Das auf medizin- und gesundheitstechnische Anwendungen von Wearables spezialisierte finnische Forschungsinstitut ‚VTT Technical Research Centre of Finland' hat eine Pilotfabrik für den Roll-to-roll-Fertigungsprozess von Smart Wearable Patches (SWP) aufgebaut. Dabei geht es um am Körper zu tragende Sensorpflaster der sogenannten nächsten Generation.
Diese SWP sind einerseits sehr leistungsfähig und andererseits günstig zu produzieren. So können sie als Monitoring- und Mess-Tools in typischen Krankenhausanwendungen so ähnlich einfach wie beispielsweise Venenzugänge appliziert, kurzzeitig genutzt und dann entsorgt werden. Darüber hinaus bietet diese Technologie neuartige Möglichkeiten für viele weitere Gesundheits- und Wellness-Anwendungen. Um optimalen Komfort und Zuverlässigkeit zu gewährleisten, müssen solche Wearables flexibel, weich, anpassungsfähig oder dehnbar sein. Das VTT hat bereits 2001 mit der Forschung auf diesem Gebiet begonnen und entsprechende Träger-Materialien entwickelt. Durch ihren Einsatz in Verbindung mit gedruckter und hybrider Elektronik ist die Verwendung nahezu beliebiger Substrate und Verpackungsmaterialien möglich. So entstand eine perfekt geeignete Technologie für die nächste Generation von Wearables. Die Produktion solcher gedruckter und hybrider Elektronik erfordert verschiedene Herstellungsverfahren und Werkzeuge, die von kommerziellen Fertigungspartnern teilweise noch gar nicht zur Verfügung gestellt werden. Mit seiner neuen Printocent-Pilotfabrik überbrückt das Forschungsinstitut diese Lücke mit einer extrem vielseitigen Infrastruktur.
Sie umfasst unter anderem folgende Optionen:
- Roll-to-roll-Linien für gedruckte Elektronik mit:
- austauschbaren Druckverfahren, hoher Aushärtungskapazität und automatisierter Schicht-zu-Schicht-Registrierung
- Druck- und Beschichtungsprozessen, für dünne Schichten verfügbaren Druck- und Beschichtungsprozessen (in Verbindung mit einem äußerst erfahrenen Team und den notwendigen Einrichtungen für die Anpassung von Druckfarben sowie für weitere Prozessentwicklung und Qualitätskontrolle)
- In Roll-to-roll integrierte Bauteilbestückung mit:
- Bestückungslinie mit hohem Durchsatz für das Löten bei niedrigen Temperaturen oder Klebeverbindungen
- hochpräziser Flip-Chip- und Bare-Die-Montagelinie
- Umfassende Konvertierungs- und Nachbearbeitungsmöglichkeiten samt:
- vielseitiger Laminier- und Schneidelinie, die mit einem Schneidlaser, Roboterarmen, Löt- und Ultraschallschweißmöglichkeiten ausgestattet ist
- Spritzgießmaschine mit Rollenzuführung für umspritzte Elektronik
- Eine Roll-to-roll-Testlinie für automatisierte Funktionstests und Programmierung:
- Eine dedizierte Pilotlinie für die Verarbeitung von Silikonmaterial bei reduziertem Druck
Über die hier skizzierte Pilotanlage hinaus stehen für frühzeitige Screenings und Tests Laborkapazitäten für alle verwendeten Schlüsselprozesse zur Verfügung. Für die Verifizierung stehen zahlreiche Möglichkeiten von der Materialprüfung über die Profilometrie bis hin zur 3D-Röntgenbildgebung zur Verfügung.
Proof of Concept und Proof of Manufacturing mit EKG-Pflaster
Antti Kemppainen„Bei VTT haben wir einen Proof of Concept für ein kabelloses Einleitungs-EKG (Elektrokardiogramm)-Patch entwickelt“, so der VTT-Forscher Antti Kemppainen [*]. Das Pflaster wird auf ein Thermoplastisches Polyurethan (TPU)-Substrat gedruckt und montiert. Die notwendigen Herstellungsverfahren wurden in der vielseitig nutzbaren Forschungsumgebung mit Blick auf hochgradig skalierbare Technologien entwickelt und erprobt. Mit unten stehendem Link [**] kann ein Teil der Verarbeitung und Nachbearbeitung des EKG-Pflasters in der Pilotfabrik von VTT Printocent im Video betrachtet werden. Die demonstrierte Technologie bietet eine vielseitige Produktionsplattform für die Entwicklung von elastischen, tragbaren Hautkontaktpflastern.
Nachhaltigere Zukunft
Gedruckte Elektronik ermöglicht eine unbegrenzte Auswahl an Materialien. Für intelligente Einwegpflaster können wiederverwendete, recycelte, biobasierte oder sogar biologisch abbaubare Materialien verwendet werden. So ist das oben bereits erwähnte, neu entwickelte Elektrokardiogramm-Pflaster sehr nachhaltig, da es vollständig recycelbar ist und aus Biomaterialien besteht. Zudem können die elektronischen Komponenten leicht aus dem Einwegpflaster entfernt und wiederverwendet werden. Das Pflaster selbst besteht aus Nanocellulose und ist mit Kohlenstoffleitern und Sensorelektroden bedruckt. Das biologisch abbaubare Pflaster besteht aus dem neuen VTT-Material Cellulose e-skin, das bei tragbaren Hautanwendungen herkömmliches Plastik ersetzt. Auch für weitere Entwicklungen dieser Art bieten die Printocent-Pilotfabrik und das erfahrene Team von VTT einen schnellen Weg vom Nachweis der Machbarkeit eines Produktkonzepts bis hin zur skalierbaren kontinuierlichen Bahnproduktion. „Alternativ können wir spezifische technische Herausforderungen oder Prozessengpässe angehen, indem wir die vorhandenen Kompetenzen und Fähigkeiten unserer Kunden ergänzen“, so Kemppainen. Dies ermögliche einen schnelleren Markteintritt und erhöhe die Präzision der Produktionsinvestitionen für die Zukunft. Die aus den Pilotentwicklungen gewonnenen Erkenntnisse können mit Unterstützung der Experten effektiv für den Technologietransfer an Dritte oder für den Aufbau einer eigenen Produktion genutzt werden.
Referenzen
[*] Bei Nachfragen
[**] www.youtube.com/watch?v=z96NH3xBoGw (Abruf: 1.07. 2024).