Noch keine Trendumkehr für Elektro- und Digitalindustrie in Sicht
„Das vergangene Jahr war für die deutsche Elektro- und Digitalindustrie sehr schwierig. Die Branche verbüßte Rückgänge bei allen relevanten Kennzahlen“, sagt ZVEI-Präsident Dr. Gunther Kegel anlässlich der Jahresauftakt-Pressekonferenz des Verbands. Die preisbereinigte Produktion ist von Januar bis einschließlich November 2024 um über neun Prozent eingebrochen. Damit bleibt sie nochmals hinter der Prognose aus dem Herbst von minus sieben Prozent zurück. Bei den nominalen Erlösen (einschließlich Dienstleistungen) verzeichnete die deutsche Elektro- und Digitalindustrie im gleichen Zeitraum ein Minus von sechseinhalb Prozent. Hochgerechnet auf das Gesamtjahr 2024 ergibt sich daraus ein Umsatz von etwa 223 Milliarden Euro – nach 238 Milliarden Euro im Jahr davor. Die Elektroexporte gaben von Januar bis November 2024 um vier Prozent nach. Hier drehten alle wichtigen Absatzmärkte ins Minus, inklusive der beiden größten Märkte in China und den USA. Auch die Beschäftigung in der Branche ging zurück. Zuletzt waren in Deutschland gut 892.000 Menschen tätig – zwei Prozent weniger als im Vorjahr. „Immer deutlicher tritt zutage, dass die Probleme nicht nur konjunktureller, sondern auch struktureller Art sind“, hebt der ZVEI-Präsident hervor. „Der Industriestandort Deutschland ist überreguliert und zu teuer. Er behindert unternehmerische Initiative und hat an internationaler Wettbewerbsfähigkeit verloren.“ Für 2025 geht der ZVEI davon aus, dass die reale Produktion weiter leicht um zwei Prozent nachgeben wird. „Um ein weiteres Rezessionsjahr zu vermeiden, muss die kommende Bundesregierung dringend handeln. Wir brauchen eine Effizienzwende – nicht nur technologisch, sondern insbesondere auch politisch und regulatorisch: Weniger Bürokratie, mehr Freiheit für Unternehmergeist, mehr Raum für Innovationen“, fordert Kegel nachdrücklich.
Regulierungsdickicht zurückschneiden
Aus Sicht des ZVEI ist die politische Regulatorik aus dem Ruder gelaufen. 13.000 neue EU-Regulierungen in den zurückliegenden fünf Jahren – während in den USA gerade einmal 3.000 hinzukamen. Laut Normenkontrollrat liegen die Bürokratiekosten für die deutsche Wirtschaft bei über 65 Milliarden Euro jährlich – Geld, das für Investitionen und damit neue Wertschöpfung fehlt. „Man muss inzwischen wirklich von einem Regulierungsdickicht sprechen“, so Kegel. Neun von zehn Mitgliedsunternehmen bewerten die allgemeine Belastung durch bürokratische Berichtspflichten als „hoch“ oder „sehr hoch“ und sehen sich hierdurch in ihrer Innovationstätigkeit behindert. Der ZVEI fordert die nächste Bundesregierung zu einem entschlossenen Gegensteuern auf. So muss beispielsweise das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz gestoppt und auf Basis einer dringend zu ändernden EU-Vorgabe neu aufgesetzt werden.
Zuversicht schöpft der ZVEI-Präsident aus den drei Megatrends Elektrifizierung, Digitalisierung und Automatisierung, die nach wie vor uneingeschränkt intakt seien und neue wirtschaftliche Dynamik entfalten könnten. „Technologisch sind wir auf die Effizienzwende und den klimaneutralen Umbau unserer Industriegesellschaft vorbereitet“, so Kegel. „Dazu müssen wir Wettbewerbsfähigkeit und Klimaschutz allerdings besser als bisher in Einklang bringen.“
Unternehmenssteuern und Strompreise absenken
Elementar für neues wirtschaftliches Wachstum sei, das Investitionsklima zu verbessern. „Die finanziellen Belastungen der Unternehmen sind zu hoch“, so der ZVEI-Präsident und fordert eine grundlegende Unternehmenssteuerreform. „Der Solidaritätszuschlag gehört gänzlich abgeschafft und die Unternehmenssteuerbelastung auf ein international wettbewerbsfähiges Niveau abgesenkt.“ Darüber hinaus sei wichtig, mehr Investitionsanreize zu setzen – etwa durch dauerhaft beschleunigte Abschreibungsmöglichkeiten und Investitionsprämien.
