Mit dem vorgestellten Modell können Spülkaskaden berechnet werden, wobei Tauch- und Spritzspülen auch für nicht ideales Spülen darstellbar sind. Außerdem lassen sich mit dem flexibel einsetzbaren Modell Kreislaufspülen, Rückführspülen und Spritzkammerspülen berechnen.
6 Beispiele
6.1 Spritzspülen mit Frischwasser oder mit Folgewasser
Eine 3-stufige Spülkaskade soll an allen drei Stufen mit Sprühdüsen ausgestattet werden. Mit den Sprühdüsen erfolgt ein zusätzliches Absprühen der Ware, während diese aus der jeweiligen Tauchspüle herausgehoben wird. Aus dem Beschichtungsprozess wird pro Warenträger 1,1 Liter mit einer Konzentration von 50 gl–1 verschleppt. Da die Viskosität des Spülwassers deutlich geringer als die der Prozesslösung ist, ergibt sich eine etwas niedrigere Verschleppung von 1,0 Liter aus den Spülstufen. Pro Stunde werden 10 Warenträger gespült.
Beim Tauschspülen muss von nichtidealem Spülen ausgegangen werden. Der Effekt ist insbesondere bei niedrigen Konzentrationen, d. h. in den hinteren Spülen ausgeprägt. In Anlehnung an [14] werden als Faktoren der unvollständigen Vermischung für die drei Spülen angenommen:
<50>
Spritzspülen mit Frischwasser
Zuerst soll betrachtet werden, welches Spülergebnis sich ergibt, wenn das Spritzspülen über allen drei Stufen mit Frischwasser erfolgt. Die entsprechende 3-stufige Spülkaskade mit extern gespeisten Spritzdüsen ist in Abbildung 12 dargestellt. Die Speisung der Spülkaskade erfolgt durch Spritzspülen von 10 Liter pro Warenträger über der dritten Spüle. Über den ersten beiden Spülen wird jeweils eine Mindestsprühmenge von 5 Litern versprüht. Beim Durchsatz von 10 WT/h ergeben sich die Spritzspülvolumenströme:
<51>
Mit den unterschiedlichen Sprühvolumen wird eine etwas unterschiedliche Wirkung des Spritzspülens erwartet. In Anlehnung an die in [15] experimentell ermittelten Werte, sollen die Spritzspülfaktoren mit folgenden Werten vorsichtig angenommen werden:
<52>
d. h. wegen dem geringeren Sprühvolumen wird in den ersten beiden Stufen eine gegenüber der dritten Stufe etwas geringere Wirkung des Sprühens angenommen.
Somit sind die Parameter definiert, um das in Abschnitt 3 dargestellt Modell aufzustellen und zu lösen.
Im ersten Schritt werden mit den Gleichungen <26> die Überlaufvolumenströme der Spülstufen errechnet:
<53>
Zum Aufstellen der Volumenstrom- und Koeffizientenmatrix A werden diese Volumenströme sowie die Faktoren der unvollständigen Vermischung und die Spritzspülfaktoren benötigt. Außerdem sind Strukturparameter festzulegen. So betragen die Faktoren nach Gleichung <25> δ1 = δ2 = 0, da über den Stufen 1 und 2 nicht mit Wasser aus der Folgestufe, sondern mit Frischwasser abgespritzt wird. Ferner ist der Faktor nach Gleichung <16> ε = 0, da es hier keinen Vortauchschritt gib. Entsprechend Gleichung <29> kann somit die Matrix A aufgestellt werden:
<54>
Der Eintragsvektor b nach Gleichung <31> vereinfacht sich erheblich, da das extern zugeführte Wasser die Konzentration Null hat. Lediglich das fünfte Vektorelement ist belegt:
<55>
Zur Lösung des linearen Gleichungssystems wird die Inverse der Volumenstrom- und Koeffizientenmatrix (54) berechnet:
<56>
Der gesuchte Konzentrationsvektor kann nun durch Multiplikation der invertierten Matrix A−1 mit dem Eingangsvektor b (Gleichung <33>) berechnet werden. Es ergibt sich:
<57>
Hierbei geben die ersten drei Werte die Konzentrationen in den Spülstufen an. Der vierte Wert (Verschleppung nach dem Vortauchen) ist hier nicht von Belang, da kein Vortauchen stattfindet. Es folgen die Verschleppungskonzentrationen aus dem Behandlungsprozess und aus den drei Spülstufen. Die letzten vier Werte stellen die Konzentrationen nach dem Tauchspülen und vor dem Absprühen dar. Diese sind interne Rechengrößen des Modells und haben im Ergebnisvektor informativen Charakter.
