Teil 1 – Kontinuierlicher sowie mit veränderlicher Stromausbeute betriebener Rückführprozess
Der Rückführprozess besteht aus einem Beschichtungsprozess mit folgender Rückführspüle. Beim Einsatz löslicher Anoden ergibt sich einDefizitbetrieb oder ein Überschussbetrieb, je nachdem, ob sich die Metallkonzentration unter oder über dem gewünschten Sollwert einstellt. Es werden mathematische Modelle kontinuierlich und diskontinuierlich rückgeführter Prozesse präsentiert. An den Modellen werden verfahrenstechnische Wege zur Steuerung der Konzentration gezeigt. Außerdem werden Möglichkeiten zur Stoffverlustminimierung diskutiert. Dabei wird verdeutlicht, dass im Überschussbetrieb die Verringerung der Stromausbeutedifferenz der einzige Weg zur Senkung der Metallverluste ist.
1 Einleitung
Ein in galvanotechnischen Anlagen häufig genutztes Prinzip zur Reduzierung von Stoffverlusten ist die Rückführung von Spüllösung in den eigentlichen Beschichtungsprozess. Die Grundidee ist dabei, einen Teil der mit der Ware aus dem Prozess in die erste Spüle verschleppten Stoffe wieder zurückzugewinnen. Das spart Einsatzchemie und senkt den Aufwand in der Abwasserbehandlung.
Die klassische Gestaltungsform des Rückführprozesses ist der Betrieb der ersten Spüle als sogenannte „Standspüle“. Das heißt, diese Spüle wird nicht fortlaufend von Wasser durchflossen, wodurch sich die Spüllösung aufkonzentriert. Treten nun Verdunstungsverluste im Beschichtungsprozess auf, kann das Defizit aus dieser Spüle ausgeglichen werden. Die Spüle selbst wird wiederum mit Wasser aufgefüllt. Genau genommen handelt es sich also nicht um eine echte Standspüle. In [1] wird daher von einem „langsam durchflossenen Einzelspülbad“ bzw. einer „Quasistandspüle“ gesprochen. Die direkte Frischwasserzufuhr in den Abscheideprozess wird dabei vollständig eliminiert, indem Frischwasser nur in die Rückführspüle gespeist wird [2]. In [3] wird in diesem Zusammenhang der Begriff „natürliches Recycling“ verwendet. Das heißt, die Rückführung findet entsprechend der sich bei Arbeitstemperatur im Abscheideprozess natürlich einstellenden Verdunstung statt.
Für die Rückführspüle werden unterschiedliche Begriffe verwendet. Am weitesten verbreitet ist der Terminus „Sparspüle“. Dieser soll jedoch hier nicht allgemein verwendet werden, da in diesem Aufsatz gezeigt wird, dass in vielen Fällen eine Steigerung der Rückführung nicht zu weiterer Einsparung führt. Im Englischen werden die Begriffe drag out tank, economy rinse und static rinse verwendet.
Eine spezielle Gestaltungsvariante des Rückführspülens ist die Rückführkaskadenspüle. Dabei gibt es nicht eine, sondern mehrere Rückführspülen, die als Gegenstromkaskade ausgeführt werden. Auch hier wird in die letzte Rückführkaskadenspüle der Verdunstungsverlust des Abscheideprozesses gespeist. Im Vergleich zur einzelnen Rückführspüle kann der Rückführgrad mit der Rückführkaskade gesteigert werden. Außerdem kann trotz des entsprechend der Verdunstung niedrigen Kaskadenwasserstroms eine relevante Spülwirkung erreicht werden. Durch Steigerung der Stufenanzahl kann mit Rückführkaskaden der zum qualitätsgerechten Spülen nötige Wasserbedarf auf die Verdunstungsverluste reduziert werden. Dann kommt es zur sogenannten „vollständigen Rückführung“ [4], da kein überflüssiges Spülwasser und folglich keine Stoffverluste mehr anfallen. Die somit erreichte abwasserfreie Galvanik ist zwar wünschenswert, sie funktioniert jedoch meist nicht ohne zusätzliche technische Maßnahmen, da nicht nur die Einsatzstoffe, sondern auch die Störstoffe zu 100% in den Abscheideprozess zurückgeführt werden und sich dort so stark anreichern, dass die qualitätsgerechte Beschichtung gestört wird.
