War Künstliche Intelligenz (K.I.) vor zehn Jahren noch ein visionäres Konzept, ist sie heute in vielen Unternehmen etablierte Realität. KI entwickelt sich zum entscheidenden Instrument für die Verbesserung der betrieblichen Produktivität und der Benutzerkompetenz.
KI umfasst eine Reihe von computergestützten Technologien, die es Maschinen ermöglichen, ohne menschliches Zutun zu denken und Schlussfolgerungen zu ziehen. Bei der Entwicklung dieser Technologien kommen wiederum transdisziplinäre Ansätze basierend auf Mathematik, Informatik, Statistik und Psychologie zum Einsatz. KI-basierte Lösungen können große Datenmengen analysieren, um Trends und Muster zu identifizieren. Diese dienen dazu, bestehende Prozesse zu verbessern und Empfehlungen abzugeben, die den Anwendern helfen, bessere Entscheidungen zu treffen. In Folge der bedeutenden Entwicklungen bei visueller und Spracherkennung, natürlicher Sprachverarbeitung, autonomen Fahrzeugen und Data Mining sind KI-Technologien wesentlich leistungsfähiger geworden und in der Lage, die Komplexität des Designs elektronischer Systeme wesentlich zu reduzieren und die Designeffizienz, -qualität und -produktivität zu steigern. Schlüsselbereiche für die Anwendung von KI im Leiterplattendesign sind solche, die größtenteils manuell erfolgen oder Fachkenntnisse in elektronischen Systemdesign-Tools erfordern. KI-gestützte Tools ermöglichen es auch unerfahrenen Anwendern, Aufgaben durchzuführen, für die bislang Expertenwissen erforderlich war.
Erfahrene Leiterplattendesigner setzen für gute Designergebnisse ihre Tools auf besondere Weise ein. Diese Anwender verfügen über ein vertieftes Verständnis ihrer Domäne und kennen sämtliche Kniffe, um mit ihren Tools besonders effiziente Designs zu liefern. Obwohl es jedem Ingenieur möglich ist, ein Experte zu werden, dauert es Jahre, um das erforderliche Know-how zu entwickeln.
KI durchsucht fertige Entwürfe nach Mustern, wie Tools zur Erledigung einer Designaufgabe verwendet werden, und verwaltet dieses Wissen in einer wiederverwendbaren Form. Dies fördert die Designqualität, indem der Konstrukteur oder Ingenieur zum nächsten logischen Schritt geleitet wird, ohne nach dem Schritt suchen zu müssen.
Insbesondere gibt es eine Reihe von Bereichen im typischen Designprozess elektronischer Systeme, in denen KI-Technologien– einschließlich maschinellem Lernen und Deep Learning– genutzt werden können, um die Entscheidungsfindung zu beschleunigen, alltägliche Prozesse zu automatisieren, die Effizienz neuer Anwender zu verbessern und die Leistung und Herstellbarkeit von Multi-Domänen-Systemen zu optimieren. Dazu gehören:
- Auswahl der Komponenten
- Erstellung von Bauteilmodellen
- Anschlussschemata
- Dynamische Wiederverwendung
- Beschränkungen
- Layout– Platzierung und Routing
- Analyse und Verifizierung
- Designsynthese
Auswahl der Komponenten
Entwicklungsingenieure investieren viel Zeit in die Suche nach und Auswahl von Komponenten, die die Designanforderungen erfüllen. Sie sehen die Datenblätter verschiedener Komponentenhersteller durch, um den richtigen Komponentensatz für ihr Design zu finden. Auf der Grundlage historischer Informationen könnte ein Modell entwickelt und verwendet werden, um sinnvolle Optionen zur Eingrenzung der Suche zu empfehlen. Wenn beispielsweise ein Prozessor ausgewählt wird, kann das Machine-Learning-Modell auf der Grundlage von Erfahrungen aus der Vergangenheit andere benötigte Komponenten vorschlagen.
Erstellung von Bauteilmodellen
Auch die Erstellung von Modellen zur Darstellung der Bauteile (z. B. Symbole, physikalische Geometrien in 2D/3D und Simulationsmodelle) ist sehr zeitintensiv. In großen Unternehmen gibt es Rechercheteams, deren Aufgabe darin besteht, Datenblätter der Komponenten durchzugehen und in Modelle umzuwandeln, die in den Design-Tools verwendet werden können. Dies erfordert nicht nur fundierte Kenntnisse im Bereich Elektronik, sondern auch ein Verständnis der verschiedenen Tools, die zur Erstellung von Modellen verwendet werden. Durch den Einsatz von KI-Technologien können diese Datenblätter automatisch vom System verarbeitet werden, um die erforderlichen Modelle zu generieren.
Anschlussschemata
Sobald die Komponenten im Schaltplan platziert sind, ist das Herstellen der Verbindungen eine weitere manuelle Aufgabe, die zeitaufwändig und fehleranfällig ist. Trainiert man ein Machine-Learning-Modell, indem man aus einem fertiggestellten Design Informationen über die Verwendung von Komponenten und deren Verbindung extrahiert, kann das Tool zur Schaltplanerfassung jene Komponenten empfehlen, die der Anwender im Schaltplan platzieren könnte. Sobald der Anwender die Platzierung bestätigt hat, kann das Tool Pin-zu-Pin-Verbindungen vorschlagen, um die Designaufgabe zu beschleunigen.
