Der Rückführprozess – Konzentrationssteuerung und Stoffverluste – Teil 1

Der Rückführprozess – Konzentrationssteuerung und Stoffverluste – Teil 1
  • Titelbild: Abbildung 1: Abgrenzung des Rückführprozesses

Teil 1 – Kontinuierlicher sowie mit veränderlicher Stromausbeute betriebener Rückführprozess

Der Rückführprozess besteht aus einem Beschichtungsprozess mit folgender Rückführspüle. Beim Einsatz löslicher Anoden ergibt sich einDefizitbetrieb oder ein Überschussbetrieb, je nachdem, ob sich die Metallkonzentration unter oder über dem gewünschten Sollwert einstellt. Es werden mathematische Modelle kontinuierlich und diskontinuierlich rückgeführter Prozesse präsentiert. An den Modellen werden verfahrenstechnische Wege zur Steuerung der Konzentration gezeigt. Außerdem werden Möglichkeiten zur Stoffverlustminimierung diskutiert. Dabei wird verdeutlicht, dass im Überschussbetrieb die Verringerung der Stromausbeutedifferenz der einzige Weg zur Senkung der Metallverluste ist.

1 Einleitung

Ein in galvanotechnischen Anlagen häufig genutztes Prinzip zur Reduzierung von Stoffverlusten ist die Rückführung von Spüllösung in den eigentlichen Beschichtungsprozess. Die Grundidee ist dabei, einen Teil der mit der Ware aus dem Prozess in die erste Spüle verschleppten Stoffe wieder zurückzugewinnen. Das spart Einsatzchemie und senkt den Aufwand in der Abwasserbehandlung.

Die klassische Gestaltungsform des Rückführprozesses ist der Betrieb der ersten Spüle als sogenannte „Standspüle“. Das heißt, diese Spüle wird nicht fortlaufend von Wasser durchflossen, wodurch sich die Spüllösung aufkonzentriert. Treten nun Verdunstungsverluste im Beschichtungsprozess auf, kann das Defizit aus dieser Spüle ausgeglichen werden. Die Spüle selbst wird wiederum mit Wasser aufgefüllt. Genau genommen handelt es sich also nicht um eine echte Standspüle. In [1] wird daher von einem „langsam durchflossenen Einzelspülbad“ bzw. einer „Quasistandspüle“ gesprochen. Die direkte Frischwasserzufuhr in den Abscheideprozess wird dabei vollständig eliminiert, indem Frischwasser nur in die Rückführspüle gespeist wird [2]. In [3] wird in diesem Zusammenhang der Begriff „natürliches Recycling“ verwendet. Das heißt, die Rückführung findet entsprechend der sich bei Arbeitstemperatur im Abscheideprozess natürlich einstellenden Verdunstung statt.

Für die Rückführspüle werden unterschiedliche Begriffe verwendet. Am weitesten verbreitet ist der Terminus „Sparspüle“. Dieser soll jedoch hier nicht allgemein verwendet werden, da in diesem Aufsatz gezeigt wird, dass in vielen Fällen eine Steigerung der Rückführung nicht zu weiterer Einsparung führt. Im Englischen werden die Begriffe drag out tank, economy rinse und static rinse verwendet.

Eine spezielle Gestaltungsvariante des Rückführspülens ist die Rückführkaskadenspüle. Dabei gibt es nicht eine, sondern mehrere Rückführspülen, die als Gegenstromkaskade ausgeführt werden. Auch hier wird in die letzte Rückführkaskadenspüle der Verdunstungsverlust des Abscheideprozesses gespeist. Im Vergleich zur einzelnen Rückführspüle kann der Rückführgrad mit der Rückführkaskade gesteigert werden. Außerdem kann trotz des entsprechend der Verdunstung niedrigen Kaskadenwasserstroms eine relevante Spülwirkung erreicht werden. Durch Steigerung der Stufenanzahl kann mit Rückführkaskaden der zum qualitätsgerechten Spülen nötige Wasserbedarf auf die Verdunstungsverluste reduziert werden. Dann kommt es zur sogenannten „vollständigen Rückführung“ [4], da kein überflüssiges Spülwasser und folglich keine Stoffverluste mehr anfallen. Die somit erreichte abwasserfreie Galvanik ist zwar wünschenswert, sie funktioniert jedoch meist nicht ohne zusätzliche technische Maßnahmen, da nicht nur die Einsatzstoffe, sondern auch die Störstoffe zu 100% in den Abscheideprozess zurückgeführt werden und sich dort so stark anreichern, dass die qualitätsgerechte Beschichtung gestört wird.

