48. ak-adp-Workshop: Atmosphärische Plasmen in komplexen Prozessen

Zum ak-adp-Workshop gehörte auch eine Stadttour durch Chemnitz - (Fotos: ak-adp)
  • Titelbild: Zum ak-adp-Workshop gehörte auch eine Stadttour durch Chemnitz - (Fotos: ak-adp)

Durch die Kombination von Technologien kann deren Anwendungsbereich signifikant erweitert werden. Vielfältige Beispiele für die Kombination von atmosphärischen Plasmen mit anderen Technologien wurden auf dem 48. Workshop des Anwenderkreises Atmosphärendruckplasma (ak-adp) vom 9. bis 10. April 2025 in Chemnitz präsentiert und zur Diskussion gestellt. Dafür trafen sich Plasmaexperten und –anwender aus Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Thematische Schwerpunkte der zur Diskussion gestellten Vorträge lagen auf Reinigungs- und Füge­prozessen, Anwendungen der Atmosphärendruckplasmen für Sterilisation, Desinfektion und breite antimikrobielle Wirkung, Gasbarriereschichten,neuen Ansätzen zur Dünnschicht-PV-Herstellung sowie der plasmagestützten Oberflächenvorbehandlung von Alumi­nium-Druckgussbauteilen. Auch das Thema „At­mos­phären­druckplasma und KI – eine Symbiose für die Zukunft!“ wurde wieder aufgegriffen und anwendungsnah weitergeführt.

Besonderes Highlight des Workshops war die Fortsetzung des Wettbewerbs #ZukunftADP mit der Vorstellung der 2025 eingereichten Wettbewerbsideen. Der Wettbewerb findet seit 2021 alle zwei Jahre statt. Für die besten Beiträge werden Pokale und ein Preisgeld ausgelobt.

Die rund 30 Teilnehmer der VeranstaltungDie rund 30 Teilnehmer der Veranstaltung

Die Vorträge

Beispiele für „Kombinationen von Inline-Reinigungsprozessen mit Atmosphärendruck(AD)-Plasmen für sichere Adhäsion von Lacken und Klebstoffen“ lieferte Sergey Stepanov, Fraunhofer IFAM Bremen. Die Vorteile von AD-Plasmen sind vielfältig, u. a. können sie in Inline-Prozesse integriert werden. Sowohl Punkt- als auch Großflächenbehandlungen sind möglich, Kosten und Platzbedarf sind moderat und der trockene AD-Prozess benötigt keine Nachbehandlung. Zur Vorbehandlung hoch kontaminierter Oberflächen ist eine Kombination mit Vakuumsaugstrahlen, CO2-Schneereinigung oder eine Laserbehandlung möglich. Der Referent stellte die Verfahrensprinzipien vor und erläuterte die Vorteile und Grenzen der einzelnen Verfahren.

Über „Verfahren zum nachhaltigen Fügen von Kunststoff-Hybrid-Materialien“ berichtete Julian Kraft, Fraunhofer ICT, Pfinztal. Die am ICT entwickelten Haftschichten auf SiO2-Basis ermöglichen es, im Spritzgießverfahren Hybrid­bauteile mit technisch nutzbaren Grenzflächenfestigkeiten ohne den Einsatz von Primern herzustellen. Die durch die Beschichtung erzeugte säulenartige SiO2-Porenstruktur wird z. B. mit einer Polymerschmelze infiltriert, die anschließend erstarrt und so eine kraftschlüssige Verbindung ermöglicht. Da nur manche der möglichen säulenartigen Strukturen die notwendigen Eigenschaften (Porosität, Säulendurchmesser und -höhe, innere Festigkeit u. a.) aufweisen, wurde der optimale Parameterraum für die Atmosphärendruckabscheidung ermittelt. Messungen der Grenzflächenfestigkeit ergaben Werte bis >20 MPa. Die gemessenen Verbundfestigkeiten sind vergleichbar mit denen, die im Niederdruckverfahren erreicht werden können, und unterscheiden sich signifikant von den Werten unbeschichteter Proben.

