Als die Galvanoautomaten in deutsche Galvaniken einzogen Die Weiterentwicklung der Gleichrichtertechnik löste in den Galvaniken in der Bundesrepublik Deutschland der 1960er- und 70er-Jahre einen Automatisierungsschub, insbesondere mit Galvanoautomaten aus. Die Entwicklung hierzulande war so erfolgreich, dass sich sogar das einstige Technologievorbild USA um Lizenzen der effizienten Maschinen bemühte.
In apparativer Hinsicht ist in der Galvanotechnik die Zeit von etwa 1890 bis nach dem ersten Weltkrieg vor allem durch den rasch fortschreitenden Ersatz der als Stromquelle dienenden galvanischen Elemente durch
Dynamomaschinen gekennzeichnet. Das bedeutete, dass nun Strom überall und in praktisch beliebigen Mengen zur Verfügung stand. Während der elektrische Strom für motorische und Heizzwecke als Wechselstrom bzw. Drehstrom verwendet wird, wie ihn das öffentliche Netz liefert, muss der Gleichstrom für die Galvanisierung selbst durch Umformung des Wechselstroms erzeugt werden, wobei 1920 der gebräuchlichste Umformertyp der Motorgenerator war. Wie es in der Technik häufig der Fall ist, trat auch hier der ernste Konkurrent für die Dynamomaschine in dem Augenblick auf, als der Motorgenerator endgültig das Feld erobert zu haben schien. Der Konkurrent war der auf modernen Halbleitern basierende Gleichrichter, der nach Ende des zweiten Weltkrieges in fast allen galvanischen Betrieben die Dynamomaschine verdrängte. Anfangs dominierten die Selengleichrichter. Die aus den USA stammende Tendenz zur Verwendung anderer Halbleiter, wie des Silicium- und Germanium-Gleichrichters, konnte sich zunächst in Deutschland nicht durchsetzen [1]. Germanium-Gleichrichter galten, trotz ihres besten Wirkungsgrads, als zu wärmeempfindlich und für den rauen Betrieb in den Galvaniken als ungeeignet [1]. Im Anschaffungspreis war der Selengleichrichter, besonders der luftgekühlte, am preiswertesten. Entscheidend für die Wahl zwischen einem Germanium- oder Silicium-Gleichrichter war die Verfügbarkeit einer Kühlwassereinrichtung [2]. Ein sehr wichtiger Fortschritt in der Galvanik wurde durch die zunehmende Verfügbarkeit einer automatischen Strom- bzw. Spannungskonstanthaltung erreicht, mit der die Gleichrichter ausgestattet werden konnten, wodurch die gesteuerten Gleichrichter in den 1970er-Jahren durch geregelte Gleichrichter verdrängt wurden. Damit war eine wesentliche Voraussetzung für eine Fertigung mit Galvanoautomaten gegeben.Die umwälzenden Entwicklungen auf dem Gebiet der Stromquellen begannen nach dem Ende des zweiten Weltkriegs, einer auch für die galvanotechnische Industrie äußerst schwierigen Nachkriegszeit [1]. Die Galvanotechnik in Deutschland musste nach der kriegsbedingten Zwangspause nicht nur den Anschluss an das technische Niveau, insbesondere das der USA, suchen, sondern stand, wie die gesamte deutsche Wirtschaft, angesichts des Mangels an Rohmaterial vor einer kaum zu lösenden Aufgabe. Auch waren die Forschungs- und Produktionsstätten größtenteils zerstört. Zunächst ging es daher um die Reparatur und Instandsetzung alter Anlagen, die Lieferung von Elektrolyten, Anoden und sonstiger Hilfsmittel. Erst die einsetzende Normalisierung der Versorgung brachte auch hier langsam fühlbare Erleichterungen, sodass wieder Arbeitsbedingungen geschaffen werden konnten, die einen reibungslosen Ablauf der Produktion zuließen.
Neben den traditionellen Anlagen kamen wenige Jahre später die ersten Galvanisierautomaten, neue Verfahren und moderne Hilfsmittel auf den Markt. Hierdurch ergaben sich auch für die galvanotechnische Industrie gute Absatzmöglichkeiten, die vor allem durch die einsetzende Vollbeschäftigung und die damit im Zusammenhang stehende Nachfrage nach rationellen Verfahren und automatischen Anlagen allen Beteiligten der Galvanoindustrie im Laufe der Zeit beachtliche Umsatzsteigerungen brachten. Der Umsatz von Anlagen, Geräten und Zubehör der deutschen Lieferfirmen der Galvanotechnik hatte sich von 5,4 Mio. Deutsche Mark (DM) im Jahre 1950 auf rund 59 Mio. DM im Jahre 1964 außerordentlich stark erhöht [3].