In Abschnitt 2 dieses Aufsatzes wird zuerst das Stoffstrommodell des kontinuierlich betriebenen Rückführprozesses eingeführt. Das Modell wird dann für den Fall einer gedrosselten Rückführung modifiziert. Außerdem wird mathematisch beschrieben, wie die Konzentration im Rückführprozess durch Dosierung von Metallsalz angehoben werden kann. In Abschnitt3 wird das Modell für den Fall erweitert, dass sich die Stromausbeute in Abhängigkeit der Metallkonzentration relevant ändert. Abschnitt4 stellt dann das Stoffstrommodell für die diskontinuierliche Rückführung vor. Hierbei wird auch die Rückführung eines Teils der Rückführspüle beschrieben und es wird wiederum die gedrosselte Rückführung betrachtet. Um die praktische Nutzung der eingeführten Berechnungsformeln zu zeigen, werden die Abschnitte 2 bis 4 durch ein Beispiel abgerundet. Dabei wird an einem galvanischen Nickelprozess gezeigt, wie sich die Konzentrationsverhältnisse im Rückführprozess bei den unterschiedlichen Betriebsweisen einstellen.

Abschnitt 5 zeigt die Wege, auf denen Metall aus dem Rückführprozess ausgetragen wird. Das dient als Grundlage, um in Abschnitt 6 zuerst die Möglichkeiten zur Konzentrationsabsenkung im Rückführprozess zu diskutieren. Außerdem werden Wege zur Anhebung der Konzentration beschrieben. In Abschnitt 7 wird dann gezeigt, dass sich das Thema Stoffverlustminimierung in unterschiedlichen Betriebssituationen des Rückführprozesses grundsätzlich verschieden darstellt. Abschließend werden in Abschnitt8 Sonderfälle und Grenzen der vorgestellten Modelle behandelt.

2 Der kontinuierlich betriebene Rückführprozess

2.1 Modell des Rückführprozesses

Als Rückführprozess wird die Einheit aus Beschichtungsprozess und Rückführspüle definiert. In Abbildung1 ist der Rückführprozess als Teil einer galvanotechnischen Linie zu erkennen. Aus einer vorgelagerten Spüle wird Wasser in den Beschichtungsprozess eingeschleppt. Vom Beschichtungsprozess wird Prozesslösung in die erste Spüle verschleppt. Von dort findet eine Ausschleppung in das sich anschließende Spülsystem statt. In Abbildung 1 folgt beispielhaft eine dreistufige Fließkaskade. Die erste Spüle nach dem Beschichtungsprozess wird als Rückführspüle („Sparspüle“) betrieben. Das heißt, es wird Spüllösung von dort in den Beschichtungsprozess zurückgeführt. Das ist möglich, wenn dort durch Verdunstung ein Volumendefizit entsteht. Das aus Spüle1 rückgeführte Volumen wird mit Frischwasser aufgefüllt. Ein möglicher Verwurf aus dem Beschichtungsprozess oder aus der Rückführspüle soll vorerst nicht betrachtet werden.

Abbildung 1: Abgrenzung des RückführprozessesAbbildung 1: Abgrenzung des Rückführprozesses

Abbildung 2: Volumenströme im RückführprozessAbbildung 2: Volumenströme im Rückführprozess

Abbildung 2 stellt die Volumenströme im Rückführprozess dar. Es sei angenommen, dass die Einschleppung in den Beschichtungsprozess V.di0 und die Ausschleppung aus dem Beschichtungsprozess V.do0 und aus der Rückführspüle V.di1 gleich sind:

<1>

gt 2024 10 022

Die Verdunstung von Wasser V.evap aus dem Beschichtungsprozess wird vollständig durch den Rückführvolumenstrom V.rt ergänzt. Das dort entstehende Volumendefizit wird wiederum durch den Frischwasservolumenstrom V.ri1 ersetzt. Somit gilt:

