Recycling: Behörden werden ausgetrickst - Teil 2

Recycling: Behörden werden ausgetrickst - Teil 2

Schildert einige Möglichkeiten der ordentlichen Entsorgung und nennt deren Rechtsgrundlagen. Sonderfall: Das Auto geht ins Ausland.

Photodokumentation von illegal betriebenen Schrottplätzen in Deutschland und illegalen Exporten von Altfahrzeugen

3.2 Ausgestaltung der Rücknahmepflichten

Die Rücknahme hat unentgeltlich zu erfolgen. Die Unentgeltlichkeit gilt ab der Überlassung an eine anerkannte Rücknahmestelle oder an einen vom Hersteller bestimmten anerkannten Demontagebetrieb. Als Rücknahmestelle sind nach der Begriffsbestimmung in § 2 Abs. 1 Nr. 15 AltfahrzeugV Annahmestellen definiert, bei denen Altfahrzeuge durch den Hersteller oder von ihm beauftragte Dritte zurückgenommen werden, ohne dass dort die Altfahrzeuge behandelt werden.

Annahmestellen sind hingegen nach der Begriffsbestimmung in § 2 Abs. 1 Nr. 14 AltfahrzeugV Betriebe oder Betriebsteile, die Altfahrzeuge zur Bereitstellung und Weiterleitung an Demontagebetriebe annehmen, ohne selbst Demontagebetrieb zu sein. In diesem Zusammenhang sind Demontagebetriebe nach der Begriffsbestimmung in § 2 Abs. 1 Nr. 26 AltfahrzeugV Betriebe oder Betriebsteile, in denen Altfahrzeuge zum Zweck der nachfolgenden Verwertung behandelt werden. Dies kann auch die Rücknahme einschließen. Letztlich bedeutet dies, dass der Letzthalter den Aufwand bis zur Überlassung an eine anerkannte Rücknahmestelle oder einen von einem Hersteller hierzu bestimmten anerkannten Demontagebetrieb selbst zu tragen hat.

Soweit die Rücknahmepflichten als Adressaten die Hersteller von Fahrzeugen benennen (§ 3 Abs. 1 AltfahrzeugV) sind dies nach der Begriffsbestimmung in § 2 Abs. 1 Nr. 3 AltfahrzeugV die Hersteller von Fahrzeugen, wie sie sich aus dem Fahrzeugbrief ergeben oder die gewerblichen Importeure eines Fahrzeugs sowie auch die Hersteller oder gewerblichen Importeure von Fahrzeugteilen und -werkstoffen und deren Rechtsnachfolger. Wenn der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Rücknahmepflichten ausschließlich vom Hersteller spricht, sind gleichwohl die nach der Begriffsbestimmung davon umfassten Adressaten jeweils gemeint.

Die Rücknahmepflichten gelten nicht unter allen Umständen. Sie entfallen nach § 3 Abs. 4 AltfahrzeugV bei solchen Fahrzeugen, die nicht in der EU zugelassen oder zuletzt zugelassen waren. Sie entfallen weiter bei Fahrzeugen, die vor ihrer Stilllegung weniger als einen Monat zugelassen waren sowie bei Altfahrzeugen ohne wesentlichen Bauteile oder Komponenten, insbesondere ohne Antrieb, Karosserie, Fahrwerk oder Katalysator oder elektronische Steuergeräte für Fahrzeugfunktionen. In der Praxis wird davon gesprochen, dass solche Altfahrzeuge „beraubt“ worden sind. Das Entfallen der Rücknahmepflichten gilt weiter auch für Altfahrzeuge, die mit Abfällen gefüllt worden sind, und für solche Altfahrzeuge, für die ein Fahrzeugbrief oder ein vergleichbares Dokument nicht übergeben werden kann. Darüber hinaus erfahren die Rücknahmepflichten eine Begrenzung bei Fahrzeugen der Klasse M1 (Personenbeförderung) oder N1 (Güterbeförderung), die nicht im einstufigen Verfahren hergestellt werden, jeweils auf den Teil ihrer Herstellungsstufe (§ 3 Abs. 7 AltfahrzeugV). Die Rücknahmeverpflichteten sind zur Ausstellung eines Verwertungsnachweises verpflichtet (§ 4 Abs. 2 AltfahrzeugV). Dies gilt bei Überlassung des Fahrzeugs zur Entledigung an eine anerkannte Annahmestelle oder an einen anerkannten Demontagebetrieb. Dabei wird mit dem Verwertungsnachweis die Bescheinigung der Überlassung erklärt. Die Ausstellung von Verwertungsnachweisen kann nur von anerkannten Demontagebetrieben erfolgen bzw. die Aushändigung von Verwertungsnachweisen im Auftrag der anerkannten Demontagebetriebe durch anerkannte Annahmestellen oder anerkannte Rücknahmestellen (§ 4 Abs. 2 AltfahrzeugV) vorgenommen werden.