Die Automobilindustrie zählt traditionell zu den großen Kunden der Galvanotechnik. Sie verwendete auch bereits zu dieser Zeit in starkem Maße galvanisierte Teile, deren Haltbarkeit trotz größter Beanspruchungen und gestiegener äußerer Einflüsse erhöht war. Dies ermöglichte der durch inzwischen erheblich verbesserte galvanische Verfahren gesteigerte Korrosionsschutz. Die leistungsfähigen galvanischen Beschichtungen waren kaum durch andere Oberflächenbeschichtungsverfahren zu überbieten. Allein im Automobilsektor wurden 1964 1.850 t Nickel verarbeitet, was etwa 46 % des damaligen Nickelverbrauchs in der Galvanik in der Bundesrepublik Deutschland entsprach [3]. Wie entscheidend sich das Geschäft mit der Automobilindustrie entwickelt hatte, lässt sich anhand der Steigerung der Pkw-Absatzzahlen in der Bundesrepublik Deutschland von ca. 1,7 Mio. Pkw im Jahr 1960 auf 2,65 Mio. Pkw im Jahr 1964 ablesen, wobei sich der Nickelverbrauch in der Galvanobranche von 930 t (1960) auf 1.850 t (1964) praktisch verdoppelte [4].
Neben dem Automobilsektor trug die außerordentliche Expansion der Elektroindustrie, des Maschinenbaus, der Feinmechanik und Optik, der Metall-, Blech- und Schmuckwarenindustrie und nicht zuletzt die Bauindustrie zu den jährlich wachsenden Absatzmengen für die Galvanotechnik bei.
Zu diesem Zeitpunkt war der allgemeine Trend zur Automatisierung von Prozessen in der deutschen Industrie nicht zu übersehen. Diesem allgemeinen Zug der Zeit konnte sich auch die Galvanotechnik, besonders in den Industriegalvaniken, nicht entziehen, daher wurde das Hauptaugenmerk der wichtigsten herstellenden Firmen auf dieses Gebiet gelenkt. Auch weitsichtige Lohngalvanikbetriebe folgten den Anforderungen der zunehmenden Industrialisierung und begannen, Galvanoautomaten einzusetzen [5].
Die starke Entwicklung auf dem Gebiet der Automatisierung galvanotechnischer Anlagen, insbesondere in den 1960er- bis Ende 1970er-Jahren, war im Wesentlichen auf die Benutzer galvanischer Anlagen, Hersteller galvanischer Anlagen sowie die Elektronikindustrie zurückzuführen [6].
Die Benutzer forderten Auslastung der Anlagen, Personaleinsparungen, bessere Qualität, ein Minimum an Wartung und ein Maximum an Betriebssicherheit bei günstigstem Preis. Die Hersteller förderten durch harte Konkurrenz die Interessen der Benutzer durch Einführung neuer Chemikalien, Verfahrenstechniken und elektronischer Steuerungen.
Die Elektronikindustrie ermöglichte durch die rasche Entwicklung preisgünstiger Bausteine wie Dioden, Transistoren, integrierter Schaltungen (ICs) und Rechner viele Konzepte der Automatisierung.
In den USA, die zu Beginn des Wiederaufbaus nach dem zweiten Weltkrieg von der deutschen Galvanotechnik als Maßstab angesehen wurden, hatten galvanotechnische Betriebe bis zum Anfang der 1960er-Jahre vorzugsweise Galvanoautomaten mit mechanisch starrem System eingesetzt, bei denen der elektrotechnische Anteil für die Steuerung sehr gering und deren Anpassungsfähigkeit bei Änderungen der Produktion entsprechend eingeschränkt war. Universelle Systeme waren angesichts der in den USA gegebenen Anforderungen zu dieser Zeit noch wenig gefragt [7].
Die steigende Kapazität der deutschen Wirtschaft, ausgelöst durch das deutsche „Wirtschaftswunder“, brachte sehr bald den Arbeitskräftemangel mit sich und auf der anderen Seite die immer kürzer werdenden Arbeitszeiten. Es musste also automatisiert werden [1].
