Der Rückführprozess – Konzentrationssteuerung und Stoffverluste - Teil 3 -

Abbildung 13: Rückführspüle mit kontinuierlichem Teilverwurf
  • Titelbild: Abbildung 13: Rückführspüle mit kontinuierlichem Teilverwurf

– Teil 3 – Konzentrationssteuerung, Stoffverluste und Zusammenfassung / Fortsetzung aus Galvanotechnik 11/2024

Der Rückführprozess besteht aus einem Beschichtungsprozess mit folgender Rückführspüle. Beim Einsatz löslicher Anoden ergibt sich ein Defizitbetrieb oder ein Überschussbetrieb, je nachdem, ob sich die Metallkonzentration unter oder über dem gewünschten Sollwert einstellt. Es werden mathematische Modelle kontinuierlich und diskontinuierlich rückgeführter Prozesse präsentiert. An den Modellen werden verfahrens­technische Wege zur Steuerung der Konzentration gezeigt. Außerdem werden Möglichkeiten zur Stoffverlustminimierung diskutiert. Dabei wird verdeutlicht, dass im Überschussbetrieb die Verringerung der Stromausbeutedifferenz der einzige Weg zur Senkung der Metallverluste ist. Letzte Folge eines Dreiteilers.

6 Konzentrationssteuerung bei der Rückführung

6.1 Absenken der Konzentration

Verwurf aus dem Beschichtungsprozess

Der direkte Weg zur Verringerung der Metallkonzentration im Beschichtungsprozess ist ein Teilverwurf von Prozesslösung. Soll die Konzentration c0(t) auf einen neuen Wert c0,set abgesenkt werden, so beträgt das zu verwerfende Volumen:

<75>

Hierbei ist V0 das Volumen des Beschichtungsprozesses vor dem Verwurf. Wird nach dem Verwurf mit metallfreier Lösung wieder auf das Ursprungsvolumen aufgefüllt, ergibt sich die gewünschte Konzentration c0,set.

Verwurf aus der Rückführspüle

Ein Verwurf aus der Rückführspüle mit Ersatz durch Frischwasser führt ebenfalls zu einer Absenkung der Metallkonzentration im Beschichtungsprozess. Allerdings wirkt das nicht sofort, sondern erst, wenn im Folgenden die Verdunstungsverluste des Beschichtungsprozesses über die Rückführspüle ausgeglichen werden. Auch lässt der Effekt allmählich wieder nach, da sich die Rückführspüle bis zum erneuten Erreichen der stationären Konzentration wieder aufkonzentriert. Soll die sich stationär im Beschichtungsprozess einstellende Konzentration durch Verwurf aus der Rückführspüle gesenkt werden, muss folglich regelmäßig von dort verworfen werden.
Alternativ kann der Verwurf von Lösung aus der Rückführspüle auch kontinuierlich erfolgen. In diesem Fall gibt es neben dem Rückführvolumenstrom einen kontinuierlichen Volumenstrom in die Abwasserbehandlung. Das durch die beiden Volumenströme entstehende Defizit wird durch Frischwasser ersetzt. Die entsprechende Struktur ist in Abbildung 13 dargestellt. Der nötige Frischwasservolumenstrom V.ri1, der zur Absenkung der Prozesskonzentration auf einen gewünschten Sollwert c0,set nötig ist, ergibt sich aus der in Abschnitt 2.1 beschriebenen Stoffbilanz:

<76>
Zu beachten ist hierbei, dass die Konzentration im Abscheideprozess durch Verwurf aus der Rückführspüle nicht beliebig, sondern maximal bis zur „natürlichen Konzentration“ c*0 nach Gleichung (11) abgesenkt werden kann.