In Abschnitt 2 dieses Aufsatzes wird zuerst das Stoffstrommodell des kontinuierlich betriebenen Rückführprozesses eingeführt. Das Modell wird dann für den Fall einer gedrosselten Rückführung modifiziert. Außerdem wird mathematisch beschrieben, wie die Konzentration im Rückführprozess durch Dosierung von Metallsalz angehoben werden kann. In Abschnitt3 wird das Modell für den Fall erweitert, dass sich die Stromausbeute in Abhängigkeit der Metallkonzentration relevant ändert. Abschnitt4 stellt dann das Stoffstrommodell für die diskontinuierliche Rückführung vor. Hierbei wird auch die Rückführung eines Teils der Rückführspüle beschrieben und es wird wiederum die gedrosselte Rückführung betrachtet. Um die praktische Nutzung der eingeführten Berechnungsformeln zu zeigen, werden die Abschnitte 2 bis 4 durch ein Beispiel abgerundet. Dabei wird an einem galvanischen Nickelprozess gezeigt, wie sich die Konzentrationsverhältnisse im Rückführprozess bei den unterschiedlichen Betriebsweisen einstellen.
Abschnitt 5 zeigt die Wege, auf denen Metall aus dem Rückführprozess ausgetragen wird. Das dient als Grundlage, um in Abschnitt 6 zuerst die Möglichkeiten zur Konzentrationsabsenkung im Rückführprozess zu diskutieren. Außerdem werden Wege zur Anhebung der Konzentration beschrieben. In Abschnitt 7 wird dann gezeigt, dass sich das Thema Stoffverlustminimierung in unterschiedlichen Betriebssituationen des Rückführprozesses grundsätzlich verschieden darstellt. Abschließend werden in Abschnitt8 Sonderfälle und Grenzen der vorgestellten Modelle behandelt.
2 Der kontinuierlich betriebene Rückführprozess
2.1 Modell des Rückführprozesses
Als Rückführprozess wird die Einheit aus Beschichtungsprozess und Rückführspüle definiert. In Abbildung1 ist der Rückführprozess als Teil einer galvanotechnischen Linie zu erkennen. Aus einer vorgelagerten Spüle wird Wasser in den Beschichtungsprozess eingeschleppt. Vom Beschichtungsprozess wird Prozesslösung in die erste Spüle verschleppt. Von dort findet eine Ausschleppung in das sich anschließende Spülsystem statt. In Abbildung 1 folgt beispielhaft eine dreistufige Fließkaskade. Die erste Spüle nach dem Beschichtungsprozess wird als Rückführspüle („Sparspüle“) betrieben. Das heißt, es wird Spüllösung von dort in den Beschichtungsprozess zurückgeführt. Das ist möglich, wenn dort durch Verdunstung ein Volumendefizit entsteht. Das aus Spüle1 rückgeführte Volumen wird mit Frischwasser aufgefüllt. Ein möglicher Verwurf aus dem Beschichtungsprozess oder aus der Rückführspüle soll vorerst nicht betrachtet werden.
