EECONE – Europäisches Projekt für nachhaltige Elektronik

Nachhaltige Elektronik ist ein wichtiges Puzzleteil der Dekarbonisierungswende

Das paneuropäische Förderprojekt EECONE soll die Industrie auf eine neue Qualität der Entwicklung, Produktion wie auch Nutzung nachhaltiger Elektronik bringen. Doch trotz seiner immensen Bedeutung, hohen Internationalität und Teilnehmerzahl scheint es in der Fachwelt nicht bekannt genug zu sein – obwohl es die Leiterplattenindustrie als entscheidenden Kern ‚grüner' Elektronik betrifft.

Am 20. September 2023 wurde das EU-Projekt EECONE, dechiffriert ‚European ECOsystem for greeN Electronics', mit einer feierlichen Zeremonie in Toulouse gestartet. Es ist das bisher größte Fördervorhaben der EU, welches unserem Kontinent einen deutlichen Schub in Richtung nachhaltiger Elektronik verleihen soll. Dazu werden Technologien entlang der gesamten Wertschöpfungskette untersucht: von Schaltungsentwicklung und Design über die Herstellung sowie Nutzung bis hin zum Recycling von Elektronikprodukten. Ziel ist es, den Einsatz wertvoller Ressourcen in den Herstellungsprozessen zu minimieren, indem bessere Möglichkeiten zur Wiederverwertung, Reparatur und Aufbereitung von elektronischen Bauteilen erforscht werden, aber auch alternativ einsetzbare Materialien. Die Reduktion von nicht verwertbaren Abfällen und verbesserte Recyclingsysteme sind ebenfalls Gegenstand der Forschung im Projekt. Das EECONE-Logo widerspiegelt diese Bestrebungen.

Projektdauer drei Jahre

Abb 1: Constanze Hufenbecher, InfineonDas Projekt endet zwar formell am 30. Juni 2026, soll jedoch dafür sorgen, dass sich die europäische Elektronikindustrie danach auf wesentlich höherem Niveau in Richtung ‚Green Sustainable Electronics' als jetzt befindet. Es hat einen Kostenumfang von mehr als 35 Mio. €, wovon die EU-Behörden und die nationalen Regierungen Fördermittel um 20 Mio. € beisteuern (Grant agreement ID: 101112065) [1]. Die Gesamtkoordinierung des Vorhabens liegt in den Händen von Infineon Technologies, dem größten deutschen Halbleiterhersteller und ehemaligem Siemens-Ableger. EECONE läuft als Bestandteil des EU-Rahmenprogramms HORIZON, speziell ‚HORIZON.2.4 – Digital, Industry and Space' als Hauptprogramm und ‚HORIZON.2.4.2 – Key Digital Technologies'. Es ist verbunden mit ‚HORIZON-KDT-JU-2022-2-RIA-Focus-Topic-2 – Ecodesigned smart electronic systems supporting the Green Deal objectives (RIA)'.

Mammutprojekt: 49 beteiligte Partner

Mit 49 Teilnehmern aus 18 Ländern weist das Projekt eine für die EU im Elektroniksektor bisher nicht gewohnte Spannbreite auf. Constanze Hufenbecher, Infineon-Vorstandsmitglied und Chief Digital Transformation Officer erklärte 2023 dazu: „Elektronik ist eine wesentliche Voraussetzung für die Verbesserung der Nachhaltigkeit vieler Anwendungen. Das reicht aber nicht aus, die Elektronik selbst muss grüner werden. Infineon freut sich, die Führungsrolle im Forschungsprojekt EECONE zu übernehmen, um gemeinsam mit unseren Partnern entlang der Wertschöpfungskette die Kreislaufwirtschaft voranzutreiben. Nur gemeinsam können wir Nachhaltigkeit vom Design über die Nutzung bis hin zum Recycling erreichen [2].“ Unter den Teilnehmern befinden sich Firmen, Hochschulen oder Institute beispielsweise aus Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien, Belgien, Österreich, der Tschechischen Republik, Schweden, Irland, Polen und der Türkei. Hinzu kommt auch Israel als Besonderheit. Als assoziierte Partner beteiligen sich an EECONE aus der Schweiz das ‚Centre Suisse d'Electronique et de Microtechnique SA, Recherche et Développement' und Swiss Vault Systems, sodass es insgesamt eigentlich 51 Teilnehmer sind. Abb. 2 vermittelt einen optischen Eindruck über die flächenmäßige Ausdehnung des Projektes.

