Apéro nach Branchentreff – 1. Forum Leiterplatte Schweiz 2024

Apéro nach Branchentreff – 1. Forum Leiterplatte Schweiz 2024

Im letzten Oktober fand das hochgeschätzte Schweizerische Leiterplattenseminar in Uitikon nahe Zürich unter neuem Namen und neuer Flagge statt – die PLUS wollte es sich nicht entgehen lassen, dabei zu sein.

Der Grosse Saal des Üdiker-Huuses in Uitikon (Schweiz) war gut gefüllt, niemand wollte die Premiere verpassen. Denn zum ersten Mal fand das Forum Leiterplatte Schweiz statt – kongruent mit dem traditionsreichen Leiterplattenseminar, das bislang unter dem ‚Dach' der Schweizerischen Gesellschaft für Oberflächentechnik (SGO) veranstaltet worden war. An diesem 8. Oktober 2024 aber war alles anders. Denn die wenigen, aber bedeutsamen Leiterplattenhersteller der Schweiz hatten sich einige Monate zuvor aus der SGO verabschiedet und einen eigenen Verein gegründet. Als verstärkt international wirkende Unternehmen hatte man sich zur Unabhängigkeit entschlossen, wie Pascal Oberson, erster Vorsitzender des Vereins Leiterplatte Schweiz (VLS), gegenüber der PLUS geäussert hatte [1]. Vor allem auch, um das beliebte SGO-Leiterplattenseminar weiter zu verbessern, seine Relevanz weiter zu erhöhen und über die Landesgrenzen hinaus noch bekannter zu machen. Der VLS will nicht nur die Interessen der Schweizer Leiterplattenhersteller vertreten, sondern den gesamten D-A-CH-Raum unterstützen, und hier soll das Forum Leiterplatte wie ein Brennglas den Austausch, das Wissen und gemeinsame Anliegen bündeln.

Positiver Vibe

Entsprechend aufgekratzt war die Stimmung am 8. Oktober. Die PLUS hatte es sich nicht nehmen lassen, die Premiere in Uitikon zu besuchen; und wir spürten den positiven Vibe und die Freude darüber, sich einerseits in der Tradition des erfolgreichen Leiterplattenseminars zu bewegen, andererseits mit grossem Selbstbewusstsein ein neues Kapitel aufzuschlagen. Die Organisation wirkte mit ihrer Mischung aus etabliert-professionell und hemdsärmelig-unverbraucht sehr sympathisch – es herrschte Aufbruchsstimmung. Getrübt wurde diese allerdings durch eine Hiobsbotschaft: Am Vortag hatte Würth Elektronik das Aus seiner Fertigung in Schopfheim für 2025 verkündet [2]. Das dämpfte einerseits gewaltig die Stimmung [3] – andererseits verdeutlichte genau diese Nachricht, warum Veranstaltungen wie jene in Uitikon, warum der Austausch und die gegenseitige Bestärkung innerhalb der Branche so wichtig sind.

Dr. Stefan RungDr. Stefan Rung

Pascal ObersonPascal Oberson

Moderator Romeo PremerlaniModerator Romeo Premerlani

Ernüchternde Marktdaten

Nach der Begrüssung durch Pascal Oberson wurde an einer Tradition festgehalten: an der Marktanalyse Europa von keinem Geringeren als Remo Fischer, Hofstetter PCB. Natürlich war sie geprägt von der Mitteilung aus Schopfheim, und diese passte zu dem Zahlenmaterial, das Remo Fischer zusammengetragen hatte [4]. Es wirkte ernüchternd: Der europäische Leiterplattenmarkt hat 2022/2023 ordentlich Federn gelassen, 2023/2024 werde laut Remo Fischer noch schlimmer ausfallen. Dass auch in Asien die Märkte leiden, war dabei nur eine Randnotiz. Auch hätten sich die Marktschwerpunkte verschoben: Der Bereich Mobility sei rückläufig, die Bereiche Defence/Aeronautik und Medical seien gestiegen. In Europa haben 2023 deutsche Hersteller insgesamt Marktanteile verloren, ebenso – wenn auch leichter – jene aus der Schweiz und Österreich. Belgien habe hingegen Marktanteile hinzugewonnen, ebenso Grossbritannien und Italien. In der Schweizer Leiterplattenproduktion verzeichneten die Bereiche Flex-rigid und Multilayer im Verhältnis leichte Zuwächse, Flex und High Density waren etwas weniger gefragt als zuvor. Insgesamt aber, so mahnte Remo Fischer, sehe es für die europäische Leiterplattenproduktion bescheiden aus: Nur 2,8 % aller Leiterplatten werden hier gefertigt. „Wenn es so weitergeht, machen wir demnächst wieder unser Feuer mit Steinen“, orakelte Remo Fischer. Seiner Ansicht nach sei auch 2025-2026 nicht mit einer Besserung zu rechnen. Hohe Energiepreise seien hierfür ein Grund, aber nicht der einzige.