Abbildung 2 stellt die Volumenströme im Rückführprozess dar. Es sei angenommen, dass die Einschleppung in den Beschichtungsprozess V.di0 und die Ausschleppung aus dem Beschichtungsprozess V.do0 und aus der Rückführspüle V.di1 gleich sind:
<1>
Die Verdunstung von Wasser V.evap aus dem Beschichtungsprozess wird vollständig durch den Rückführvolumenstrom V.rt ergänzt. Das dort entstehende Volumendefizit wird wiederum durch den Frischwasservolumenstrom V.ri1 ersetzt. Somit gilt:
<2>
Es soll nun ein Stoff betrachtet werden, der im Elektrolyten des Beschichtungsprozesses gelöst ist. Hier interessiert insbesondere das abzuscheidende Metall. Eine bestimmte Masse m des Metalls liegt mit einer Konzentration c im Prozessvolumen V vor:
<3>
Die sich stationär im Rückführprozess einstellenden Konzentrationen können auf Basis einer Massebilanz berechnet werden. In Anhang1 ist die entsprechende Herleitung zu finden. Das Ergebnis zeigt die Abhängigkeit der Metallkonzentrationen im Beschichtungsprozess von der Verschleppung V.d, von der Rückführung V.rt und von den Parametern des galvanischen Prozesses (elektrochemisches Äquivalent AE, Elektrolysestrom Iel, Stromausbeutedifferenz Δη):
<4>
Der Zusammenhang zwischen den Konzentrationen im Prozess und in der Rückführspüle lautet:
<5>
Die Konzentration der Rückführspüle berechnet sich mit:
<6>
Gleichung(4) zeigt, dass die Konzentration im Abscheideprozess von der Verschleppung und der Rückführung abhängt. Hingegen hängt die Konzentration der Rückführspüle lt. Gleichung(6) nicht von der Rückführung ab! Abbildung 3 verdeutlicht die Ursache. Der einzige Austragsweg für das durch den galvanischen Prozess eingelöste Metall ist die Verschleppung aus der Rückführspüle. Das heißt, die Konzentration in der Rückführspüle stellt sich unabhängig von der Rückführung so ein, dass das überschüssige Metall (Stromausbeutedifferenz) durch die Verschleppung abtransportiert wird.
2.2 Drosselung der Rückführung
Der in Abschnitt 2.1 eingeführte Rückführprozess beschreibt die Betriebssituation, bei der das gesamte aus dem Beschichtungsprozess verdunstende Volumen durch Spüllösung aus der Rückführspüle aufgefüllt wird. Das heißt, der Rückführvolumenstrom sowie der Frischwasservolumenstrom in die Rückführspüle entsprechen der Verdunstung aus dem Beschichtungsprozess, siehe Abbildung 4. Die Berechnung der Konzentration nach Gleichung(4) nimmt in diesem ungedrosselten Fall die Form an:
<7>
Alternativ besteht die Möglichkeit, den Rückführvolumenstrom kleiner als die Verdunstung im Beschichtungsprozess einzustellen. In diesem Fall muss das verbleibende Volumendefizit im Beschichtungsprozess mit Frischwasser aufgefüllt werden, siehe Abbildung 5. Wenn die gedrosselte Rückführung also kleiner als die Verdunstung ist (V.rt < V.evap), betragen die Frischwasserströme in den Beschichtungsprozess und in die Rückführspüle:
<8>
<9>
Wie Gleichung(4) zeigt, bewirkt die Drosselung des Rückführvolumenstroms eine Veränderung der stationären Konzentration im Beschichtungsprozess. Genau genommen besteht durch das Einstellen des Rückführvolumenstroms die Möglichkeit, die Metallkonzentration im Beschichtungsprozess zu steuern:
<10>
Abbildung 6 zeigt, wie die stationäre Metallkonzentration im Beschichtungsprozess von der Rückführung abhängt. Es ist ein linearer Zusammenhang zu erkennen. Dabei gibt es zwei Grenzfälle. Der erste Fall ist der Betrieb ohne Rückführung (V.rt= 0). Die sich einstellende Konzentration soll als die „natürliche Konzentration“ c*0 bezeichnet werden. Als Sonderfall der Gleichung(10) ergibt sich diese Konzentration zu:
<11>
Der zweite Grenzfall ist der ungedrosselte Betrieb, bei dem entsprechend der Verdunstung maximal möglich zurückgeführt wird. Die sich einstellende Konzentration soll als die natürlich-rückgeführte Konzentration“ c*0,rtbezeichnet werden. Nach Gleichung(10) ist diese Konzentration:
<12>
Der Rückführvolumenstrom, der nötig ist, um eine bestimmte Sollkonzentration c0,set einzustellen, ergibt sich aus Gleichung(10):
<13>
2.3 Anheben der Metallkonzentration
Wie Abbildung 6 zeigt, kann die Metallkonzentration im Beschichtungsprozess durch Drosselung der Rückführung abgesenkt werden. Soll nun aber die Konzentration über die natürlich-rückgeführte Konzentration c*0,rt hinaus angehoben werden, bestehen prinzipiell folgende Möglichkeiten:
Erhöhung der Rückführung durch Steigerung der natürlichen Verdunstung:
Die Verdunstung kann durch Erhöhung der Temperatur im Beschichtungsprozess gesteigert werden [5]. Allerdings ist hier zu prüfen, ob eine erhöhte Elektrolyttemperatur aus Sicht der Qualität der galvanischen Abscheidung zulässig ist. Außerdem erfordert eine Steigerung der natürlichen Verdunstung durch Temperaturerhöhung einen zusätzlichen Energieeinsatz.