<2>

gt 2024 10 023

Es soll nun ein Stoff betrachtet werden, der im Elektrolyten des Beschichtungsprozesses gelöst ist. Hier interessiert insbesondere das abzuscheidende Metall. Eine bestimmte Masse m des Metalls liegt mit einer Konzentration c im Prozessvolumen V vor:

<3>

gt 2024 10 024

Die sich stationär im Rückführprozess einstellenden Konzentrationen können auf Basis einer Massebilanz berechnet werden. In Anhang1 ist die entsprechende Herleitung zu finden. Das Ergebnis zeigt die Abhängigkeit der Metallkonzentrationen im Beschichtungsprozess von der Verschleppung V.d, von der Rückführung V.rt und von den Parametern des galvanischen Prozesses (elektrochemisches Äquivalent AE, Elektrolysestrom Iel, Stromausbeutedifferenz Δη):

<4>

gt 2024 10 025

Der Zusammenhang zwischen den Konzentrationen im Prozess und in der Rückführspüle lautet:

<5>

gt 2024 10 026

Die Konzentration der Rückführspüle berechnet sich mit:

<6>

gt 2024 10 027

Abbildung 3: Masseströme im RückführprozessAbbildung 3: Masseströme im Rückführprozess

Gleichung(4) zeigt, dass die Konzentration im Abscheideprozess von der Verschleppung und der Rückführung abhängt. Hingegen hängt die Konzentration der Rückführspüle lt. Gleichung(6) nicht von der Rückführung ab! Abbildung 3 verdeutlicht die Ursache. Der einzige Austragsweg für das durch den galvanischen Prozess eingelöste Metall ist die Verschleppung aus der Rückführspüle. Das heißt, die Konzentration in der Rückführspüle stellt sich unabhängig von der Rückführung so ein, dass das überschüssige Metall (Stromausbeutedifferenz) durch die Verschleppung abtransportiert wird.

2.2 Drosselung der Rückführung

Abbildung 4: Volumenströme bei ungedrosselter RückführungAbbildung 4: Volumenströme bei ungedrosselter Rückführung

Der in Abschnitt 2.1 eingeführte Rückführprozess beschreibt die Betriebssituation, bei der das gesamte aus dem Beschichtungsprozess verdunstende Volumen durch Spüllösung aus der Rückführspüle aufgefüllt wird. Das heißt, der Rückführvolumenstrom sowie der Frischwasservolumenstrom in die Rückführspüle entsprechen der Verdunstung aus dem Beschichtungsprozess, siehe Abbildung 4. Die Berechnung der Konzentration nach Gleichung(4) nimmt in diesem ungedrosselten Fall die Form an:

<7>

gt 2024 10 028

Abbildung 5: Volumenströme bei gedrosselter RückführungAbbildung 5: Volumenströme bei gedrosselter Rückführung

Alternativ besteht die Möglichkeit, den Rückführvolumenstrom kleiner als die Verdunstung im Beschichtungsprozess einzustellen. In diesem Fall muss das verbleibende Volumendefizit im Beschichtungsprozess mit Frischwasser aufgefüllt werden, siehe Abbildung 5. Wenn die gedrosselte Rückführung also kleiner als die Verdunstung ist (V.rt < V.evap), betragen die Frischwasserströme in den Beschichtungsprozess und in die Rückführspüle:

<8>

gt 2024 10 029

<9>

gt 2024 10 030

Wie Gleichung(4) zeigt, bewirkt die Drosselung des Rückführvolumenstroms eine Veränderung der stationären Konzentration im Beschichtungsprozess. Genau genommen besteht durch das Einstellen des Rückführvolumenstroms die Möglichkeit, die Metallkonzentration im Beschichtungsprozess zu steuern:

<10>

gt 2024 10 031

Abbildung 6: Abhängigkeit der Metallkonzentration von der RückführungAbbildung 6: Abhängigkeit der Metallkonzentration von der Rückführung