Die fabelhafte Welt der Leiterplatten

Nach so viel guter Laune tat ein Themenwechsel gut. Als zweiter Vortragender trat Uwe Postelmann, Lauffer Pressen, vor das Mikrofon. Die Expertise der Maschinenfabrik Lauffer in Horb am Neckar liegt beim Pressen, Formen, Umhüllen und Laminieren verschiedener Materialien – auch für die Herstellung von Leiterplatten, Basismaterial, Smartkarten und Kompositen bietet Lauffer seine Instrumentarien und Maschinen an. Uwe Postelmann, der laut eigener Aussage seit Jahren in der „fabelhaften Welt der Leiterplatten“ zu Hause sei, zeigte auf, welche Verbesserung sein Unternehmen für das Verpressen von Leiterplatten ersonnen und entwickelt hat. Die RMV-Multistage-Presse von Lauffer mit ihrem Zweikanalsystem in den Heizplatten sei so optimiert worden, dass durch eine dünnere Trägerplatte Stahlmasse eingespart wird, MASSLAM-Winkel bereits eingelasert und aufgekantet werden und Innenlagen-Leiterbahnen von Multilayer-PCBs präzise positioniert werden können. Uwe Postelmann ging auch auf das Lauffer SLS (Short Cycle Lamination System) für Flex-Leiterplatten ein, das neben mit der Einzelverpressung vergleichbaren Qualitätsvorteilen weniger Energie verbraucht. Ein Thema, welches Uwe Postelmann ingesamt als ein Herzensthema beschäftigt. Moderne Heiztechnologien (Induktionsheizungen) seien bei Lauffer in der Entwicklung; für ihren Einsatz bei Leiterplattenprozessen bestünden noch einige Herausforderungen (vollumfängliche Abdeckung, unkontrollierte Kühlung der verpressten Lagen), aber Postelmann war angesichts der erwartbaren Vorteile und des Einsparpotentials ‚Feuer und Flamme' für diese Entwicklungen seines Unternehmens.

Ewigkeitschemikalien sorgen für Kopfzerbrechen

Kirsten Metz, ZVEI e.V., fasste in ihrem Vortrag ein besonders heisses Eisen an: Die ‚Ewigkeitschemikalien’ der PFAS-Stoffgruppe bewegen seit einiger Zeit die Gemüter der Elektronikindustrie. Ein geplantes, nahezu generelles Verbot dieser teils höchst problematischen Stoffe würde fast ganze Industriezweige zeitweise oder dauerhaft belasten oder gar verunmöglichen – und eines der Probleme sei, dass man auch in der Industrie nach wie vor viel zu wenig über PFAS wisse (von der Politik ganz zu schweigen). Entsprechend ging es Kirsten Metz erst einmal darum, grundlegende Fakten aufzuzählen: Welche universelle PFAS-Beschränkung ist geplant, wie ist der aktuelle Stand des Verfahrens und worum geht es ganz genau bei dem geplanten Stoffverbot. Die per- und polyfluorierten Alkylstoffe sind laut einer OECD-Definition fluorierte Kohlenwasserstoffverbindungen, die mindestens ein fluoriertes Kohlenwasserstoffatom enthalten. Daraus ergeben sich ihre beeindruckenden Eigenschaften (wasser-, fett- und schmutzabweisend, eine sehr hohe chemische und thermische Stabilität) – und zugleich ihre problematische persistente Wirkung, wenn sie unkontrolliert in die Natur und letztlich in den menschlichen Körper gelangen – auch wenn laut Kirsten Metz nicht alle PFAS giftig seien und gemäss REACH Art. 68 die Kriterien für die Einstufung in die Gefahrenklassen Karzinogenität, Keimzellmutagenität oder Reproduktionstoxizität der Kategorien 1A oder 1B erfüllen. Ein Problem ist dabei auch, dass die Stoffgruppe so umfassend und kaum „kartografiert“ ist, es fehlt schlichtweg an Grundlagenkenntnissen. Die ECHA (European Chemicals Agency) hat gerade erst am 20. November 2024 einen Bericht über die Fortschritte zur PFAS-Beschränkung vorgelegt (ECHA/NR/24/31), der jene Optionen erwägt, die auch Kirsten Metz vorstellte:

  1. ein vollständiges Verbot aller PFAS ohne Ausnahmen mit einer Übergangszeit von 18 Monaten
  2. ein vollständiges Verbot wie oben, aber mit nutzungsspezifischen Ausnahmen.

Der ZVEI und andere Akteure sprechen sich gegen ein vollständiges Verbot aus, da die Auswirkungen auf die Bereiche Elektromobilität, Energieerzeugung, Luft- und Raumfahrt, Antriebstechnik, Medizin und Verteidigung erheblich seien. Kirsten Metz betonte auch, dass es bislang keine Alternativen zu Fluorpolymeren gebe und man erst dabei sei, nach diesen Ausschau zu halten. Wie sehr man noch am Anfang aller Überlegungen steht, demonstrierte sie mit einer einfachen Frage an das Publikum: Welcher der Anwesenden im Üdiker-Huus wisse, ob in seiner Produktion PFAS verwendet werden? Zögerlich hoben einige der Zuhörenden ihre Hand – und die Hände konnte man wiederum an einer Hand abzählen. „Da sehen wir das Problem“, kommentierte Kirsten Metz. „Eigentlich müssten jetzt fast alle ihre Hände nach oben strecken.“ Sie bat die Zuhörerschaft, in ihren eigenen Betrieben genauer hinzusehen – und Kenntnisse, ob und wo PFAS verwendet werden, an den ZVEI zu melden. Es gehe im Augenblick vor allem darum, das Wissen über die Stoffgruppe zu verbessern, Daten und Fakten zu sammeln: „Wir kommen nicht vorbei am Thema PFAS.“

Am Ende des Vortrags herrschte entsprechend Konfusion – vermutlich war es aber genau das, was Kirsten Metz erreichen wollte: ihre Zuhörer für das Problem zu sensibilisieren und Strategien aufzuzeigen, wie man sich in der Debatte um das drohende PFAS-Verbot positionieren soll. An dieser Stelle sei erwähnt, dass die PLUS 2024 mehrfach auf die brisante Thematik eingegangen ist – und 2025 erneut eine Ausgabe dem ‚PFAS-Dilemma' widmen wird [5].

Laserbohrungen und das Puzzlespiel im Periodensystem

Dr. Evelyne ParmentierDr. Evelyne ParmentierAuf einem sicheren Terrain bewegte sich hingegen der nächste Vortragende. Dr.-Ing. Stefan Rung, Fa. Schmoll – es ging um das Laserbohren und wie Vias <10 µm gebohrt werden können. Gezeigt wurden eindrucksvolle Aufnahmen solcher präzisen Bohrungen mit dem Picosekundenlaser/PicoMaster, die auch die Effekte des verschiedenen Laserlichts verdeutlichten. Auch erwähnte Stefan Rung die Herausforderungen des Laserbohrens <5 µm, wo physikalisch das Risiko optischer Aberrationen (Abweichungen) steigt – die aber auf jeden Fall vermieden werden müssen. Hier wird bei Schmoll fleissig getüftelt, um das scheinbar physikalisch Unmögliche doch möglich zu machen. Auch der neue Laserbohrer COMBI500 mit seiner dualen Kombination aus UV- und CO2-Laser hatte seinen Auftritt.

