Bereits zum 26. Mal fand der Großkongress zu Energiewende und Klimaschutz in Berlin statt. Vom 5. bis zum 7. Mai wurde online diskutiert, vom 25. bis zum 28. Mai kam die laut Veranstaltern größte Energiewende-Community Deutschlands in Berlin zusammen.
Eröffnet wurde der Kongress von Jürgen Pöschk, Geschäftsführer der EUMB Pöschk GmbH & Co. KG. In seiner Eröffnungsrede verdeutlichte er, dass das Programm der Energietage die gesamte aktuelle Bandbreite konzeptioneller, politischer und praxisorientierter Lösungsansätze für die Energiewende in Deutschland reflektiert. Im anschließenden Impuls plädierte Fritz Reusswig, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) e.V., für eine gesellschaftlich breit verankerte und richtungssichere Energie- und Klimapolitik. „Konflikte werden bleiben, aber es kommt auf die Art des Umgangs damit an“, so Reusswig. Gefragt seien Politikerinnen und Politiker in der Energie- und Klimapolitik, die Sachverstand mit emotionalem Engagement kombinieren können.
Energiespeicher – Das Schweizer Taschenmesser für die Energiewende?
Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) widmete sich gemeinsam mit dem Bundesverband Energiespeicher Systeme e. V. (BVES) den neuesten Technologien und Trends im Bereich der Energiespeicherung und den damit verbundenen Marktentwicklungen. Der Schwerpunkt lag auf aktuellen Fördermöglichkeiten der DBU im Themenfeld „Speicher und Netze“ und den vielfältigen Anwendungsszenarien von innovativen Speichertechnologien in Strom, Wärme und Mobilität, um die dezentralen Energielösungen für den Gebäudesektor, Gewerbe, Industrie und die Ladeinfrastruktur voranzutreiben.
Mit dezentralen Speichern wird die volatil produzierte Energie vom Sommer in den Winter verschoben. Die Speicherung erfolgt als Strom, Wärme oder in Form von Molekülen. Ebenso wichtig sind netzdienliche Innovationen, die kurzfristige Verschiebung und die Lastflexibilisierung zur Stabilisierung der Verteilnetze. Mit künstlicher Intelligenz können Energielasten genauer und schneller vorhergesagt und Stromüberschüsse aus erneuerbaren Energien besser genutzt werden. Beispielsweise können Kühlhäuser als Energiespeicher dienen. Susanne König, Kraftblock GmbH, stellte ein Power-to-Heat Speichersystem für die klimaneutrale Prozesswärmebereitstellung vor. Damit sind Kosteneinsparungen von 30 % möglich. Auf die Vorteile von Druckluftspeichern, aber auch die Herausforderungen, ging Thorsten Scheller, Siemens Energy ein. Druckluftspeicher sind im Vergleich zu Pumpspeicherkraftwerken eine wettbewerbsfähige Lösung. Allerdings dauern die Genehmigungen von Netzanbindung und die Lieferzeiten für Transformatoren zu lange. Ferner ist die Vergütung von langen Ausspeicherzeiten derzeit nicht vorgesehen. Dabei müsste es auch für diese Netzdienstleistung Anreize geben.
In der anschließenden Diskussion wurde darauf verwiesen, dass auch dynamische Stromtarife als wirksames Steuersignal dienen können, um Energiespitzen zu verschieben und das Stromnetz zu entlasten. Urban Windelen, Bundesverband Energiespeicher Systeme e.V. (BVES), forderte, die Flexibilisierung unter Zuhilfenahme von Speichern und Elektrifizierung voranzutreiben, um den Industriestandort Deutschland zu sichern.
Serielle Sanierung – neue Lösungen für Einfamilienhäuser
Die serielle Sanierung bietet ein enormes Potenzial für die klimafreundliche Modernisierung von Ein- und Mehrfamilienhäusern und wird deshalb gefördert. Nach einem 3D-Scan der zu sanierenden Immobilie wird optimiert geplant. Das Dach, die Fassaden und die Haustechnik mit Energiemodullösungen werden extern vorgefertigt und die Komponenten dann am Altbau montiert. Idealerweise wird so ein NetZero-Gebäude erhalten, in dem die vorhandene Bausubstanz weiter genutzt wird.
