Nachgefragt bei… Prof. Dr. Andreas Groß

Prof. Andreas Groß leitet am Fraunhofer ­IFAM die Ab­teilung Weiterbildung und Techno­logietransfer. Die von ihm kommentierte CSS ist wichtiger Bestandteil des EU Green Deals (Foto: Fraunhofer IFAM)
  • Titelbild: Prof. Andreas Groß leitet am Fraunhofer ­IFAM die Ab­teilung Weiterbildung und Techno­logietransfer. Die von ihm kommentierte CSS ist wichtiger Bestandteil des EU Green Deals (Foto: Fraunhofer IFAM)

Dr. Andreas Groß, Leiter der Abteilung Weiterbildung und Technologietransfer am Fraunhofer IFAM, Interview: Fraunhofer IFAM.

Welche Änderungen im Chemikalienrecht folgen aus der EU-Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit (CSS)?

Im Rahmen dieser Chemikalienstrategie würde sich der mögliche Paradigmenwechsel, d. h. der Wechsel von einer bisher risikobasierten Bewer­­­­tung von Chemikalien und Gefahrstoffen zu einem zukünftig gefahrenbasierten Ansatz vollziehen.

Dieser Paradigmenwechsel erscheint doch auf den ersten Blick erst mal nicht verkehrt. Worin besteht das Problem?

Auf den „ersten Blick“ gebe ich Ihnen recht. Der genauere Blick offenbart das Problem. Ich befürchte, dass der Öffentlichkeit – und damit auch der politischen Entscheiderebene – die sich daraus ergebenden Konsequenzen eines derartigen Paradigmenwechsels nicht wirklich klar sind.

Der auf Gefahrenbetrachtung beruhende Regulierungsansatz ist zugegebenermaßen publikumswirksam, um nicht zu sagen populistisch: Er folgt der in der Öffentlichkeit vorherrschenden skeptischen Betrachtung bzw. dem Vorurteil, dass „Chemie“ grundsätzlich gefährlich ist. Das führt zu der verbreiteten Einschätzung, dass – vereinfacht gesagt - „Chemikalien“ grundsätzlich „Gefahrstoffe“ sind.

„Alle Ding' sind Gift und kein Ding ist ohn' Gift“ (Paracelsus).

Was passiert bei einer gefahrenbasierten Betrachtung?

Ganz einfach! Nemen wir ein Beispiel: Der Tiger im Zoo, d. h. das „Gift“ bzw. der „Gefahrstoff“, wird bei einer gefahrenbasierten Betrachtung einfach verboten. Und das trotz dort nachweislich wirksamen, risikominimierenden Schutzmaßnahmen, vorhersehbaren Zu- und Umständen und vorschriftsgemäßem Verhalten. Wir können weiterhin in den Zoo zu gehen, dort aber keinen Tiger mehr anschauen – weil der als „Gefahrstoff“ dort verboten ist und einfach durch ein „Nicht-Gift“ bzw. einen „Nicht-Gefahrstoff“, z. B. ein Meerschweinchen, ersetzt wird. Durch den Paradigmenwechsel wird der „Gefahrstoff“ dann verboten – ohne Abschätzung der Folgen unter anderen Gesichtspunkten.

Sollten wir beim risikobasierten Ansatz bleiben?

Ich halte dies für zwingend erforderlich. Die Politik hat so die Chance, Rahmenbedingungen zu schaffen, die auf dieser Basis die Nutzung des international technisch Möglichen und Erforderlichen wieder in den Fokus stellen. „Alle Ding' sind Gift und kein Ding ist ohn' Gift“ (Paracelsus). Restrisiken ausschließen ist folglich unmöglich.

  • Ausgabe: Juli
  • Jahr: 2025
  • Autoren: Redaktion
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