Abb. 2: Symbolische geografische Darstellung der Teilnehmerländer des Projektes und der Teilnehmer aus ihnenAbb. 2: Symbolische geografische Darstellung der Teilnehmerländer des Projektes und der Teilnehmer aus ihnen

Bekannte und unbekannte Partner

Die konkrete Aufzählung der Beteiligten in [1] lässt eine recht gemischte Zusammensetzung erkennen. Vor allem die ‚Platzhirsche' der europäischen Elektronikindustrie fallen zuerst ins Auge:

  • AT&S Austria Technologie & Systemtechnik (Österreich)
  • Robert Bosch (Deutschland)
  • Dassault Systèmes (Frankreich)
  • Fraunhofer Gesellschaft (Deutschland)
  • Imec (Belgien)
  • Infineon Technologies Austria (Österreich)
  • Institut Polytechnique de Grenoble (Frankreich)
  • Orbotech (Israel)
  • STMicroelectronics (Frankreich)
  • Swiss Vault Systems (Schweiz)
  • Thales Dis France SAS (Frankreich)

Einige dieser ‚Platzhirsche' sind gleich mit mehreren Firmen ihres Konzerns aus verschiedenen europäischen Ländern vertreten. Beispiele:

  • Robert Bosch: Deutschland, Ungarn, Portugal
  • Infineon: Deutschland, Österreich
  • STMicroelectronics: Frankreich zweimal, Italien

Zu diesen für hiesige Fachleute klangvollen Namen gehören zur Teilnehmergruppe aber auch solche, die den meisten Elektronikern in Deutschland mehr oder weniger unbekannt sein dürften, in ihren Heimatländern aber eine bedeutende Rolle spielen. Sie haben ihren Sitz in Nord-, Ost-, Süd- oder Westeuropa und sind teilweise auf sehr unterschiedlichen Spezialgebieten tätig. Beispiele:

  • Arçelik A.S. (Türkei)
  • Université Catholique de Louvain (Belgien)
  • Teknologisk Institut (Dänemark)
  • Design and Reuse (Frankreich)
  • Charokopeio Panepistimio (Griechenland)
  • Institut Mikroelektronických Aplikací s.r.o. (Tschechien)
  • Siec Badawcza Łukasiewicz – Instytut Mikroelektroniki- Fotoniki (Polen)
  • Özyegin Üniversitesi (Türkei)
  • Smartsol Sia (Lettland)
  • Aniah (Frankreich)
  • EcoDC (Schweden)
  • Tetradis (Frankreich)

Interessant ist nebenbei, dass mit Thales auch ein Unternehmen an EECONE beteiligt ist, das Aktivitäten in Militärtechnik, Luft- und Raumfahrt aufweist. Ist das ein Zeichen dafür, dass dieser Sektor wie auch der ‚zivile' Sektor verstärkte Ambitionen für „grüne“ Elektronik hegt?