Drosselung der Rückführung

Wie die Drosselung der Rückführung zur Absenkung der Metallkonzentration im Beschichtungsprozess genutzt werden kann, wurde im Abschnitt 2.2 beschrieben. Bei Rückführung des entsprechend der Verdunstung maximal möglichen Volumenstroms stellt sich die „natürlich-rückgeführte Konzentration“ c*0,rt lt. Gleichung (12) ein. Wird die Rückführung jedoch unter die Verdunstungsrate reduziert und das entstehende Volumendefizit im Abscheideprozess mit Frischwasser ergänzt, verringert sich die Metallkonzentration im Beschichtungsprozess. Zur gezielten Einstellung der Sollkonzentration wird die kontinuierliche Rückführung auf einen Wert entsprechend Gleichung (13) reduziert. Auch bei diskontinuierlicher Rückführung kann die Metallkonzentration im Beschichtungsprozess durch Drosselung abgesenkt werden, siehe Abschnitt 4.3.

Verringerung der Stromausbeutedifferenz

Alternativ zu Verwurf und Drosselung der Rückführung kann die sich im Abscheideprozess einstellende Metallkonzentration auch durch eine Verringerung der Stromausbeutedifferenz gesenkt werden. Dazu muss entweder die kathodische Stromausbeute gesteigert und/oder die anodische Stromausbeute abgesenkt werden. Eine Steigerung der kathodischen Stromausbeute kann durch Veränderung der Elektrolytzusammensetzung erreicht werden. Auch eine verbesserte Hydrodynamik trägt dazu bei. Die Absenkung der anodischen Stromausbeute ist ebenfalls durch Veränderung der Elektrolytzusammensetzung möglich. Auch Veränderungen der Anodenfläche und somit der anodischen Stromdichte können entsprechend wirken. Nicht zuletzt führt ein teilweiser Austausch der löslichen durch unlösliche Anoden zu einer Verringerung der anodischen Gesamtstromausbeute.

Abbildung 14 illustriert die Konzentrationsabsenkung beim Rückführprozess. Bei Rückführung entsprechend der Verdunstung stellt sich die natürlich-rückgeführte Konzentration c*0,rt ein. Die gewünschte Sollkonzentration c0,set ist geringer. Um die stationäre Konzentration entsprechend abzusenken, kann der Rückführvolumenstrom gedrosselt werden, siehe blaue Kurve Δη1 in Abbildung 14. Alternativ kann bei ungedrosselter Rückführung die Stromausbeutedifferenz verringert werden, grüne Kurve Δη2.

Abbildung 14: Rückführprozess im Überschussbetrieb

6.2 Anheben der Konzentration

Wird bei maximaler Rückführung (das heißt bei Ausgleich des gesamten Verdunstungsdefizits aus der Rückführspüle) eine gewünschte Sollkonzentration nicht erreicht, sind Maßnahmen zum Anheben der Metallkonzentration nötig.

Dosierung von Metallsalz

Eine einfach durchzuführende Maßnahme ist das Dosieren von Metallsalz. In Abschnitt 2.3 ist angegeben, wie hoch der Massestrom bei Dosierung von trockenem Salz bzw. hochkonzentrierter Salzlösung im stationären Zustand sein muss (Gleichung 18). Außerdem ist die Formel zur Berechnung des Dosiervolumenstroms bei Dosierung mit begrenzt konzentrierter Metallsalzlösung angegeben (Gleichung 20).

Erhöhung der Rückführung

Eine Möglichkeit, die Zugabe von Metallsalz zu verhindern, ist die Rückführung durch Steigerung der natürlichen Verdunstung zu erhöhen. Das kann insb. durch Steigerung der Temperatur im Abscheideprozess erreicht werden. In Abbildung 15 ist die Situation auf der blauen Kurve Δη1 dargestellt. Bei Rückführung entsprechend der Verdunstung stellt sich die natürlich-rückgeführte Konzentration c*0,rt ein, wobei jedoch eine höhere Sollkonzentration c0,set gewünscht ist. Gelingt es, die Verdunstung und damit die Rückführung auf einen erhöhten Wert nach Gleichung (13) zu steigern, stellt sich die Sollkonzentration im Abscheideprozess ein.
Ein Betrieb mit höherer Temperatur erfordert jedoch einen erhöhten Einsatz von Heizenergie. Außerdem ist eine Temperaturerhöhung aus verfahrenstechnischen Gründen oder aus Sicht einer hoch qualitativen Beschichtung nicht bei jedem galvanischen Beschichtungsprozess möglich. Hier kann der Einsatz von zusätzlicher Konzentratortechnik sinnvoll sein. So können Verdunster oder Verdampfer dazu dienen, der rückzuführenden Lösung Wasser zu entziehen und somit höher konzentrierte Lösung zurückzuführen.