Das wichtigste Ergebnis ist die Verschleppungskonzentration nach der letzten Spüle cdo3. Dieses wird zur Konzentration des Behandlungsprozesses ins Verhältnis gesetzt, um eine Aussage zur erreichten Spülqualität treffen zu können. Nach Gleichung <34> berechnet sich das entsprechende Spülkriterium:
<58>
Hierbei wird die Konzentration der Flüssigkeitsreste auf der Ware nach vollständigem Abschluss des Spülens betrachtet. Bei den Konzentrationen ist jedoch zu unterscheiden:
- In der Spülstufe 3 liegen stationär 16,2 mg/L vor.
- Durch nichtperfektes Spülen (Faktor der unvollständigen Vermischung 40 %) hat die Verschleppung beim Ausheben 95,6 mg/L.
- Durch das Spritzspülen (Wirksamkeit 45 %) wird die Konzentration der abschließenden Verschleppung wiederum auf 52,6 mg/L abgesenkt.
Beim Vergleich des Spülkriteriums mit Angaben aus der Fachliteratur muss beachtet werden, dass der Begriff „Spülkriterium“ meistens auf die Konzentration in der Spüle bezogen wird, in allgemeiner Form also gilt:
<59>
und hier speziell:
<60>
Genaugenommen drückt dieser Wert weniger die letztendliche Spülqualität aus, sondern die Verdünnung in der Spüle. Entsprechend soll für dieses spülwasserbezogene Spülkriterium im Folgenden der Begriff „Verdünnungsgrad“ verwendet werden. Hingegen wird die auf die Ware bezogene Größe Rw (Gl. <34>) als Spülkriterium bezeichnet. Das Beispiel verdeutlicht, dass bei nichtidealem Spülen eine entsprechende Unterscheidung nötig ist.
Spritzspülen mit Folgewasser
In den ersten beiden Spülen kann das Spritzspülen statt mit Frischwasser auch mit Spülwasser aus der jeweils folgenden Spülstufe realisiert werden, siehe Abbildung 13. Um die sich stationär einstellenden Konzentrationen zu berechnen, müssen lediglich einige Parameter des Modells geändert werden:
- Art des Spritzspülens: δ1 = δ2 = 1.
- Die externen Speiseströmet V.sr1 und V.sr2 entfallen, das heißt, sie werden Null gesetzt.
- Das Spritzspülen über den ersten beiden Spülstufen kann jetzt ohne Mehreinsatz von Wasser wie in der letzten Spülstufe mit 10 l/WT durchgeführt werden. Entsprechend wird eine Spritzspülwirkung wie über der 3. Stufe angenommen:
<61>
Die Überlaufvolumenströme nach den Gleichungen <26> sind dann:
<62>
Die veränderte Volumenstrom- und Koeffizientenmatrix A lautet somit nach Gleichung <29>:
<63>
Der Eintragsvektor b bleibt unverändert, siehe Gleichung <55>. Der gesuchte Konzentrationsvektor kann wiederum entsprechend Gleichung <33> berechnet werden. Es ergeben sich für die Konzentration in Spüle 3 c3 = 27,3 mgl−1 und für die abschließende Verschleppungskonzentration cdo3 = 88,5 mgl−1. Entsprechend beträgt das Spülkriterium Rw3 = 565 und der Verdünnungsfaktor Rt3 = 1832. Das Spülkriterium ist also geringer als im oben beschriebenen Fall. Allerdings ist der Verbrauch an Frischwasser hier deutlich geringer (100 lh−1 statt 200 lh−1), da das Spritzen mit Frischwasser über Stufe 1 und 2 entfällt.
