In Zusammenarbeit mit dem mittelständischem Unternehmen Suragus, welches sich u. a. auf die zerstörungsfreie Werkstoffprüfung mittels Hochfrequenzwirbelstromsensorik spezialisiert hat, ist es dem Fraunhofer-Institut für Organische Elektronik, Elektronenstrahl- und Plasmatechnik FEP gelungen, kontaktlose in-situ-Messungen unter Hochvakuumbedingungen bei Temperauren bis 220 °C zu realisieren.
Mit dem Verfahren können Messungen des Schichtwiderstandes, der Leitfähigkeit oder der Metallschichtdicke direkt nach heißen Schichtabscheide- oder Schichtmodifizierungsprozessen prozessnah mittels berührungsloser Hochfrequenzwirbelstrommessung durchgeführt werden. Auch wurden die Grundlagen für die Prozesscharakterisierung im Bereich von 450 bis 600 °C gelegt. Die Arbeit ist Teil des vom Sächsischen Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr geförderten Projektes ‚HotSense'.
In-situ-Messung des Schichtwiderstandes
Dünne, funktionale leitfähige Schichten mit passgenauen Eigenschaften kommen in vielen Anwendungen vor. Dazu gehören schaltbare oder energieeffiziente Fenstergläser, verschiedene Arten von Solarzellen, Batterien, Halbleiter-Chips oder Touchscreens. Die sehr dünnen Funktionsschichten tragen mit ihren speziellen Eigenschaften maßgeblich zur Funktionalität, Lebensdauer und Leistung der jeweiligen Anwendung bei. Die Beschichtungsprozesse zur Abscheidung dieser Dünnschichten finden meist im Hochvakuum und unter hohen Temperaturen statt. Auch anschließende Temperprozesse zur gezielten Einstellung von Schicht- und/oder Substrateigenschaften finden bei mehreren Hundert Grad Celsius statt. Eine maßgebliche Eigenschaft der dünnen Schichten ist der Schichtwiderstand. Dessen direkte Messung dient der Prozesskontrolle und Stabilisierung.
Um eine hohe Qualität und Funktionalität der Beschichtungen zu gewährleisten, ist eine Charakterisierung und Überwachung der Prozessschritte in-situ, d. h. während der Beschichtungsprozesse, nötig. Insbesondere bei Vakuumprozessen sind kompatible Echtzeit-Messungen – wie die des Schichtwiderstandes – eine Herausforderung, aber erforderlich, um kontaminationsfreie Schichten mit reproduzierbaren Eigenschaften herzustellen. Bisherige Messverfahren für kontaktlose elektrische in-situ-Charakterisierung solcher Vakuumbeschichtungen funktionieren nur bis zu einer Temperatur von 65 °C, was einen effizienten Anlagenbetrieb durch prozessnahe Messung und Prozessregelung verhindert. Diese Grenze wurde nun deutlich erweitert. Die in-situ-Schichtcharakterisierung kann nun direkt im Hochtemperaturprozess bzw. prozessnah und berührungslos erfolgen.
Untersuchungen und Messaufbau
Die beiden Projektpartner untersuchten Messverfahren für die berührungslose in-situ-Charakterisierung des elektrischen Widerstandes dünner Schichten unter Hochvakuum- und Hochtemperaturanforderungen. Nach zwei Jahren Entwicklung ist es den Forschern gelungen, ein Messverfahren zu entwickeln, das bei Temperaturen bis 220 °C zuverlässige Ergebnisse liefert, womit eine Schichtcharakterisierung auch während der Prozessdauer bei so hohen Temperaturen möglich wird. Der Schichtwiderstand muss zudem unter Vakuum gemessen werden, da nur unter dieser Voraussetzung die Schichten weder kontaminiert noch oxidiert werden.
Die Forscher haben einen Messaufbau unter anwendungsnahen Bedingungen entwickelt und Versuche bei unterschiedlichen Temperaturen durchgeführt. Aus den Ergebnissen lässt sich ein Zusammenhang zwischen Temperatur und Messsignal ableiten. Daraus hat Suragus einen Algorithmus entwickelt.
Im Rahmen des Projektes wurde der Sensorkopf für die Charakterisierung neu konzipiert und mit einer Größe von ca. 12 × 40 mm² wesentlich kleiner als bisher gestaltet, wodurch sich weitere Anwendungsfelder in Applikationen mit begrenztem Bauraum eröffnen.
Der gesamte Messaufbau wurde an der In-line-Sputter-Anlage ILA 900 zur Beschichtung von Flachsubstraten, unter Reinraumbedingungen, am Fraunhofer FEP erprobt und entwickelt. Im Ergebnis konnte der neue Messaufbau im Pilot-Maßstab untersucht und charakterisiert werden. Messtechnische Untersuchungen erfolgten zu Drift, Signalstärke, externen Störquellen und dem Verhalten von Sensor, Probe und Temperatur zueinander. Der Widerstandsmessbereich erstreckt sich über drei Dekaden und weist eine Reproduzierbarkeit < 2 % auf. Die hier angestrebte Lösung wird im Ergebnis fünf Messdekaden von 0,001 bis 100 Ohm per square abdecken, was einen Dickenmessbereich von wenigen Nanometern bis einigen Mikrometern abdeckt.
Vorteile für Anwender und Ausblick
Mit dem neuen kontaktlosen Messverfahren zur Überwachung von geheizten Beschichtungs- oder Temperprozessen lassen sich Prozessführung, Schichtqualität und Betriebskosten von Anlagen optimieren. Es werden auch Messungen in weiteren Anwendungen und Anlagentypen möglich.
Suragus hat sich vorgenommen, bis Ende 2023 erste kommerzielle Systeme auf den Markt zu bringen. Beide Projektpartner streben eine Weiterentwicklung der bereits bestehenden Technologie an, um die Messung bei noch höheren Temperaturen zu ermöglichen und sind nach eigener Bekundung auch für kundenspezifische Untersuchungen offen.