Mit Prognosen ist es so eine Sache: Erweisen sie sich später als verfehlt, kann der Überbringer mit Schelte und schlechtem Leumund rechnen. Waren sie zu positiv, wird der Kurier als Schönzeichner gescholten; waren sie zu negativ, werden ihm Pessimismus und Mutlosigkeit unterstellt. Dennoch ist es gute Tradition, rund um den Jahreswechsel in die Prognosen der Experten zu schauen.
Was die Elektronikbranche betrifft, war die ‚electronica' (Messe München) im November 2024 gewissermaßen ein Lackmustest. Die wirtschaftlichen Rahmendaten sind bescheiden, aber nicht alle Aussteller wollten in das Klagelied einstimmen – die Stimmung war besser als erwartet [2]. Der Verband der Elektro- und Digitalindustrie ZVEI vermeldete im Dezember 2024 einen leichten Anstieg der Auftragseingänge – auch wenn eine Trendwende bislang „nicht in Sicht“ sei [3]. Auch bei den allgemeinen Geschäftserwartungen verzeichnete der ZVEI eine leichte Verbesserung.
Ende 2024 prognostizierte das amerikanische Marktforschungsunternehmen Gartner für 2025 ein Wachstum der IT-Ausgaben um 8,7 % gegenüber 2024 – sie würden voraussichtlich insgesamt 1,28 Bio. $ betragen [4]. Laut einer Gartner-Umfrage unter CIOs und Technologieführungskräften wollen Unternehmen im kommenden Jahr die digitale Transformation weiter vorantreiben. Raf Gelders, VP of Research bei Gartner, sieht eine „digitale Avantgarde“ unter CIOs (Chief Information Officers) und CxOs (Chief Customer Experience Officers) am Zuge, die sich verstärkt für digitale Lösungen einsetzen. Gelders prognostiziert eine „radikale Abkehr vom traditionellen Paradigma der IT-Bereitstellung und der geschäftlichen Projektförderung“. Ziel sei es, aus digitalen Investitionen bessere Renditen zu erwirtschaften [5]. Gartner erkennt weiterhin zehn Technologietrends für 2025 [6]:
- Der verstärkte Einsatz agentenbasierter K.I.-Systeme, die als ‚virtuelle Belegschaft’ Planungen erstellen und Maßnahmen ergreifen können, um Menschen in ihrer Arbeit zu unterstützen.
- K.I.-Governance-Plattformen, durch die Unternehmen die rechtliche, ethische und betriebliche Leistung ihrer KI-Systeme verwalten können.
- Desinformationssicherheit als Kategorie neuer Technologien, die Betrug durch verstärkte Kontrollen zur Identitätsüberprüfung verhindern und den Ruf einer Marke durch die Identifizierung schädlicher Narrative schützen sollen.
- PQC (Post-Quantum Cryptography), um Entschlüsselungsrisiken durch Quantum Computing zu widerstehen.
- Unsichtbare Umgebungsintelligenz, die unauffällig in die betriebliche Umgebung integriert wird, um die kostengünstige Verfolgung und Erfassung von Elementen und Vorgängen in Echtzeit zu ermöglichen.
- Energieeffizientes Computing zur Steigerung der Nachhaltigkeit durch effizientere Architektur und Hardware, effizienteren Code, effizientere Algorithmen und erneuerbare Energien.
- Hybrides Computing, bei dem verschiedene Rechen-, Speicher- und Netzwerkmechanismen zur Lösung von Computing-Problemen kombiniert werden.
- Spatial Computing als Erweiterung der physischen Welt mit digitalen immersiven Technologien wie Augmented Reality (AR) und Mixed Reality (MR).
- Polyfunktionale Roboter, die mehrere Aufgaben ausführen und nahtlos zwischen ihnen wechseln können.
- Neurologische Verbesserung kognitiver Fähigkeiten durch Technologien, die Gehirnaktivitäten lesen und entschlüsseln.
Das Jahresende wird zeigen, welche der futuristisch anmutenden Prognosen sich tatsächlich bewahrheitet haben.