 Abbildung 15: Rückführprozess im Defizitbetrieb

Erhöhung der Stromausbeutedifferenz

Ein Weg, die Konzentration bei unveränderter Rückführung zu erhöhen, ist die Steigerung der Stromausbeutedifferenz. Dazu muss entweder die kathodische Stromausbeute abgesenkt und/oder die anodische Stromausbeute gesteigert werden. Eine Steigerung der anodischen Stromausbeute ist oft nicht möglich, da diese regelmäßig bereits nahe 100 % liegt. Hingegen kann die Absenkung der kathodischen Stromausbeute ggf. durch Veränderung der Elektrolytzusammensetzung erreicht werden. In Abbildung 15 ist das Anheben der Metallkonzentration durch Vergrößerung der Stromausbeutedifferenz mit der orangen Kurve Δη2 dargestellt.

Diskontinuierliche anstelle kontinuierlicher Rückführung

Eine spezielle verfahrenstechnische Möglichkeit zur Anhebung der Metallkonzentration im Rückführprozess besteht, wenn die ungedrosselte Rückführung im Istzustand kontinuierlich stattfindet. Wird alternativ das gesamte Volumen der Rückführspüle diskontinuierlich rückgeführt, ergibt sich eine höhere Prozesskonzentration. Das zeigt sich beim Vergleich der sich bei kontinuierlicher Rückführung stationär einstellenden Konzentration c*0,rt nach Gleichung (12) und der mittleren Konzentration bei diskontinuierlicher Rückführung c-0 nach Gleichung (38). Der Quotient beider Konzentrationen beträgt:

<77>

Die sich aus dieser Gleichung ergebende Steigerung der Konzentration bei diskontinuierlicher Rückführung gegenüber kontinuierlicher Rückführung ist in Abbildung 16 dargestellt. Ist z. B. die Rückführung (entsprechend Verdunstung) genauso groß wie die Verschleppung, kann die Prozesskonzentration durch den Übergang von kontinuierlicher zu diskontinuierlicher Rückführung um ca. 36 % gesteigert werden. Ist die Verdunstung doppelt so groß wie die Verschleppung, ergibt sich sogar eine Konzentrationssteigerung um 56 %. Insgesamt zeigt Abbildung 16, dass eine Konzentrationsanhebung durch diskontinuierliche Rückführung insb. bei hoher Verdunstung erreicht wird.

 Abbildung 16: Erhöhte Konzentration bei diskontinuierlicher Rückführung   Abbildung 16: Erhöhte Konzentration bei diskontinuierlicher Rückführung

7 Stoffverluste im Rückführprozess

7.1 Betriebssituationen

Wie die vorherigen Abschnitte gezeigt haben, sind im Rückführprozess grundsätzlich verschiedene Betriebssituationen zu unterscheiden. Sind die Verschleppungsrate, die Verdunstung, der Elektrolysestrom und die Differenz zwischen kathodischer und anodischer Stromausbeute gegeben, stellt sich nach Gleichung (12) für den galvanischen Abscheideprozess die natürlich-rückgeführte Konzentration c*0,rt stationär ein. Je nachdem, ob die gewünschte Sollkonzentration c0,set niedriger oder höher als diese Konzentration ist, ergeben sich die in Tabelle 3 dargestellten Betriebssituationen.

7.2 Defizitbetrieb

Die direkte Maßnahme zur Verringerung von Stoffverlusten ist im Defizitbetrieb die Reduzierung der Ausschleppung aus der Rückführspüle. 