Innerhalb ungewöhnlich kurzer Zeit wurden in Deutschland auf dem Gebiet der Automatisierung galvanischer Anlagen Galvanoautomaten jeder Größenordnung in den verschiedensten technischen Abwandlungen auf den Markt gebracht, die den industriellen Anforderungen voll genügen konnten. Trotz der zunächst in den 1960er-Jahren noch bestehenden Vormachtstellung der USA konnten im Galvanoautomatensektor bereits Lizenzen von Deutschland in die USA vergeben werden [1].
Ein entscheidender Schritt bei der Entwicklung der Galvanoautomaten war die Einführung der sogenannten Zellen-Automaten, bei denen die Transporteinrichtungen weitgehend auf die Belange der Steuerungstechnik abgestimmt wurden. Als dieser Automatentyp auf dem Markt erschien und dadurch gekennzeichnet war, dass er bei gleichbleibenden Baugruppen variabler als Karussell- und Langautomaten geschaltet werden konnte, hat dies seit seinem Erscheinen zu einer starken Resonanz in Galvanofachkreisen geführt [8].
Ein wichtiger Schritt zur Automatisierung erfolgte 1969, als bei Schering [6] erstmals ein Modell zum Lesen von Waren-Programminformationen ohne Informationsmelder am Warenträger „Automatische Buchführung“ entwickelt wurde. Annähernd zur gleichen Zeit wurden für viele Anwendungen die mechanischen und magnetischen Endschalter durch kontaktlose induktive Näherungsschalter ersetzt. Durch den Bau zweier komplexer Galvanisierautomaten bei WMI Westfälische Metall Industrie (Paderborn) und WMF Württembergische Metallwaren Fabrik (Geislingen) wurde von diesen Firmen der Grundstein für die ersten rechnergesteuerten Galvanikanlagen in Europa gelegt. Diese Anlagen entstanden in Gemeinschaftsarbeit der Firmen Kampschulte, Schering und Siemens. 1971 übernahm in beiden Anlagen der Rechner die Prozessführung. Die Hard- und Software der WMI-Steuerung wurde von Siemens in Erlangen, die der WMF von Schering in Feucht entwickelt. Der Rechner des WMF-Automaten wies im Gegensatz zur WMI-Anlage bereits einen Kleinrechner und eine strukturierte Anwendersoftware auf, was sich entsprechend positiv auf das Preis-LeistungsVerhältnis auswirkte.
Für die zukünftige Galvanoautomaten-Entwicklung kann vorausgesagt werden, dass auf dem Gebiet der Automatisierung, einschließlich des damit verbundenen technischen Zubehörs, sicher kein Abschluss der wesentlichen Entwicklungen zu sehen ist, wie einige Fachleute 1965 zu glauben meinten [1]. Insbesondere ist noch nicht vorherzusehen, inwieweit die Vernetzung von Galvanoautomaten mit der industriellen Peripherie (Stichwort: Galvanotechnik 4.0) und der Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) erfolgreichen und umfassenden Einzug in die Galvanik halten werden, um beispielsweise die Galvanik beim großen Thema der Energie-Verbrauchsreduktion zu unterstützen. Sicherlich gibt es heute Mahner, die solchen Entwicklungen wenig Aussichten einräumen. Diese sollten jedoch daran erinnert werden, dass sich auch früher negative Voraussagen zur Galvanoautomateneinführung als wenig zutreffend herausgestellt haben, als beispielsweise „kluge“ Fachjournalisten kommentierten, Galvanoautomaten arbeiteten träge, Schritt für Schritt, hemmten den Arbeitsprozess und würden schlechte Ware abliefern [4], wie Galvanotechnik-Fachautor Max Schnellenkamp 1965 in einem Marktbericht kritisch über Kollegen seiner Zunft berichtet. Die Geschichte hat gezeigt, dass das genaue Gegenteil der Fall war, denn es wurde ein Optimum an Produktivität unter Berücksichtigung höchster Qualitätsansprüche ausgeschöpft und realisiert.
Literatur
[1]Galvanotechnik Sonderheft Export: Die deutsche Galvanotechnik heute (1965) 75-105
[2]Stiassny, W.: Galvanotechnik 56 (1965) 14-19
[3]Galvanotechnik Sonderheft Export: Die deutsche Galvanotechnik heute (1965), 61-74
[4]Schnellenkamp, M.: Galvanotechnik 56 (1965) 195-200
[5]Die Bedeutung der Lohngalvanik: Galvanotechnik, 56 (1965) 33 -36
[6]Sturm, K. H.: Galvanotechnik (1976) 41-51
[7]Strecke, H.: Galvanotechnik 57 (1966) 611-614
[8]Strecke, H.: Galvanotechnik 56 (1965) 736 - 746