Ende April trafen sich rund 60 Fachleute aus zehn Ländern zum Workshop ‚Plasma, Catalysis and Thin Films for Conversion Processes' in Marl. Im Fokus stand die Frage nach der Entwicklung von Katalysatoren, die durch Plasmatechnologie chemische Reaktionen effizient unterstützen. Das Ziel ist die Elektrifizierung der chemischen Industrie und eine energieeffizientere Prozessgestaltung.
Angeregte Diskussionen in der Plasma-CommunityOrganisiert wurde der Workshop von der Europäischen Forschungsgesellschaft Dünne Schichten e.V. (EFDS), dem Expertennetzwerk Plasma Germany, dem Anwenderkreis Atmosphärendruckplasma (AK-adp) und der Deutschen Katalyse Gesellschaft (GeCatS). Das internationale Programmkomitee bestand u. a. aus Fachvertretern der Universität Antwerpen, der Universität Stuttgart sowie des INP Greifswald. Eingangs wurde die Wirkung von Katalysatoren sowie das Design von Prozessen und Reaktoren analysiert. Die Teilnehmenden diskutierten den Einfluss von Plasmen auf chemische Reaktionen und Reaktordesigns. Im Fokus standen Beispielsysteme wie Ammoniaksynthese, Methanpyrolyse und die Erzeugung nitroser Gase. Auch der Abbau problematischer Stoffe wie PFAS oder NOx mittels Plasma wurde besprochen.
Plasmatechnologien gelten zunehmend als Schlüssel zur Steigerung der Energieeffizienz in elektrifizierten Prozessen, da sie hochreaktive Spezies erzeugen, die weniger Aktivierungsenergie für chemische Reaktionen benötigen. Dadurch können Prozesse bei niedrigeren Temperaturen ablaufen, chemische Gleichgewichte zugunsten gewünschter Produkte verschoben werden oder die Selektivität der Reaktionen gezielt verbessert werden. Als Herausforderung gilt indes, dass durch Plasma erzeugte reaktive Spezies die Funktionalität bestehender Katalysatoren beeinträchtigen können, indem sie neue molekulare Mechanismen auf den Oberflächen initiieren oder das Prozessfenster in ungünstige Bereiche verschieben. Dies rückt die Entwicklung neuer plasmakompatibler Katalysatoren in den Mittelpunkt der Diskussion. Sie müssten nicht nur mit den reaktiven Spezies im Plasma harmonieren, sondern auch eine hohe Selektivität aufweisen und unter optimalen Prozessbedingungen arbeiten. Es gelte deshalb Materialien zu entwickeln, die sowohl stabil als auch flexibel genug sind, um die komplexen Anforderungen der Plasmakatalyse zu erfüllen.
Chemische Abläufe neu denken
Ein Schwerpunkt des Workshops lag auf der Gestaltung moderner Reaktor-Geometrien. Sie müssen ausreichend Raum bieten, damit das Plasma effektiv entstehen kann, während die aktiven Spezies nahe genug am Katalysator generiert werden, um vor ihrer Relaxation chemisch zu reagieren. Direkte Wechselwirkungen zwischen Plasma und Katalysatorbett ermöglichten hierbei kurze Diffusionswege. Gleichzeitig erfordert die begrenzte Größe der Zwischenräume zwischen Katalysatorpartikeln und Trägermaterialien ein Umdenken bei der Struktur und Porosität der Katalysatoren.
Prozessingenieure seien gefordert, chemische Abläufe grundlegend neu zu denken. Ganze Synthesewege müssen über alternative Reaktionen effizienter gestaltet werden. Spannende Möglichkeiten ergeben sich dabei über die nachträgliche Aufbereitung von Reaktionsprodukten, die oft einen erheblichen Energieaufwand im Gesamtprozess verursacht. Wenn neue Reaktionswege eine einfachere, weniger energieintensive Aufbereitung erlauben, werde der gesamte Prozess effizienter – selbst wenn der eigentliche Reaktionsschritt zunächst aufwendiger erscheine.
Auch die Flexibilität chemischer Prozesse wurde im Workshop besprochen. Traditionelle Verfahren erfordern oft einen kontinuierlichen Betrieb, damit Katalysatoren keinen Schaden nehmen. Neue Prozessdesigns ermöglichen eine höhere Anpassungsfähigkeit, sodass Prozesse bei Bedarf gestartet oder gestoppt werden können. Diese Flexibilität erlaubt es, chemische Reaktionen an Schwankungen von Energiepreisen oder Stromnetzauslastung anzupassen, etwa während Energiespitzen oder günstigen Stromphasen. Es bestehe somit Potenzial, die chemische Industrie nicht nur energieeffizienter, sondern auch dynamischer und resilienter gegenüber äußeren Einflüssen zu machen. Aus Sicht der Industrie spielt die Möglichkeit zur Skalierung von Prozessen und die Energieffizienz eine wichtige Rolle in der Entwicklung. Eine Prozessneugestaltung kann nicht nur zur Elektrifizierung dienen, sie müsse auch einen wirtschaftlich tragbaren Vorteil bieten, um eine nachhaltig funktionierende Industrie aufzubauen.
Ausblick auf Forschung und Entwicklung
Insgesamt waren sich die Experten einig, dass jeder Prozess seine individuellen Lösungen benötigt. Aktuell arbeiten die Wissenschaftler intensiv am prinzipiellen Verständnis für den Ablauf von Reaktionen an der Katalysatoroberfläche. Das mechanistische Verstehen der Reaktionen ermöglicht die Entwicklung effizienter Reaktoren und günstiger Syntheserouten.
Abgerundet wurde das Programm durch zwei Besichtigungen bei der Firma Evonik am Standort Marl sowie am Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT in Duisburg. Die abschließende Paneldiskussion nutzten die Teilnehmer für anregende Diskussionen.
Sie finden bereits im Herbst eine Fortsetzung: Vom 13.-16. Oktober 2025 findet in Dresden die ‚International Conference for Thin Films and Surface Treatment' (V2025) statt – erneut mit einem vielversprechenden Programm (siehe S. 1048).