Die Nutzung der Geothermie ist eine Möglichkeit zur Dekarbonisierung der Wärmeerzeugung. Deshalb steigt das Interesse für Geothermie vonseiten der Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit stetig. So ist auch der politische Rückenwind für die Geothermie derzeit so stark wie selten zuvor, wie auch der Geothermiekongress in Potsdam im Oktober zeigte.
Karin Thelen, Bundesverband Geothermie e. V., betonte, dass „mit dem Geothermiebeschleunigungsgesetz (GeoWG) sich die Bundesregierung klar zur Erdwärme als Schlüsseltechnologie der Wärmewende bekennt. Im Gesetzentwurf ist etwa das überragende öffentliche Interesse für die Errichtung und den Betrieb geothermischer Anlagen festgeschrieben. Dieser Rechtsbegriff verleiht Geothermieprojekten bei der Schutzgüterabwägung zusätzliches Gewicht und erhöht die Planungssicherheit für Projektentwickler.“
Kommunale Wärmeplanung und Akzeptanz
Cornelia Steiner, Bundesanstalt für Geologie, Geophysik, Klimatologie und Meteorologie Österreich, stellte einen interaktiven Geothermie-Atlas für Wien vor. Dieser Atlas zeigt mögliche Einschränkungen und Potenziale für die Nutzung von Grundwasserwärme und Erdwärmesonden in Wien. Für Erdwärmesonden-Anlagen ist zusätzlich eine individuelle Potenzialabschätzung möglich. Basierend auf der gewählten Lage und Tiefe der Sonden sowie den Betriebsstunden erfolgt eine Abschätzung der verfügbaren Leistung und Energiemenge.
In Bayern können oberflächennahe geothermische Systeme nahezu flächendeckend eingesetzt werden, wie Kai Zosseder, Technische Universität München, hervorhob. Insbesondere bei Erdwärmekollektoren bestehen kaum Ausschlussflächen. Erdwärmesonden zeigen jedoch ein niedrigeres Gesamtpotenzial, das im Wesentlichen durch die in Bayern geltenden Bohrtiefenbegrenzungen beschränkt ist. Grundwasserwärmepumpen sind auf Räume begrenzt, bei denen ein oberflächennaher Grundwasserleiter vorhanden ist, und zeigen ein signifikantes, aber geringeres Potenzial.
Für die Umsetzung eines Geothermieprojekts müssen nicht nur die geologischen, sondern auch die soziologischen Voraussetzungen gegeben sein. Hierzu wird die gesellschaftliche Akzeptanz vor Ort durch eine Interviewstudie abgefragt, um die Perspektiven, Bedenken und Bedürfnisse der verschiedenen Akteure der Gemeinde zu erfassen. Robin Renoth, University of Applied Sciences Neu-Ulm, leitete daraus Handlungsempfehlungen ab, um Gemeinden beim Einsatz von Geothermie in der Kommunalen Wärmeplanung und der damit verbundenen gesellschaftlichen Akzeptanz zu unterstützen.
Cornelia Wolf und Daniel Bendahan Bitton, Universität Leipzig, untersuchten den öffentlichen Diskurs über oberflächennahe und tiefe Geothermie der vergangenen zehn Jahre (2014-2024) in regionalen und überregionalen öffentlich-rechtlichen und privaten Medien in Deutschland. Die Ergebnisse ermöglichen es, Missverständnisse in der Medienberichterstattung und besonders polarisierende Aspekte in der Diskussion über die Geothermie zu identifizieren. Daraus können Informationsbedarf und Akzeptanzfaktoren abgeleitet werden, die in der Wissenschaftskommunikation zukünftig angesprochen werden sollten.
Geologische Machbarkeit und Betriebsplanung
Carlos Andres Rivera Villarreyes, DHI WASY GmbH, stellte das Geothermie-Informationssystem (GeotIS) für die Abschätzung des Geothermiepotenzials in Deutschland vor. GeotIS besteht aus Informationen zur Nutzung von Geothermie, einer E-Learning-Plattform und einer Kartenanwendung zur Erkundung der geothermischen Untergrundbedingungen vor Ort. GeotIS basiert auf Daten von mehr als 30.000 Bohrungen, insbesondere Erdöl- und Erdgas-Bohrungen, aber auch Geothermiebohrungen und anderen. Vor Kurzem wurde GeotIS mit einem Ampelkarten-System erweitert, um das Potenzial der oberflächennahen Geothermie aufzuzeigen.