Medizin

In seinem Beitrag „Kombination von kalt-atmosphärischem Plasma und plasma-aktiviertem Wasser im Kontext von Sterilisation und Desinfektion“ stellte Christian Bäuml, relyon plasma GmbH, Regensburg, die neueste Plasmatechnologie vor. Das MediPlas System besteht aus zwei Komponenten, dem MediPlas Reaktor und dem MediPlas Driver. Mit dem Reaktor können in einer dielektrischen Barriereentladung (HDBD, Hybrid Dielectric Barrier Discharge) reaktive Sauerstoff- und Stickstoffverbindungen (RONs, Ozon, Wasserstoffperoxid, Stickoxide) erzeugt werden. Zusammensetzung und Konzentration der RONs im Gasgemisch lassen sich über aktive Leistungs- und Temperaturregelung beeinflussen. Der Driver ist der darauf optimal abgestimmte Hochspannungserzeuger. Am Beispiel von mit dem MediPlas erzeugtem plasmaaktivierten Wasser, das zur Sterilisation und Desinfektion eingesetzt werden kann, konnte der Vortragende die Einsatzmöglichkeiten demonstrieren. Untersuchungen zeigten, dass je nach Behandlungsdauer eine Reduktion der Lebendzellzahlen grampositiver und gramnegativer Bakterien von mehr als 6 log-Stufen erreicht werden konnte.

„Antimikrobiell aktive Kaltplasmaspritz-Beschichtungen für Kontakt- und Kontaminationsflächen“ stellte Adrian Würzl, Innovent e.V., Jena, vor. Keramisch-metallische kaltplasmagespritzte Al2O3- Beschichtungen mit 2,5 % Kupfer haben eine antibakterielle und antivirale Langzeitwirkung, die auch nach Washability-Tests bzw. Auslaugungstests erhalten bleibt. Sie können haftfest und abrasionsstabil auch auf rauen Oberflächen appliziert werden. Porosität, Abrasionsbeständigkeit und Schichtdicke lassen sich gezielt einstellen.

Energietechnik

Die „Herstellung von Gasbarriereschichten mittels Atmosphärendruckplasmen und photochemischen Prozessen“ beschrieb Patrick With, Leibniz-Institut für Oberflächenmodifizierung e.V. (IOM), Leipzig. Gasbarriereschichten spielen für die Nutzung erneuerbarer Energien eine Schlüsselrolle. Sie schützen sensible Technologien wie flexible Solarmodule vor Umwelteinflüssen und verlängern so deren Lebensdauer. In der Wasserstoffwirtschaft ermöglichen sie eine sichere Speicherung und den Transport von Wasserstoff. Anstelle aufwendige Sol-Gel-Verfahren zur Prekursorkonversion einzusetzen, berichtete der Vortragende über die Fotokonversion mit energiereichem (V)UV-Licht oder mit Atmosphärendruckplasmen. Durch Fotokonversion z. B. können amorphe TiOx- oder FexOy- Metalloxiddünnfilme hergestellt werden. Zur Plasmakonversion eignen sich sowohl Plasmajets als auch flächige dielektrische Barriereentladungs(DBD)-Quellen. Damit erzeugte SiOx-Filme ermöglichen eine Verringerung der Sauerstofftransmissionsrate (OTR) um eine Größenordnung. Eine weitere Verbesserung über Technologieentwicklung scheint realistisch.

Haftung

Spritzenkörper aus Glas werden aus verschiedenen Gründen (Gleitreibungsreduktion, Erhöhung der chemischen Beständigkeit, Stabilität, Bruchsicherheit, wasserabweisende Oberfläche) mit einer einbrennsilikonisierten (EBS) Beschichtung versehen. Die Beschichtung vermindert die Haftung von Klebverbindungen der Kanüle. In seinem Beitrag „Plasmainduzierte Schichtnachbearbeitung – Modifikation und Abtrag von einbrennsilikonisierten Schichten auf Glassubstraten“ konnte Daniel Tasche, HAWK Göttingen, zeigen, dass durch eine Plasmabehandlung die Haftung von Klebverbindungen aufgrund der chemischen Veränderung der Oberfläche zunimmt. Das atmosphärische Nicht-Gleichgewichtsplasma entfernt Kohlenstoff von der Oberfläche und lagert Sauerstoff aus der umgebenden Atmosphäre an. Die Plasmabehandlung führt zur Verglasung von EBS-Schichten (Polydimethylsiloxan, PDMS), die in SiO2 umgewandelt werden. Die Zugfestigkeit einer eingeklebten Kanüle nimmt bis zu einer Plasmabehandlungszeit von 300 Sekunden zu und geht dann in die Sättigung. Am Beispiel der simultanen Behandlung eines Trays mit 176 Spritzenkörpern konnte der Nachweis der Skalierbarkeit erbracht werden.