Auch die Strompreise gehörten abgesenkt, fordert Wolfgang Weber, Vorsitzender der ZVEI-Geschäftsführung. „Die Stromsteuer muss durch die nächste Bundesregierung für alle Verbrauchergruppen – private Haushalte, Gewerbe, Handel und Dienstleistungen – auf den europäischen Mindestsatz gesenkt werden.“ Wichtig sei zudem, dass der dringend notwendige Ausbau und die Modernisierung der Stromnetze als gesamtgesellschaftliche Aufgabe betrachtet und während der Netzausbauphase zumindest teilweise aus dem Bundeshaushalt bestritten wird. Weber: „Die Strompreise dürfen nicht durch immer höhere Netzentgelte belastet werden.“
Deutschland muss ein liberales und weltoffenes Land bleiben
Der ZVEI tritt für Demokratie und eine liberale, offene Gesellschaft ein. Rassismus, Antisemitismus und Ausländerfeindlichkeit lehnt der Verband entschieden ab. Er appelliert an die Bürgerinnen und Bürger, dem Rechtsextremismus durch die Stimmabgabe bei der Bundestagswahl entgegenzutreten. Rechte Ideologien sind die größte Gefahr für die demokratische Grundordnung, die Einheit Europas, die Freiheit und das Ansehen Deutschlands in der Welt sowie den gesellschaftlichen Zusammenhalt und Wohlstand.
Exportbeschränkungen der Biden-Regierung auf KI-Chips
Wolfgang Weber, Vorsitzender der ZVEI-Geschäftsführung, fordert die EU-Kommission und die kommende Bundesregierung zum Handeln auf und kommentiert die heute bekanntgewordenen Exportbeschränkungen der US-Regierung auf KI-Chips wie folgt:
„Die heute verkündeten Exportbeschränkungen senden ein fatales Zeichen, bestätigen aber den aktuellen Trend. Die internationalen Handelskonflikte verschärfen sich. Die EU-Kommission und die kommende Bundesregierung müssen darauf entschieden reagieren. Europa muss mit einer Stimme sprechen“, so Weber.
„Unter den jetzigen Bedingungen drohen Europa und Deutschland im weltweiten Wettbewerb um Halbleitertechnologien für Künstliche Intelligenz abgehängt zu werden. Dass die US-amerikanische Regierung einzelne europäische Länder herausgreift, darunter wichtige Partner und NATO-Mitglieder wie Polen, ist ein Warnzeichen. In Europa ist die von der US-Regierung verkündete Einteilung und Trennung ohne erhebliche Störungen des Binnenmarkts kaum umsetzbar.
Die Europäische Union darf sich in dieser Frage nicht auseinanderdividieren lassen, sondern muss entschlossen die eigenen politischen und wirtschaftlichen Kräfte bündeln. Wir müssen Forschung, Chipdesign und Produktion in Europa wirksam fördern, um die Resilienz unserer Industrie und Wirtschaft zu stärken und die Verfügbarkeit von Chips und Mikroelektronik dauerhaft zu sichern. Nur so werden wir übrigens auch zu einem ernsthaften Verhandlungspartner anderer Regierungen für künftige Handelsbeziehungen – in den USA und weiteren Ländern.“
Abgewiesene Klagen gegen Netzausbau vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig
Wolfgang Weber, Vorsitzender der ZVEI-Geschäftsführung, sagt zu den Klagen gegen Netzausbau bei Borgholzhausen:
„Die Klagen gegen den Stromnetzausbau abzuweisen, war aus unserer Sicht ein notwendiger Schritt, denn der Ausbau und die Modernisierung der Stromnetze im Zuge der Energiewende sind eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Beim Netzausbau darf es keine weiteren Verzögerungen geben. Mit diesem Richtungsentscheid schafft das Bundesverwaltungsgericht in dieser Frage dringend benötigte Rechtssicherheit.
Ob neue Stromleitungen besser unterirdisch als Erdkabel oder oberirdisch als Freileitungen verlegt werden, hängt von zahlreichen Parametern ab und wird von den relevanten Stakeholdern, insbesondere den Behörden und Netzbetreibern, im Einzelfall entschieden. Der Erfolg der Energiewende und der damit einhergehenden Transformation stünde auf dem Spiel, wenn wir uns im Kleinklein von Einzelinteressen verzetteln. Zudem wären derlei Verzögerungen Gift für die ohnehin schon schwierige konjunkturelle Lage: Wir können uns diese also weder finanziell noch energiepolitisch leisten.
