Chipdesign Germany Forum 2025: Neuroentwürfe im Trend – Europas Schaltkreis-Entwürfe fokussieren sich auf Analoges, Leistungselektronik und Sensorikfe im Trend

‚Chipdesign Germany‘-Forum 2025 in der Messe Dresden

Um eigene Schaltkreisdesignfähigkeiten zu stärken, sollte Deutschland bestehende Kompetenzen in diesem Sektor ausbauen, statt sich auf überambitionierte Projekte zu stürzen. Das ist eine Quintessenz des ‚Chipdesign Germany'-Forums, das Mitte Mai 2025 in Dresden stattfand. Auf einen ähnlichen Kurs drängen Branchenvertreter mit Blick auf die Förderpolitik für die einheimische Chipproduktion.

„Das größte Problem der Mikroelektronik in Europa ist, dass es hier keine Abnehmer für HighEnd-Chips in der Konsumelektronik gibt“, argumentierte beispielsweise Felix Hinderkircher von der Bundessprungagentur ‚Sprind' aus Leipzig während des Chipdesign-Forums auf der Dresdner Messe. Ganz anders sei dies im symbiotischen Verhältnis von Amerika und Asien: Große Smartphone-Hersteller wie Apple aus den USA finanzieren für Auftragsfertiger wie TSMC in Taiwan de facto mit ihren Aufträgen die jeweils nächste Chipfabrik-Generation in Asien vor. Andernfalls würden sich exorbitante Milliardeninvestitionen in immer feinere Halbleiterstrukturen und die dafür benötigten Produktionsanlagen für TSMC auch gar nicht lohnen.

Anders ist die Lage in Europa und konkret in Deutschland: Die einstigen Heimelektronikriesen hierzulande haben ihre Produktion schon vor Jahrzehnten entweder nach Asien ausgelagert oder ganz an Hersteller aus China, Taiwan & Co. verloren. Damit gibt es hier auch kaum Nachfrage für Chips der Strukturgenerationen unterhalb von 10 nm. Und auch beim Schaltkreisentwurf spielen die USA und Asien laut Hinderkircher in einer anderen Liga: „In Europa gibt es vielleicht 12.000 Chipdesigner, die Amerikaner haben 60.000.“

Deutschland ist sehr erfolgreich beim Design von Analogelektronik, von Leistungselektronik und Sensorik

In Teilsegmenten haben Europa und speziell auch Deutschland aber durchaus High-End-Expertise zu bieten: „Deutschland ist sehr erfolgreich beim Design von Analogelektronik, von Leistungselektronik und Sensorik – da spielt die Musik“, betont Stefan Joeres von Bosch. Es gelte auf diese Stärken zu setzen. Diese Spezialisierung habe sich aus der spezifischen Nachfrage der europäischen Wirtschaft ergeben: Autoindustrie, Maschinenbau und verwandte Branchen brauchen eher Chips der Strukturgeneration oberhalb von 20 nm oder Schaltkreise, die analoge und digitale Bauelemente, Sensoren, Aktuatoren und andere Hybridtechnik enthalten. Insofern warnen Manager aus Europas Mikroelektronikindustrie davor, den Mangel an High-End-Chipdesign und -Produktion in Europa nur als Nachteil zu sehen.

Bild: Heiko Weckbrodt

Power-Management-ICs als Schlüssel

Anerkannte Stärken haben gerade auch Deutschland und Österreich beispielsweise in der Leistungselektronik und im Energie-Management aufgebaut. „Power-Management-ICs gewinnen zunehmend an Bedeutung für die Entwicklung energieeffizienter und zuverlässiger elektronischer Lösungen in globalen Wachstumsbereichen wie Next-Generation-Computing, erneuerbare Energien, Automobilindustrie und Biomedizin“, betont etwa Bernhard Wicht vom Institut für Mikroelektronische Systeme der Universität Hannover. Dabei gewinnen Verbindungshalbleiter wie Galliumnitrid (GaN) und Siliciumkarbid (SiC) nach längerer Einlaufkurve zunehmend praktische Bedeutung. Dabei geben unter anderem US-Unternehmen wie Wolfspeed den Ton an, auch chinesische Aufsteiger wie TanKeBlue und SICC – aber auch deutsche Champions wie Infineon. „Jüngste Innovationen bei integrierten Spannungsreglern mit eingebetteten magnetischen Induktivitäten ermöglichen höhere Strom- und Leistungsdichten von über 10 W/mm2 bei gleichzeitig höherer Effizienz und schnellerem Einschwingverhalten für die Anforderungen der nächsten Computergeneration“, berichtet Wicht. „Andere Anwendungen, wie beispielsweise die Automobilindustrie, erfordern jedoch extreme Zuverlässigkeit und ein sorgfältiges Design zur Minimierung elektromagnetischer Störungen.“