Abb. 3: E-WasteAbb. 3: E-Waste

Frankreich dominiert

Tab. 1 zeigt die Anzahl der Teilnehmer nach Ländern auf der Basis von [1]. Es fällt sofort ins Auge, dass Frankreich mit 15 Teilnehmern das Gemeinschaftsprojekt absolut dominiert. Immerhin sind das 30 Prozent aller Beteiligten. Die vier ‚großen' EU-Länder Frankreich, Deutschland, Italien und Spanien sorgen für fast 50 % Anteil. Entscheidend scheint für EECONE jedoch zu sein, dass das Projekt die Kapazitäten und Erfahrungen unterschiedlichster Einrichtungen der EU-Länder unter der Flagge einer gemeinsamen Zielstellung integriert: mehr umweltgerechte Elektronik. Außerdem werden Einrichtungen osteuropäischer Länder näher an die Forschungslandschaft der EU herangeführt.

 Tab. 1: Anzahl der Teilnehmer nach Ländern auf Basis von [1]

Länder

Teilnehmeranzahl pro Land

Frankreich

15

Italien

5

Deutschland, Spanien

4

Österreich, Schweden

3

Türkei, Belgien, Dänemark, Tschechien, Schweiz

2

Ungarn, Portugal, Griechenland, Polen, Israel, Lettland, Niederlande

1

Fünf Arbeitspakete

In [3] werden die fünf Arbeitspakete von EECONE (WP 1-5) formuliert, unterteilt in 15 Tasks (Task 1, 2, 3, 4, 5). Diese wiederum sind in Sub-Tasks unterteilt. Zu jedem Task gehört eine kurze Zielbeschreibung. Weiterhin sind die beteiligten Partner hinzugefügt. Die Titel der Arbeitspakete lauten:

  • WP1: Projekt Management
  • WP2: Management of existing E-Waste
  • WP3: Tools and techniques for green ECS design
  • WP4: New generation of electronics with
  • low environmental impact
  • WP5: Ecosystem Building

6R-Ausrichtung

Seit Japan Ende der 1990er-Jahre die 3R-Bewegung (Reduce, Reuse, Recycle) für nachhaltige Elektronik erfolgreich initiiert hat, ist Europa mit seinen Zielstellungen mühsam auf 4R weitergegangen, indem die EU ‚Repair' hinzufügte. Nun will man trotz bisheriger Holpersteine bei der Realisierung von 4R neue Zeichen setzen. Das EECONE-Forschungsprojekt ist laut einer Infineon-Pressemitteilung auf das Konzept ‚Reduce, Reliability, Repair, Reuse, Refurbish, and Recycle', also 6R, ausgerichtet worden. Es zielt darauf ab, die Menge der für Elektronik benötigten Materialien zu reduzieren und die Elektronik zuverlässiger, einfacher reparier-, überhol- und recycelbar zu machen. Beispielsweise gibt es im Arbeitspaket WP3 ‚Tools and techniques for green ECS by Design' den Arbeitspunkt Task 3.1 „Eco-design platform and databases“. Er beinhaltet: Definition der Infrastruktur und Daten für die Integration der 6R in das Ökodesign elektronischer Systeme. Als Task Leader fungiert Dassault Systèmes, ein ausgewiesener CAD/CAM-Spezialist. Es arbeiten 18 Projektbeteiligte mit.

Task 3.1 wird in zwei Subtasks unterteilt:

  • Subtask 3.1.1: Eco-design platform
  • Subtask 3.1.2: Eco-design databases

Im Rahmen der europäischen Elektronik will das Projekt eine möglichst große Vielfalt von Bereichen untersuchen. Dafür wählte man insgesamt zehn Anwendungsbeispiele aus den Bereichen Automobil, Unterhaltungselektronik, Gesundheit, Informations- und Kommunikationstechnologien, Luftfahrt und Landwirtschaft aus.

Optimierung von Materialien und Energieversorgung

Im Laufe von drei Jahren wird das EECONE-Projekt Bereiche wie die Optimierung des Materialeinsatzes und beispielsweise die Verringerung des Materialverbrauchs durch die Herstellung dünnerer oder kleinerer Leiterplatten oder die Verbesserung der Nachhaltigkeit durch die Einführung von Materialien, die im Recyclingprozess leichter zu trennen sind, abdecken. Darüber hinaus wird sich EECONE mit der Entwicklung von Technologien befassen, die ihren eigenen Strom in IoT-Geräten erzeugen und speichern, mit umweltfreundlichen Materialien, künstlicher Intelligenz (KI) zur Verlängerung der Lebensdauer elektronischer Geräte und nachhaltigerem Elektronikdesign.

