Kolumne: Anders gesehen – Donner und Doria

Bronzestatue ‚Christ or Thor‘ aus dem isländischen Nationalmuseum

Natur ist verschwenderisch, doch langsam dämmert es der Menschheit, dass die Ressourcen der Erde beschränkt sind. Leider kann man Politikern kein großes Vertrauen entgegenbringen, wenn sie Maßnahmen ergreifen, um die Welt und deren Völker zu retten. Enorme Waffenproduktionen und Armeen, die bereitgestellt oder eingesetzt werden, sind Beweis genug, dass es nicht ernst gemeint ist, wenn Solarpaneele gefordert werden.

Während im germanischen Europa Thor – auch unter dem Pseudonym 'Donar’ bekannt – verschwenderisch verschwenderisch seinen Hammer Mjölnir (altnordisch: Mjǫllnir) in der Gegend herrumschleudert und dekorative Blitze durch die dunklen Wolken zeichnet, ist es in Nordamerika wohl der Donnervogel (Thunderbird - 'Animkiig’ auf Ojibwe), der das Gewitter mit seinem Flügelschlag hervorruft. In China ist es eher der Drachen, der zwar keine Jungfrauen entführt, aber Regen bringt. In der elektronischen Industrie sind es wohl zwei Aspekte, die bezüglich der Verschwendung von Ressourcen und Energie betrachtet werden müssen. Da ist einerseits die Produktion und andererseits die Nutzung. Beide haben Vor- wie auch Nachteile, was die Menschheit und deren natürliche oder auch künstliche Reichtümer betrifft. Welcher Backfisch würde, statt die Schule zu schwänzen, denn schon ohne Mobiltelephon zu den Protestmärschen antreten? Wie wenig durchdacht auch bei ihnen diese Einstellung ist, erkennt man vielleicht, wenn man nachschlägt, wie viel Umweltauswirkungen alleine schon der darin behauste Mikrochip erfordert. Lässt man die seltenen Mineralien und Metalle sowie die anderen Bauteile, die Leiterplatte und das Gehäuse beiseite und konzentriert man sich auf das Herz des Geräts, dann wird schnell klar, wie aufwendig dessen Herstellung ist, und es kann einen nur wundern, wie die Länder solche Firmen hofieren. Allein die Gewinnung von Siliciumwafern aus Quarz verbraucht das 160-fache der Energie, die für typisches Silicium erforderlich ist. Die Reinigung der Materialien bis zur Halbleiterqualität ist zudem ausnehmend energieintensiv. Als Beispiel schauen wir auf eine der eher effizienteren Hersteller: Intels 700 ha großer Campus in Ocotillo, Arizona. Dort verbrauchte man in den ersten drei Monaten des Jahres (2021) 927 Mio. Gallonen Frischwasser (ca. 3.510.000.000 l) sowie 561 Mio. kWh Energie, um Chips zu produzieren. Und der Standort wird erweitert: Wenn die neuen Fabriken im Jahr 2024 vollständig in Betrieb gehen, werden sie die fortschrittlichsten Prozesstechnologien von Intel herstellen und noch mehr Energie und Wasser benötigen. Damit nicht genug, denn Ende 2021 war Ocotillo nicht die einzige Produktionsstätte. Weltweit stellten 153 Halbleiterfabriken die 300-mm-Wafer für ICs her. Davon befanden sich 42 in Taiwan, 33 in China, 19 in den USA und zwölf in Europa und im Nahen Osten. Auch Korea spielt eine bedeutende Rolle, denn dessen Anteil bei Halbleitern liegt bei über 18 % und bei Speichermedien sogar noch höher: beinahe 60 % weltweit. Dass sich damit offenbar Geld und Einfluss erzielen lassen, erkennt man daran, dass letztes Jahr mit dem Bau von 23 neuen Fabriken begonnen wurde. Dem folgen weitere 33 und dann haben im Folgejahr 28 ihren Baubeginn. Geld, Strom und Wasser sowie Arbeitskräfte scheinen keine Rolle zu spielen, wenn man erkennt, dass zwischen 2021 und 2023 mehr als 500 Mrd. $ für 84 solcher neuen Volumenfabriken ausgegeben werden. Wo das Wasser und der Strom dann herkommen sollen? Vielleicht wenn wir, wie von führenden Politikern vorgeschlagen wurde, kalt duschen? Das ist ganz logisch, wenn man das dem Wasserverbrauch pro Kopf und Tag in Deutschland, der bei ca. 127 l liegt, jenem der Fab-Fabriken gegenüberstellt. Selbst eine Stadt mit 120.000 Einwohnern, die täglich 15.250 m³ (15.250.000 l) Wasser benötigt, verblasst gegenüber den IC-Manufakturen. Wendet man sich von der Herstellung dem Gebrauch zu, dann fallen einem wieder die Telefone am Ohr der Mitmenschen auf. Eines verbraucht recht wenig Strom. Beim Laden benötigt es etwa 2-6 W. Ist ein Ladegerät ohne Telefon angeschlossen, sind es nur noch 0,1-0,5 W. Also kein Umweltdebakel, außer man überlegt sich, dass gleichzeitig einige Hundert Millionen Geräte genutzt werden. Doch Greta und ihre Mitstreiterinnen brauchen sich nicht nur ihrer Mobiltelefone wegen Sorgen zu machen, denn ICs und Elektronik sind weit verbreitet und da wäre Kritik wohl auch gerechtfertigt. Neben Satellitentechnik und immer mehr Verwendung in der Industrie für Automatisierung und sogenannter Künstlicher Intelligenz finden sie Anwendungen in Waffensystemen, mit denen man den lieben Nachbarn ermordet oder verkrüppelt. Ins Rampenlicht kommt jetzt das Bitcoin-Mining[2], mit dem die Leute reich werden wollen – oder aber viel Geld verlieren. Bitcoin verbraucht schätzungsweise 127 TWh pro Jahr. Das lässt sich sehen, denn selbst das kühle Norwegen als Land verbraucht weniger. Für die Umweltler sei angefügt, dass auch CO2 erzeugt wird, und das nicht wenig: Allein die Kryptowährungsaktivitäten in den Vereinigten Staaten stoßen jedes Jahr 25-50 Mio. t des Gases aus. Dazu kommen dann Rechenzentren und Netzwerke, die für andere Zwecke genutzt werden. Man schätzt deren weltweiten Stromverbrauch für das Jahr 2022 auf etwa 240–340 TWh. Bereits im Jahr 2012 errechneten Analysten der New York Times, dass Cloud-Computing[3] 30 Mrd. W Strom pro Jahr verbraucht. Immer mehr Industrien wechseln von eigenen Zentren zu diesen 'Clouds’ und so wird man weitere Atomkraftwerke bauen müssen, denn die 30 Mrd. Watt saugen die gesamte Leistung von 30 Kernkraftwerken auf.