Erhöhung der Rückführung über die natürliche Verdunstung hinaus durch Einsatz geeigneter Konzentratoren:
Energetisch günstiger ist die Steigerung der Rückführmöglichkeit durch Einsatz von Verdunstern oder Verdampfern [6]. Allerdings ist der gerätetechnische Aufwand entsprechend höher.
Verringerung der Verschleppung:
Wird die Verschleppung aus der Rückführspüle durch geeignete Maßnahmen (siehe z. B. in [7]) reduziert, verringern sich die Stoffverluste aus dem gesamten Rückführprozess. Dadurch wird bei sonst gleichen Parametern (Verdunstung, Stromausbeutedifferenz) ein Anheben der Konzentration im Beschichtungsprozess erreicht.
Anheben der Konzentration durch Dosieren von Metallsalz:
Durch fortlaufendes Dosieren des entsprechenden Metallsalzes kann die Metallkonzentration im Abscheideprozess angehoben werden. Gerätetechnisch ist das relativ einfach zu realisieren. Auf der anderen Seite stehen zusätzliche Kosten, da das Einbringen von Metall über Dosierung von Metallsalz meist teurer ist als das Einlösen über lösliche Anoden. Außerdem erhöht die Metallsalzdosierung die Stoffverluste und damit verbunden wächst der Aufwand der Abwasserbehandlung.
Hochkonzentrierte Dosierung
Erfolgt die Metall-Zudosierung in Form von trockenem Salz oder durch eine hochkonzentrierte Dosierlösung, ist die Volumenzunahme durch das Dosieren deutlich kleiner als die Verdunstungsverluste (V.dos0 << V.evap).
Um die stationären Konzentrationen zu berechnen, die sich bei der Dosierung ergeben, wird die Massebilanzgleichung (27) für den Beschichtungsprozess um einen kontinuierlichen Dosiermassestrom m.dos erweitert:
<14>
Die Massebilanz der Rückführspüle Gleichung(28) bleibt unverändert.
Für den ungedrosselten Rückführprozess (V.rt = V.evap) ergeben sich aus den Gleichungen(4) und (14) die durch die fortlaufende Dosierung angehobenen Konzentrationen:
<15>
<16>
Soll nun eine erhöhte Sollkonzentration Ĉ0 = c0,set eingestellt werden, wird durch geeignete Dosierung eine Anhebung der stationären Konzentration erreicht, entsprechend Gleichungen (4) und (15):
<17>
Der nötige Dosiermassestrom zur Anhebung der Konzentration um Δc0 ist somit:
<18>
Diese Gleichung für den Dosiermassestrom gilt nur bei einer hochkonzentrierten Dosierung des Metallsalzes.