Dr. Evelyn Parmentier, Fa. Dyconex, beschäftigte sich mit der Funktionisierung von Leiterplatten durch die Verwendung alternativer – also bislang ignorierter – Metalle des Periodensystems beim Sputtering-Verfahren, also bei der Kathodenzerstäubung. Ihr Gedankengang klang simpel: Bei Dyconex habe man sich die Frage gestellt, ob nicht jedes Metall mit seinen ganz eigenen und einzigartigen Eigenschaften für Leiterplatten genutzt werden kann – sei es eine Variation der elektrischen oder thermoelektrischen Eigenschaften oder eine veränderte Korrosionsbeständigkeit. Das klang nach einer faszinierenden Forschungsaufgabe, fast wie ein ‚Puzzlespiel' in der Welt der Metalle. Dr. Parmentier ging exemplarisch auf drei Metalle ein: Titan mit seiner reduzierten Leitfähigkeit bei gleichzeitig hohem Widerstand und einer ebenfalls hohen Widerstandsfähigkeit gegen chemische Einwirkungen; Niob als besonders ungiftiges und allergiefreies Metall, das mit seinem hohen Widerstand gegen extreme Hitze und seinen supraleitenden Eigenschaften besondere Vorteile bietet; und die Legierung Konstantan aus Nickel, Kupfer und Mangan, die sich etwa besonders gut für elektrische Widerstandheizungen eignet. Auch gab Dr. Parmentier einen Überblick über Dünnschichttechnologien für Leiterplatten. Offen blieb bei dem Vortrag, wieviele Metalle Dr. Parmentier insgesamt auf ihre Eigenschaften untersuchen konnte und ob auch mit ungewöhnlichen Ergebnissen zu rechnen ist.

Die Queste nach der additiven Fertigung

Dr. Luca Gautero, SÜSS, begab sich auf eine Queste nach der additiven FertigungDr. Luca Gautero, SÜSS, begab sich auf eine Queste nach der additiven FertigungDer letzte Vortrag wurde in englischer Sprache gehalten. Dr. Luca Gautero, Product Manager bei SÜSS Microtec, stellte die grosse Frage nach der Zukunft der Leiterplattenproduktion – und wie sich die Lötmaskenbeschichtung weiter verbessern kann. Natürlich ging es vor allem um die Innovationen des Inkjet-Verfahrens, wo durch die Variation verschiedener Materialien, Vorbehandlungen und Tinten eine grosse Vielfalt neuer Fertigungsmöglichkeiten ermöglicht wird – von den Vorteilen für eine nachhaltigere, günstigere und flexible Fertigung ganz zu schweigen. Bei so vielen aufgeworfenen Fragen verhedderte sich Dr. Gautero zwar etwas, doch mit seinem Werben für additive Verfahren und die reichen Möglichkeiten der Inkjet-Lösung für Lötmasken von SÜSS (JetxSM) konnte er das Publikum überzeugen.

Nach Gauteros Vortrag ging das Forum in einen lockeren Rahmen über. Ein geselliger Apéro sowie das abendliche Essen rundeten die Premiere ab – sofern man die Neuauflage einer solchen Traditionsveranstaltung so nennen kann. Hier war die besondere Stimmung zu spüren, die Uitikon auszeichnet: In der schweizerischen ‚Leiterplattenzunft' kennt sich wirklich jeder, und in herzlicher Weise wurde über die derzeitige Situation gescholten und gescherzt.

Man darf festhalten, dass der noch junge VLS gezeigt hat, wie man diese unverzichtbare Veranstaltung mit neuem Leben füllen kann. Die hohe Besucherzahl zeigte, dass auch sein Ziel, über die Schweiz hinaus Branchenvertreter anzusprechen, erreicht wurde. Auch die abwechslungsreichen Vorträge überzeugten auf ganzer Linie. So darf es ruhig weitergehen – 2025 übrigens am 30. September und bestimmt mit einem erneut hochkarätigen Programm.

Referenzen

[1] Siehe ‚Gespräch des Monats', PLUS 9/2024, S 1176.
[2] Siehe PLUS 10/2024, S. 1186.
[3] Siehe PLUS 11/2024, S. 1370.
[4] Als Hauptquelle gab Remo Fischers Präsentation eine Statistik von ‚Data4PCB' an, die der 2024 verstorbene Branchenanalyst Michael und in seiner Nachfolge Dieter G. Weiss erstellt haben.
[5] Kommende Ausgabe 3/2025.

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