Sollkonzentration  Betriebssituationen  Prozesseingriff
c0,set > c*0,rt  Defizitbetrieb  Konzentrationsanhebung
c0,set = c*0,rt Idealbetrieb  kein Eingriff notwendig
c0,set < c*0,rt Überschussbetrieb  Konzentrationsabsenkung

 

Durch die Verringerung der Ausschleppung wird die Konzentration in der Rückführspüle angehoben und dadurch steigt die natürlich-rückgeführte Metallkonzentration im Abscheideprozess. Die Differenz zwischen dieser Konzentration und der Sollkonzentration wird verringert und somit muss weniger Metallsalz zudosiert werden.
Positiv wirkt auch die Steigerung der Rückführung (z. B. durch Temperaturanhebung). Auch diese führt zu einer Anhebung der natürlich-rückgeführten Konzentration. Entsprechend verringert sich das durch Metallsalz auszugleichende Defizit. Das spart nicht nur zu dosierendes Salz, sondern minimiert auch die gleiche Menge an Stoffverlusten, da das zur Konzentrationsanhebung nötige Salz vollständig in der Abwasserbehandlung landet. Der in Abschnitt 6.2 beschriebene Übergang von einer kontinuierlichen zu einer diskontinuierlichen Rückführung erhöht ebenfalls die Rückführung; auch hier wird die Dosierung von Metallsalz und der zugehörige Metallverlust verringert.
Einen Sonderfall stellt hingegen die Erhöhung der Stromausbeutedifferenz dar. Diese wird im Allgemeinen durch eine Verringerung der kathodischen Stromausbeute erreicht. Das führt zwar zu einer Reduzierung der Dosierung von Metallsalz, bei sonst unveränderten Verhältnissen im Rückführprozess (Ausschleppung, Rückführung) bleiben die Metallverluste jedoch unverändert. Außerdem muss ggf. der Elektrolysestrom erhöht werden, um die Wirkung der verringerten Stromausbeute auf die Schichtdicke zu kompensieren. Dadurch erhöht sich der Einsatz elektrischer Energie.

7.3 Überschussbetrieb

Im Überschussbetrieb stellt sich die Möglichkeit zur Stoffverlustminimierung grundsätzlich anders dar. Die sich im galvanischen Prozess stationär einstellende Konzentration ist höher als die gewünschte Sollkonzentration. Hier sind die im vorigen Abschnitt für den Defizitbetrieb aufgeführten Maßnahmen somit kontraproduktiv. Sowohl die Reduzierung der Verschleppung als auch die Steigerung der Rückführung würde ein weiteres Ansteigen der Konzentration bewirken. Im Überschussbetrieb muss hingegen dafür gesorgt werden, dass das durch die Stromausbeutedifferenz freigesetzte überschüssige Metall aus dem Rückführprozess ausgetragen wird. Wie in Abbildung 12 (siehe Galvanotechnik 11/2024, S. 1425) dargestellt ist, gibt es dafür drei Wege. Wird Verwurf aus dem Prozess oder aus der Rückführspüle zum Abtransport des Metallüberschusses genutzt, wird dieser so gewählt, dass sich die gewünschte Sollkonzentration einstellt. Alternativ kann die in Abschnitt 2.2 beschriebene Drosselung der Rückführung dazu dienen, die Sollkonzentration ohne zusätzlichen Verwurf einzustellen.
Aber unabhängig von dem Weg des Metallabtransportes sind die Metallverluste immer gleich. Durch Wahl des Austragsweges kann nicht die Menge des Metallverlustes geändert werden, sondern es lässt sich damit lediglich beeinflussen, in welchem Konzentrationsbereich das metallhaltige Abwasser anfällt:

• Verwurf aus dem Beschichtungsprozess → hochkonzentriertes Abwasser
• Verwurf aus der Rückführspüle → mittel konzentriertes Abwasser
• Verschleppung aus der Rückführspüle → niedrig konzentriertes Abwasser aus der folgenden Spülkaskade

Sollen die Metallverluste im Überschussbetrieb verringert werden, bleibt als direkter Weg nur die Verringerung der Stromausbeutedifferenz. Das kann einerseits durch eine Erhöhung der kathodischen Stromausbeute erreicht werden. Hierzu bestehen verschiedene Möglichkeiten wie die Verbesserung der Hydrodynamik oder eine gezielte Veränderung der Elektrolytzusammensetzung. Andererseits kann die anodische Stromausbeute gesenkt werden. Das kann z. B. durch eine Erhöhung der anodischen Stromdichte (Flächenverkleinerung) bewirkt werden. Allerdings muss dabei eine zu starke Passivierung der Anoden vermieden werden. Ein anderer Weg zur Verringerung der anodischen Gesamtstromausbeute ist es, einen Teil der Anoden unlöslich auszuführen. Werden die unlöslichen Anoden durch separate Gleichrichter gespeist, kann über das Stromverhältnis löslich zu unlöslich die Stromausbeutedifferenz und somit die Metallkonzentration im galvanischen Prozess gesteuert werden.