Kernproblem ‚grüne' Leiterplatte

Abb. 4: Leiterplatten sehen zumeist grün aus – aber wie ‚grün‘ sind sie wirklich?Abb. 4: Leiterplatten sehen zumeist grün aus – aber wie ‚grün‘ sind sie wirklich?Mit AT&S Austria Technologie & Systemtechnik ist einer der größten und leistungsfähigsten Hersteller von High-End-Leiterplatten und IC-Substraten im Projekt vertreten und nimmt damit in den Zielen von EECONE eine Schlüsselstellung bezüglich der Rolle von Leiterplatten beim Übergang auf ‚grüne' Elektronik ein. „Das ist ein hervorragendes Projekt für uns, weil es sich ausgezeichnet in unsere bestehende Nachhaltigkeitsstrategie einfügt“, äußerte sich Marina Hornasek-Metzl, Senior Director ESG bei AT&S, zur Teilnahme des Konzerns [4]. Der Konzern investiert 1,2 Mio. € an Eigenmitteln und Förderungen in das Projekt. Die ‚Ressource Efficiency'-Gruppe der Forschungsabteilung unter der Leitung von Christof Wernbacher und der Schirmherrschaft des ESG-Teams war bereits 2023 dabei, die ersten Spezifikationen und Umsetzungskonzepte für grüne Leiterplatten zu definieren. In den kommenden drei Jahren wird AT&S seine Expertise im Bereich Nachhaltigkeit weiter ausbauen, um den Kunden in allen Marktsegmenten grüne Lösungen anbieten zu können. Die Ökobilanzierung, die für die Lebenszyklen vieler Produkte bereits zur Anwendung kommt, soll weiter verbessert und zukünftig in den Angeboten des Unternehmens für Kunden standardmäßig berücksichtigt werden. Im Rahmen des Projekts entwickelt AT&S sein Life Cycle Assessment Toolset weiter, welches es ermöglicht, die Umweltauswirkungen der Leiterplattenproduktion auf Produktebene zu analysieren. Des Weiteren werden Konzepte erarbeitet, welche den Fußabdruck der Leiterplattenproduktion reduzieren.

Die Beiträge von AT&S für EECONE ordnen sich nahtlos in die eigene Firmenstrategie ein:

  • Miniaturisierung: Höhere Rechenleistung für schnelle Datenverarbeitung
  • Modularisierung: Mehr Funktionen auf kleinerem Raum
  • Fertigung der Zukunft: Effiziente und flexible Produktion mit reduziertem Ressourcenverbrauch
  • Erhöhte Geschwindigkeit/geringe Latenzzeit: Übertragung von größeren Datenmengen
  • Leistung/Leistungseffizienz: Verringerung der elektrischen Verluste

Um die Ziele der Firmenstrategie und damit auch von EECONE zu erreichen, investiert AT&S in Leoben in den kommenden Jahren 500 Mio. Euro in ein neues Forschungszentrum, für das 700 neue Beschäftigte angestellt werden. Die in diesem Beitrag vermittelten Informationen können lediglich als Erstinformation angesehen werden. Ausführliche Informationen finden Interessenten auf der Projekt-eigenen Internetseite [3]. Dort werden zahlreiche Hinweise zu Whitepapers, Seminaren, Publikationen und einer Vielzahl aktueller Nachrichten über Projektfortschritte gegeben. Eine der dort veröffentlichten Nachrichten, die von Siemens im März 2024 herausgegeben wurde, soll zum Abschluss dieses Beitrags vorgestellt werden [5]. Sie belegt nämlich, dass die Ziele des EECONE-Projektes auch von Unternehmen unterstützt werden, die selbst nicht unter den 51 Mitgliedern zu finden sind, aber durch eigene Projekte bzw. Leistungen den Weg zu nachhaltiger Elektronik zeitgleich mitebnen.