Niklas Kracht, Institut für Solarenergieforschung Hameln, berichtete über einen nachhaltigeren Betrieb einer Erdwärmesonden-Anlage. Bei der Nutzung von Erdwärmesonden ist zu beachten, dass die aus dem umgebenden Erdreich nachströmende Wärme die Entzugsenergie der Erdwärmesonden in der Regel nicht ausgleicht. Somit ist der Untergrund häufig nicht als Energiequelle im eigentlichen Sinne zu betrachten, sondern vielmehr als Energiespeicher. Da Wärmepumpen besonders bei einem niedrigen Temperaturhub (Differenz zwischen Heizungsvorlauf- und Quellentemperatur) effizient sind, ist die Temperatur der Erdwärmesonden eine wichtige Größe. Die thermische Regeneration des Untergrunds mittels Solarthermie, Abwärme und Gebäudekühlung muss unbedingt berücksichtigt werden.
Erfolgsbeispiele
Ab 2025 sollen die ersten Wärmelieferungen durch die Nutzung hydrothermaler Geothermie in Aarhus, Dänemark, beginnen und die CO2-Emissionen um jährlich 165.000 Tonnen reduzieren. Die Übertragung der Ergebnisse wird für Projekte in Deutschland genutzt, um ähnliche Erfolge in der nachhaltigen Wärmeversorgung zu erzielen und die städtische Klimabilanz zu verbessern, wie Alexander Richter, Innargi A/S, Dänemark, berichtete.
Seit Frühjahr 2020 beschäftigt sich der Münchner Flugzeugturbinenhersteller MTU Aero Engines AG mit den Möglichkeiten zur Nutzung der Tiefengeothermie als künftige Wärmequelle für die aktuell mit Gas betriebene Wärmeversorgung des Werks im Münchner Norden. Florian Garsche, Fraunhofer IEG, sprach über die Bauarbeiten für das Wärmeverteilzentrum, das ab Mitte 2025 in Betrieb gehen soll.
Calcit-Ausfällungen (Scaling) führen in geothermischen Anlagen zu einer erheblichen Verminderung der Effizienz der Anlagen. Der Einsatz eines biologisch abbaubaren Scaling-Inhibitors hat sich als wirksame Lösung bewährt, berichtete Hilke Würdemann, Hochschule Merseburg.
Großwärmepumpen
Felix Loistl, Stadtwerke München, betonte, dass neben der Tiefengeothermie Großwärmepumpen einen maßgeblichen Anteil an der Wärmeerzeugung haben werden. Diese werden im Zusammenspiel mit Geothermie-Anlagen betrieben, wobei Thermalwasser als hochwertige Wärmequelle dient und Wärmeenergie effizient für verschiedene Anwendungen bereitgestellt werden kann.
In einer Studie wurde das Potenzial zur Steigerung der thermischen Leistungsabgabe bestehender geothermischer Heizwerke durch die Integration von Großwärmepumpen untersucht. Florian Heberle, Universität Bayreuth, berechnete für das Basisszenario Wärmegestehungskosten im Wert von 68 Euro je MWh.
Sven Klute, Fraunhofer Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik, sprach über die industrielle Prozessdampferzeugung aus Tiefengeothermie mit thermisch angetriebenen Wärmepumpen. An vielen Industriestandorten fallen produktionsbedingte Reststoffe und Biomasse an, die ungenutzt bleiben oder entsorgt werden müssen. Thermisch angetriebene Wärmepumpen stellen – insbesondere in solchen Anwendungsfällen – eine vielversprechende Alternative zu den elektrisch angetriebenen Wärmepumpen dar.
Auf dem Geothermiekongress wurden vielversprechende Ergebnisse aus Forschung und Praxis vorgestellt, wie die Geothermie im Rahmen der Wärmewende einen wichtigen Beitrag zur Energieunabhängigkeit leisten kann. Nun müssen die Weichen gestellt werden, um das erhebliche Potenzial der Geothermie für eine klimaneutrale Zukunft Deutschlands zu nutzen.