Das neue Energieeffizienzgesetz stellt die deutsche Wirtschaft vor neue Herausforderungen. Die Elektronikindustrie und vor allem Rechenzentren rechnen mit neuen Kostenblöcken.
Mit dem ‚Gesetz zur Steigerung der Energieeffizienz in Deutschland' (EnEfG) will der Bund Behörden und Unternehmen animieren, den Energieverbrauch deutlich zu senken, die Umwelt zu schonen und die deutsche Abhängigkeit von Energie-Importen zu verringern. Die neuen Vorgaben erfordern allerdings oft Investitionen in neue Technologien und Anlagen – mit entsprechenden Kosten. Ifo-Chef Prof. Clemens Fuest warnte im Vorfeld gar vor einem ‚Wachstumskiller' für Deutschland.
Betreiber und Zulieferer von Rechenzentren unter Druck
Das EnEfG fordert beispielsweise – und dieser Punkt war im Vorfeld besonders umstritten gewesen – klimaneutrale Rechenzentren. Bestandseinrichtungen müssen demnach ab 2027 bis 2030 schrittweise auf eine sogenannte ‚Energieverbrauchseffektivität' von maximal 1,3 kommen. Neue Rechenzentren, die ab Mitte 2026 in Betrieb gehen, müssen sogar auf einen Wert von 1,2 kommen. Und ab Mitte 2028 gilt die Vorgabe, dass mindestens 20 % der eingespeisten Energie aus erneuerbaren Quellen stammen müssen.
Mit ‚Energieverbrauchseffektivität' (englisch: ‚Power Usage Effectiveness', kurz: PUE) gemeint ist dabei das Verhältnis zwischen der gesamten in ein Rechenzentrum eingespeisten Energie zum Energieverbrauch der Computer selbst. Anders ausgedrückt: Diese Zahl zeigt an, wie viel die Infrastruktur eines Datenzentrums verbraucht. Dabei gilt: Je mehr sich die Vorgabe der 1,0 annähert, umso weniger Strom und thermische Energie dürfen Kühlanlagen, Energieverteiler, Brandmelder, Zutrittskontrolle und andere für den Betrieb nötige Umfeldtechnik verwenden. Der deutsche Digitalverband ‚Bitkom' aus Berlin hatte bereits im Vorfeld des Gesetzes vor überzogenen Forderungen an die deutschen Rechenzentren gewarnt – die angesichts hoher deutscher Energiepreise und mit Blick auf den Vorsprung der Rechenzentren von internationalen Hyperscalers darum zu kämpfen haben, ihre Marktposition zu halten. „Alle Rechenzentren, sowohl Dienstleistungs- als auch Produktionsrechenzentren der Industrie, werden die Vorgabe in der Regel nicht erfüllen können“, warnte der Verband beizeiten in einer Stellungnahme. Damit werde der Standort auch außerhalb der Digitalwirtschaft gefährdet. Besondere Kritik ernteten die Ampel-Pläne, dass die Rechenzentren ihre Abwärme generell wiederverwerten sollen und sie beispielsweise in Zentralwärmenetze einspeisen müssen. Dies zu erfüllen, wäre für viele Rechenzentren-Standorte wegen der lokalen Gegebenheiten schwierig gewesen. Daher entschärfte der Gesetzgeber letztlich diese Vorgabe leicht durch ein paar Ausnahmeregeln.
Der Bitkom hat inzwischen einen Leitfaden herausgegeben, der Betreibern helfen soll, ihre Rechenzentren regelkonform zu planen und zu betreiben. Der Verband hat das Dokument zum kostenfreien Download ins Internet gestellt[*]. Darin empfiehlt er unter anderem Modernisierungen bei Stromausfallgeräten (USV) und Kühlsystemen, durchgängige LED-Beleuchtung, notfalls aber auch die Kündigung von Kunden mit zu geringer Auslastung.
Elektronikbranche besonders im Fokus
Auch abgesehen von den Rechenzentren ist die Elektronikbranche generell besonders von den neuen Vorschriften betroffen. Denn elektronische Geräte sind nicht nur Energieverbraucher, sondern auch Energieproduzenten. Smartphones, Computer, Fernseher und viele andere Geräte sind allgegenwärtig und verbrauchen im Standby-Betrieb oft noch erhebliche Mengen an Energie. Das Energieeffizienzgesetz schreibt für viele elektronische Geräte strengere Anforderungen an die Energieeffizienz vor. Hersteller müssen ihre Produkte so gestalten, dass sie weniger Strom verbrauchen und eine längere Lebensdauer haben. Dies führt zu einer verstärkten Entwicklung energieeffizienter Technologien und Materialien. Eine Reihe von Pflichten verankert das Gesetz insbesondere für Großverbraucher, konkret für Unternehmen mit einem jährlichen durchschnittlichen Gesamtendenergieverbrauch von über 7,5 GWh (Gigawattstunden). Sie müssen spezielle Energie- oder Umweltmanagementsysteme einrichten und nachweisen. Verbunden ist das mit Energieaudits sowie zahlreichen Erfassungs- und Berichtspflichten – zum Beispiel über Energie-Zufuhr und -Abgabe, Prozesstemperaturen und dergleichen mehr. Die genauen Vorgaben sind im Gesetzestext im Internet zu finden[**].
Reaktionen der Unternehmen
Die Reaktionen aus der Wirtschaft sind durchwachsen: Laut einer Umfrage der Uni Stuttgart rechnen drei Viertel der Unternehmen mit hohen Umsetzungskosten. Andererseits rechnen aber auch knapp 70 % der Unternehmen mit kürzeren Amortisationszeiten für Energieeffizienzmaßnahmen. Vor allem die hohen Energiekosten in Deutschland beeinflussen diese Einschätzung – und auch zahlreiche Investitionsentscheidungen. Dies zeigt sich beispielsweise auch in der sächsischen Halbleiterindustrie, die klassischerweise immer besonders viel Strom und Erdgas verbraucht hat, aber bereits vor dem EnEfG gegengesteuert hat: So will Globalfoundries seine Kraftwerke neben der Dresdner Chipfabrik wasserstofffähig machen, installiert zudem eine neue Solaranlage, um den eigenen Stromverbrauch teilsweise aus eigenen Quellen zu decken. Infineon will in seiner gerade entstehenden Dresdner Fab 4 erstmals ganz auf den Einsatz von Erdgas verzichten, eicht zudem den ganzen Komplex auf Energieeffizienz. Und manche Unternehmen aus der E-Branche hoffen andererseits auch auf neue Absatzchancen durch das EnEfG – Siemens beispielsweise preist derzeit verstärkt seine Energie-Monitoringsysteme für Rechenzentren und andere Unternehmen an, die unter die Berichtspflichten des neuen Gesetzes fallen.
Quellen
Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI), Bitkom, Bundesamt für Justiz (gesetze-im-internet.de), Uni Stuttgart, If, Siemens
Referenzen
[*] Bitkom-Leitfaden:www.bitkom.org/sites/main/files/2024-01/bitkom-leitfaden-energieeffizienzgesetz-fuer-rechenzentren.pdf (Abruf: 29.7.2024).
[**] Gesetzestext im Netz: www.gesetze-im-internet.de/enefg/BJNR1350B0023.html (Abruf: 29.7.2024).