontext Fördermittel beantragt. Eine Option ist die Errichtung eines Produktionsstandortes in Deutschland.“
Hintergrund der FMC-Pläne: In den Jahren vor dem Untergang des letzten großen deutschen Speicherchip-Herstellers – der Infineon-Tochter Qimonda – brachte dort ein Doktorand ein Konzept für neuartige ferroelektrische Speicherchips ein. Der sollte die Vorteile zweier etablierter Schaltkreise vereinen: Sogenannte dRAMs speichern und liefern Daten sehr schnell, brauchen dafür aber die ganze Zeit über Stromzufuhr. Flash-Chips wiederum, die zum Beispiel in heutigen Smartphones die Apps und Fotos speichern, brauchen nur fürs Schreiben und Lesen der Daten kurze Energiespitzen, kommen zwischendurch aber ohne Strom aus – sie sind allerdings vergleichsweise langsam. Die Alternative sind ferroelektrische Speicher: Sie sind sehr schnell und brauchen nur wenig Energie. Würde man sie massenhaft anstelle klassischer Chips in Smartphones verbauen, könnte sich deren Akkulaufzeit und Arbeitstempo stark verbessern.
Wo das Kapital herkommen soll, deutet das Unternehmen in der Antwort auf unsere Anfrage bereits an: „Hinter FMC stehen unter anderem internationale Investoren, der Autozulieferer Bosch und das koreanische Speicherchipunternehmen SK Hynix.“ Und den anderen Teil soll der Staat zahlen: Unter Verweis auf die besondere Bedeutung der FMC-Technologie für Europas Mikroelektronik könnte das Unternehmen Sondersubventionen vom Bund und vom Freistaat Sachsen erhalten.
Wo Sachsens Armee einst Granaten lagerte und die DDR später Turbinen baute, hat sich in Dresden mit FMC eine Elektronikfirma für ferroelektrische Speicherchips gegründet
Chipfabrik in Dresden ausgebaut
Das Halbleiterunternehmen X-Fab hat seine Dresdner Chipfabrik für rund 40 Mio. ausgebaut. Dadurch sind die Produktionskapazitäten dort um ein Zehntel auf über 11.000 Siliciumscheiben (Wafer) pro Monat gewachsen. Das hat Standort-Chef Michael Woittennek auf Anfrage bestätigt: „Die jüngste Ausbaustufe ist damit erst mal abgeschlossen.“ Mittlerweile beschäftige der Auftragsfertiger rund 550 Menschen in der sächsischen Landeshauptstadt.
Das Unternehmen rechne auch weiter mit einer steigenden Nachfrage für die Chips aus Dresden und wolle hier weiter investieren. So baue X-Fab in der sächsischen Landeshauptstadt neben den Fertigungslinien für klassische Schaltkreise neue Anlagen auf, die Leistungselektronik aus Galliumnitrid auf Siliciumscheiben ermöglichen.
Generell spielt X-Fab als Gruppe wie auch konkret die Fabrik in Dresden in einer anderen Liga als internationale Spitzen-Foundries wie TSMC, UMC, Globalfoundries oder Samsung: Hervorgegangen aus den Überresten des DDR-Mikroelektronikkombinats Erfurt, ist das Unternehmen heute in belgischer Hand und beschäftigt mittlerweile circa 4.500 Menschen an sechs Standorten weltweit. Der Dresdner Standort ist aus der DDR-Mikroelektronikschmiede ZMD hervorgegangen, die nach mehreren Besitzerwechseln nach der Wende ihre Fabrik in Dresden an die X-Fab verkauft hatte. „Auch aus dem Automobilsektor rechnen wir weiter mit einem steigenden Bedarf“, betont Woittennek. Denn obwohl die deutsche Fahrzeugbranche gerade krisele, sorge doch der Trend hin zum automatischen und elektrischen Fahren und zu immer mehr Bordelektronik im Auto für eine stetig wachsende Nachfrage. Zudem generiere eine alternde Gesellschaft einen großen Bedarf an moderner Medizintechnik, beispielsweise Mikrolaboren im Chipformat, die Hausärzten schnellere Diagnosen ermöglichen. „Dabei beliefern wir auch viele kleine und mittelständische Unternehmen“, sagt Woittennek. „Auch damit grenzen wir uns von Branchengrößen wie TSMC ab.“
Chipwerkplaner eröffnet Dresdner Niederlassung
Auch die Umfeldindustrie, die Zulieferer und anderen Akteure im ‚Silicon Saxony', sind wieder im Investitionsmodus. So eröffnet das Chipfabrik-Bauunternehmen Exyte, das früher als ‚Meissner und Wurst' bekannt war, wieder eine eigene vollwertige Niederlassung im Raum Dresden. Damit trägt das Stuttgarter Unternehmen dem Halbleiter-Boom in Sachsen Rechnung.
„Die Stärkung unserer Präsenz in Silicon Saxony ist ein wichtiger Schritt für das Halbleitergeschäft von Exyte in Deutschland und unterstreicht unser Engagement für regionale Innovationen“, betont Exyte-Chef Wolfgang Büchele. „Wir sind stolz darauf, in Dresden hochwertige Ingenieurarbeitsplätze zu schaffen und planen, unsere Präsenz in der Region weiter auszubauen.“
In Dresden war und ist M+W alias Exyte seit der Nachwende-Zeit vertreten, vor allem durch Ingenieure, Techniker und Spezialisten auf den Chipfabrik-Baustellen. Bereits 2011 hatte M+W eine Tochter in Dresden gegründet. Nach der Qimonda-Pleite und Chipkrise wurden eine Zeitlang weniger neue Fabs im Raum Dresden gebaut, dadurch gab es auch für die Schwaben (Exyte) weniger in Sachsen zu tun. In dieser Zeit spielte „die Musike“ in der internationalen Mikroelektronik ohnehin eher in Taiwan und Südkorea, wo auch die Chipfabrik-Baukosten und die Bauzeiten viel niedriger sind als im Westen.
