Kolumne: Anders gesehen – „Die Feder ist mächtiger als das Schwert“[1]

Abb. 1: Stäps – Canzleymäßige Schreibe-Kunst, 1784

Mit dem Füllfederhalter oder gar der Gänsefeder schreibt heute wohl kaum noch jemand. Selbst die Schreibmaschine ist veraltet, obgleich einige Geheimdienste sie wieder aktiviert haben sollen, denn sie ist schwerer abzuhören als der geliebte ‚Laptop' mit dem Inkjet-Sprühdrucker. Heute werden Wahrheiten, Halbwahrheiten, Gerüchte, Ideologien und Propaganda elektronisch verbreitet und gierig verfielfältigt, weitgehend ohne Kritik oder eigenständiges Denken.

Die ‚künstliche Intelligenz’ ist so weit gediehen, dass man selbst den Fotos nicht mehr trauen kann, denn mit den jetzt entwickelten Programmen kann man Bilder kreieren oder zumindest so verändern, dass es eines wirklichen Spezialisten bedürfte, um die Retuschen zu erkennen, was immerhin auch in Filmen zur Auferstehung von Monstern oder dem Tyrannosaurus [2] beigetragen hat.

In dieser schnelllebigen Zeit wird auch Veralterung in der elektronischen Industrie viel besprochen, zum Teil durchaus gerechtfertigterweise, denn die Entwicklungen und somit der technologische Zwang sind derart rasant, dass kaum ein Teil unbehelligt bleibt. Werden zudem die Kosten angesprochen, so sieht die Geschäftsführung hier eine weitere Motivation umzustellen.

Die Hauptaufmerksamkeit der Öffentlichkeit richtet sich wohl auf die Prozessoren, besonders jetzt, da der Wirtschaftsfeldzug der USA sich in die Verkaufsströme der 'Chips’ eingemischt hat.

Das Stiefkind scheint die Leiterplatte zu sein, die man als gegeben annimmt, vor allem, wenn man sich in der Industrie nicht wirklich auskennt, wie es eben bei den Politikern und Journalisten nicht anders zu erwarten ist.

So ist zu bemerken, dass die gesamten Leiterplattenlieferungen in Nordamerika im November 2023 im Vergleich zum Vorjahresmonat um 22,5 % zurückgingen. Auch Leiterplattenbuchungen gingen im November im Vergleich zum Vorjahresmonat um 9,2 % zurück, was der Chefökonom der IPC (‚Association Connecting Electronics Industries', früher ‚Institute for Printed Circuits'), Herr Shawn DuBravac, so kommentierte: „Der Trend seit Jahresbeginn ist auf den tiefsten Stand des Jahres gefallen.“ Keine guten Aussichten für das Jahresende oder die kommenden Monate.

Abb. 2: Wachstumstrends beim gesamten Leiterplattenumsatz und bei den Bestellungen in Nordamerika (Wachstumsrate im Jahresvergleich) für 2023 (links) und 2025 (rechts)

Abb. 2: Wachstumstrends beim gesamten Leiterplattenumsatz und bei den Bestellungen in Nordamerika (Wachstumsrate im Jahresvergleich) für 2023 (links) und 2025 (rechts)

Abb. 2: Wachstumstrends beim gesamten Leiterplattenumsatz und bei den Bestellungen in Nordamerika (Wachstumsrate im Jahresvergleich) für 2023 (links) und 2025 (rechts)

Das hat sich in gewisser Weise bewahrheitet, doch der elektronische Markt ist in seiner Komplexität langfristig schwer zu beurteilen und mit seiner weit gespannten Klientel, von Vergnügen bis Militär, ungemein stabil. Das heißt meist, dass – wenn ein Teil des Marktes weggbricht – sich ein anderer meldet.

Einen Teil der Schuld kann man den Politikern zuschreiben, die durch ihre Maßnahmen die Warenströme speziell in der elektronischen Industrie durcheinandergebracht haben.

Aber die Industrie selbst hat ebenfalls schon Ideen eingebracht, welche die Bedeutung der Leiterplatte vermindern können. Sie hat auch diesen sehr wichtigen Bestandteil an den Produkten nicht vergessen und nicht nur die Kosten eingehend analysiert, sondern auch neue Ideen angeregt, die speziell wegen der immer mehr ins Rampenlicht tretenden dreidimensionalen Druckerei interessant werden.

Bei der Leiterplattenherstellung wirken sich einige Forderungen direkt auf die Komplexität und somit die Kosten aus. Ganz oben steht etwa die Anzahl der Schichten (im Extremfall über 100) sowie das nötige Kupfergewicht.

Alles, was vom ‚Standard’ abweicht, erhöht die Kosten bei der Herstellung. Teureres Basislaminat etwa für Hochleistungsplatinen, zusätzliches Kupfer von mehr als 1 Unze beeinflusst den Ätzfaktor. Welche Umsteiger spezifiziert werden, kann die Komplexität des Herstellungsprozesses beeinflussen, weil mehr Laminierungszyklen, Bohrvorgänge und Beschichtungsprozesse durchlaufen werden.