Peter van Steenacker, Tigres GmbH, gab einen Überblick zum Thema „Technologietool Atmosphärendruckplasma – vielfältig kombinierbar in industriellen Anwendungen“. Plasma­düsensysteme (Plasmajets) können heute in verschiedenen Leistungsgrößen, mit einstellbarer Leistung, verschiedenen Düsenausformungen bzw. Aufsätzen sowie als Multi- und Rotationsdüsen, mit verschiedenen Prozessgasen sowie für die Plasmabeschichtung ausgeführt werden. Weitere Vorzüge für viele Anwendungen sind ein praktisch potenzialfreies Plasma, eine niedrige Plasmatemperatur und ein moderater Energieverbrauch. Im Vergleich zur DBE-Coronatechnologie kann auch ohne Gegenelektroden gearbeitet werden. Am Beispiel der Firma Sita Bauelemente, Spezialist für Bau- und Dachentwässerung, konnte von Steen­acker zeigen, wie Kunststoff- und Kautschuk-Dachbahnen durch Plasma effizient und gleichmäßig behandelt werden können, um ihre Haftungseigenschaften zu verbessern. Bislang wurde dieser Schritt durch manuelles Primern durchgeführt – ein arbeitsintensiver Prozess, der auch gesundheitliche Risiken birgt.

Industrielle Oberflächenmodifikation

An „zwei Beispielen zur industriellen Oberflächenmodifikation mit Atmosphärendruckplasma – neue Ansätze zur Dünnschicht-PV-Herstellung und plasmagestützte Oberflächenvorbehandlung von Alu-Druckgussbauteilen“ demonstrierte Simon Chwatal, INO GmbH, Attnang-Puchheim, Österreich, das breite Anwendungspotenzial von Plasmaverfahren. Durch den Einsatz von INO-Plasmaanlagen werden bei der Herstellung von Perowskit-Dünnschichten Vorteile wie schnellere Kristallisation, erhöhte Effizienz, Umweltfreundlichkeit durch bleifreie Materialien und Skalierbarkeit erzielt. Es können aber auch ver-unreinigte Alu-Druckgussbauteile (Beispiel gefrästes AW6082) durch Plasma gereinigt oder aktiviert werden, um die Haftung von Verklebungen und Beschichtungen zu verbessern.

„Anwendungen von Atmosphärendruckplasmen in der Molekülsynthese: datengetriebene Experimente und Simulationen“ war Thema des Vortrags von Dave Ahrens, enaDyne GmbH, Leipzig. Um z. B. CO2 kostengünstig verarbeiten zu können, verfolgt das Unternehmen den Ansatz der nicht thermischen Plasmakatalyse, bei der Moleküle durch elektrisch erzeugtes, kaltes Plasma angeregt werden. Dies erleichtert die chemische Synthese erheblich und ermöglicht die Herstellung von „grünen“ Grundchemikalien wie Ethylen oder E-Fuels, ohne dass Energieverluste etwa durch Abwärme entstehen. Für die gezielte Anregung der Gasspezies durch Plasma müssen eine Vielzahl involvierter Parameter präzise abgestimmt werden. EnaDyne setzt zu diesem Zweck fortschrittliche Regressionsalgorithmen ein, um die komplexen Vorgänge zu modellieren. Im Vortrag wurde beispielhaft gezeigt, wie eine datengetriebene, zeiteffiziente Versuchsplanung aufgebaut werden kann. Durch die effiziente Erkundung des Datenraums wird auch eine Verkürzung der Entwicklungsdauer auf 20 bis 40 % der Zeit erwartet, die bei einem zufällig gewählten, iterativen Ansatz zu erwarten wäre.

Prämierung der WettbewerbsteilnehmerPrämierung der Wettbewerbsteilnehmer

#ZukunftADP: Prämierung der Wettbewerbsteilnehmer

Höhepunkt des Workshops war die Preisverleihung des Wettbewerbs #ZukunftADP 2025 mit Vorstellung der eingereichten Arbeiten.