Neues EcoTech Label als Herausforderung

Siemens kündigte im März 2024 sein neues EcoTech Label an, mit dem der Konzern Industriestandards revolutionieren will, indem dieses hohe Tranzparenz bezüglich der Nachhaltigkeit der angebotenen Produkte erlaubt. Es soll ökologisch verantwortungsvollere Entscheidungen bei den Kunden ermöglichen. Mit dem Label fordert Siemens einerseits die Elektrobranche heraus, fördert aber gleichzeitig die Ziele von EECONE. Ein gewisses inhaltliches wie auch zeitliches Zusammenwirken von Infineon als dem Projektverantwortlichen für EECONE mit seinem ehemaligen Trägerkonzern Siemens kann vermutet werden. Siemens erklärt die Gründe für das Label wie folgt: In dem Umfang, in dem sich die Industrie in Richtung Dekarbonisierung und Ressourceneffizienz bewegt, verlangen Kunden zunehmend nach nachhaltigeren Produkten, die klassifiziert und transparent gekennzeichnet sind. Die Lieferanten wiederum analysieren, welche ihrer Produkte nachhaltiger gemacht werden können, um sie als solche listen und anbieten können. Darüber hinaus drängen auch die Regulierungsbehörden der EU auf ein verbessertes Ecodesign und mehr diesbezügliche Transparenz bei Produkten. Es ist also eine komplexe, neue Situation im Entstehen. Siemens trägt mit dem im Frühjahr 2024 angekündigten Siemens EcoTech Label diesen Anforderungen Rechnung, indem es ein Rahmenwerk bereitstellt, das den Prozess der Suche, Klassifizierung und Auflistung von umweltfreundlichen Produkten vereinfacht, wovon letztendlich sowohl die Kunden als auch die Umwelt profitieren [6].

Ergebnis systematischer Vorarbeit

Die Einführung des Siemens EcoTech Labels stellt einen Folgeschritt dar, der auf früheren Aktivitäten des Unternehmens aufbaut und diese teilweise weiterführt. Beispiele:

  • 2008 eingeführtes Umweltportfolio
  • Siemens Robust Eco Design-Ansatz (RED) aus dem Jahr 2020, der die systematische Integration ökologischer Designprinzipien zum Inhalt hat
  • 2021 eingeführtes DEGREE-Framework (Nachhaltigkeits-Rahmenwerk), welches einen 360°-Ansatz für zentrale Nachhaltigkeitswerte mit klaren Zielen in den Bereichen Dekarbonisierung, Ethik, Governance, Ressourcen-Effizienz, Vielfalt, Inklusion und Gemeinschaft sowie Mitarbeiterförderung bietet [7]

Nachhaltigkeitsbestrebungen voranbringen

Mit der Einführung seines neuen Produktlabels setzt das Traditionsunternehmen einen bedeutenden Meilenstein in Bezug auf Nachhaltigkeit und Transparenz. Die Initiative soll die Art und Weise, wie die Nachhaltigkeitsnachweise von Produkten innerhalb der Branche verglichen werden, neu definieren. Durch detaillierte Einblicke in die Produktleistung anhand ausgewählter Umweltkriterien erleichtert das Siemens EcoTech Label den Kunden eine fundiertere Entscheidung, indem ökologische Überlegungen bei Kaufentscheidungen einen entscheidenden Platz einnehmen. Das neue Label ermöglicht einen direkten Vergleich der Nachhaltigkeitsleistung eines Produktes mit dem Marktstandard und mit Vorgängerprodukten. Insofern übt das neue Label gleichzeitig eine gewisse Marktmacht auf Konkurrenzprodukte aus und macht den Fortschritt bei der Weiterentwicklung eigener Erzeugnisse offensichtlich und messbar.