Schließlich ist die Ausgestaltung der Rücknahmepflichten auch dadurch weiter inhaltlich bestimmt, dass die Entsorgung von Altfahrzeugen ausschließlich von denen in einer Liste anerkannten Betrieben erfolgen kann. Dazu ist die Überlassung von Altfahrzeugen von anerkannten Annahmestellen und anerkannten Rücknahmestellen ausschließlich an anerkannte Demontagebetriebe vorzusehen (§ 4 Abs. 3 AltfahrzeugV) und die Überlassung von Restkarossen von anerkannten Demontagebetrieben an anerkannte Shredderanlagen (§ 4 Abs. 4 AltfahrzeugV) vorgesehen. Dadurch wird zur Konkretisierung der Produktverantwortung durch die Rücknahmepflicht der Hersteller für die Entsorgung von Altfahrzeugen die Kette anerkannter Betriebe bestimmt, die von der Annahme/Rücknahme über die Demontage bis zur Aufbereitung durchlaufen werden.

3.3 Entsorgungspflichten der Wirtschaftsbeteiligten

Über die Rücknahmepflichten der Hersteller hinaus sind Entsorgungspflichten geregelt worden, die in Verwertungsquoten gemessen werden sollen. Diese Entsor- gungspflichten richten sich an sämtliche Wirtschaftsbeteiligte. Dabei umfasst die Begriffsbestimmung für die Wirtschaftsbeteiligten in § 2 Abs. 1 Nr. 22 AltfahrzeugV die Hersteller und Vertreiber sowie Betreiber von Rücknahmestellen, Annahmestellen, Demontagebetrieben, Shredderanlagen, sonstigen Anlagen zur weiteren Behandlung, Verwertungsbetrieben und sonstigen Betrieben zur Behandlung von Altfahrzeugen einschließlich ihrer Bauteile und Wertstoffe sowie Kfz-Versicherungsgesellschaften. Über die Hersteller hinaus sind damit sämtliche in der Begriffsbestimmung „Wirtschaftsbeteiligte“ genannte Adressaten verpflichtet, die Einhaltung der Verwertungsquoten sicherzustellen (§ 5 Abs. 1 AltfahrzeugV).

Die Verwertungsquoten sind für unterschiedliche Zeitabschnitte geregelt worden, für die Zeit ab dem 1.1.2006 und für die Zeit ab dem 1.1.2015. Die für den erst genannten Zeitraum genannten Verwertungsquoten sind durch Zeitablauf erledigt. Die geltenden Verwertungsquoten betreffen die Wiederverwendung und Verwertung mit mindestens 95 Gewichts-%, die Wiederverwendung und stoffliche Verwertung mit mindestens 85 Gewichts-%. Insoweit umfasst die höhere Verwertungsquote auch die sonstige Verwertung.

Für das Rücknahmesystem ist die Schnittstelle der Unentgeltlichkeit ab Überlassung des Fahrzeugs geregelt, bis zu diesem Zeitpunkt zahlt der Letzthalter (Besitzer) die Kosten, insbesondere für die Logistikleistung der Beförderung des Fahrzeugs im nicht mehr gebrauchsfähigen Zustand bis zur Annahme-/Rücknahmestelle.