Dosierung mit begrenzter Konzentration
Kann das Metallsalz hingegen nicht in trockener Form oder flüssig in hoher Konzentration dosiert werden, wird durch das Dosieren relevant Flüssigkeit in den Beschichtungsprozess eingetragen. Dadurch verringert sich die Rückführmöglichkeit. Um in diesem Fall den nötigen Dosiervolumenstrom V.dos0 für eine Metall-Dosierkonzentration cdos0 zu berechnen, wird der Dosiermassestrom
<19>
in die Gleichung(14) eingesetzt und mit Gleichung (28) lässt sich die Berechnung des Dosiervolumenstroms als Lösung einer quadratischen Gleichung herleiten:
<20>
2.4 Beispiel Nickelprozess
Die Nutzung der oben eingeführten Berechnungsformeln soll im Folgenden an einem praxisnahen Beispiel demonstriert werden. Es wird ein galvanischer Nickelprozess betrachtet, der mit löslichen Anoden betrieben wird. Die Trommelbeschichtung findet in einer Reihe parallel betriebener Positionen statt. In Tabelle1 sind die Prozessparameter des Nickelprozesses dargestellt.
Prozessgröße |
Formelzeichen |
Wert |
Elektrolysestrom über alle Positionen |
Iel |
5000 A |
Verschleppung |
V.d |
20 l/h |
Verdunstung bei 55 °C |
V.evap |
50 l/h |
elektrochemisches Äquivalent von Nickel |
AE |
1,095 g/Ah |
Stromausbeutedifferenz |
Δη |
7 % |
Die sich stationär im Nickelprozess einstellende Konzentration hängt vom Rückführvolumenstrom ab. Sie kann mit Gleichung(10) berechnet werden. Die Konzentration in der Rückführspüle ergibt sich aus Gleichung(6). Die sich in Abhängigkeit von der Rückführung stationär einstellenden Konzentrationen sind in Abbildung 7 dargestellt. Es ist zu erkennen, dass sich die Nickelkonzentration im Abscheideprozess mit steigender Rückführung erhöht. Hingegen ist die Konzentration in der Rückführspüle unabhängig vom Rückführvolumenstrom konstant.
Beispielhaft sollen folgende Szenarien betrachtet werden:
- Natürlich-rückgeführte Konzentration: In dem bei 55 °C betriebenen Nickelprozess verdunsten in allen Beschichtungswannen 50l/h. Entsprechend Gleichung(12)
ergibt sich im Nickelprozess eine Konzentration von 67,1g/L. - Konzentrationsabsenkung: Wird eine Konzentration von z. B. 50g/L im Nickelprozess gewünscht, ist eine Konzentrationsabsenkung nötig. Dazu wird die Rückführung reduziert. Wie mit Gleichung(10) überprüft werden kann, stellen sich die gewünschten 50g/L ein, wenn die Rückführung von 50l/h auf 32,2 l/h abgesenkt wird. Das sich ergebende Volumendefizit von 17,8 l/h muss dann direkt im Nickelprozess mit Wasser ausgeglichen werden.
- Konzentrationsanhebung durch erhöhte Rückführung: Reicht die sich natürlich einstellende Konzentration von 67,1g/L nicht aus, ist eine Anhebung der Konzentration nötig. Dazu muss die Rückführung gesteigert werden. Diese Steigerung wird bei erhöhter Verdunstung möglich, die durch Erhöhung der Prozesstemperatur erreicht werden kann. Es soll z. B. die Konzentration auf 80g/L angehoben werden. Nach Gleichung(13) muss die Rückführung auf 63,5 l/h gesteigert werden, um die Sollkonzentration von 80g/h einzustellen.
- Konzentrationsanhebung durch Dosierung von Nickelsalz: Alternativ zur Steigerung der Rückführung ist ein Anheben der Metallkonzentration durch Dosierung von Nickelsalz möglich. Soll die Konzentration von 67,1g/L auf 80g/L erhöht werden, bedeutet das eine Anhebung um 12,9g/L. Mit Gleichung(18) lässt sich der für die Anhebung nötige Nickelmassestrom mit 73,9 g/h errechnen. Wird das Nickel in Form von Nickelsulfat-Hexahydrat zugegeben, ergibt die stöchiometrische Rechnung eine Dosierung von 330g/L.
- Konzentrationsanhebung durch Dosierung von Nickellösung: Das Anheben der Metallkonzentration kann auch durch Dosierung einer Nickellösung erfolgen. Es soll z. B. eine Dosierlösung mit einer Nickelkonzentration von 100g/L verwendet werden, um wiederum eine Prozesskonzentration von 80g/L einzustellen. Entsprechend Gleichung(20) ergibt sich ein nötiger Dosiervolumenstrom von 0,79 l/h.