Wird die gleiche Frischwassermenge vollständig in die dritte Stufe gespeist V.sr3 = 200 lh–1, ergibt sich bei gleich angenommenen Spritzspülparametern ein Spülkriterium von Rw3 = 1477. Um das gleich Spülkriterium wie beim Sprühen mit Frischwasser Rw3 = 951 zu erreichen (siehe oben), kann die Wassereinspeisung in Spüle 3 auf V.sr3 = 143 lh−1 reduziert werden.
Wie die Rechnungen zeigen, reduziert das Sprühen mit Wasser aus der Folgestufe die Wassermenge. Allerdings kann diese Technik problematisch sein, da das aus den hinteren Stufen versprühte Spülwasser die Stoffe aus dem Behandlungsprozess in geringer Konzentration enthält. Hier ist im Einzelfall zu prüfen, ob dadurch Gesundheitsgefahren für Mitarbeiter auftreten können. Das kann Grund sein, trotz des höheren Wasserbedarfs durchgängig mit Frischwasser zu sprühen.
6.2 Beispiel: Kreislaufspüle
Betrachtet wird eine 3-stufige Spülkaskade mit einer abschließenden Ionenaustausch-Kreislaufspüle. Aus dem Behandlungsprozess wird pro Warenträger 1,1 Liter einer Prozesslösung mit einer Konzentration von 100 g/L verschleppt. Die Verschleppung aus den Spülstufen ist mit 1,0 Liter pro Warenträger etwas geringer. Pro Stunde werden 10 Warenträger gespült. Beim Tauchspülen muss von nichtidealem Spülen ausgegangen werden. In Anlehnung an [14] sollen für die Faktoren der unvollständigen Vermischung für die drei Spülen und die abschließende Kreislaufspüle angenommen werden mit:
<64>
Die Kaskadenspüle wird durch Spritzspülen mit Frischwasser über der dritten Spülstufe gespeist. Pro Warenträger werden 10 Liter gespritzt. Als Spritzspülfaktor sei ein Wert von 0,5 angenommen. Der Kreislaufvolumenstrom beträgt 300 Liter pro Stunde. Ziel ist es, ein Spülkriterium von 2 000 zu erreichen. Das Spülsystem ist in Abbildung 14 dargestellt.
Bei der Aufstellung des Modells wird die Kreislaufspüle wie in Abschnitt 5.1 durch einen gleichen Zu- und Ablaufvolumenstrom beschrieben, wobei das aus dem Ionenaustauscher rückfließende Wasser eine Konzentration von Null hat. Nach den Gleichungen <39> bis <41> gilt also:
<65>
Weiterhin wird das Modell mit folgenden Parametern belegt:
- Verschleppungsvolumenströme
<66>
- Verschleppungskonzentration aus dem Behandlungsprozess
<67>
- Spritzspülvolumenstrom
<68>
- Spritzspülfaktor
<69>
Alle weiteren Modellparameter sind mit dem Wert Null belegt.
Mit der Lösung der Modellgleichungen soll überprüft werden, ob das angestrebte Gesamtspülkriterium von Rw,set = 2000 erreicht wird. Wie Abschnitt 4.1 beschrieben werden nach der Zusammenstellung aller Modellparameter die Überlaufvolumenströme berechnet. Hier ergibt sich lt. den Gleichungen <26>:
<70>
Mit diesen Überlaufvolumenströmen und den oben aufgeführten Parametern kann die Volumenstrom- und Koeffizientenmatrix A lt. Gleichung <29> aufgestellt werden. Außerdem wird der Eintragsvektor b gebildet (Gl. <30>), der wie im vorherigen Beispiel nur in einem Element belegt ist. Nach Invertierung der Matrix A und Matrixmultiplikation mit dem Vektor b ergibt sich nach Gleichung <33> der Konzentrationsvektor c des Spülsystems.