CPUs und GPUs stoßen an Skalierbarkeitsgrenzen

Ganz neue technologische Akzente mit innovativen Schaltkreis- und Computerdesigns setzt derzeit zudem die TU Dresden mit ihrem gehirnähnlich aufgebauten Supercomputer der Generation ‚Spinnaker 2' und ‚Spinncloud'. Hier werden die einzelnen künstlichen ‚Neuronen' zwar durch eher klassische Siliciumlösungen, nämlich ARM-basierte Prozessoren abgebildet. Die innere Vernetzung, die Algorithmik und das Energiemanagement sind hier aber eben dem menschlichen Gehirn nachempfunden. „Klassische CPUs und GPUs stoßen an Skalierbarkeitsgrenzen, insbesondere in der Kommunikation, die bei Aufgaben wie der Inferenz von Large Language Models (LLMs) einen zunehmenden Engpass darstellt“, argumentiert Matthias Lohrmann vom Unternehmen ‚Spinncloud'. Neuronal inspirierte Systeme wie Spinnaker 2 hingegen „priorisieren Kommunikationseffizienz gegenüber reiner Rechenleistung und erreichen so eine hohe Skalierbarkeit in Gehirnsimulationen“, betont Lohrmann. „Schlüsselprinzipien – wie feingranulare Rechensteuerung, asynchrone Verarbeitung und energieeffizientes Design – ermöglichen eine breitere Anwendbarkeit.“ Da der Stromverbrauch in Rechenzentren zu einem limitierenden Faktor werde, sei die Umsetzung dieser Prinzipien für nachhaltiges Computing im großen Maßstab unerlässlich.

Weitere Chipdesignkompetenzen hat Deutschland im Segment der Schaltkreistechnik für drahtlose Kommunikation und des Energiemanagements akkumuliert. Nicht von ungefähr hat Apple sein Europäisches Zentrum für Chipdesign in München mit diesen Schwerpunkten aufgebaut und zuletzt auch noch einmal mit Milliardenaufwand ausgebaut. An neuen Prozessor-, KI-Beschleuniger- und Analogchipdesigns forscht seit einigen Jahren auch das Barkhausen-Institut (BI) in Dresden. Als Anwendungsszenarien für diese Schaltkreisentwürfe gelten insbesondere der Mobilfunk der sechsten Generation (6G), Robotik und Künstliche Intelligenz. Ein weiteres Kernthema von BI ist die Frage, wie sich vertrauenswürdiges Computing tief im Schaltkreisdesign verankern lässt. Allerdings macht sich auch hier die angespannte wirtschaftliche Lage in Deutschland bemerkbar: Angesichts von Sparzwängen hat die sächsische Landesregierung ihre Zuschüsse für die Chipdesign-Abteilung des BI radikal zusammengestrichen. Auch die Forschungsfabrik Mikroelektronik Deutschland, die Fraunhofer-Institute IPMS, IIS und EAS sowie weitere Wissenschaftseinrichtungen versuchen derweil, in Deutschland wieder nennenswerte Chipdesignkapazitäten aufzubauen. Ehrgeizige Ziele verfolgt auch das niedersächsisch-sächsisch-bayrische Projekt ‚KI Zuse mobil', an dem sich BMW, die TU Dresden, Dream Chip, Globalfoundries Dresden, Infineon, das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), T3-Technologies Dresden und die Uni Hannover beteiligt haben. Das zielte und zielt auf eigene KI-Beschleuniger ‚Made in Germany'. Eine der darin enthaltenen ‚Neural Processing Units' (NPU) geht auf Entwürfe der TU Dresden auf Basis der quelloffenen ‚RISC'-Prozessorarchitektur zurück.

Wobei bei all diesen – oft etwas zersplittert wirkenden – Detailprojekten recht deutlich ist: Es wird gelinde gesagt noch viel Geduld nötig sein, bis ‚Good old Germany' auf breiter Front und vor allem auch kommerziell erfolgreich mit den internationalen Marktführern gleichziehen kann.

Kann Open Source die EDA-Platzhirsche beerben?