Abbildung 6 zeigt, wie die stationäre Metallkonzentration im Beschichtungsprozess von der Rückführung abhängt. Es ist ein linearer Zusammenhang zu erkennen. Dabei gibt es zwei Grenzfälle. Der erste Fall ist der Betrieb ohne Rückführung (V.rt= 0). Die sich einstellende Konzentration soll als die „natürliche Konzentration“ c*0 bezeichnet werden. Als Sonderfall der Gleichung(10) ergibt sich diese Konzentration zu:

<11>

gt 2024 10 032

Der zweite Grenzfall ist der ungedrosselte Betrieb, bei dem entsprechend der Verdunstung maximal möglich zurückgeführt wird. Die sich einstellende Konzentration soll als die natürlich-rückgeführte Konzentration“ c*0,rtbezeichnet werden. Nach Gleichung(10) ist diese Konzentration:

<12>

gt 2024 10 033

Der Rückführvolumenstrom, der nötig ist, um eine bestimmte Sollkonzentration c0,set einzustellen, ergibt sich aus Gleichung(10):

<13>

gt 2024 10 034

2.3 Anheben der Metallkonzentration

gt 2024 10 062Wie Abbildung 6 zeigt, kann die Metallkonzentration im Beschichtungsprozess durch Drosselung der Rückführung abgesenkt werden. Soll nun aber die Konzentration über die natürlich-rückgeführte Konzentration c*0,rt hinaus angehoben werden, bestehen prinzipiell folgende Möglichkeiten:

Erhöhung der Rückführung durch Steigerung der natürlichen Verdunstung:

Die Verdunstung kann durch Erhöhung der Temperatur im Beschichtungsprozess gesteigert werden [5]. Allerdings ist hier zu prüfen, ob eine erhöhte Elektrolyttemperatur aus Sicht der Qualität der galvanischen Abscheidung zulässig ist. Außerdem erfordert eine Steigerung der natürlichen Verdunstung durch Temperaturerhöhung einen zusätzlichen Energieeinsatz.

Erhöhung der Rückführung über die natürliche Verdunstung hinaus durch Einsatz geeigneter Konzentratoren:

Energetisch günstiger ist die Steigerung der Rückführmöglichkeit durch Einsatz von Verdunstern oder Verdampfern [6]. Allerdings ist der gerätetechnische Aufwand entsprechend höher.

Verringerung der Verschleppung:

Wird die Verschleppung aus der Rückführspüle durch geeignete Maßnahmen (siehe z. B. in [7]) reduziert, verringern sich die Stoffverluste aus dem gesamten Rückführprozess. Dadurch wird bei sonst gleichen Parametern (Verdunstung, Stromausbeutedifferenz) ein Anheben der Konzentration im Beschichtungsprozess erreicht.

Anheben der Konzentration durch Dosieren von Metallsalz:

Durch fortlaufendes Dosieren des entsprechenden Metallsalzes kann die Metallkonzentration im Abscheideprozess angehoben werden. Gerätetechnisch ist das relativ einfach zu realisieren. Auf der anderen Seite stehen zusätzliche Kosten, da das Einbringen von Metall über Dosierung von Metallsalz meist teurer ist als das Einlösen über lösliche Anoden. Außerdem erhöht die Metallsalzdosierung die Stoffverluste und damit verbunden wächst der Aufwand der Abwasserbehandlung.

Hochkonzentrierte Dosierung

Erfolgt die Metall-Zudosierung in Form von trockenem Salz oder durch eine hochkonzentrierte Dosierlösung, ist die Volumenzunahme durch das Dosieren deutlich kleiner als die Verdunstungsverluste (V.dos0 << V.evap).

Um die stationären Konzentrationen zu berechnen, die sich bei der Dosierung ergeben, wird die Massebilanzgleichung (27) für den Beschichtungsprozess um einen kontinuierlichen Dosiermassestrom m.dos erweitert:

<14>

gt 2024 10 035

Die Massebilanz der Rückführspüle Gleichung(28) bleibt unverändert.

Für den ungedrosselten Rückführprozess (V.rt = V.evap) ergeben sich aus den Gleichungen(4) und (14) die durch die fortlaufende Dosierung angehobenen Konzentrationen:

<15>

gt 2024 10 036

<16>

gt 2024 10 037

Soll nun eine erhöhte Sollkonzentration Ĉ0 = c0,set eingestellt werden, wird durch geeignete Dosierung eine Anhebung der stationären Konzentration erreicht, entsprechend Gleichungen (4) und (15):

<17>

gt 2024 10 038

Der nötige Dosiermassestrom zur Anhebung der Konzentration um Δc0 ist somit:

<18>

gt 2024 10 039

Diese Gleichung für den Dosiermassestrom gilt nur bei einer hochkonzentrierten Dosierung des Metallsalzes.