Der Wettbewerb bietet seit 2021 alle zwei Jahre die Möglichkeit, kleine und große Ideen, Konzepte und Best Practices zu atmosphärischen Plasmen in Bezug auf

  • Innovative Produktentwicklung
  • Erzeugung neuer Oberflächeneigenschaften
  • Umweltschutz & Nachhaltigkeit
  • Energieeinsparung & Energiegewinnung
  • Medizintechnische bzw. gesundheitliche Aspekte

einzureichen und mit Experten sowie potenziellen Anwendern zu diskutieren. Die inhaltliche Bewertung der Beiträge erfolgt durch eine Jury aus Senior-Professoren, Nachwuchswissenschaftlern, Industrievertretern und der Fachpresse.

Angesprochen sind insbesondere Studierende, Promovierende, Forschende & Vertreterinnen und Vertreter der Industrie, aber gern auch Macher/Tüftler und Plasma-Begeisterte mit anderem beruflichem Hintergrund.

Die Firma DAS Environmental Expert (EE) GmbH hat 2025 im Rahmen des Wettbewerbs zusätzlich einen Sonderpreis gestiftet, mit dem explizit der Aspekt der Nachhaltigkeit innovativer Plasma-Lösungen honoriert werden soll. DAS EE entwickelt und vertreibt umwelttechnische Anlagen für die Reinigung von Abluft und Abwasser in der High-Tech-Industrie und trägt damit zur verbesserten Nachhaltigkeit in dieser Branche bei. Atmosphärisches Plasma etabliert sich in diesem Segment als alternative Energiequelle zur Schadgasbehandlung, welche mittelfristig erdgasbetriebene Brenner ablösen wird.

Alle eingereichten Wettbewerbsbeiträge haben Ansätze und Lösungen aufgezeigt, mit denen Plasma-Anwendungen zur Verbesserung der Nachhaltigkeit beitragen können. Die Wettbewerbs-Jury hat durchgängig hohe Bewertungen im Hinblick auf die Reduktion von Umweltverschmutzungen und das Erreichen von Klimaneutralität vergeben. Die vielfältigen Anwendungsfelder der Beiträge reichten von der Reaktivierung von Katalysatoren über verbesserte Pkw-Akkus, die Funktionalisierung von Wüstensand für industrielle Anwendungen bis zur Trennbarkeit von Folienverbünden.

Sieger der durchweg sehr interessanten und kreativen Ideen mit wirtschaftlichem Bezug war nach Abstimmung der Jury aus Plasmaforschung, Industrie und Fachpresse die Arbeit von Manuela Ockel, FAU Erlangen-Nürnberg, Lehrstuhl FAPS, und Andre Borchers, Fraunhofer IKTS Forchheim, zum Thema „Der Nachteil von Solid-State Batterien ist (noch) die Produktion der SSBs – Plasmaspritzen löst dieses“. Den Sonderpreis für Nachhaltigkeit erhielten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Firma enaDyne aus Leipzig. Sie konnten durch Simulation die Wirksamkeit ihres nichtthermischen Plasma-Katalyse-Systems verbessern. Mit diesem System bietet enaDyne ein praxistaugliches Verfahren zur energieeffizienten Zerstörung von Schadgasen und der Herstellung von Synthesegasen.

Zwischen den Vortrags-Sessions und beim abendlichen Stammtisch fanden die Workshop-Teilnehmer umfangreiche Gelegenheit zu angeregten Diskussionen und Gesprächen. Kontaktanbahnung und Kontaktpflege sind wichtiger Bestandteil der ak-adp-Arbeit. Eine geführte City-Tour durch Chemnitz ergänzte Eindrücke und Informationen zu Geschichte und Gegenwart der Kulturhauptstadt Europas 2025.

Verleihung des SonderpreisesVerleihung des Sonderpreises

Resümee

Sowohl die präsentierten aktuellen Technologie-Entwicklungen mit atmosphärischen Plasmen als auch insbesondere die vorgestellten neuen Wettbewerbsbeiträge aus dem Wettbewerb #ZukunftADP 2025 zeigen das Zukunftspotenzial von Plasmen bei Normaldruck für technische Entwicklungen in allen Industriezweigen. Materialmodifizierungen und Oberflächenfunktionalisierungen leisten einen Beitrag zu nachhaltiger Energiegewinnung, Batterieentwicklung, Verpackungsoptimierung, Recycling, Baustoffbereitstellung, Oberflächendesign u. v. m. Dabei spielen auch zukunftsweisendes Produktionsmanagement und Qualitätssicherung durch maschinelles Lernen und KI eine wachsende Rolle.

  • Ausgabe: August
  • Jahr: 2025
  • Autoren: Dr. K. Horn, R. Suchentrunk, O. Schütze
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