Laut einer neuen Studie, die von Wards Intelligence für die Hexagon Manufacturing Intelligence Division durchgeführt wurde, messen traditionelle Fahrzeughersteller der Umstellung auf Industrie-4.0-Prozesse nicht die höchste Priorität bei und laufen somit Gefahr, von neuen Marktteilnehmern überholt zu werden.
Große Technologiekonzerne sowie sogenannte Unicorn-Startups aus dem Silicon Valley, dem Vereinigten Königreich und China sprengen den E-Fahrzeugmarkt mit hochmoderner Digitalisierung und Automatisierung und verkürzen die Markteinführungszeiten von mehreren Jahren auf nur drei Monate. Die weltweiten Umsätze auf dem E-Fahrzeugmarkt könnten bis 2030 auf 34,7 Millionen steigen. Um ihre Marktposition zu halten, müssen OEMs mit dem Innovationstempo der Mitbewerber Schritt halten. Trotzdem planen nur 48 % der Hersteller in der Automobilbranche höhere Investitionen in die von ihren Mitbewerbern genutzten intelligenten Fertigungsstrategien ein, während 25 % keine entsprechenden Pläne verfolgen.
Ein Vorteil für die neuen Marktteilnehmer sind die niedrigen Auftragsvolumen bei E-Fahrzeugen, die dazu beitragen, dass die Produktionsgeschwindigkeit eine hohe Stückzahl als Schlüsselfaktor in der Automobilindustrie ablöst. Damit sind traditionelle Automobilhersteller Elektronikunternehmen wie Foxconn und Huawei unterlegen. Diese Unternehmen sind mit schnellen Innovationszyklen vertraut und müssen weniger Hürden meistern, da Verbraucher von ihnen digitale Technologien mit einem höheren Integrationsgrad erwarten. Darüber hinaus machen neue Fahrzeugdesigns bis zu 90 % der Autoteile existierender Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor überflüssig und ihre Strategien sind von den derzeitigen Lieferketten und Massenproduktionsanlagen weniger abhängig. Basierend auf den Studienergebnissen betrachten lediglich 8% der Autobauer die neuen Hersteller von E-Fahrzeugen als Bedrohung, obwohl Tesla bereits Marktführer im Bereich batterieelektrische (BEV) Fahrzeuge ist, und Unternehmen wie Lucid sich mit einer vertikal integrierten E-Fahrzeugfertigung rasch vergrößern.
Die Daten decken im Gegensatz dazu eine Diskrepanz bei den größeren OEMs in Bezug auf die entsprechende Entwicklung hin zur digitalen Transformation auf. Während sich das Interesse an der intelligenten Fertigung in der Automobilindustrie definitiv verstärkte, zeigt sich, wie die Anerkennung ihres Wertes nicht mit der entsprechenden Umsetzung einhergeht. Gemäss der Studie sind die kritischsten Faktoren für den Erfolg der E-Fahrzeug-Lieferketten für die Branche die Beschaffung der erforderlichen Teile-Volumina sowie die fehlenden Größenvorteile.
Dazu erläutert Paolo Guglielmini, Präsident der Hexagon Manufacturing Intelligence Division: „Unsere Studie offenbart, dass die Herausforderungen für Fahrzeughersteller, die einen festen Platz auf dem E-Fahrzeugmarkt suchen, sowohl interner als auch externer Natur sind. Da es notwendig ist, bei derzeitigem Auftragsvolumen eine größere Auswahl an erschwinglichen Elektrofahrzeugen oder gar „Fahrzeugen nach Maß“ anzubieten, müssen traditionelle für große Stückzahlen konzipierte Fertigungslinien von einer agileren Fertigung abgelöst werden, die auf eine schnelle Markteinführung ausgerichtet ist und das Just-in-Time-Modell möglichst endgültig hinter sich lässt. Die Aufgabe für die etablierten Unternehmen besteht darin, dies umzusetzen und gleichzeitig die erforderlichen Gewinnspannen zu erzielen. Dies lässt sich nur mithilfe einer vertikalen Integration der Entwicklungs- und Fertigungsprozesse lösen, was jedoch nicht einfach ist und einen kulturellen Wandel benötigt, der mit den technologischen Investitionen einhergeht.
„Die derzeitige Umstellung traditioneller Geschäftsmodelle in der Automobilfertigung stellt Flexibilität über Prozesse. Sie unterstützt Fachkräfte durch integrierte Prozesse und stärkere Automatisierung. Digitale Konstruktions- und Fertigungsansätze sind der Schlüssel zur Agilität und ein wesentlicher Grund dafür, weshalb die „Digital Natives“ auf dem Markt für Aufruhr sorgen. Die großen OEMs stehen zwar nicht still – wir sehen unglaubliche Innovationen bei Unternehmen, die mit hohem Tempo ihre weltweiten Betriebsabläufe neu ordnen. Sie müssen jedoch kontinuierliche Optimierungsprozesse gezielt nutzen sowie den Umfang und die Art der Zusammenarbeit mit ihren Lieferanten überdenken, um die E-Wende in der Automobilindustrie zu gewährleisten.
Insgesamt belegen die Daten ein wachsendes Interesse an intelligenten Fertigungsansätzen, die sich umfassende Konnektivität, Cloud- und Edge-Computing in der Datenanalyse, KI und Robotik zu Nutze machen. Die Branche befindet sich an der Schwelle beispielloser Veränderungen, mit sehr unterschiedlichen Vorstellungen und Entwicklungsständen auf ihrem Weg hin zur Industrie 4.0. Die Konvergenz dieser zusätzlichen Technologien wird die Einführung und Umsetzung vorantreiben. OEMs und ihre Lieferketten werden versuchen, sich an diese Veränderungen anzupassen, während sie sich mit dem Markt weiterentwickeln.
Das von Wards Intelligence für Hexagon erstellte Whitepaper THE ELECTRIC VEHICLE PIVOT (Die E-Wende im Fahrzeugbau) bietet Einblicke und Analysen basierend auf Forschungs- und Umfragedaten zur sich weiterentwickelnden Lieferkette in der Automobilbranche sowie der Entstehung intelligenter Fertigungsprozesse im Zusammenhang mit der verstärkten Verlagerung zum Elektrofahrzeug (EV).