Anhang 1 Stationäre Konzentrationen im kontinuierlich betriebenen Rückführprozess
Bilanziert wird zuerst der Beschichtungsprozess. In Abbildung 3 ist zu sehen, dass ein Stoffaustrag durch Verschleppung m.do0 stattfindet. Eingetragen wird der entsprechende Stoff durch die Rückführung m.rt. Weiterhin kommt es durch elektrochemische Reaktionen an Anode und Kathode zum Eintrag bzw. Austrag des betrachteten Metalls mit der Brutto-Reaktionsgeschwindigkeit r. Die Einschleppung aus der vorgelagerten Spüle V.di0 bewirkt keinen Masseeintrag gelöster Stoffe, da aus der vorgelagerten Spüle annähernd sauberes Wasser eingetragen wird. Ferner entsteht durch die Verdunstung V.evap kein Masseaustrag von gelösten Stoffen, da nur Wasser verdunstet. Wird außerdem von einem verwurfsfreien Beschichtungsprozess ausgegangen, in den der betrachtete Stoff nicht separat nachdosiert wird, gilt folgende Bilanzgleichung:
<21>
Der ausgeschleppte Massestrom ergibt sich aus dem Verschleppungsvolumenstrom und der Konzentration. Wird von Idealvermischung ausgegangen, ist die Verschleppungskonzentration gleich der Konzentration im Beschichtungsprozess. Dann gilt:
<22>
Entsprechend lässt sich der Rückführvolumenstrom berechnen:
<23>
Bei galvanischen Prozessen dienen als Quelle des Metalls häufig lösliche Anoden. Der wesentliche Teil des eingelösten Metalls wird auf der Ware wieder abgeschieden. Die Geschwindigkeit der Auflösung und Abscheidung ergibt sich aus der anodischen Stromausbeute ηan bzw. der kathodischen Stromausbeute ηkat. Aus der Differenz der beiden Stromausbeuten Δη ergibt sich die Brutto-Reaktionsgeschwindigkeit r, mit der das Metall in den Elektrolyten des Beschichtungsprozesses gelangt:
<24>
Hierbei ist Iel der Elektrolysestrom und AE das elektrochemische Äquivalent des betreffenden Metalls.
Die Bilanzgleichung der Rückführspüle wird in analoger Form aufgestellt:
<25>
Der Massestrom der Verschleppung aus der Rückführspüle ist bei angenommener Idealvermischung wiederum:
<26>
Es sollen nun die stationären Zustände im Rückführprozess berechnet werden. Das stationäre Gleichgewicht ist erreicht, wenn sich die Konzentration nicht mehr ändert. Das heißt, die Masse des betrachteten Stoffes im Bilanzraum ist konstant. Für den Beschichtungsprozess folgt aus den Gleichungen(21) bis (24) dann:
<27>
In der Rückführspüle ergibt sich aus den Gleichungen(25) und (26):
<28>
Setzt man nun die Gleichungen (27) und (28) ineinander ein, lassen sich die stationären Metallkonzentrationen im Beschichtungsprozess berechnen:
<29>
Für die Rückführspüle ergibt sich aus Gleichung (28)
<30>
und nach Einsetzen von Gleichung (29) folgt:
<31>
3 Der Rückführprozess mit veränderlicher Stromausbeute 3.1 Modell mit veränderlicher Stromausbeute
Die in Abschnitt 2 dargestellten Berechnungen wurden für eine konstant angenommene Stromausbeutedifferenz Δη hergeleitet. In realen Prozessen kann sich insb. die kathodische Stromausbeute bei Veränderung der Metallkonzentration ändern. Die Abhängigkeit der Stromausbeute von der Konzentration ist im Allgemeinen ein nichtlinearer Zusammenhang:
<32>
Wird jedoch ein begrenzter Arbeitsbereich der Konzentration c0 [c0,min, c0,max] betrachtet, kann eine lineare Abhängigkeit der Stromausbeute von der Konzentration angenommen werden:
<33>
In Abbildung 8 ist eine konzentrationsabhängige Stromausbeute beispielhaft dargestellt. Es ist eine nichtlineare Verringerung der kathodischen Stromausbeute ηkat bei sinkender Konzentration erkennbar. Entsprechend ändert sich die Differenz Δη zur konstant angenommenen anodischen Stromausbeute ebenfalls nichtlinear. Im Arbeitsbereich lässt sich eine lineare Näherung für die kathodische Stromausbeute ηkat,lin bzw. für die Stromausbeutedifferenz Δη lin anwenden.