Dynamische Wiederverwendung
Funktionsblöcke aus fertiggestellten Entwürfen können auf ihre Wiederverwendbarkeit hin analysiert und in einer intelligenten Datenbank verwaltet werden, die anhand verschiedener Parameter durchsucht werden kann. Indem ein Modell mit Deep-Learning-Algorithmen zur Generierung eines Systems trainiert wird, ermöglicht man es Design-Tools, die potenzielle Funktion eines Blocks vorherzusagen. Durch die Analyse der Komponenten, die im Schaltplan platziert sind, und unter Verwendung des trainierten Machine-Learning-Modells sind Tools für den Schaltplanentwurf in der Lage, einen passenden Funktionsblock zu empfehlen. Ebenso können wiederverwendbare Platzierungs- und Routing-Blöcke aus fertiggestellten Designs extrahiert und vorgeschlagen werden, während der Designer ein Board auslegt.
Beschränkungen
Leiterplattendesigns unterliegen gewöhnlich zahlreichen Regeln (Beschränkungen) hinsichtlich Layout, Hochgeschwindigkeitsdesign, Fertigung und Testung. Diese Informationen werden in der Regel manuell in jedes der verschiedenen Design-Tools eingegeben– ein zeitaufwändiger und fehleranfälliger Prozess. Dieses Risiko lässt sich erheblich mindern, wenn das Tool eine Reihe von Beschränkungen und Werten empfehlen kann, die für verschiedene Konstruktionsobjekte definiert werden müssen. Diese Empfehlungen sollten auf der im aktuellen Design verwendeten Technologie und den Erkenntnissen aus freigegebenen Designs basieren.
Layout – Platzierung und Routing
Die Platzierung von Komponenten und die Verlegung der Leiterbahnen nehmen einen erheblichen Teil der Gesamtzeit in einem Projekt in Anspruch. Ein KI-System kann das Wissen aus fertiggestellten Designs nutzen und Platzierungs- und Routing-Strategien empfehlen.
Analyse und Verifizierung
Mithilfe von KI-Algorithmen können Analyse- und Verifizierungstools bessere Designs erstellen, indem sie verschiedene Designempfindlichkeiten verstehen, wie zum Beispiel Änderungen der elektrischen Materialeigenschaften, physikalische Designabmessungen und ihre Auswirkungen, E/A-Eigenschaften von Sendeempfängern, Temperatur-/Spannungsschwankungen und die kombinierten Auswirkungen all dieser Variablen auf die Platine oder das System. KI-Algorithmen können angewendet werden, um eine bessere Netzverfeinerung zu liefern, um für genauere Simulationsergebnisse Benutzeroptionen fein abzustimmen und um eine bessere Surrogatmodellierung für Via-, Leiterbahn- und Kabeloptimierungen bereitzustellen. Die Empfehlung geeigneter Werte für verschiedene Einstellungen zur Ausführung verschiedener Simulationen auf der Grundlage historischer Durchläufe liefert bessere Ergebnisse.
Designsynthese
Die Fähigkeit, erforderliche Leiterplattendesigns und die entsprechenden Fertigungsergebnisse automatisch zu generieren, ist das ultimative Ziel der KI-Anwendung beim Design elektronischer Systeme. Dies reduziert nicht nur die für die Fertigstellung eines Entwurfs erforderliche Zeit, sondern beseitigt auch kostspielige Fehler, die in der Regel durch manuelle Eingriffe verursacht werden. Generatives Design stützt sich auf KI-Algorithmen, um durch die systematische Variation von Parametern, Struktur oder Form einer Platine eine optimale Lösung zu finden. Innovationen in KI-gesteuerten Verhaltensmodellen für die bekannten Teile des Leiterplattendesignprozesses beschleunigen die Entwicklung generativer Designtechnologien.
Die Produkte von Siemens wenden KI-Technologien für das Design von Elektroniksystemen
KI in der Praxis
Siemens arbeitet auch künftig daran, neue Anwendungsfälle für den Einsatz von KI-Technologien zu identifizieren, um noch leistungsfähigere Design-Tools zu liefern, die Designer und Ingenieure bei der Entwicklung besserer Produkte unterstützen. Dazu investiert Siemens maßgeblich in KI-Technologien und deren Anwendung in Produktbereichen vom Leiterplattendesign über autonome Fahrsysteme bis hin zum Smart Factory Floor Management und Smart City Management.
Durch die Integration von multiphysikalischen Simulationen, Datenanalysen und KI-Funktionen zeigen Siemens-Produkte die Folgen von Designänderungen, Nutzungsszenarien, Umgebungsbedingungen und anderen Variablen auf. Dies senkt die Kosten, verkürzt die Entwicklungszeit und verbessert die Qualität von Produkten und Prozessen.

ist Director of Advanced Technologies in der System Design Division bei Siemens EDA. In seiner derzeitigen Rolle als Director of Advanced Technologies leitet er mehrere Teams von Forschern und Entwicklern, um neue Technologien wie KI/ML, Cloud- und Web-Plattformen in die Xpedition- und HyperLynx-Produktflüsse zu integrieren. Außerdem ist er für die technische Vision und Führung verantwortlich.