3.4. Mögliche Umgehung der Entsorgungskette

Darüber hinaus wird der Letzthalter nach den gegenwärtigen Marktverhältnissen verpflichtet, auch die Kosten für die Entsorgungsleistung, insbesondere die Trockenlegung durch Vorbehandlung für die Überlassung der Restkarosse an die Shredderanlage zu zahlen. Die Entsorgungsleistung umfasst als Dienstleistung nicht nur die Trockenlegung durch Entnahme sämtlicher Flüssigkeiten, sondern auch den Rückbau von Bauteilen, die einer weiteren Verwendung zugeführt werden können, aber auch den Rückbau großer Kunststoffteile sowie auch die Zündung von Airbags. Diese verschiedenen Dienstleistungen im Rahmen der Vorbehandlung des Altfahrzeugs und die damit verbundenen Kosten werden mit dem Erlös an Stahlschrott bei Abgabe der Restkarosse an die Shredderanlage verrechnet und mit den überschießenden Kosten der Entsorgung dem Letzthalter (Besitzer) angelastet.

Insbesondere diese vom Letzthalter zu entrichtenden Kosten stellen einen Anreiz für ihn dar, die Überlassung des Altfahrzeugs an die Entsorgungskette zu umgehen. Nach der Statistik der Altfahrzeugentsorgung, wie sie in einer Studie des Umweltbundesamtes zuletzt veröffentlicht wurde, werden in der Bundesrepublik Deutschland etwa 500 000 Altfahrzeuge recycelt, etwa 1,4 Mio. Altfahrzeuge als Gebrauchtwagen in EU-Ausland und Nicht EU-Ausland exportiert, in derselben Größenordnung von etwa 1,4 Mio. Altfahrzeugen bleibt deren Verbleib ungeklärt. Diese Situation gibt Anlass, über Lösungsansätze nachzudenken, damit ein größerer Anteil von Altfahrzeugen dem Recycling zugeführt wird. Dazu sind verschiedenste Ansätze bereits in die fachliche Diskussion eingebracht worden.

Zunächst könnte daran gedacht werden, vergleichbar der Situation bei dem Export von gebrauchten Elektro- und Elektronikgeräten eine Beweislastumkehr vorzusehen. Damit ist gemeint, dass Fahrzeuge bestimmter Eigenschaften, die im Geltungsbereich der deutschen gesetzlichen Vorschriften mit vertretbarem Aufwand nicht mehr verkehrssicher hergestellt werden können und deswegen als Altfahrzeuge eingestuft werden müssten, nur bei Nachweis einer Weiterverwendung oder Verwertung im Bestimmungsland in das Ausland verbracht werden dürften. Entsprechendes sollte gelten, wenn das Fahrzeug im Einzelfall im Bestimmungsland überwiegend einer Wiederverwendung wesentlicher Bauteile und zumindest einer stofflichen Verwertung zugeführt wird. Dazu ist es erforderlich diejenigen Fahrzeuge zu bestimmen, die einer solchen Beweislastumkehr unterfallen sollen, d.h. Kriterien zu entwickeln, das ein gebrauchtes Fahrzeug charakterisiert bzw. die Abfalleigenschaft repräsentieren. Auch dazu könnte daran gedacht werden, dass Fahrzeuge mit einem bestimmten Alter Abfall-Fahrzeuge bzw. Altfahrzeuge werden. Nach der Statistik betrifft dies Fahrzeuge, die das Durchschnittsalter von 16 Jahren überschritten haben. Ergänzend könnte daran gedacht werden, dass auch Fahrzeuge, die mit wirtschaftlich angemessenen Reparaturkosten nicht mehr die Voraussetzungen für eine Zulassung nach der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung oder entsprechenden Vorschriften erreichen, der Beweislastumkehr unterfallen. Jedenfalls für solche Fahrzeuge sollte eine Beweislastumkehr vorgesehen werden.