Wird diese lineare Abhängigkeit in Gleichung(29) eingesetzt, folgt für die sich stationär im Abscheideprozess einstellende Konzentration:
<34>
Für die Konzentration in der Rückführspüle c1 gilt weiterhin Gleichung(30).
3.2 Beispiel Nickelprozess
Es wird wiederum der im Abschnitt 2.4 beschriebene galvanische Nickelprozess mit Rückführung betrachtet. Allerdings soll jetzt keine konstante Stromausbeute, sondern eine von der Nickelkonzentration abhängige Stromausbeute betrachtet werden. Es sei bekannt, dass bei einer Nickelkonzentration von 50g/L die mittlere kathodische Stromausbeute 91% beträgt. Bei 90g/L liegt die Stromausbeute bei 94%. Mit einer anodischen Stromausbeute von 99% ergeben sich Stromausbeutedifferenzen von 8% bzw. 5%. Aus den beiden Wertepaaren von Konzentration und Stromausbeute folgen die Parameter der linearen Näherung nach Gleichung(33) a = –0,00075 l/g und b = 0,1175.
Mit den linearen Parametern kann die Konzentration im Nickelprozess nach Gleichung(34) berechnet werden und daraus lässt sich mit Gleichung(5) die Konzentration der Rückführspüle ermitteln. In Abbildung 9 sind die Nickelkonzentrationen im Rückführprozess in Abhängigkeit von der Rückführung dargestellt. Es ist zu erkennen, dass die Konzentration im Beschichtungsprozess mit steigender Rückführung zunimmt. Im Gegensatz zum Prozess mit konstanter Stromausbeute (siehe Abbildung 7) ist der Anstieg hier allerdings nicht linear. Ferner ist zu sehen, dass die Konzentration in der Rückführspüle nicht mehr konstant ist. Mit steigender Rückführung sinkt die Konzentration in der Rückführspüle leicht ab. Ursache ist die sinkende Stromausbeutedifferenz im Nickelprozess. Somit muss weniger Nickel abtransportiert werden, sodass sich die Konzentration in der Rückführspüle stationär auf einen geringeren Wert einstellt.
Stromausbeute konstant |
Stromausbeute veränderlich |
|||
Rückführung |
Konzentration |
Rückführung |
Konzentration |
|
natürliche Rückführung |
50,0 l/h |
67,1 g/L |
50,0 l/h |
65,5 l/h |
gedrosselte Rückführung |
32,2 l/h |
50,0 g/L |
25,7 l/h |
50,0 g/L |
gesteigerte Rückführung |
63,5 l/h |
80,0 g/L |
81,6 l/h |
80,0 g/L |
In Abbildung 9 sind wiederum die ersten drei Szenarien aus Abschnitt 2.4 markiert. In Tabelle 2 sind diese Szenarien für die konstante und die veränderliche Stromausbeute vergleichend dargestellt. Daraus wird deutlich, dass beim betrachteten Prozess mit konzentrationsabhängiger Stromausbeute eine größere Änderung des Rückführvolumenstroms nötig ist, um eine bestimmte Prozesskonzentration einzustellen.
