Neue ultradünne Leiter für die Nanoelektronik

Abb. 1: Ein einige Atome dicker Film aus nichtkristallinem Niobphosphid leitet besser durch die Oberfläche, wodurch das Material als Ganzes zu einem besseren Leiter wird

Forscher von Stanford Engineering haben mit Kollegen aus anderen Universitäten ein ultradünnes Material entwickelt, das Elektrizität besser leitet als Kupfer. Es könnte zukünftig neue Designmöglichkeiten für eine energieeffizientere Nanoelektronik erlauben. Das wäre ein entscheidender Beitrag für die Realisierung des im Jahr 2022 von der US-Regierung verabschiedeten CHIPS and Science Acts.

Die Leitfähigkeit von Kupfer in der Mikroelektronik kann aus mehreren Gründen eingeschränkt sein. Einer der Hauptfaktoren dafür ist die fortwährende Verkleinerung der Strukturen, die in moderner Mikroelektronik Anwendung finden. Mit der Miniaturisierung der Bauteile und der Verkleinerung der Leiterbahnen treten verstärkt Effekte wie die Elektronenstreuung an den Oberflächen und den Grenzen der Materialien auf. Diese Streuung kann die Beweglichkeit der Elektronen beeinträchtigen und somit die effektive Leitfähigkeit verringern. Ein weiterer Aspekt ist, dass sich intermetallische Phasen und Oxide an den Grenzflächen bilden können, welche ebenfalls die Leitfähigkeit negativ beeinflussen. Zudem können thermische Effekte und die Erhöhung der Betriebstemperaturen in dicht gepackten Schaltungen zu einer weiteren Verschlechterung der elektrischen Eigenschaften führen. Die Kombination aus Miniaturisierung, Oberflächen- und Grenzflächeneffekten sowie thermischen Einflüssen schränkt somit die Leitfähigkeit von Kupfer in der Mikroelektronik zunehmend ein. Computerchips mit Strukturbreiten im unteren Nano-Bereich sind davon besonders betroffen. Deshalb sind die ultradünnen metallischen Drähte, die der Übertragung der elektrischen Signale in diesen Chips dienen, zu einem schwachen Glied bei der Realisierung solcher Bauteile geworden. Die bisher verwendeten Standard-Metalldrähte leiten Strom schlechter, wenn sie dünner werden, was letztlich die Größe, Effizienz und Leistung von nanoskaliger Elektronik einschränkt.

Forschung für die Zukunft

In der Mikroelektronik gibt es mehrere Alternativen zu Kupferleitern, die aufgrund ihrer spezifischen Eigenschaften und Vorteile in bestimmten Anwendungen bevorzugt werden. Dazu zählen Aluminium, Silber, Nickel, Graphen und Kohlenstoffnanoröhren. Von diesen kommen in der Nanoelektronik jedoch nur Graphen und Kohlenstoffnanoröhren in Betracht.

  1. Graphen hat außergewöhnliche elektrische Eigenschaften und eine hohe Leitfähigkeit. Es ist auch sehr dünn und flexibel, was es zu einem vielversprechenden Material für zukünftige Anwendungen in der Mikroelektronik macht
  2. Kohlenstoffnanoröhren haben ebenfalls hervorragende elektrische Eigenschaften und könnten in der Zukunft eine wichtige Rolle in der Mikroelektronik spielen, insbesondere in der Entwicklung von nanoskaligen Transistoren

Zu beiden Materialien gibt es seit vielen Jahren intensive Forschungsarbeiten. Doch in der Wissenschaft ist man bereits dabei, den Blick noch weiter nach vorn zu richten und weitere Alternativen zu finden.