Es kann allerdings auch daran gedacht werden, das Recycling von Altfahrzeugen dadurch zu fördern, dass der Altbestand mit Hilfe einer sogenannten „Abwrackprämie“ einen wirtschaftlichen Anreiz erhält, der Entsorgungskette zugeführt zu werden. Eine entsprechende Regelung hat in der Vergangenheit dazu geführt, dass in viel größerem Umfang Altfahrzeuge den anerkannten Betrieben überlassen wurden. Solche Maßnahmen gehören in den Zusammenhang mit Lenkungsabgaben, mit deren Hilfe auf das Verhalten der gesetzlich Verpflichteten Einfluss genommen wird.

3. 5. Europaweite Erfassung von Fahrzeugen

Noch weitergehend sind Vorstellungen, die die Zahlung der Recyclingkosten mit dem Neuwagenpreis vorsehen („vorgezogene Entsorgungsgebühr“). Der damit verbundene Verwaltungsaufwand wäre im Rahmen der Produktverantwortung von den dazu Verpflichteten zu tragen. In diesem Fall müsste der Hersteller die bereits bezahlte Entsorgungsgebühr während der Lebensdauer des Fahrzeugs verwalten, in dem diese in einen Fonds einbezahlt wird. Das Fahrzeug würde bei Weitergabe vom Erstbesitzer zum Zweitbesitzer bis zum Letzthalter jeweils mit dem Anspruch auf unentgeltliche Rücknahme durch den Hersteller innerhalb der Europäischen Union weitergegeben. Dabei würde die unentgeltliche Rücknahme sich auch auf die Unentgeltlichkeit der Entsorgungsleistung beziehen.

Damit einher ginge die Erstellung eines vollständigen Informationssystems über den Fahrzeugbestand in der Europäischen Union, weil die für das jeweilige Fahrzeug verwalteten Recyclingkosten auf diese Weise erfasst wären. Dies würde zugleich bedeuten können, die Stoffströme weiter von der Herstellung bis zum Recycling verfolgen zu können. Damit würde schließlich auch eine Beweislastumkehr von den dafür zuständigen Überwachungsbehörden effizient nachvollzogen werden können, soweit sie dann überhaupt noch erforderlich sein würde. Ein solches Informationssystem würde auch dazu beitragen, die Dunkelziffer bei dem ungeklärten Verbleib von Altfahrzeugen zu verkleinern.

In jedem Fall bedarf es in Ergänzung zu dem geltenden Rücknahmesystem weitergehender Regelungen, die einen illegalen Export von Altfahrzeugen als sogenannte „Gebrauchtwagen“ verhindern und zusätzlich Anreize bieten, die Altfahrzeuge dem bestehenden Rücknahmesystem mit ausreichenden Kapazitäten zuzuführen. Solche Anreize werden mit finanziellen Mitteln geschaffen, sei es über zusätzliche Abgaben bei fehlendem Nachweis der Verwertung oder sei es durch steuerliche Vergünstigungen im Zusammenhang mit einer ordnungsgemäßen Verwertung. Die bisherigen Erfahrungen bei dem Vollzug der Vorschriften der AltfahrzeugV zeigen deutlich, dass zusätzlich zu den bereits geregelten Pflichten weitere wirtschaftliche Anreize geschaffen werden müssen, um der Umsetzung der Ziele für mehr Ressourceneffizienz aus dem Altfahrzeug-Recycling zum Durchbruch zu verhelfen.Letztlich sind die Altfahrzeuge die Rohstofflager, die den Wirtschaftsbeteiligten zur Schließung der Kreisläufe bei Fahrzeugen in Zukunft nützlich sein würden.

- wird fortgesetzt -

  • Ausgabe: November
  • Jahr: 2020
  • Autoren: Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Klett, Dr. Dipl.-Chem. Beate Kummer, Prof. Dr. jur. Helmut Maurer
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