Siliziumwafer für die Herstellung von Halbleitern für integrierte Schaltkreise

ASIC-Miner in einer Bitcoin-Mining-FarmASIC-Miner in einer Bitcoin-Mining-Farm

WasseraufbereitungsanlageWasseraufbereitungsanlage

In Abhängigkeit von dem benutzten System benötigen einige mehr Strom als andere. Die meiste Energie nutzt solch ein Zentrum aber für seine Server und Kühlsysteme, denn die ICs sind sehr empfindlich gegen Überhitzung, und je feiner die Strukturen, desto kritischer eben auch die Temperatur, bei der sie effizient laufen. Vielleicht ist das einer der Gründe, warum die Forscher jetzt zumindest für diese Zentren, wenn auch nicht derzeit für den Laptop oder das 'Handy’, die Entwicklung und Verwendung von optischen ICs[4] vorantreiben, da die weit weniger Hitze erzeugen und deswegen niedrigere Anforderungen für Kühlsysteme und somit Energie stellen.

Elemente des Cloud-ComputingElemente des Cloud-Computing

Referenzen

[1] Wahrscheinlich zuerst in Schillers Drama: ‚Die Verschwörung des Fiesco zu Genua' (1783).
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Bitcoin (Abruf: 17.7.2024).
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Cloud_Computing (Abruf: 17.7.2024).
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Integrierte_Optik (Abruf: 17.7.2024).

Literatur

https://de.wikipedia.org/wiki/Thor (Abruf: 18.7.2024).
Eric D. Williams et al.; The 1.7 Kilogram Microchip: Energy and Material Use in the Production of Semiconductor Devices.
August Rick et al.; Invisible Emissions - A forecast of tech supply chain emissions and electricity consumption by 2030; Greenpeace East Asia.
Pádraig Belton; The computer chip industry has a dirty climate secret; The Guardian; Sep 2021.
Linda Qian; Intel breaks ground on two new semiconductor factories; CHANDLER, AZ; Sept. 24, 2021.
Stephen Rothrock und Jean-Christophe Eloy; The 2023 global fab landscape: opportunities and obstacles; Yole Group; November 10, 2022.
https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_semiconductor_fabrication_plants (Abruf: 18.7.2024).
https://www.investkorea.org/ik-en/cntnts/i-312/web.do (Abruf: 17.7.2024).
Andrew W. Poon et al.; Integrated Photonics Research in China; Optic & Photonics News; September 2011.

  • Titelbild: Bronzestatue ‚Christ or Thor‘ aus dem isländischen Nationalmuseum
  • Ausgabe: August
  • Jahr: 2024
  • Autoren: Prof. Armin Rahn
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