Dosierung mit begrenzter Konzentration

Kann das Metallsalz hingegen nicht in trockener Form oder flüssig in hoher Konzentration dosiert werden, wird durch das Dosieren relevant Flüssigkeit in den Beschichtungsprozess eingetragen. Dadurch verringert sich die Rückführmöglichkeit. Um in diesem Fall den nötigen Dosiervolumenstrom V.dos0 für eine Metall-Dosierkonzentration cdos0 zu berechnen, wird der Dosiermassestrom

<19>

gt 2024 10 040

in die Gleichung(14) eingesetzt und mit Gleichung (28) lässt sich die Berechnung des Dosiervolumenstroms als Lösung einer quadratischen Gleichung herleiten:

<20>

gt 2024 10 041

2.4 Beispiel Nickelprozess

Die Nutzung der oben eingeführten Berechnungsformeln soll im Folgenden an einem praxisnahen Beispiel demonstriert werden. Es wird ein galvanischer Nickelprozess betrachtet, der mit löslichen Anoden betrieben wird. Die Trommelbeschichtung findet in einer Reihe parallel betriebener Positionen statt. In Tabelle1 sind die Prozessparameter des Nickelprozesses dargestellt.

 Tabelle 1: Prozessparameter Beispielprozess

Prozessgröße

Formelzeichen

Wert

Elektrolysestrom über alle Positionen

Iel

5000 A

Verschleppung

V.d

20 l/h

Verdunstung bei 55 °C

V.evap

50 l/h

elektrochemisches Äquivalent von Nickel

AE

1,095 g/Ah

Stromausbeutedifferenz

Δη

7 %

Die sich stationär im Nickelprozess einstellende Konzentration hängt vom Rückführvolumenstrom ab. Sie kann mit Gleichung(10) berechnet werden. Die Konzentration in der Rückführspüle ergibt sich aus Gleichung(6). Die sich in Abhängigkeit von der Rückführung stationär einstellenden Konzentrationen sind in Abbildung 7 dargestellt. Es ist zu erkennen, dass sich die Nickelkonzentration im Abscheideprozess mit steigender Rückführung erhöht. Hingegen ist die Konzentration in der Rückführspüle unabhängig vom Rückführvolumenstrom konstant.

Beispielhaft sollen folgende Szenarien betrachtet werden:

  1. Natürlich-rückgeführte Konzentration: In dem bei 55 °C betriebenen Nickelprozess verdunsten in allen Beschichtungswannen 50l/h. Entsprechend Gleichung(12)
    ergibt sich im Nickelprozess eine Konzentration von 67,1g/L.
  2. Konzentrationsabsenkung: Wird eine Konzentration von z. B. 50g/L im Nickelprozess gewünscht, ist eine Konzentrationsabsenkung nötig. Dazu wird die Rückführung reduziert. Wie mit Gleichung(10) überprüft werden kann, stellen sich die gewünschten 50g/L ein, wenn die Rückführung von 50l/h auf 32,2 l/h abgesenkt wird. Das sich ergebende Volumendefizit von 17,8 l/h muss dann direkt im Nickelprozess mit Wasser ausgeglichen werden.
  3. Konzentrationsanhebung durch erhöhte Rückführung: Reicht die sich natürlich einstellende Konzentration von 67,1g/L nicht aus, ist eine Anhebung der Konzentration nötig. Dazu muss die Rückführung gesteigert werden. Diese Steigerung wird bei erhöhter Verdunstung möglich, die durch Erhöhung der Prozesstemperatur erreicht werden kann. Es soll z. B. die Konzentration auf 80g/L angehoben werden. Nach Gleichung(13) muss die Rückführung auf 63,5 l/h gesteigert werden, um die Sollkonzentration von 80g/h einzustellen.
  4. Konzentrationsanhebung durch Dosierung von Nickelsalz: Alternativ zur Steigerung der Rückführung ist ein Anheben der Metallkonzentration durch Dosierung von Nickelsalz möglich. Soll die Konzentration von 67,1g/L auf 80g/L erhöht werden, bedeutet das eine Anhebung um 12,9g/L. Mit Gleichung(18) lässt sich der für die Anhebung nötige Nickelmassestrom mit 73,9 g/h errechnen. Wird das Nickel in Form von Nickelsulfat-Hexahydrat zugegeben, ergibt die stöchiometrische Rechnung eine Dosierung von 330g/L.
  5. Konzentrationsanhebung durch Dosierung von Nickellösung: Das Anheben der Metallkonzentration kann auch durch Dosierung einer Nickellösung erfolgen. Es soll z. B. eine Dosierlösung mit einer Nickelkonzentration von 100g/L verwendet werden, um wiederum eine Prozesskonzentration von 80g/L einzustellen. Entsprechend Gleichung(20) ergibt sich ein nötiger Dosiervolumenstrom von 0,79 l/h.
Anhang 1 Stationäre Konzentrationen im kontinuierlich betriebenen Rückführprozess