Formelzeichen
AE elektrochemisches Äquivalent
a Anstieg der linearen Näherung der Stromausbeutefunktion
b Verschiebungskonstante der linearen Näherung der Stromausbeutefunktion
c Konzentration in einer Spülstufe
ĉ durch Dosierung angehobene Konzentration
c*0 natürliche Konzentration im Abscheideprozess (ohne Rückführung)
c*0,rt natürlich-rückgeführte Konzentration im Abscheideprozess (Rückführung entsprechend Verdunstung)
c-0 mittlere Verschleppungskonzentration aus dem Abscheideprozess
lelElektrolysestrom
m Masse (eines gelösten Stoffes)
m. Massestrom (eines gelösten Stoffes)
prt Volumenanteil der Rückführspüle, der diskontinuierlich rückgeführt wird
Qrd Quotient aus Verdunstung und Verschleppung
r Reaktionsgeschwindigkeit
t Zeit
Δt Zeitabstand zwischen (diskontinuierlicher) Rückführung
–Δt Zeitpunkt unmittelbar vor der diskontinuierlichen Rückführung
+Δt Zeitpunkt unmittelbar nach der diskontinuierlichen Rückführung
V Volumen
V. Volumenstrom
V.–rt mittlere Rückführrate (bei diskontinuierlicher Rückführung)
η Stromausbeute
Δη Stromausbeutedifferenz (anodisch zu kathodisch)
Indizes
d Verschleppung (Einschleppung = Ausschleppung)
di Einschleppung (drag in)
do Ausschleppung (drag out)
dos Dosierung
evap Verdunstung (evaporation)
lin lineare Näherung
ri Zufluss (rinse in)
ro Abfluss (rinse out)
rt Rückführung (return)
set Sollwert
wa Verwurf (waste)
0 Stufe 0: Abscheideprozess
1 Stufe 1: Rückführspüle
Literatur
[1] Götzelmann, W.; Hartinger, L.: Wassersparende Spülsysteme und lonenaustausch-Kreislaufanlagen. Galvanotechnik 73 (1982) 8, 832-842
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[3] Kushner, J. B.; Kushner, A. S.: Water and Waste Control: For the Plating Shop. Gardner Pub. Cincinnati, 3. Ed. 1994
[4] Baur, R.: Stoffkreislaufschließung bei der galvanischen Vernickelung. Galvanotechnik 88 (1997) 9, 2913-2916
[5] Giebler, E.; Knechtel, W.: Abhängigkeit von Verdunstung aus galvanotechnischen Prozess- und Spüllösungen. Galvanotechnik 107 (2009) 11 / 12, 2630-2637 / 2856-2869
[6] Dietrich, G.: Hartinger – Handbuch Abwasser- und Recyclingtechnik. 3. vollst. überarbeitete Aufl., 2017 Hanser Verlag München Wien
[7] Stelter, M.; Bombach, H.; Knechtel, W.; Vollbrecht, V.: Untersuchungen zur Beeinflussung der Verschleppung von galvanischen Prozesslösungen durch physikalische Verfahren. Galvanotechnik 94 (2003) 2, 332-340
[8] Schwarz, R.; Bäßler, C.; Seifert, A. u. a.: Wirksamkeit des Vortauchens – Zur Senkung von Elektrolytausschleppungen durch Vortauchen. Metalloberfläche 52 (1998) 11, 860-868
[9] Giebler, E.: Umfassendes Modell realer Spülsysteme – Teil 1-4. Galvanotechnik 114 (2023) 5-8, S. 616-624, 752-759, 918-925, 1052-1057
[10] Buczko, Z.: Multistage Rinsing Systems in Electroplating Lines – New Method of Calculating Based on Imperfect Mixing Model. Transactions of the Institute of Metal Finishing 71 (1993) 1, 26-29
[11] Giebler, E.: Simulation von Verfahrensprozessen – Bibliothek von Simulationsmodellen für galvano- und oberflächentechnische Verfahrensprozesse. Metalloberfläche 57 (2003) 1-2, 21-26
[12] Zietz, A.: Die Bestimmung der kathodischen Stromausbeute. Galvanotechnik 47 (1956) 8, 350-351
[13] Giebler, E.: Onlinemessung – Schichtdicke, Abscheidegeschwindigkeit und Stromausbeute in galvanischen Prozessen. Galvanotechnik 114 (2016) 11, 2213-2223