Revolutionierung von Industriestandards

Die Einführung des Siemens EcoTech Labels ist ein mutiger Schritt hin zu mehr Transparenz in der Nachhaltigkeit von Produkten. Das Unternehmen spricht in seinen Pressemitteilungen von einem revolutionären Vorhaben, das längst überfällig war. Das Label umfasst zunächst eine Vielzahl von Produkten aus dem Siemens-Portfolio für Infrastruktur- und Industrieanwendungen und bietet einen klaren, umfassenden Überblick über die Umweltauswirkungen jedes Produktes. Die diesbezüglichen Daten werden über das Siemens EcoTech Profile (SEP) bereitgestellt. Das Siemens EcoTech-Produktlabel liefert Kunden die Produktinformationen, die sie benötigen, um fundierte Entscheidungen zu treffen, die ihre eigenen Nachhaltigkeitsziele unterstützen. Damit konzentriert sich das Unternehmen noch stärker als bisher auf die Nachhaltigkeit und Transparenz seiner Produkte. Die Entscheidung für das neue Produktlabel soll nicht nur das Engagement von Siemens für nachhaltige Praktiken unterstreichen, sondern auch andere Branchenakteure ermutigen, diesem Beispiel zu folgen und möglicherweise einen neuen Maßstab für Umweltverantwortung zu setzen [8]. Das vom Konzern in den Pressemitteilungen verwendete Wort ‚ermutigen' ist mild gewählt: Faktisch fordert Siemens seine Konkurrenz heraus und zwingt sie zu ähnlichen Schritten.

Label-Methodik

Produkte, die das Label tragen, wurden anhand einer Reihe von Ökodesign-Kriterien in drei Schlüsselbereichen bewertet (Abb. 5):

  • nachhaltige Materialien
  • optimale Nutzung
  • Wertrückgewinnung und Kreislaufwirtschaft

Die Ökodesign-Kriterien decken ein breites Spektrum an Bereichen ab, darunter:

  • Verwendung kohlenstoffarmer Materialien
  • Verwendung nachhaltigerer Verpackungsmethoden
  • Energieeffizienz
  • Langlebigkeit
  • Überlegungen zur Kreislaufwirtschaft
  • Recyclingfähigkeit

Die detaillierte Bewertung auf Grundlage des Kriterienkatalogs bildet die Basis für das vorn erwähnte Siemens EcoTech Profile (SEP) – ein Datenblatt, das einen Überblick und eine Vergleichbarkeit der Umweltleistung eines Produkts in Bereichen wie Materialien, Design, Nutzungsphase und Lebensende bietet. Siemens vertritt den Standpunkt, dass der Konzern so mehr Datentransparenz als jedes andere Unternehmen der Branche vorzeigt.

Abb. 5: Um das Siemens EcoTech Label zu erhalten, muss ein Produkt in jeder der drei Dimensionen in mindestens einer der Kategorien transparent nachweisen, dass es in diesen Kriterien besser abschneidet als der Marktstandard, eine bestehende Norm oder sein VorgängerproduktAbb. 5: Um das Siemens EcoTech Label zu erhalten, muss ein Produkt in jeder der drei Dimensionen in mindestens einer der Kategorien transparent nachweisen, dass es in diesen Kriterien besser abschneidet als der Marktstandard, eine bestehende Norm oder sein Vorgängerprodukt