Bilanziert wird zuerst der Beschichtungsprozess. In Abbildung 3 ist zu sehen, dass ein Stoffaustrag durch Verschleppung m.do0 stattfindet. Eingetragen wird der entsprechende Stoff durch die Rückführung m.rt. Weiterhin kommt es durch elektrochemische Reaktionen an Anode und Kathode zum Eintrag bzw. Austrag des betrachteten Metalls mit der Brutto-Reaktionsgeschwindigkeit r. Die Einschleppung aus der vorgelagerten Spüle V.di0 bewirkt keinen Masseeintrag gelöster Stoffe, da aus der vorgelagerten Spüle annähernd sauberes Wasser eingetragen wird. Ferner entsteht durch die Verdunstung V.evap kein Masseaustrag von gelösten Stoffen, da nur Wasser verdunstet. Wird außerdem von einem verwurfsfreien Beschichtungsprozess ausgegangen, in den der betrachtete Stoff nicht separat nachdosiert wird, gilt folgende Bilanzgleichung:

<21>

gt 2024 10 042

Der ausgeschleppte Massestrom ergibt sich aus dem Verschleppungsvolumenstrom und der Konzentration. Wird von Idealvermischung ausgegangen, ist die Verschleppungskonzentration gleich der Konzentration im Beschichtungsprozess. Dann gilt:

<22>

gt 2024 10 043

Entsprechend lässt sich der Rückführvolumenstrom berechnen:

<23>

gt 2024 10 044

Bei galvanischen Prozessen dienen als Quelle des Metalls häufig lösliche Anoden. Der wesentliche Teil des eingelösten Metalls wird auf der Ware wieder abgeschieden. Die Geschwindigkeit der Auflösung und Abscheidung ergibt sich aus der anodischen Stromausbeute ηan bzw. der kathodischen Stromausbeute ηkat. Aus der Differenz der beiden Stromausbeuten Δη ergibt sich die Brutto-Reaktionsgeschwindigkeit r, mit der das Metall in den Elektrolyten des Beschichtungsprozesses gelangt:

<24>

gt 2024 10 045

Hierbei ist Iel der Elektrolysestrom und AE das elektrochemische Äquivalent des betreffenden Metalls.

Die Bilanzgleichung der Rückführspüle wird in analoger Form aufgestellt:

<25>

gt 2024 10 046

Der Massestrom der Verschleppung aus der Rückführspüle ist bei angenommener Idealvermischung wiederum:

<26>

gt 2024 10 047

Es sollen nun die stationären Zustände im Rückführprozess berechnet werden. Das stationäre Gleichgewicht ist erreicht, wenn sich die Konzentration nicht mehr ändert. Das heißt, die Masse des betrachteten Stoffes im Bilanzraum ist konstant. Für den Beschichtungsprozess folgt aus den Gleichungen(21) bis (24) dann:

<27>

gt 2024 10 048

In der Rückführspüle ergibt sich aus den Gleichungen(25) und (26):

<28>

gt 2024 10 049

Setzt man nun die Gleichungen (27) und (28) ineinander ein, lassen sich die stationären Metallkonzentrationen im Beschichtungsprozess berechnen:

<29>

gt 2024 10 050

Für die Rückführspüle ergibt sich aus Gleichung (28)

<30>

gt 2024 10 051

und nach Einsetzen von Gleichung (29) folgt:

<31>

gt 2024 10 052

3 Der Rückführprozess mit veränderlicher Stromausbeute 3.1 Modell mit veränderlicher Stromausbeute

Die in Abschnitt 2 dargestellten Berechnungen wurden für eine konstant angenommene Stromausbeutedifferenz Δη hergeleitet. In realen Prozessen kann sich insb. die kathodische Stromausbeute bei Veränderung der Metallkonzentration ändern. Die Abhängigkeit der Stromausbeute von der Konzentration ist im Allgemeinen ein nichtlinearer Zusammenhang:

<32>

gt 2024 10 053

Wird jedoch ein begrenzter Arbeitsbereich der Konzentration c0 [c0,min, c0,max] betrachtet, kann eine lineare Abhängigkeit der Stromausbeute von der Konzentration angenommen werden:

<33>

gt 2024 10 054

In Abbildung 8 ist eine konzentrationsabhängige Stromausbeute beispielhaft dargestellt. Es ist eine nichtlineare Verringerung der kathodischen Stromausbeute ηkat bei sinkender Konzentration erkennbar. Entsprechend ändert sich die Differenz Δη zur konstant angenommenen anodischen Stromausbeute ebenfalls nichtlinear. Im Arbeitsbereich lässt sich eine lineare Näherung für die kathodische Stromausbeute ηkat,lin bzw. für die Stromausbeutedifferenz Δη lin anwenden.

Abbildung 8: Konzentrationsabhängige StromausbeuteAbbildung 8: Konzentrationsabhängige Stromausbeute

Wird diese lineare Abhängigkeit in Gleichung(29) eingesetzt, folgt für die sich stationär im Abscheideprozess einstellende Konzentration:

<34>

gt 2024 10 055

Für die Konzentration in der Rückführspüle c1 gilt weiterhin Gleichung(30).

3.2 Beispiel Nickelprozess

Es wird wiederum der im Abschnitt 2.4 beschriebene galvanische Nickelprozess mit Rückführung betrachtet. Allerdings soll jetzt keine konstante Stromausbeute, sondern eine von der Nickelkonzentration abhängige Stromausbeute betrachtet werden. Es sei bekannt, dass bei einer Nickelkonzentration von 50g/L die mittlere kathodische Stromausbeute 91% beträgt. Bei 90g/L liegt die Stromausbeute bei 94%. Mit einer anodischen Stromausbeute von 99% ergeben sich Stromausbeutedifferenzen von 8% bzw. 5%. Aus den beiden Wertepaaren von Konzentration und Stromausbeute folgen die Parameter der linearen Näherung nach Gleichung(33) a = –0,00075 l/g und b = 0,1175.

Abbildung 9: Konzentration im Rückführprozess bei veränderlicher StromausbeuteAbbildung 9: Konzentration im Rückführprozess bei veränderlicher Stromausbeute

Mit den linearen Parametern kann die Konzentration im Nickelprozess nach Gleichung(34) berechnet werden und daraus lässt sich mit Gleichung(5) die Konzentration der Rückführspüle ermitteln. In Abbildung 9 sind die Nickelkonzentrationen im Rückführprozess in Abhängigkeit von der Rückführung dargestellt. Es ist zu erkennen, dass die Konzentration im Beschichtungsprozess mit steigender Rückführung zunimmt. Im Gegensatz zum Prozess mit konstanter Stromausbeute (siehe Abbildung 7) ist der Anstieg hier allerdings nicht linear. Ferner ist zu sehen, dass die Konzentration in der Rückführspüle nicht mehr konstant ist. Mit steigender Rückführung sinkt die Konzentration in der Rückführspüle leicht ab. Ursache ist die sinkende Stromausbeutedifferenz im Nickelprozess. Somit muss weniger Nickel abtransportiert werden, sodass sich die Konzentration in der Rückführspüle stationär auf einen geringeren Wert einstellt.