Abb. 3: Ein strukturierter Chip mit Hall-Bar-Vorrichtungen aus ultradünnem Niobphosphid-FilmAbb. 3: Ein strukturierter Chip mit Hall-Bar-Vorrichtungen aus ultradünnem Niobphosphid-Film

Ultradünne Niobphosphid-Filme

Abb. 2: Asir Intisar KhanAbb. 2: Asir Intisar KhanIn einer Veröffentlichung im Wissenschaftsjournal Science vom 3. Januar 2025 weisen Forscher der Stanford University, der University of California (Berkeley) und weiterer Einrichtungen aus den USA und Südkorea in einem Gemeinschaftsbeitrag darauf hin, dass Niobphosphid in Filmen, die nur wenige Atome dick sind, Elektrizität besser leiten kann als Kupfer [1]. Darüber hinaus können diese Schichten bei ausreichend niedrigen Temperaturen hergestellt und abgeschieden werden, um mit der modernen Herstellung von Computerchips kompatibel zu sein. Ihre Arbeit könnte dazu beitragen, die Elektronik der Zukunft leistungsfähiger und energieeffizienter zu machen (Abb. 3). Eine ausführliche PDF-Fassung des kompletten Artikels ist unter [2] herunterladbar. Sie trägt den Titel „Surface conduction and reduced electrical resistivity in ultrathin noncrystalline NbP semimetal“.

„Wir durchbrechen einen fundamentalen Engpass bei traditionellen Materialien wie Kupfer“, schätzte Asir Intisar Khan ein, der die Bangladesh University of Engineering and Technology absolvierte, dann in Stanford promovierte und nun Gastwissenschaftler und Erstautor der hier vorgestellten Arbeit ist [3] (Abb. 2). „Unsere Niobphosphid-Leiter zeigen, dass es möglich ist, schnellere und effizientere Signale durch ultradünne Drähte zu senden. Dies könnte die Energieeffizienz künftiger Chips verbessern. Zu beachten ist, dass selbst kleine Energiegewinne sich summieren, wenn sehr viele Chips verwendet werden, wie z. B. in den riesigen Rechenzentren, in denen heute immer mehr Informationen gespeichert und verarbeitet werden.“

Eine neue Klasse von Leitern

Niobphosphid ist das, was Forscher ein topologisches Halbmetall nennen, was bedeutet, dass das gesamte Material Elektrizität leiten kann, aber seine Außenflächen leitfähiger sind als die Mitte. Wenn ein Film aus Niobphosphid dünner wird, schrumpft der mittlere Bereich, aber seine Oberflächen bleiben gleich, sodass die Oberflächen einen größeren Anteil am Stromfluss haben und das Material als Ganzes zu einem besseren Leiter wird. Traditionelle Metalle wie Kupfer hingegen leiten Strom schlechter, wenn sie dünner als etwa 50 Nanometer sind. Die Forscher fanden heraus, dass Niobphosphid bei Schichtdicken unter fünf Nanometern ein besserer Leiter als Kupfer wurde, selbst wenn die Messungen bei Raumtemperatur betrieben wurden. Bei dieser Größe haben Kupferdrähte Schwierigkeiten, extrem hochfrequente elektrische Signale genügend schnell weiterzuleiten, und sie verlieren viel mehr Energie durch Erwärmung (Abb. 1).

Viele Forscher haben daran gearbeitet, bessere Leiter für die nanoskalige Elektronik zu finden, aber bisher hatten die besten Kandidaten extrem präzise kristalline Strukturen, die bei sehr hohen Temperaturen geformt werden müssen. Die Niobphosphid-Filme von Khan und seinen Kollegen sind die ersten Beispiele für nichtkristalline Materialien, die mit zunehmender Dünnheit zu besseren Leitern werden.

„Es wurde angenommen, dass wir, wenn wir diese topologischen Oberflächen nutzen wollen, gleichmäßige einkristalline Filme brauchen, die wirklich schwer abzuscheiden sind“, sagte Akash Ramdas, Doktorand in Stanford und Co-Autor der Studie. „Jetzt haben wir eine weitere Klasse von Materialien – diese topologischen Halbmetalle –, die möglicherweise dazu beitragen könnten, den Energieverbrauch in der Elektronik zu senken.“

Da die Niobphosphid-Filme keine Einkristalle sein müssen, können sie bei niedrigeren Temperaturen hergestellt werden. Die Forscher lagerten die Filme bei 400 Grad Celsius ab, einer Temperatur, die niedrig genug ist, um bestehende Silicium-Computerchips nicht zu beschädigen oder zu zerstören. „Wenn man perfekte kristalline Drähte herstellen muss, wird das nach Meinung der Wissenschaftler für die Nanoelektronik nicht funktionieren. Aber wenn man sie amorph oder leicht ungeordnet machen kann und sie immer noch die gewünschten positiven Eigenschaften haben, die man braucht, öffnet das die Tür zu potenziellen Anwendungen in der realen Welt.