Schrittweise Einführung

Abb. 6: Der Industrial Ethernet Switch  Scalance XC108 von Siemens trägt das EcoTech Label Abb. 6: Der Industrial Ethernet Switch Scalance XC108 von Siemens trägt das EcoTech Label Selbstverständlich ist der breite Übergang auf das Labeling der Unternehmensprodukte mit viel Arbeit verbunden. Die Einführung des Labels erfolgt deshalb sukzessive. Auf der Messe Light & Building (3./4. März 2024) wurden die ersten Produktfamilien mit dem Siemens EcoTech Label vorgestellt. Auf der Hannover-Messe (22.-26. April 2024) präsentierte man weitere Produktfamilien, die die strengen Kriterien erfüllen. Insgesamt tragen aktuell 33 Produktfamilien aus dem Industrie- und Infrastrukturportfolio das Siemens EcoTech Label und Profil. Zur Hannover-Messe wurden dazu fünf ausgewählte Produkte demonstriert, darunter Exponate aus dem Infrastrukturportfolio wie die Sanftstarter Sirius 3RW5 und 8DJH 24 – Blue GIS sowie die Industrieprodukte Simatic S7-1500 CPU, Sinamics G220 und der Industrial Ethernet Switch Scalance XC108 (Abb. 6).

Beispiele für Parameterverbesserung

Mit wenigen Parametern soll der Nutzen des neuen Labels für die genannten Siemenserzeugnisse untermauert werden. So konnte das Gesamtgewicht des Industrial Ethernet Switch Scalance XC108 im Vergleich zum Vorgänger durch intelligenten Materialeinsatz um 35 % reduziert werden. Der erweiterte Umgebungstemperaturbereich von -40 °C bis +70 °C verringerte den Energieverbrauch im Betrieb um 10 % und erhöht die Lebensdauer, was den Heizenergiebedarf für Schaltschränke senkt. Die neuen Motorregelungsfunktionen des Sinamics G220 steigern die Effizienz des Antriebsstrangs und reduzieren Motorverluste um bis zu 15 %. Der Frequenzumrichter Sinamics G220 ist integraler Bestandteil des TIA Portals und verfügt über einen digitalen Zwilling in Startdrive, was eine virtuelle Inbetriebnahme ermöglicht und den Energieverbrauch während der Inbetriebnahme um bis zu 50 % reduziert. Die mechanischen Schwingungstests am Sinamics G220 übertreffen die IEC 61800-5-1. Der Frequenzumrichter weist eine hervorragende Beständigkeit gegen mechanische Schwingungen auf und ist ein langlebiges, nachhaltiges Industrieprodukt. Es ist klar, dass Voraussetzung für die Realisierung der Verbesserung der elektrischen, klimatischen wie auch mechanischen Parameter der aufgeführten Produktbeispiele ist, dass Schaltungsentwicklung, Leiterplatten- bzw. Baugruppendesigner und die Produktion an einem Strang in dieselbe Richtung ziehen [9].

Referenzen

[1] https://cordis.europa.eu/ (Abruf: 1.8.24)
[2] www.ifa-berlin.com/de/news/infineon-leads-new-european-sustainable-electronics-project-eecone (Abruf 1.8.24)
[3] www.eecone.com (Abruf 1.8.24)
[4] https://ats.net/news/ats-forscht-an-gruener-elektronik-fuer-europa/ (Abruf 1.8.24)
[5] www.eecone.com/eecone/home/ (Abruf 1.8.24)
[6] www.siemens.com/de/de/unternehmen/stories/forschung-technologien (Abruf 20.7.24)
[7] www.siemens.com/de/de/unternehmen/nachhaltigkeit.html (Abruf 20.7.24)
[8] https://bnngpt.com/search/2nlf8yQ (Abruf 20.7.24)
[9] https://assets.new.siemens.com/siemens/assets/api/uuid:12142050-e1c1-476f-8e77-db3068cb0498/Siemens-EcoTech-Profile-Background-Information.pdf (Abruf 20.7.24)

  • Titelbild: Nachhaltige Elektronik ist ein wichtiges Puzzleteil der Dekarbonisierungswende
  • Ausgabe: September
  • Jahr: 2024
  • Autoren: Dr.-Ing. Hartmut Poschmann
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