Niedrigere Strompreise: VKU und ZVEI warnen vor Mogelpackung
Mit Fortschreiten der Energie-, Wärme- und Verkehrswende stehen massive Investitionen in den Aus- und Umbau der Netze an. Diese Kosten spiegeln sich in steigenden Netzentgelten wider. Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) unterstützt das im Koalitionsvertrag formulierte Ziel, die Stromkosten um 5ct pro kWh abzusenken. Die geplante Absenkung der Stromsteuer auf das EU-rechtliche Minimum bringt für private und gewerbliche Endverbraucher eine Entlastung von 2 ct pro kWh. Auch mit Zuschüssen bei den Netzentgelten der Verteilnetzbetreiber oder der Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) können industrielle Verbraucher unterschiedlich stark entlastet werden, weshalb VKU und der Verband der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI) eine Aufteilung der Zuschüsse vorschlagen. Zuschüsse zu den netzbezogenen Umlagen würden bei kleineren Letztverbrauchern (Privatkunden und Gewerbe) Entlastungen in bundesweit einheitlicher Höhe bewirken, bei Großverbrauchern aber nur geringe Entlastungen bringen. Der VKU schlägt daher vor, beide Optionen parallel umzusetzen und einen etwaigen Bundeszuschuss etwa hälftig auf die ÜNB-Netzentgelte und die netzbezogenen Umlagen aufzuteilen.
Energie gemeinsam nutzen – Konzepte für Gewerbe und Wohnen
Die Klimaschutzziele im Gebäudebereich werden bisher verfehlt. Im dena-Gebäudereport wird beschrieben, dass im Neubau etwa 80 % der Gebäude mit klimaschonender Wärmeversorgung ausgestattet werden. Trotzdem werden noch etwa 79 % der Gebäude weiterhin mit Öl und Gas beheizt. Marcus Thomas, enercity AG Hannover, und Jonas Pemsel, Institutsteil Angewandte Systemtechnik AST des Fraunhofer -Instituts für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB, stellten eine Energiesystemplanung mit innovativen Lösungen für Energiedienstleister vor. Das enercity-Energiemanagement (eEMS) vernetzt Anlagen wie PV-Dachanlagen, Ladeinfrastruktur, Batterien, Wärme- und Kälteversorgung in einem Quartier mit einer intelligenten Softwareplattform zur Überwachung, Optimierung und Steuerung. Die technologieoffene Konzeption der Assets wurde von Fraunhofer IOSB geplant. In einem Pilotquartier mit Wohnungen, Gewerbe, Einzelhandel, Büros, Kultur und Gastronomie wurde die Nutzbarkeit getestet. Durch intelligente Steuerung von Energie-Quellen und –Senken, intelligentes Lastmanagement und Spitzenlast-Reduzierung wird ein Beitrag zu fortlaufender Integration erneuerbarer Energieträger und zur Dekarbonisierung der Strom-, Kälte- und Wärmeversorgung im Quartier geleistet. Damit ist es möglich, die Energiekosten um etwa 10 % zu senken, wodurch auch die Mieterzufriedenheit steigt.
Pio Alessandro Lombardi, Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF, berichtete über Erkenntnisse aus dem Projekt FlexBIT, um von der Net-Zero Energy Factory zur Industrial Energy Community zu kommen. Net-Zero Energy Factories sind die Basis für nachhaltige Produktion, bei der erneuerbare Energiequellen zur Stromproduktion durch Kooperationen mehrerer Partner eine Rolle spielen. Die Verbindung von Flexibilität, Digitalisierung, Digital Trust und lokalem Sharing sind ein zukunftsfähiges Modell, wofür aber regulatorische Klarheit notwendig ist.
Die Energietage haben sich zur Leitveranstaltung von Energiewende und Klimaschutz entwickelt. Es wurden Forschungsergebnisse, praxisorientierte Lösungsansätze und Förderprogramme vorgestellt. In Diskussionen wurde mehrfach hervorgehoben, dass für die Umsetzung der Klimaziele und die Erhaltung des Produktions- und Innovationsstandorts Deutschland sowie die Wettbewerbsfähigkeit verlässliche politische Rahmenbedingungen notwendig sind. Außerdem mahnte Jürgen Pöschk, der Hauptveranstalter der Energietage: „Wir müssen stärker auf Wirtschaftlichkeit und Sozialverträglichkeit fokussieren“, um die Konsensfähigkeit der Energiewende zu sichern und die bürgerliche Mitte stärker in die Diskussion einzubinden.