7.4 Idealbetrieb

Der Idealbetrieb liegt vor, wenn sich unter gegebenen Bedingungen im Rückführprozess die Prozesskonzentration auf den gewünschten Sollwert einstellt. Dann sind keine Maßnahmen zum Anheben oder Absenken der Konzentration nötig. Dass sich die Metallkonzentration auf einen exakt vorgegebenen Sollwert stationär einstellt, wird jedoch selten vorkommen. Allerdings kann in gewissen Grenzen geprüft werden, ob die sich natürlich einstellende Konzentration aus Sicht einer qualitätsgerechten Abscheidung noch akzeptabel ist. So kann im Defizitfall der Betrieb bei verringerter Metallkonzentration die Dosierung von Metallsalz erübrigen. Im Überschussfall vermeidet das Zulassen einer höheren stationären Metallkonzentration Prozesseingriffe zur Konzentrationsabsenkung. Die Stoffverluste bleiben dabei jedoch unverändert, solange sich die Stromausbeutedifferenz nicht ändert.

8 Diskussion

8.1 Sonderfälle

In der vorliegenden Arbeit wurde der klassische Rückführprozess beschrieben, bei dem die Rückführspüle einzelstehend ist und das durch die Rückführung bewirkte Defizit mit Frischwasser aufgefüllt wird. Die hier vorgestellten Formeln wurden für verschiedene Betriebsregime dieser Verfahrensstruktur entwickelt. In der Praxis kommen noch weitere modifizierte Strukturen des Rückführprozesses zum Einsatz, die hier nicht behandelt wurden:

Rückführspülkaskaden

Bei Rückführspülkaskaden kommen mehrere Rückführspülstufen zum Einsatz, die als Gegenstromkaskade betrieben werden. Damit kann ein hoher Rückführgrad erreicht werden; das kann aber auch zu einer problematisch hohen Störstoffkonzentration im Prozess führen.

Durchflossene Rückführspüle

Es wird eine klassische Fließspülkaskade angewendet, wobei aus der ersten Spüle in den galvanischen Prozess zurückgeführt wird und der verbleibende (größere) Wasseranteil in die Abwasserbehandlung geleitet wird. Mit dieser Art der Rückführung wird allerdings nur ein geringer Rückführgrad (typisch 10 %) erreicht. Ein Kompromiss ist eine Drosselung des Kaskaden-Wasserstroms durch die Rückführspüle; dadurch kann die Rückführwirkung gesteigert und gleichzeitig eine höhere Spülwirkung gegenüber der Rückführ-Standspüle erreicht werden.

Rückführspüle mit Vortauchen

Durch das Vortauchen in die Rückführspüle kann die Rückführung wirkungsvoll gesteigert werden [8]. Bereits eine reine Vortauch-Standspüle erreicht einen Rückführgrad von 50 %. Werden über diese Spüle noch die Verdunstungsverluste im Prozess ausgeglichen, sind noch deutlich höhere Rückführgrade erreichbar.
Für die genannten Strukturen liegen hier keine analytischen Lösungen vor. Eine Berechnung der sich stationär einstellenden Konzentrationen ist jedoch mit dem in [9] vorgestellten allgemeinen Spülmodell möglich.

8.2 Grenzen des Modells

Die im vorliegenden Aufsatz angegebenen Modellgleichungen basieren auf verschiedenen Voraussetzungen. Sind diese nicht erfüllt, sind die berechneten Werte ungenau oder die Formeln sind nicht anwendbar. Folgende Limitierungen sind zu beachten:

Ein- und Ausschleppung nicht gleich:

Weichen die Ein- und Ausschleppung im Beschichtungsprozess und in der Rückführspüle voneinander ab, verändern sich die Konzentrationsverhältnisse. Insb. verringert sich die Rückführmöglichkeit, wenn im Beschichtungsprozess die Ausschleppung geringer als die Einschleppung ist.