Nanoelektronik der Zukunft ermöglichen

Obwohl Niobphosphid-Filme ein vielversprechender Anfang sind, erwarten die Wissenschaftler nicht, dass sie plötzlich Kupfer in allen Computerchips ersetzen werden. Niob ist zwar etwa achtmal so teuer wie Kupfer. Da die benötigten Mengen allerdings verschwindend klein sind, fallen diese Kosten kaum ins Gewicht.

Kupfer ist immer noch ein besserer Leiter in dickeren Folien und Drähten. Aber Niobphosphid könnte für die dünnsten Verbindungen verwendet werden, und es ebnet den Weg für die Erforschung von Leitern aus anderen topologischen Halbmetallen. Die Forscher untersuchen bereits ähnliche alternative topologische Halbmetalle, um zu sehen, ob sie die Leistung von Niobphosphid noch verbessern können.

Das Forscherteam arbeitet auch daran, seine Niobphosphid-Filme für weitere Tests in schmale Drähte zu verwandeln. Sie wollen herausfinden, wie zuverlässig und effektiv das Material in Drahtform in der Praxis sein könnte.

Die Gemeinschaftsarbeit wurde von der National Science Foundation, dem Precourt Institute for Energy, der SystemX Alliance, dem Stanford Graduate Fellowship und der National Research Foundation of Korea finanziert.

Nationale Anstrengungen für die Halbleiterforschung und Stanford

Ergänzend zu den vorgestellten Forschungsergebnissen soll nachfolgend der Blick etwas weiter gehen und die Bedeutung der durchgeführten Arbeiten der Universität für die neuen Leitermaterialien aus gesamtstaatlicher Sicht eingeordnet werden. Die Stanford University ist zwar eine der führenden Forschungseinrichtungen der USA, doch auch hier ist man trotz der erzielten kooperativen Forschungsergebnisse der Meinung, dass die amerikanischen Investitionen in die Mikroelektronik in den vergangenen zwei Jahrzehnten zu gering waren. Es müssen größere Anstrengungen unternommen werden, wenn man die Technologie-Souveränität der USA in der Mikroelektronik wiederherstellen will.

Mit dem im Jahr 2022 als Gesetz auf Bundesebene verabschiedeten CHIPS and Science Act versuchen die amerikanischen Behörden zentral, die Forschung zur Mikroelektronik voranzubringen. Das US-Handelsministerium stellte dem Halbleitersektor 52 Milliarden US-Dollar zur Verfügung. Um die Forschungs- und Entwicklungskomponente dieser Bemühungen zu verwalten, hat das Ministerium das National Semiconductor Technology Center (NSTC) gegründet, ein Konsortium aus Wissenschaft, Industrie, Regierung und gemeinnützigen Organisationen. Am 12. Dezember 2024 teilte die Universität Stanford mit, dass sie als wichtige Institution für die Halbleiterforschung dem NSTC beigetreten ist.

In einem Interview haben die Wissenschaftler H.-S. Philip Wong, Willard R. und Inez Kerr Bell von der Universität erklärt, was die NSTC-Mitgliedschaft für Stanford bedeutet und wie diese auf einem institutionellen Vermächtnis der Führung in diesem Bereich aufbaut [4].