Die im Vektor enthaltene Verschleppungskonzentration aus der Kreislaufspüle beträgt cdo4 = 0,248 gl−1. Das bedeutet, dass das erreichte Spülkriterium mit Rw = 403 entsprechend des geforderten Wertes von 2000 viel zu gering ist. Eine erste Idee zur Lösung dieses Problems könnte sein, den Kreislaufvolumenstrom zu erhöhen. Einige Rechenversuche mit dem Modell zeigen jedoch, dass auch bei deutlich höherem Kreislaufvolumenstrom das Spülkriterium maximal einen Wert von 410 erreicht.
Zielführender ist eine Erhöhung des Kaskadenvolumenstroms. Hierdurch kann das geforderte Spülkriterium eingestellt werden. Wie in Abschnitt 4.2 beschrieben wurde, entspricht die Ermittlung des nötigen Speisvolumenstroms der Lösung eines eindimensionalen Optimierungsproblems. Das kann z. B. in Microsoft-Excel mit der Zielwertsuche einfach gelöst werden. Wieder mit dem Kreislaufstrom 300 lh−1 ergibt sich für den Speisevolumenstrom V.if3 = 278 lh −1 . Zusammen mit dem Spritzspülen bedeutet das also einen Frischwasserbedarf von 378 lh−1.
Hier taucht die Frage auf, warum trotz 4-stufigem Spülen einschl. Kreislaufspülen ein so großer Wassereinsatz nötig ist, um das geforderte Spülkriterium zu erreichen. Das Problem wird am errechneten Konzentrationsvektor deutlich:
<71>
Beim Vergleich der Spülwasserkonzentrationen ck mit den Verschleppungskonzentrationen cdo,k ist ersichtlich, dass die Verschleppung auf der Ware höher konzentriert ist als das zugehörige Wasser in den Spülbehältern. Besonders ausgeprägt ist das in den letzten beiden Spülen. Ursache hierfür sind die ausgeprägten Effekte unvollständiger Vermischung, die durch die Faktoren der unvollständigen Vermischung lt. Gleichung <64> beschrieben sind. Effekte nichtidealen Spülens treten prinzipiell bei zu kurzen Spülzeiten auf. Ausgeprägt ist das Phänomen außerdem bei sehr geringen Konzentrationen also in den hinteren Spülen. So wurden die in [14] präsentierten Faktoren von 0,4 für die dritte und 0,5 für die vierte Spülstufe bei einer Spülzeit von 40 Sekunden experimentell ermittelt.
Um im hier betrachten Beispiel das gewünschte Spülkriterium ohne hohen Wassereinsatz zu erreichen, ist es nötig, den Effekten unvollständiger Vermischung entgegenzuwirken. Um die Vermischung zu verbessern, könnte z. B. die Liegezeit in der Kreislaufspüle auf Taktzeit verlängert werden, Bei einem mehrminütigen Spülen könnte der Spüleffekt so weit verbessert werden, dass der Faktor der unvollständigen Vermischung z. B. auf α4 = 0.05 abgesenkt wird.
Mit diesem veränderten Parameter ergeben sich beim Kreislaufvolumenstrom von 300 lh−1 und dem Kaskadenvolumenstrom von 100 lh−1 für das Spülwasser in der Kreislaufspüle die Konzentration von 0,0150 gl−1 (Verdünnungsgrad Rt4 = 6 675) und für die Verschleppung aus der Kreislaufspüle 0,0386 gl−1 (Spülkriterium Rw4 = 2588). Damit liegt das erreichte Spülkriterium sogar über dem geforderten Wert. Um den spezifizierten Wert von 2000 einzustellen, kann der Speisestrom der Kaskade auf 84 lh−1 reduziert werden.