 Tabelle 2: Vergleich der Rückführung bei konstanter und veränderlicher Stromausbeute
 

Stromausbeute konstant

Stromausbeute veränderlich

Rückführung

Konzentration

Rückführung

Konzentration

natürliche Rückführung

50,0 l/h

67,1 g/L

50,0 l/h

65,5 l/h

gedrosselte Rückführung

32,2 l/h

50,0 g/L

25,7 l/h

50,0 g/L

gesteigerte Rückführung

63,5 l/h

80,0 g/L

81,6 l/h

80,0 g/L

In Abbildung 9 sind wiederum die ersten drei Szenarien aus Abschnitt 2.4 markiert. In Tabelle 2 sind diese Szenarien für die konstante und die veränderliche Stromausbeute vergleichend dargestellt. Daraus wird deutlich, dass beim betrachteten Prozess mit konzentrationsabhängiger Stromausbeute eine größere Änderung des Rückführvolumenstroms nötig ist, um eine bestimmte Prozesskonzentration einzustellen.

Formelzeichen

AE elektrochemisches Äquivalent

a Anstieg der linearen Näherung der Stromausbeutefunktion

b Verschiebungskonstante der linearen Näherung der Stromausbeutefunktion

c Konzentration in einer Spülstufe

ĉ durch Dosierung angehobene Konzentration

c*0 natürliche Konzentration im Abscheideprozess (ohne Rückführung)

c*0,rt natürlich-rückgeführte Konzentration im Abscheideprozess (Rückführung entsprechend Verdunstung)

c-0 mittlere Verschleppungskonzentration aus dem Abscheideprozess

lelElektrolysestrom

m Masse (eines gelösten Stoffes)

m. Massestrom (eines gelösten Stoffes)

prt Volumenanteil der Rückführspüle, der diskontinuierlich rückgeführt wird

Qrd Quotient aus Verdunstung und Verschleppung

r Reaktionsgeschwindigkeit

t Zeit

Δt Zeitabstand zwischen (diskontinuierlicher) Rückführung

Δt Zeitpunkt unmittelbar vor der diskontinuierlichen Rückführung

+Δt Zeitpunkt unmittelbar nach der diskontinuierlichen Rückführung

V Volumen

V. Volumenstrom

V.rt mittlere Rückführrate (bei diskontinuierlicher Rückführung)

η Stromausbeute

Δη Stromausbeutedifferenz (anodisch zu kathodisch)

Indizes

d Verschleppung (Einschleppung = Ausschleppung)

di Einschleppung (drag in)

do Ausschleppung (drag out)

dos Dosierung

evap Verdunstung (evaporation)

lin lineare Näherung

ri Zufluss (rinse in)

ro Abfluss (rinse out)

rt Rückführung (return)

set Sollwert

wa Verwurf (waste)

0 Stufe 0: Abscheideprozess

1 Stufe 1: Rückführspüle

 

Literatur

[1] Götzelmann, W.; Hartinger, L.: Wassersparende Spülsysteme und lonenaustausch-Kreislaufanlagen. Galvanotechnik 73 (1982) 8, 832-842
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[9] Giebler, E.: Umfassendes Modell realer Spülsysteme – Teil 1-4. Galvanotechnik 114 (2023) 5-8, S. 616-624, 752-759, 918-925, 1052-1057
[10] Buczko, Z.: Multistage Rinsing Systems in Electroplating Lines – New Method of Calculating Based on Imperfect Mixing Model. Transactions of the Institute of Metal Finishing 71 (1993) 1, 26-29
[11] Giebler, E.: Simulation von Verfahrensprozessen – Bibliothek von Simulationsmodellen für galvano- und oberflächentechnische Verfahrensprozesse. Metalloberfläche 57 (2003) 1-2, 21-26
[12] Zietz, A.: Die Bestimmung der kathodischen Stromausbeute. Galvanotechnik 47 (1956) 8, 350-351
[13] Giebler, E.: Onlinemessung – Schichtdicke, Abscheidegeschwindigkeit und Stromausbeute in galvanischen Prozessen. Galvanotechnik 114 (2016) 11, 2213-2223

  • Ausgabe: Oktober
  • Jahr: 2024
  • Autoren: Dr.-Ing. Eckart Giebler
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