Nachfolgend stichpunktartig einige Auszüge aus dem Interview

  1. Halbleitertechnik ist eine Basistechnologie, die vielen technologischen Fortschritten zugrunde liegt, und Ökonomen erkennen technologische Fortschritte als die wichtigste treibende Kraft für die wirtschaftliche Entwicklung an
  2. Auch die USA erkennen an, dass sie für die nationale Sicherheit wichtig und für das tägliche Funktionieren des Landes und das Leben seiner Menschen von entscheidender Bedeutung ist
  3. Die USA sollten immer in der Lage sein, ihre Versorgung mit Chips zu sichern, um solche Liefersituationen wie während der Corona-Pandemie zu verhindern. Um dies zu erreichen, sollte das Land a) mit gleichgesinnten Verbündeten zusammenarbeiten und ein robustes Fertigungsökosystem in den USA und gleichgesinnten Ländern und Regionen aufbauen und b) zielgerichtete Forschung und Entwicklung betreiben, damit weiterhin neue Generationen von Chips auf den Markt gebracht werden können
  4. Vor den 1980er Jahren mussten die einzelnen Professoren eigene Forschungslabors haben. Aber das änderte sich, als Stanford in den frühen 1980er Jahren Pionierarbeit für das Konzept einer gemeinsamen Einrichtung leistete, die die Kosten der Chipforschung senkte und zu einem Treffpunkt für Forscher wurde, um Ideen zu entwickeln
  5. Wissen über die Herstellung von Chips kann geteilt werden. Stanford hat jetzt zur Unterstützung seiner Forscher zwei sich ergänzende Einrichtungen: die Stanford Nanofabrication Facility und die Stanford Nano Shared Facilities
  6. Stanford hat auch Technologien entwickelt, die die Industrie derzeit zur Entwicklung und Herstellung von Chips verwendet, z. B. Simulations- und Modellierungswerkzeuge
  7. Stanford hat sich entschieden, Mitglied von NSTC zu werden, weil man an der Forschung teilnehmen wolle, nicht nur, um Zugang zu den von der Regierung bereitgestellten finanziellen, für den Wettbewerb wichtigen Ressourcen zu erhalten, sondern vor allem, um mit der breiteren Gemeinschaft zu interagieren

Das NSTC wird drei Haupteinrichtungen einrichten, von denen zwei bereits angekündigt wurden. Als Mitglied hat auch die Stanford University Zugang zu all diesen Einrichtungen.

Die erste Einrichtung in New York wird Dienstleistungen für einen der Fertigungsschritte erbringen, nämlich die Lithographie.

Die zweite Einrichtung wird sich in Kalifornien, im nahe gelegenen Sunnyvale, befinden. Sie wird als Verwaltungssitz des NSTC dienen, und in derselben Einrichtung wird es ein Designforschungszentrum geben. Dieser Standort wurde durch große Anstrengungen lokaler Unternehmen sowie von der Stanford University, der University of California und anderen Universitätspartnern, die sich für diesen Standort einsetzen, ausgewählt. Das wird der Stanford-Forschung sehr zugute kommen, da viele Fakultäten am Design von Chips forschen.

Die dritte Einrichtung ist wie die vorhandene Nanofabrikationsanlage in Stanford, aber im industriellen Maßstab – größer, industrieorientierter, ausgefallenere Werkzeuge und so weiter.

Die Einrichtungen des NSTC, insbesondere das Design Research Center, werden bei der Realisierung dreidimensionaler hochdichter Chips helfen. Die neue Generation von Chips soll da

Referenzen:

[1] https://news.stanford.edu/stories/2025/01/a-new-ultrathin-conductor-for-nanoelectronics
[2] https://drive.google.com/file/d/1EpeNA2eWMm8-t6JUaTcEBxLroI76b8E8/view
[3] https://profiles.stanford.edu/asir
[4] https://news.stanford.edu/stories/2024/12/the-future-of-chips-how-a-national-effort-seeks-to-advance-semiconductor-research

  • Titelbild: Abb. 1: Ein einige Atome dicker Film aus nichtkristallinem Niobphosphid leitet besser durch die Oberfläche, wodurch das Material als Ganzes zu einem besseren Leiter wird
  • Ausgabe: Februar
  • Jahr: 2025
  • Autoren: Dr.-Ing. Hartmut Poschmann
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