Vielmehr müssen wir beim Umbau unseres Energiesystems vorankommen. Das gelingt aber nur, wenn wir die Rahmenbedingungen verbessern sowie für Sicherheit und Zuversicht sorgen. Das gilt insbesondere auch für den Strompreis. Deshalb sollten die für den Umbau notwendigen Mittel teilweise auch über den Bundeshaushalt bereitgestellt werden. Dies betrifft insbesondere auch Kosten, die nicht direkt durch den Netzbetrieb verursacht werden wie Engpassmanagement und Redispatchkosten. So könnten steigende Netznutzungsentgelte für die Verbraucher verhindert werden.“
Deutsche Elektro- und Digitalindustrie: Auftragseingänge weiterhin kraftlos
Im November 2024 haben die Auftragseingänge der deutschen Elektro- und Digitalindustrie ihren Vorjahreswert noch knapp um 0,7 Prozent verfehlt. „Die Auftragseingänge haben auch im November noch nicht merklich an Schwung gewonnen. Außerdem wurde der Oktoberwert nach unten revidiert, sodass sich das zunächst vermeldete Plus im Nachhinein als Stagnation herausgestellt hat“, sagte ZVEI-Konjunkturexperte Marcus Röckl.
Während die Bestellungen aus dem Inland im November um 9,8 Prozent geringer ausfielen als im Vorjahr, verzeichneten die Auslandsorders ein Plus von 7,8 Prozent. Kunden aus dem Euroraum bestellten 4,8 Prozent weniger. Demgegenüber standen die Aufträge von Geschäftspartnern außerhalb des gemeinsamen Währungsraums, die um 15,1 Prozent zulegten.
In den gesamten ersten elf Monaten 2024 verfehlten die Auftragseingänge ihren entsprechenden Vorjahreswert um 8,5 Prozent. Dabei war das Minus bei den Inlandsorders mit 11,0 Prozent deutlicher als bei den Aufträgen aus dem Ausland (-6,4 %). Hier gingen die Bestellungen aus der Eurozone zwischen Januar und November 2024 um 7,9 Prozent zurück, die aus Drittländern um 5,6 Prozent.
Die reale, also um Preiseffekte bereinigte Produktion elektrotechnischer und elektronischer Güter in Deutschland hat ihr Vorjahreslevel im November 2024 um 9,2 Prozent unterschritten. Damit lag sie im Gesamtzeitraum von Januar bis einschließlich November 9,3 Prozent unter dem entsprechenden Vorjahreswert.
Mit 19,6 Milliarden Euro rangierten die nominalen Erlöse der deutschen Elektro- und Digitalindustrie im November 2024 um 4,3 Prozent niedriger als ein Jahr zuvor. Auch hier wurde der Oktoberwert revidiert, was die zuvor leicht positive Veränderungsrate wieder in negatives Terrain verschoben hat.
Der Inlandsumsatz reduzierte sich im November 2024 um 7,3 Prozent auf 9,5 Milliarden Euro. Der Auslandsumsatz gab im Vergleich dazu nur um 1,6 Prozent auf 10,1 Milliarden Euro nach. Die Erlöse mit ausländischen Kunden verteilten sich dabei zu 3,6 Milliarden Euro (-4,1 %) auf das Geschäft mit dem Euroraum und 6,5 Milliarden Euro (-0,1 %) auf das Geschäft mit Partnern aus Drittländern.
In den gesamten ersten elf Monaten 2024 belief sich der aggregierte Branchenumsatz auf 204,6 Milliarden Euro – ein Minus von 6,3 Prozent gegenüber Vorjahr. Auf das Inlandsgeschäft entfielen zwischen Januar und November des vergangenen Jahres 97,7 Milliarden Euro (-7,2 %), auf das Auslandsgeschäft 106,9 Milliarden Euro (-5,6 %). Mit der Eurozone wurden hier 38,3 Milliarden Euro bzw. 5,9 Prozent weniger umgesetzt als im Vorjahr. Die Erlöse mit Ländern außerhalb des Euroraums kamen auf 68,6 Milliarden Euro (-5,4 %).
Die Elektrounternehmen haben sowohl ihre Produktions- als auch ihre Beschäftigungspläne im Dezember 2024 nach unten angepasst. Die Zahl der Beschäftigten lag zuletzt bei 893.600. Davon befinden sich 37.900 in Kurzarbeit.
Nach leichter Erholung im November ist das Geschäftsklima in der deutschen Elektro- und Digitalindustrie im Dezember 2024 erneut gefallen. Sowohl die aktuelle Geschäftslage als auch die allgemeinen Geschäftserwartungen wurden schlechter beurteilt als im November. „Schließlich hat sich das Geschäftsklima im gesamten Jahr 2024 im negativen Bereich bewegt. Etwas aufgehellt haben sich zuletzt immerhin die Exporterwartungen“, so Röckl.
Termine
Sitzungsdatum |
Name der Sitzung |
Sitzungsort |
Februar |
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24.02.2025 |
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