Für den Markt der Siliciumwafer verkündete der ‚Silicon Wafer Market Monitor Report' des Halbleiterverbandes SEMI zum Jahresende 2024 eine holprige Marktphase [7]. Der Markt habe sich im zweiten Quartal behutsam erholt, Wachstumstreiber sei v.a. die Nachfrage nach Investitionen in KI-Rechenzentren gewesen. Die Segmente Verbraucher, Automobil und Industrie hätten sich schwerfälliger entwickelt. Erwartet wird, dass die Preise für DRAM 2025 möglicherweise in einen Abwärtstrend eintreten, was sich auf den gesamten Wafermarkt auswirken könnte. Dennoch rechnet SEMI für 2025 mit einem niedrigen bis mittleren zweistelligen Wachstum; 2026 wird ein mittleres bis hohes einstelliges Wachstum erwartet, 2027 wiederum eine deutliche Verlangsamung. Diese Prognose spiegelt die sich entwickelnde Nachfragedynamik und anhaltende Marktanpassungen wider.
Ende November 2024 meldete sich auch der wortkräftige Analyst Malcolm Penn, Future Horizons, mit seiner Prognose zu Wort. Gegenüber dem chinesischen Sender CGTN [8] bewertete er trocken die von dem neuen US-Präsidenten Donald Trump vorgeschlagenen Zölle auf Chipimporte von 200 %. Sie könnten die Chippreise verdreifachen und die Herstellungskosten von Elektronik und Automotive-Erzeugnissen um etwa 20 % steigern – was sich auf US-amerikanische Exporte auswirken dürfte. Der von Trump beabsichtigte Impuls, neue Fabriken in den USA entstehen zu lassen, würde sich eher verspätet auswirken – während Tarife unmittelbar ihre Wirkung zeigen und praktisch alles verteuern. Die Käufer neuer Autos müssten mit einer Kostensteigerung von 10-20 % rechnen.
Für die europäische Leiterplattenbranche wagt das Marktforschungsberatungsunternehmen ‚Mordor Intelligence' einen Blick voraus [9]. Während die Größe des Leiterplattenmarkts im Jahr 2024 auf 2,60 Mrd. $ geschätzt wurde, prognostiziert Mordor Intelligence bis 2029 ein behutsames Wachstum um 2,8 % auf 2,99 Mrd. $. Wachstumstreiber seien Leiterplatten für vernetzte Fahrzeuge, die Zunahme kleiner, leichter, tragbarer und handgehaltener Computergeräte (handheld) und Wearables durch die Miniaturisierung elektronischer Komponenten. Durch sie lassen sich immer mehr Transistorknoten auf einem kleineren integrierten Schaltkreis unterbringen. Als neueste Technologie nennt Mordor Intelligence die Optimierung von Größe, Gewicht und Leistung (SWaP).
Referenzen
[1] Zitat des US-amerikanischen Schauspielers Tracy Morgan („Bad news travels at the speed of light; good news travels like molasses.“).
[2] Siehe PLUS Ausgabe 12/2024, S. 1464 ff.
[3] Siehe diese Ausgabe, S. 58.
[4] www.it-daily.net/it-management/projekt-personal/gartner-anstieg-der-it-ausgaben-in-europa-bis-2025-um-87-prozent (Abruf:23.12.2024).
[5] www.gartner.de/de/artikel/gartner-cio-umfrage-2025-sollten-cios-diese-wichtigen-schwerpunkte-angehen (Abruf: 23.12.2024).
[6] www.gartner.de/de/artikel/top-technologie-trends-2025 (Abruf: 23.12.2024).
[7] www.semi.org/en/blogs/silicon-wafer-market-outlook%E2%80%93a-dynamic-between-equipment-investment-and-dram-pricing (Abruf: 23.12.2024).
[8] www.youtube.com/watch?v=qw71tvjDz54 (Abruf: 23.12.2024).
[9] www.mordorintelligence.com/de/industry-reports/europe-printed-circuit-board-market (Abruf: 23.12.2024).