Unvollständige Vermischung:

In der Praxis des Spülens ist die Konzentration der Verschleppung auf der Ware meist höher als die Konzentration in der Spülstufe. Dieser Effekt ist hier bei den Modellgleichungen nicht berücksichtigt. Allerdings sollte der Effekt in einer einzelnen Rückführspüle bei nicht zu kurzem Spülen überschaubar sein, da die unvollständige Vermischung besonders bei niedrig konzentrierten Spülstufen auftritt [10]. In der Rückführspüle ist die Konzentration jedoch noch relativ hoch.

Zusätzliche Metallverluste:

In [2] wird darauf hingewiesen, dass durch Filtration und Reinigung erhebliche Verluste an Metall auftreten können. Ebenfalls in den Formeln unberücksichtigt sind Verluste, die auftreten, wenn Anodenmetall als Feststoff verloren geht insb. durch Metallpartikel, die sich von der Anode lösen.

Unlösliche Anoden:

Werden ausschließlich unlösliche Anoden eingesetzt, sind viele der im Aufsatz angegebenen Formeln nicht mehr sinnvoll anwendbar. Entsprechend der in Abschnitt 7.1 eingeführten Betriebssituationen wird bei unlöslichen Anoden immer im Defizitbetrieb gearbeitet. Das abgeschiedene und verschleppte Metall muss durch Salzdosierung oder chemische Metallauflösung (z. B. Zinklöseabteil) eingebracht werden. 

Legierungsabscheidung:

Die Modellgleichungen wurden für die Abscheidung eines einzelnen Metalls hergeleitet. Für die Legierungsabscheidung mit löslichen Anoden müssen die Modellgleichungen geeignet adaptiert werden.

Außenstromlose Prozesse:

Betrachtet wurden galvanische Prozesse. Die angegebenen Formeln sind für außenstromlose Rückführprozesse nicht anwendbar. Allerdings gilt auch bei außenstromlosen Prozessen, dass sich durch die diskutierten Maßnahmen zur Erhöhung der Rückführung Stoffverluste senken lassen.

Stationäre Modelle:

Bei den für kontinuierlich betriebene Rückführprozesse hergeleiteten Modellgleichungen (Abschnitte 2 und 3) wurde von konstanten Prozessbedingungen ausgegangen oder mit Mittelwerten gerechnet. In der Praxis treten Schwankungen der angenommenen Prozessgrößen auf. Dies führt zu Schwankungen der berechneten Größen, die in den stationären Modellen nicht abgebildet sind. Bei den diskontinuierlichen Modellen (Abschnitt 4) wurden Mittelwerte und Konzentrationsbereiche berechnet. Somit wurden zwar dynamische Vorgänge beschrieben, allerdings fand auch hier eine stationäre Betrachtung statt, da der Zustand einer stabilen Schwingung beschrieben wurde. Abweichungen treten hier durch die Mittelwertbildung der Verschleppungskonzentration aus dem Prozess auf. Diese können jedoch häufig vernachlässigt werden, wenn die Breite der Konzentrationsschwankung klein ist.

Validierung der Modelle:

Die theoretisch hergeleiteten Modelle konnten für die Breite der beschriebenen Prozessvarianten nicht durchgängig mit Praxismessungen validiert werden. Jedoch wurden alle Modellrechnungen und insb. die Berechnung des diskontinuierlichen Betriebs mit Simulationsmodellen auf Basis der Lösung von Differenzialgleichungen verifiziert. Dazu wurden in MATLAB/Simulink realisierte Modelle der galvanotechnischen Verfahrensprozesse [11] genutzt.

Modellparameter:

Die in den Modellgleichungen verwendeten Parameter müssen beigebracht werden. Insb. muss die Stromausbeute­differenz als die zentrale Größe im Rückführprozess bekannt sein. Schon lange werden experimentelle Methoden auf Basis von Differenzwägungen zur Ermittlung von Stromausbeute angewendet [12]. Möglich ist teilweise auch, die Stromausbeute aus Verbrauchsdaten von Anodenmaterial und Prozesschemie zu berechnen. Weiter gibt es seit einigen Jahren eine Onlinemesstechnik, mit der im industriell genutzten Galvanikprozess Stromausbeuten gemessen werden können [13].

