Eine neue Mehrkammeranlage zur wässrigen Ultraschallreinigung am Fraunhofer FEP bietet künftig flexible Reinigungsmöglichkeiten für die industrielle Bauteilreinigung. Diese Anlage ergänzt das LinTR Lernlabor, welches unter Leitung des Fraunhofer FEP gemeinsam mit den Fraunhofer Instituten IPA, IWS und IVV Dresden entwickelt wurde.
Das Lernlabor bietet dabei ein umfassendes, modulares Weiterbildungskonzept zur industriellen Teileireinigung für verschiedenste Anforderungen und erstmals die Möglichkeit, komplexe Reinigungsprozesse in einer erweiterten Laborumgebung praktisch zu trainieren.
Kampf dem Schmutz
Der sprichwörtliche Sand im Getriebe kann ganze Anlagen zum Stillstand bringen. Oft reichen bereits kleinste Partikelverunreinigungen oder filmischer Restschmutz in Prozessketten, um Funktionseinschränkungen oder ganze Systemschädigungen auf Baugruppen zu verursachen. Eine Betrachtung der gesamten Prozesskette hinsichtlich Sauberkeitsanforderungen ist somit notwendig. Die Sauberkeit der Produktionsumgebung und ggf. notwendige Reinigungsprozesse sind dabei entscheidend für die Erreichung der Qualitätsanforderungen eines zu produzierenden Bauteils. Reinigungsprozesse sind also von qualitätsbestimmender Bedeutung. Hinzu kommen hier noch viele Abhängigkeiten zwischen den Prozessschritten, Vor- und Folgeprozesse, die ebenfalls komplexe Einflüsse auf die Sauberkeit der gesamten Prozesskette haben können.
Wie so oft zählt auch in den Themengebieten Reinigung und Qualitätssicherung nicht nur theoretisches Wissen; gerade beim praktischen Umgang mit Reinigungstechnik sowie Mess- und Prüfgeräten muss das Beherrschen von komplexen Prozessketten in Bezug auf die Teilesauberkeit trainiert werden. Genau hier setzt das neue Lernlabor für Industrielle Teilereinigung – LinTR – an. Gefördert durch die Fraunhofer Academy, arbeiten das Fraunhofer IPA, das Fraunhofer IVV Dresden und das Fraunhofer IWS unter Leitung des Fraunhofer FEP an der Konzeption und Umsetzung der erweiterten Trainingsmöglichkeiten. Diese sollen nicht nur die Aufrüstung technischer Möglichkeiten beinhalten, sondern auch ein modulares, flexibles Konzept und kooperierende Lernorte bieten.
Modulares Trainingskonzept
Anstelle von theoretisch aneinandergereihten Lerneinheiten sollen im Lernlabor LinTR neue methodisch-didaktische Konzepte zum Einsatz kommen. Ziel ist es, alle Lerneinheiten der Prozesskettenbetrachtung unterzuordnen und dazu die passenden praxisnahen Trainingseinheiten anzubieten. Technische und logistische Zusammenhänge können den Teilnehmenden so an den Schnittstellen der Prozesskette nahegebracht werden. Zudem wird die grundlegende Bedeutung der interdisziplinären Kommunikation für die Sicherstellung der Bauteilsauberkeit an allen Stellen der Prozesskette vermittelt, welche in vielen Fällen unerkannte Schwachstellen aufdeckt und zu einfachen Problemlösungen führt. Die guten alten Diskussionen an der zentralen Kaffeemaschine lassen hier grüßen.
Ein modulares Konzept wurde erarbeitet, um auf die verschiedenen Zeitbudgets der künftigen Lernenden reagieren zu können. Das Training kann so flexibel gestaltet werden, dass ein dreitägiges Kompaktseminar ebenso wie eine berufsbegleitende Qualifizierung gebucht werden können. Für das Training der praktischen Fähigkeiten stehen Labore bei allen vier Projektpartnern zur Verfügung. Je nach Umfang werden Live-Videoschaltung oder die direkte Nutzung vor Ort angeboten.
Reinigungsanlage für wässrige Ultraschallreinigung
Parallel dazu wurde im Rahmen des Projektes LinTR am Fraunhofer FEP die vorhandene Reinigungstechnik um eine Mehrkammer-Reinigungsanlage zur wässrigen Ultraschallreinigung erweitert. Die Anlage im Pilotmaßstab besitzt pro Becken ein Fassungsvermögen von 100 Litern und zeichnet sich im Gegensatz zu vielen gängigen Ultraschallreinigungssystemen durch die Möglichkeit flexibel ansteuerbarer Prozessparameter aus. Möglich wird das durch die gezielte Ansteuerung einzelner Ultraschall-Generatoren. Dadurch können Richtung, Frequenz und Leistung des Ultraschalls und damit auch die Reinigungswirkung in weiten Bereichen gesteuert werden. So lassen sich Reinigungsprozesse passgenau auf verschiedenste Verunreinigungen und Bauteile einstellen. Über eine Automatik ist auch die Abfolge der Reinigungsschritte in den sechs Becken frei einstellbar.
Diese Variationsvielfalt soll künftig auch im Zuge des Lernlabors LinTR zum Einsatz kommen. Die erlernten theoretischen Inhalte der Fortbildungen werden didaktisch effektiv an verschiedenen Reinigungsverfahren und auch Prüfmethoden praktisch angewandt. Dazu wurde ein spezielles zweiteiliges Testbauteil entwickelt, das typische Geometrien und Materialien industrieller Bauteile, wie z. B. verschiedenste Bohrungen, Kanten und Verschraubungen sowie Materialkombinationen aus Metall, Kunststoff und additiv gefertigten Komponenten enthält. Durch die Flexibilität der einzelnen Stellgrößen der Anlage können die Teilnehmenden damit praktisch üben und die Reinigungsprozesse optimieren, bis die Verunreinigungen am Testbauteil mit optimaler Einstellung entfernt sind.
Die Reinigungsaufgabe besteht aus einer definierten Modellverunreinigung auf dem Normbauteil. Hierfür werden produktionsrelevante, typische Verunreinigungen (Schmieröl, Kühlschmiermittel und Schleifpasten) auf dem Bauteil standardisiert aufgebracht und anschließend mit verschiedenen Methoden bearbeitet. Die Teilnehmenden haben in der Fortbildung die Chance, durch Variation der Prozessparameter eine zufriedenstellende Lösung der Reinigungsaufgabe zu finden. Die standardisierten Ausgangsbedingungen ermöglichen dann eine vergleichende Analyse der verschiedenen Verfahren und zeigen Grenzen und Möglichkeiten der Methoden am praktischen Beispiel. Eine abschließende Analyse der Bauteile ist ebenfalls integraler Bestandteil der praktischen Tätigkeit.
In Betrieb genommen wird die Mehrkammer-Reinigungsanlage bis zum Projektabschluss des Lernlabors LinTR noch im Herbst dieses Jahres und soll dann mit Ende des Jahres für erste praktische Reinigungsprozesse zur Verfügung stehen. Zusätzlich werden die vier Projektpartner des Lernlabors ab Herbst 2024 über einen vollständigen Modulbaukasten für Fortbildungen zur industriellen Bauteilreinigung verfügen, der punktgenau auf die Anforderungen produzierender Unternehmen abgestimmt ist und erstmals praktische Trainingseinheiten an vorhandenen Laboren bietet.