Man kann diese Liste beinahe ad infinitum weiterführen: sequenzielle Laminierung, Bohrvorgänge, Platinengröße, Anordnung, Lochdichte, Toleranzen ...

Abb 3: Die Anzahl der Lagen einer Leiterplatte ist ein wesentlicher KostenfaktorAbb 3: Die Anzahl der Lagen einer Leiterplatte ist ein wesentlicher KostenfaktorSo stößt die Industrie bei den Anforderungen einer kontinuierlichen Größenreduzierung auf ernsthafte finanzielle und technische Hindernisse. Neue Ansätze sind also gefordert um die herkömmliche 2D-FR4-Platine sowie die Drähte, Epoxidharze, Durchkontaktierungen und Lötmittel zu eliminieren. Statt der 2D- und 2½D-Struktur (gestapelt) der herkömmlichen Leiterplatte liegt es nahe, für die nächste Generation die 3. Dimension zu nutzen und die Struktur der neuen gedruckten Schaltung hat auch bereits einen Namen: Printed Circuit Structure (PCS). Das PCS-Konzept ermöglicht es, passive und aktive Bauelemente sowie Antennen aus der XY-Ebene in die XZ- und YZ-Ebene zu verlagern.

Könnte man mit dieser neuen Methode etwa Drähte, Epoxidharz, Durchkontaktierungen und manchmal auch Bolzen und Schrauben zur Montage der Platinen eliminieren, so böte das ein sehr attraktives Umfeld. Da keine Bohr- oder Ätzverfahren verwendet werden, reduziert sich der Abfall und die hohen Kosten für die Entgiftung solcher Medien, was Umweltler sicherlich positiv bewerten.

Dreidimensional bedeutet wohl auch, dass Seitenwände und sonst ungenutzte Plätze verwendet werden. Vorläufer dafür war eine IBM-Schreibmaschine, bei der die Innenseite des Gehäuses als Basis für die Elektronik diente. Jetzt peilt man in getreuer Nachfolge eben die Struktur als Schaltungsträger an und eliminiert so die traditionelle Leiterplatte. Noch einen Schritt weiter und man kann die Elektronik innerhalb der gewünschten Struktur inklusive Bauteilen und Leiterbahnen aufbauen.

Solche Verfahren schaffen einen Monolithen, sodass das Gerät weder Kleber noch Kabel, Stecker oder gar Lötmittel benötigt. Da alles ‚vergraben' ist, sollte man dichter verpacken können und damit pro Volumenelement weit mehr Funktionen schaffen.

Dass so ganz nebenbei das Gerät robuster wird und wohl auch wasserdicht, sollte für eine längere Lebenserwartung sorgen.

Einen anderen Aspekt in dieser möglichen Entwicklung kann man darin sehen, dass besonders für hochentwickelte Produkte die Leiterplatte nicht mehr beim Produzenten bestellt, sondern im Hause selbst erzeugt wird. Neben Kosteneinsparungen steht auch eine volle Kontrolle des Herstellungsprozesses als attraktives Ziel im Raum.

Referenzen

[1] Eigentlich: “The pen is mightier than the sword“ – aus Edward Bulwer-Lyttons 'Richelieu; Or the Conspiracy' (1839), jedoch schon in etwa bekannt vom assyrischen Philosophen Ahiqar, frühes 7. Jahrhundert v. Chr., Lehren von Ahiqar (500 v. Chr.): „Das Wort ist mächtiger als das Schwert.“
[2] Latinisierung von altgriechisch τύραννος týrannos (‚Herrscher, Despot') sowie σαῦρος saúros (‚Echse')
[3] Ken Church, Paul Deffenbaugh, Ricardo Rodriguez, Raymond Rumpf, Harvey Tsang, ‚Printed Circuit Structures, the Evolution of Circuit Boards', IPC APEX EXPO Conference Proceeding, Februar 2013, www.researchgate.net/publication/260870514_Printed_Circuit_Structures_the_Evolution_of_Printed_Circuit_Boards (Abruf: 15.7.2025).

Literatur

Kenneth H. Church et al.; ‚Printed Circuit Structures, the Evolution of Printed Circuit Boards', IPC APEX Expo Conference Proceedings.
Anaya Vardya, ‚Factors Affecting the Cost of PCB Fabrication', Sunstone Circuits.
IPC releases PCB industry results for November 2023, North American PCB Industry Shipments Down 22.5 Percent in November, 20.12.2023.

  • Titelbild: Abb. 1: Stäps – Canzleymäßige Schreibe-Kunst, 1784
  • Ausgabe: August
  • Jahr: 2025
  • Autoren: Prof. Armin Rahn
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