9 Zusammenfassung

Der hier behandelte Rückführprozess besteht aus einem mit löslichen Anoden betriebenen galvanischen Beschichtungsprozess und einer darauffolgenden Rückführspüle. Es wurden mathematische Modelle entwickelt, um die sich stationär einstellenden Metallkonzentrationen in kontinuierlich rückgeführten Prozessen zu berechnen. Weiterhin wurden Formeln abgeleitet, mit denen Mittelwerte und Schwankungsbreiten berechenbar sind, wenn in größeren Zeitabständen diskontinuierlich rückgeführt wird.
Werden die Verdunstungsverluste im galvanischen Prozess vollständig aus der Rückführspüle ausgeglichen, stellt sich bei konstanten Betriebsbedingungen eine „natürlich rückgeführte Konzentration“ im Abscheideprozess ein. Liegt diese Metallkonzentration unter der gewünschten Sollkonzentration, befindet sich der Rückführprozess im Defizitbetrieb. Stellt sich die Konzentration über dem Sollwert ein, liegt Überschussbetrieb vor.

Es wurde gezeigt, wie sich die Konzentration im Abscheideprozess steuern lässt. Im Überschussbetrieb kann ein Verwurf aus dem Beschichtungsprozess oder aus der Rückführspüle erfolgen, um die Konzentration abzusenken. Alternativ wurde eine verwurfsfreie Konzentrationsabsenkung vorgeschlagen, bei der die Rückführung gezielt gedrosselt und das im Abscheideprozess entstehende Volumendefizit mit Wasser aufgefüllt wird. Im Defizitbetrieb lässt sich die Konzentration durch Dosierung von Metallsalz anheben. Kosten für die Salzdosierung können verringert werden, wenn es gelingt, die Rückführung zu erhöhen. Das kann durch eine Steigerung der Verdunstung (Temperaturerhöhung) erreicht werden oder dem Prozess kann mit Konzentratoren (Verdampfer, Verdunster) Wasser entzogen werden. Bemerkenswert ist, dass sich die Rückführung auch durch den Übergang von einer kontinuierlichen zu einer diskontinuierlichen Rückführung steigern lässt.
Der abschließende Schwerpunkt dieser Arbeit war das Thema Stoffverlustminimierung. Die Senkung von Stoffverlusten ist das eigentliche Ziel der Rückführung. Im Defizitbetrieb ist die Minimierung nicht hinreichend. Maßnahmen zur Steigerung der Rückführung sparen Dosierung von Metallsalz und verringern die nötige Abwasserbehandlung.
Grundsätzlich anders stellt sich das Thema im Überschuss­betrieb dar. Eine erhöhte Rückführung oder eine Verringerung der Verschleppung lassen die Konzentration weiter über den Sollwert ansteigen, sodass Verwurf nötig wird. Hier gilt, dass das gesamte durch die Stromausbeutedifferenz in den Elektrolyten eingebrachte Metall wieder aus dem Prozess herausgebracht werden muss! Folglich ist im Überschussbetrieb die Verringerung der Stromausbeutedifferenz der einzige Weg, um Stoffverluste zu verringern. Das kann durch geeignete elektrochemische Maßnahmen geschehen, aber auch durch den teilweisen Ersatz der löslichen durch unlösliche Anoden bewirkt werden.