6.3 Beispiel: Rückführspüle
In einer Trommelanlage erfolgt nach einem Metallabscheideprozess eine Folge von vier Spülstufen. Die erste Stufe wird als Rückführspüle (sog. Sparspüle) genutzt. Die Beschichtung findet in mehreren parallelen Positionen statt. Die sich daraus ergebende Elektrolytoberfläche und die erhöhte Temperatur führen zu einer Verdunstung von stündlich 15 Litern. Das entsprechende Volumendefizit wird durch Rückführung aus der Sparspüle ausgeglichen. Im Schnitt werden stündlich 8 Trommeln durchgesetzt. Pro Trommel werden 1,25 Liter verschleppt, wobei die Verschleppung aus dem Prozess und aus den Spülstufen als gleich angenommen wird. Im Prozess beträgt die Konzentration 100 gl−1. Das Spülen in den Trommeln ist nicht ideal. In der letzten Spülstufe wird diesem Effekt durch eine längere Spülzeit entgegengewirkt. Entsprechend wird für die Faktoren der unvollständigen Vermischung angenommen:
(72>
Als Spülkriterium ist Rw4,set = 1000 festgelegt. Es soll ermittelt werden, wie sich das Spülkriterium und der Rückführgrad verhalten, wenn die Sparspüle entweder mit Frischwasser oder mit Spülwasser der folgenden Spülstufe aufgefüllt wird.
Auffüllen mit Frischwasser
Es wird der Fall betrachtet, bei dem das durch die Rückführung entstehende Volumendefizit mit Frischwasser aufgefüllt wird. Die entsprechende Struktur zeigt die Abbildung 15. Zuerst sollen die stationären Verhältnisse für den Fall berechnet werden, dass stündlich 100 lh−1 Spülwasser in die letzte Kaskadenspüle eingespeist werden.
Wie in Abschnitt 5.2 beschrieben wird der Ablauf aus der zweiten Spüle so berechnet, dass es keinen Überlauf mehr zur ersten Stufe gibt. Die sich stark vereinfachende Gleichung <45> lautet dann:
<73>
Aus der ersten Spülstufe wird Spüllösung für die Rückführung entnommen und mit Frischwasser aufgefüllt:
<74>
Entsprechend des oben beschriebenen Szenariums sind weiterhin folgende Parameter belegt:
- Verschleppung
<75>
- Speisung der Kaskade
<76>
Alle weiteren Modellparameter sind mit Null belegt. Dann ergeben sich die Überlaufvolumenströme nach den Gleichungen <26>:
<77>
Mit den Überlaufvolumenströmen und den oben aufgeführten Parametern wird die Volumenstrom- und Koeffizientenmatrix A (Gleichung <29>) und der Eintragsvektor b (Gleichung <30>) gebildet. Damit kann der Konzentrationsvektor c entsprechend Gleichung <33> berechnet werden.
Das Spülkriterium berechnet sich wiederum aus dem Verhältnis der Konzentrationen im Prozess und in der Verschleppung aus der letzten Spüle:
<78>
Der zugehörige Verdünnungsgrad der letzten Spüle beträgt dabei Rt4 = 544. Der Rückführgrad gibt an, welcher Anteil der aus dem Behandlungsprozess verschleppten Stoffe wieder zurückgeführt werden kann:
<79>
Die beiden Masseströme ergeben sich hier wie folgt:
<80>
Somit folgt als Rückführgrad:
<81>
Der Rückführgrad ist recht gut; es werden immerhin fast 60 % der Stoffverluste vermieden.
Das Spülkriterium hingegen ist nicht besonders hoch. Soll es gesteigert werden, muss die Spülwasserspeisung erhöht werden. Eine gezielte Suche (math. Optimierung) zeigt, dass z. B. ein Spülkriterium von Rw4 = 1000 mit einem Wassereinsatz von V.if4 = 275 lh–1 erreicht wird. Der Rückführgrad ist davon unberührt, da die Rückführspüle bei diesem Szenarium vollkommen von der folgenden Spülkaskade entkoppelt ist.
Auffüllen mit Spülwasser aus Stufe 2
Zuerst soll der Fall betrachtet werden, bei dem der Volumenstrom aus der Fließkaskade in die Rückführspüle genau dem Rückführvolumenstrom entspricht. In die Rückführspüle erfolgt keine Frischwasserspeisung mehr (V.if1 = 0). Stattdessen wird der Volumenstrom von der zweiten in die erste Stufe gleich der Rückführung einstellt, siehe Abbildung 16.
