Was bleibt nach dem Verbrenner-Aus 2035 an deutscher Spitzentechnologie
Beginnen wir bei unserer Analyse mit dem Weltmarkt für Pkw und Light Vehicle (Abb. 1). Nach den Blütejahren 2017 und 2018 schrumpfte der Weltmarkt bereits im Jahr 2019 um 5%. Zu Beginn der Coronakrise kollabierte der Markt dann um 20 %, um sich 2021 und 2022 wieder etwas zu erholen. Es bleibt aber eine Lücke von -16% versus 2018, die sich bei einem prognostizierten Wachstum 2023 von 4 % etwas reduziert.
Vergleicht man die Absatz-Verläufe von China, USA und Europa* (EU 27 + UK+ EFTA) so wird deutlich, dass Europa hier kontinuierlich als Markt verliert (Abb. 2) Auch auf dem weltgrößten Markt China begann der Abstieg ab 2017, jedoch wurden die Vor-Corona Absatzmengen von 21,1 Millionen Fahrzeugen im Jahr 2019 bereits im Jahr 2021 wieder erreicht. Seitdem wächst der chinesische Markt kontinuierlich und könnte sich 2023 wieder dem All-Zeit-Hoch von 2017 annähern.
Auch der US-Markt für Pkw und Light Vehicle lag im letzten Jahr mit 13,7 Mio. Fahrzeugen immer noch um -20% unter dem All-Zeit-Hoch von 2017 mit 17,2 Mio. Einheiten. Eine leichte Erholung um +4 % ist in diesem Jahr möglich.
Am schlechtesten entwickelte sich der Markt in Europa. Von 16,8 Mio. abgesetzten Fahrzeugen in 2017 schrumpfte der Markt auf 11,3 Mio. Fahrzeugen im letzten Jahr, dies entspricht einem Minus von 33%. Auch hier wird eine leichte Erholung um 5 % prognostiziert.
Der deutsche Pkw-Markt hat nach dem Rekordabsatz von 3,6 Mio. Fahrzeugen im Vor-Corona Jahr 2019 über ein Viertel seines Volumens bis 2022 verloren (Abb. 3). Nach der Chipknappheit für Assistenzsysteme und der damit verbundenen fehlenden Fahrzeugverfügbarkeit, gibt es derzeit eher eine Kaufzurückhaltung. Diese ist sowohl in wirtschaftlichen Gründen bei den Konsumenten zu suchen, aber auch in der politisch verursachten Verunsicherung durch den Verbrenner-Aus'. Derzeit hat sich der Absatz zwischen 2,6 bis 2,7 Mio. Fahrzeugen eingependelt.
Deutschlands Weltmarktanteil schrumpft
Nur noch 26,5 % der gesamten deutschen Pkw-Produktion erfolgte in Deutschland und 73,5 % im Ausland, vor fünf Jahren waren dies noch 34,2 % (Abb. 4). Es bedeutet, dass die Relevanz des Produktionsstandortes Deutschland immer weiter abnimmmt, beschleunigt durch eine automobilunfreundliche Politik durch die EU und in Deutschland. Auch die Marktanteile deutscher Automobilhersteller am Weltmarkt schrumpfen. Noch 2019 betrug der deutsche Weltmarktanteil 20 % und schrumpfte bis zum letzten Jahr auf 18,5 %. Dies entspricht einem Minus von 2,9 Mio. nicht mehr von deutschen Herstellern gebauten Fahrzeugen. Es ist mehr als der gesamte Absatz auf dem deutschen Markt von 2,65 Mio. Fahrzeugen im Jahr 2022.
Tesla überholt VW bei E-Autos, China ist in den Startlöchern
Laut Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) wurden im Jahr 2022 in Deutschland 471.000 BEVs (Battery Electric Vehicle) zugelassen. Dies entspricht einem Wachstum von 30,1 %, wobei durch die Reduzierung der Förderung es hier sicher zu Verzieh-Effekten gekommen ist. Interessant ist, das Tesla 2022 mit 70.000 Fahrzeugen (Vj. 40.000) Volkswagen mit 63.000 E-Pkw (Vj. 72.000) überrundete (Abb. 6). Der koreanische Hyundai Konzern kommt auf den 4. Platz vor Fiat (5.), Audi (6.) und Renault (7.).
Noch sind die Zulassungen chinesischer Hersteller wie NIO, Great Wall und ‚Built your Dreams' (BYD) in Deutschland selten. Dies wird sich aber in den nächsten Jahren deutlich verändern. BYD, derzeit Chinas zweitgrößter Hersteller, setzte letztes Jahr weltweit insgesamt 515.000 E-Autos ab, während Tesla mit 1,31 Mio. Einheiten noch Spitzenreiter ist.
Betrachtet man die Produktionsanteile an E-Autos deutscher Hersteller, so ergibt sich folgendes Bild:
Rang |
Hersteller |
Produktionsanteil E-Autos |
1 |
Opel |
20,3 % |
2 |
Porsche |
16,3 % |
3 |
Audi |
13,3 % |
4 |
VW |
13,1 % |
5 |
BMW |
11,2 % |
6 |
Mercedes |
10,3 % |
Auf den Punkt gebracht
- Der Weltmarkt für Pkw/Light Vehicle erreichte 70,2 Mio. Einheiten. Dies entspricht -16,2 % versus den Top Jahren 2017/2018
- Europa schrumpfte von 16,8 Mio. abgesetzten Fahrzeugen in 2017 auf 11,3 Mio. Fahrzeugen in 2022, dies entspricht einem Minus von 33 %.
- Deutschlands Weltmarktanteil reduzierte sich von 20 % in 2019 auf 18,5 % in 2022 – in Stückzahlen entspricht dies einem Produktionsverlust von 2,9 Millionen Pkw
- Nur noch 26,5 % der gesamten deutschen Pkw-Produktion erfolgte in Deutschland und 73,5 % im Ausland bei weiter fallender Tendenz
Der europäische und der US-Markt sind seit 2017 bis 2022 über fünf Jahre geschrumpft, während sich der chinesische Markt deutlich erholt hat und sich wieder seinem Rekordabsatz von 2018 nähert. Mit dem Markteintritt chinesischer und anderer asiatischer Hersteller in Deutschland bei batterieelektrischen Pkw entsteht eine neue Wettbewerbssituation. In der Batterietechnologie sind diese Hersteller führend, genauso in der Software. Den E-Motor und das Batterie Management System (BMS) beherrschen chinesische Hersteller ebenso – und nach dem jahrelangen Technologietransfer durch westliche Autohersteller haben sie gelernt, ansprechende Autos zu bauen. Sie erinnern sich an das chinesische Konzept: Marktzugang gegen Technologietransfer durch vorgeschriebenes 51 % Joint Venture mit chinesischem Hersteller. Die Preise für chinesische E-Autos in Deutschland sind attraktiv, die Lieferzeiten sind es auch.
Über die sinkenden Zulassungszahlen deutscher Hersteller in China habe ich in der PLUS 11/2022 berichtet. Es gibt keinen Zweifel: Der chinesische Markt wird elektrisch. Aber es deutet sich an: ohne die deutschen Hersteller! Wie das Handelsblatt schrieb: „Der Erfinder des Autos zu sein, schützt nicht davor, dass es jemand anders neu erfindet.“
Bleiben Sie trotz allem kämpferisch, denn wir haben viel zu verlieren.
Es grüßt Sie herzlich
Ihr
Hans-Joachim Friedrichkeit
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