Die jüngsten Investitionen von Infineon, TSMC, Jenoptik, X-Fab und anderen Unternehmen im „Silicon Saxony“ haben wieder für mehr Aufträge für Zulieferer und Ausrüster gesorgt. Dadurch lohnen sich jetzt auch eigene Niederlassungen wie die von Exyte in Dresden mehr als früher. Insofern kann man die neue Exyte-Niederlassung durchaus zu den Sogeffekten der TSMC-Ansiedlung zählen.
Fraunhofer eröffnet Chip-Testzentrum in Chemnitz
Das Nanosystem-Institut „Enas“ hat in Chemnitz ein neues Chip-Testzentrum eröffnet. Im „European Test and Reliability Center“ (ETRC) wollen die Fraunhofer-Ingenieure einerseits eigene Forschungs-Schaltkreise erproben und deren Zuverlässigkeit ausmessen. Andererseits soll das millionenteure Zentrum Wertschöpfungslücken für die Mikroelektronik in Sachsen und ganz Europa schließen. „Mit dem ETRC setzen wir ein starkes Zeichen für Europas Anspruch, technologische Exzellenz mit geprüfter Qualität und Zuverlässigkeit zu verbinden“, betont Enas-Chef Prof. Harald Kuhn. Er sieht darin einen „Wandel im Innovationsprozess“ hin zu einem „vernetzten, beschleunigten Denken in Kreisläufen“. Und: „Ich bin überzeugt, dass vom ETRC entscheidende Impulse für Europas technologische Souveränität und Wettbewerbsfähigkeit ausgehen werden.“
Einen besonderen Fokus legen die Chemnitzer hier auf Chips, bei denen Europa gerade Führungspositionen aufbaut oder bereits behauptet: Leistungs-Halbleiter aus Siliciumkarbid und Galliumnitrid, Mikrosysteme mit integrierten Sensoren und optischen Komponenten und Photonik-Schaltkreise beispielsweise. Die Fraunhofer-Ingenieure in Sachsen haben aber auch eine Aufholjagd in der ‚Chiplet'-Technologie gestartet: Zwar haben bei dieser Art des „Chip-Legos“ internationale Branchenführer wie TSMC nahezu uneinholbar die Nase vorn, wenn es um Hochleistungs-Kombi-Schaltkreise mit Strukturbreiten unterhalb von zehn Nanometern geht. Doch in der Kombination von Logik und Speichern mit optischen und Sensor-Bausteinen – gewissermaßen eine Art Nano-Mems – sehen die Europäer durchaus Marktchancen für sich.
Ingenieurin Kerstin Kreyßig führt am Fraunhofer-Enas Zuverlässigkeitstests an elektronischen Komponenten, Modulen und Systemen durch, um ihre voraussichtliche Lebens- und Nutzungsdauer schon heute zu bestimmen
Neue Sachsenkälte-Fabrik eröffnet
Und nahe der entstehenden TSMC-Chipfabrik im Dresdner Norden hat Sachsenkälte nun seine neue Fabrik für Klima- und Kälte-Spezialanlagen offiziell in Betrieb genommen. In dem rund 10 Mio. € teuren Neubau konzipiert und produziert das Dresdner Unternehmen Ausrüstungen für die Mikroelektronik und andere Branchen.
„Sachsenkälte ist ein gutes Beispiel dafür, wie Handwerk und Hochtechnologie zusammenpassen“, lobte Hauptgeschäftsführer Andreas Brzezinski von der Handwerkskammer. Zudem beweise das Team aus Ingenieuren, Kältetechnikern und anderen Spezialisten immer wieder, in welchem Maße regionales Handwerk moderne Halbleiterfabriken mit ihren besonderen klimatischen Produktionsbedingungen überhaupt erst ermöglicht.
Ein besonderer Fokus von Sachsenkälte liegt seit geraumer Zeit auf Alternativen zu klassischen Kältemitteln, auf vergleichsweise umweltfreundlichen Kälte- und Klimaanlagen. Für diesen Themenschwerpunkt hat das Unternehmen durch den 4.500 qm großen Neubau nun mehr Raum bekommen. Ein weiterer Auslöser für die Investition an der Richard-Riemerschmid-Straße waren die besonderen Anforderungen der taiwanesischen Halbleiterindustrie, die mit dem Gemeinschaftswerk ESMC von TSMC, Bosch, Infineon und NXP nun auch am Mikroelektronik-Standort ‚Silicon Saxony' präsent ist.
Blick in das neue Sachsenkälte-Werk nahe der TSMC-Fab
Wirtschaftsförderer: Magnetkraft von TSMC wirkt bereits
Generell wirkt die Magnetkraft der neuen Chip-Großfabrik von TSMC, Bosch, Infineon und NXP in Dresden bereits, noch bevor deren Gemeinschaftsunternehmen ESMC den ersten Schaltkreis gefertigt hat: „Die Ansiedlung erster Dienstleister und Zulieferer rund um ESMC macht bereits die starke Anziehungskraft der neuen Chipfabrik deutlich“, schätzt die Wirtschaftsförderung Sachsen (WFS) ein. Die jüngsten Investitionsentscheidungen stärken laut WFS-Chef Thomas Horn die Mikroelektronikbranche im Freistaat. „Hier erwarten wir in den nächsten Jahren noch einen deutlichen Schub für die Region Silicon Saxony.“
Quellen
Globalfoundries, BWME, Fraunhofer-Enas, Exyte, FMC, HWK Dresden, Sachsenkälte