Dies gilt auch für das Thema Entwurfssoftware: In der ‚Electronic Design Automation' (EDA) gehören Synopsys und Cadence zu den führenden Unternehmen, mit ‚Siemens EDA' ist immerhin auch ein Anbieter mit deutsch-amerikanischen Wurzeln mit im Spitzenfeld vertreten. Möglicherweise könnte dieser Markt aber auch wieder in Bewegung geraten – vor allem wegen der hohen laufenden Kosten für die führenden EDA-Systeme. „Mit ihren rechtlichen Beschränkungen und hohen Lizenzgebühren stellen die etablierten proprietären Designwerkzeuge insbesondere für mittelständische Unternehmen und Start-ups eine große Hürde für die Entwicklung eigener Mikrochips dar“, schätzen zum Beispiel Robert Weigel von der ‚Deutschen Akademie der Technikwissenschaften' und Norbert Wehn von der RPTU Kaiserslautern-Landau ein.

Das ‚Chipdesign-Forum Germany' hat gezeigt:
In ausgewählten Sparten sind deutsche Entwürfe führend.

Sie verweisen auf Alternativen wie die ‚Design Initiative – Quelloffene Designinstrumente für souveräne Chipentwicklung' (DI-QDISC). „Quelloffene Entwurfswerkzeuge spielen bereits heute in der Ausbildung des akademischen Nachwuchses eine wichtige Rolle“, betonen sie. Allerdings hinke der technische Stand der Open-Source-Werkzeuge zum Teil noch ‚deutlich hinter kommerziellen Produkten' hinterher. „Zudem erfüllen diese Werkzeuge häufig nicht die Anforderungen und die Zuverlässigkeit für die Produktion.“ Zu untersuchen sei daher, „ob die erfolgreichen Innovationsmechanismen aus dem Open-Source-Softwarebereich auf das Feld der Mikroelektronik übertragbar sind und ob durch die Kombination proprietärer und quelloffener Lösungen produktive Synergien entstehen können“.

Chipdesign macht 30-40 % der Wertschöpfungskette aus

Dass es sich für Deutschland und Europa lohnt, beim Thema ‚Schaltkreisentwurf' am Ball zu bleiben und endlich auch wieder größere eigene Chipdesign-Häuser aufzubauen, daran ließen die meisten Industrievertreter, Wirtschaftspolitiker wie auch Forscher beim Chipdesign-Forum in Dresden kaum Zweifel: „Chipdesign trägt maßgeblich zur Halbleiterindustrie bei und macht rund 30 bis 40 % der gesamten Wertschöpfungskette aus“, betonen die Veranstalter. Und wenn man sich die Wachstumstreiber für die globale Halbleiterwirtschaft in den vergangenen Jahren einmal genauer anschaue, dann seien es die ‚Chipless companies', also letztlich vor allem Chipdesigner, die die stärksten Umsatzzuwächse erzielt hätten, argumentiert Christoph Heer vom taiwanesischen Auftragsfertiger TSMC, der gerade in Dresden seine erste Europa-Fab baut. Um auf diesen Zug aufzuspringen, müssen Europa, Deutschland und ganz konkret auch Sachsen noch deutlich mehr in den Aufbau eigener Chipdesign-Schmieden investieren, meinen viele Branchenbeobachter. In der Praxis aber gebe es „aktuell in Europa einen erheblichen Fachkräftemangel an qualifizierten Chipdesignern, was langfristig die Innovationsfähigkeit und Wettbewerbsposition Europas im Bereich der Mikroelektronik gefährdet“, warnt das Koordinationsnetzwerk ‚Chipdesign Germany'. Von daher sei es umso wichtiger, durch Formate wie das Chipdesign-Forum „den Austausch zwischen Industrie, Wissenschaft und Politik zu fördern sowie Impulse für die Stärkung der europäischen Chipdesign-Kompetenzen zu setzen.“

Quellen

Chipdesign-Forum Germany 2025, Referate und Auskünfte von Tim Gutheit (Infineon), Christoph Heer (TSMC), Stefan Joeres (Bosch),
Stefan Mengel (BMBF), Andreas Pinkwart (TU Dresden), Norbert Wehn (RPTU Kaiserslautern-Landau), Matthias Lohrmann (SpiNNcloud), Robert Weigel (Acatech), Bernhard Wicht (Uni Hannover), Prof. Gerd Fettweis (Barkhausen-Institut), Felix Hinderkircher (SPRIND)

  • Titelbild: ‚Chipdesign Germany‘-Forum 2025 in der Messe Dresden
  • Ausgabe: Juli
  • Jahr: 2025
  • Autoren: Heiko Weckbrodt
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