Formelzeichen
AE elektrochemisches Äquivalent
a Anstieg der linearen Näherung der
Stromausbeutefunktion
b Verschiebungskonstante der linearen Näherung der
Stromausbeutefunktion
c Konzentration in einer Spülstufe
ĉ durch Dosierung angehobene Konzentration
c*0 natürliche Konzentration im Abscheideprozess (ohne Rückführung)
c*0,rt natürlich-rückgeführte Konzentration im Abscheideprozess (Rückführung entsprechend Verdunstung)
c-0 mittlere Verschleppungskonzentration aus dem Abscheideprozess
lel Elektrolysestrom
m Masse (eines gelösten Stoffes)
m. Massestrom (eines gelösten Stoffes)
prt Volumenanteil der Rückführspüle,
der diskontinuierlich rückgeführt wird
Qrd Quotient aus Verdunstung und Verschleppung
r Reaktionsgeschwindigkeit
t Zeit
Δt Zeitabstand zwischen (diskontinuierlicher) Rückführung
–Δt Zeitpunkt unmittelbar vor der diskontinuierlichen Rückführung
+Δt Zeitpunkt unmittelbar nach der diskontinuierlichen Rückführung
V Volumen
V. Volumenstrom
V.–rt mittlere Rückführrate (bei diskontinuierlicher Rückführung)
η Stromausbeute
Δη Stromausbeutedifferenz (anodisch zu kathodisch)

Indizes
d Verschleppung (Einschleppung = Ausschleppung)
di Einschleppung (drag in)
do Ausschleppung (drag out)
dos Dosierung
evap Verdunstung (evaporation)
lin lineare Näherung
ri Zufluss (rinse in)
ro Abfluss (rinse out)
rt Rückführung (return)
set Sollwert
wa Verwurf (waste)
0 Stufe 0: Abscheideprozess
1 Stufe 1: Rückführspüle

Literatur
[1] Götzelmann, W.; Hartinger, L.: Wassersparende Spülsysteme und lonenaustausch-Kreislaufanlagen. Galvanotechnik 73 (1982) 8, 832-842
[2] Steward, F. A.; Lancy, L. E.: Metal Recovery From Rinse Waters: A Critical Review of the Technology. Trans. of the Institute of Metal Finishing 56 (1978) 1, 113-117
[3] Kushner, J. B.; Kushner, A. S.: Water and Waste Control: For the Plating Shop. Gardner Pub. Cincinnati, 3. Ed. 1994
[4] Baur, R.: Stoffkreislaufschließung bei der galvanischen Vernickelung. Galvanotechnik 88 (1997) 9, 2913-2916
[5] Giebler, E.; Knechtel, W.: Abhängigkeit von Verdunstung aus galvanotechnischen Prozess- und Spüllösungen. Galvanotechnik 107 (2009) 11 / 12, 2630-2637 / 2856-2869
[6] Dietrich, G.: Hartinger – Handbuch Abwasser- und Recyclingtechnik. 3. vollst. überarbeitete Aufl., 2017 Hanser Verlag München Wien
[7] Stelter, M.; Bombach, H.; Knechtel, W.; Vollbrecht, V.: Untersuchungen zur Beeinflussung der Verschleppung von galvanischen Prozesslösungen durch physikalische Verfahren. Galvanotechnik 94 (2003) 2, 332-340
[8] Schwarz, R.; Bäßler, C.; Seifert, A. u. a.: Wirksamkeit des Vortauchens – Zur Senkung von Elektrolytausschleppungen durch Vortauchen. Metalloberfläche 52 (1998) 11, 860-868
[9] Giebler, E.: Umfassendes Modell realer Spülsysteme – Teil 1-4. Galvanotechnik 114 (2023) 5-8, S. 616-624, 752-759,  918-925, 1052-1057
[10] Buczko, Z.: Multistage Rinsing Systems in Electroplating Lines – New Method of Calculating Based on Imperfect Mixing Model. Transactions of the Institute of Metal Finishing 71 (1993) 1, 26-29
[11] Giebler, E.: Simulation von Verfahrensprozessen – Bibliothek von Simulationsmodellen für galvano- und oberflächentechnische Verfahrensprozesse. Metalloberfläche 57 (2003) 1-2, 21-26
[12] Zietz, A.: Die Bestimmung der kathodischen Stromausbeute. Galvanotechnik 47 (1956) 8, 350-351
[13] Giebler, E.: Onlinemessung – Schichtdicke, Abscheidegeschwindigkeit und Stromausbeute in galvanischen Prozessen. Galvanotechnik 114 (2016) 11, 2213-2223

  • Ausgabe: Dezember
  • Jahr: 2024
  • Autoren: Dr.-Ing. Eckart Giebler
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