<82>
Um diesen Volumenstrom zu realisieren, findet ein entsprechend verringerter Verwurf aus der zweiten Stufe statt:
<83>
Wiederum kann wie oben beschrieben der Vektor der stationären Konzentrationen des 4-stufigen Spülsystems berechnet werden. Daraus lassen sich mit den Gleichungen <78> bis <80> das Spülkriterium und der Rückführgrad errechnen:
<84>
Durch die Rückführung aus der zweiten in die erste Spüle kann der Rückführgrad also noch geringfügig gesteigert werden (ca. 4 Prozentpunkte). Allerdings wird das Gesamtspülkriterium dabei etwas niedriger.
Einstellung von Spülkriterium und Rückführgrad
Zur Erhöhung des Spülkriteriums kann der Speisstrom in die letzte Spüle erhöht werden. Alternativ ist es möglich, den Volumenstrom von Stufe 2 in die Rückführspüle zu erhöhen. Dazu wird der Verwurfsvolumenstrom V.o12 verringert. Der in Stufe 1 entstehende Überschuss wird nicht rückgeführt, sondern verworfen. In Abbildung 17 ist diese Struktur schematisch dargestellt.
Eine Optimierungsrechnung zeigt z. B., dass das Spülkriterium Rw4 = 1000 bei einem Verwurf von V.ol2 = 29.3 lh–1 erreicht wird. Es gibt es einen gedrosselten Strom in die Rückführspüle von V.of2 = 70.7 lh–1. Davon werden V.ol1 = 15 lh–1 rückgeführt und V.of1 = 55.7 lh−1 verworfen. Der Rückführgrad beträgt bei der sich in der Rückführspüle einstellenden Konzentration von c1 = 13.5 gl−1 jedoch nur noch y = 20.3 %.
Nun könnte der Wunsch auftauchen, sowohl ein vorgegebenes Spülkriterium als auch gleichzeitig einen bestimmten Rückführgrad zu realisieren. Das ist bei der Spülkaskade mit gedrosselter Rückführspüle möglich, da mit dem Speisevolumenstrom in Stufe 4 und dem Verwurfsvolumenstrom aus Stufe 2 zwei Freiheitsgrade existieren, um die beiden Zielgrößen zu beeinflussen.
Als Beispiel seien im beschriebenen Spülsystem die beiden Zielgrößen spezifiziert mit:
<85>
Durch Veränderung des Zulaufs in die Kaskade V.if4 und des Verwurfs aus Spüle 2 V.ol2 sollen diese Zielwerte eingestellt werden. Das Finden der nötigen Volumenströme entspricht der Lösung eines zweidimensionalen Optimierungsproblems. In Matlab stehen dafür Routinen in der Optimization Toolbox zur Verfügung. In Microsoft Excel kann das Solver Add-in genutzt werden.
Im Allgemeinen wird für die mehrdimensionale Optimierung eine Zielfunktion benötigt, die ein skalares Zielkriterium angibt. Üblich ist dabei, eine Summenfunktion der quadratischen Abweichungen zu formulieren. Die Optimierungsalgorithmen versuchen dann, die Fehlerquadratsumme durch Variation der beiden gesuchten Größen zu minimieren. In diesem Beispiel lautet die entsprechende Zielfunktion:
<86>
Die Berechnung von Spülkriterium und Rückführgrad erfolgt in jedem Optimierungsschritt mit dem vorgestellten stationären Spülmodell. Wird die entsprechende mathematische Optimierung mit technisch sinnvollen Startwerten durchgeführt, wird das Ergebnis problemlos gefunden:
<87>
Mit diesen Volumenströmen stellen sich das Spülkriterium Rw4 = 1000 (Rt4 = 1924) und der Rückführgrad y = 40 % ein.
Fortsetzung folgt ...
Literatur
[14]Buczko, Z.: Multistage Rinsing Systems in Electroplating Lines – New Method of Calculating Based on Imperfect Mixing Model, Transactions of the Institute of Metal Finishing 71(1993)1, 26–29
[15]Giebler, E.; Hauser, S.; Neumann, K.-H.; Reich, A.: Effektive Methode zur Untersuchung von Spritzspülprozessen, Galvanotechnik 95(2004)1, 214–221