25. Europäisches Elektroniktechnologie-Kolleg

Podiumsdiskussion mit Florian Chervaz, Christian Ortmann, Josef Jost, Stefan Heczko, Johannes Rehm, Prof. Isabella Welpe, Werner Kreibl und Josef Ernst (v.l.n.r.)

Das EE-Kolleg-Format auf Mallorca zum branchenweiten Wissensaustausch und Networking ist einzigartig. Auch das 25. Event begeisterte. Fazit: Geschätzter denn je.

‚Die Zukunft der Fertigung: Additive Technologien, Exzellenz im Design und Managementstrategien' war das Motto der Jubiläumskonferenz. Zu diesen hochaktuellen Themenbereichen haben die Veranstalter ASMPT, ASYS Automatisierungssysteme, Balver Zinn Josef Jost, Christian Koenen, kolb Cleaning Technology, Rehm Thermal Systems und ZEVAC mit Beiträgen von Experten aus Industrie und Forschung wieder ein exzellentes Programm geboten.

Ulf Oestermann, Fraunhofer IZM, Berlin, der die Veranstaltung moderierte, ging bei der Eröffnung anlässlich des Jubiläums auf die wichtigsten Ereignisse im Jahr 1998 ein. Denn damals ist das erste EE-Kolleg veranstaltet worden und hat die Erfolgsgeschichte begonnen, die nur durch die Corona-Pandemie unterbrochen wurde. Danach informierte er über das Programm und stellte die Veranstaltungspartnerfirmen samt deren anwesenden Repräsentanten vor.

Ulf Oestermann moderierte und stellte das Programm und die Veranstalter vorUlf Oestermann moderierte und stellte das Programm und die Veranstalter vor

Pascal SchläpferPascal Schläpfer

Dr. Kay ReuterDr. Kay Reuter

Additive Fertigung in der Sensorherstellung

Über Anwendungen der additiven Fertigung in der Sensorherstellung – Anforderungen an die AVT informierte Pascal Schläpfer, Innovative Sensor Technology AG, Ebnat-Kappel, Schweiz. Die zur Endress+Hauser Gruppe gehörende IST AG bietet eine breite Palette von Sensoren an, die auf verschiedenen Technologien basieren. Entwickelt und hergestellt werden Temperatursensoren, thermische Massendurchflusssensoren, Feuchtesensoren und -module, Leitfähigkeitssensoren und Biosensoren. Zudem werden kundenspezifische Sensorentwicklungen angeboten. Pascal Schläpfer erläuterte die unterschiedlichen Sensorprinzipien samt ihren Einflussfaktoren und ging dann auf den Aufbau der Sensoren sowie die damit verbundenen AVT-Herausforderungen ein. Insbesondere bei den Spezialanwendungen ist die AVT zentral für die Funktionalität. Dabei kommen Additivtechniken, darunter Drucken, zum Einsatz.

Metallische additive Fertigung mittels Siebdruck

Nachdem Dr. Kay Reuter, Fraunhofer IFAM, Dresden, sein Institut vorgestellt hatte, gab er einen Überblick über die metallische additive Fertigung mittels Siebdruck, wobei er auf den Stand der Technik einging und Anwendungsbeispiele beschrieb. Direkte Technologien sind bereits Standard, indirekte Technologien mit Sintern sind im Kommen. Die Prozessschritte beim additiven Siebdruck erläuterte Dr. Kay Reuter anhand der Herstellungsprozesse von Hohlwellenleiterbauteilen in Graved Waveguide Architektur mit Querschnitten von 1 mm bis 1,5 mm für Höchstfrequenzanwendungen über 100 GHz sowie von Cold Plates mit Geometrieoptimierung für die Flüssigkeitskühlung von KI-Chips und Material-optimierten Statorpaketen für E-Antriebe mit geringeren Verlusten durch höheren Si-Gehalt aus 100 µm Fe6.5Si und 5 µm Al(OH)3.

KI-Zugriff auf die Lieferkette

Wie Design for Excellence in 2025 – AI, Collaboration & Sustainability unterstützt und realisiert werden kann, erläuterte Sebastian Schaal, Luminovo, München, anhand der Möglichkeiten der von seinem Unternehmen angebotenen Software-Lösungen. DfX wird bis hin zum Design for expected Cost basierend auf funktionellen Anforderungen unterstützt, wobei das gesamte Supply Chain Network betrachtet wird und der Designer direkt darauf zurückgreifen kann. Alle Daten aus der Lieferkette sind online verfügbar. Dies ermöglicht die heutige KI, die sich vom Machine Learning (AI1.0) über das Deep Learning hin zu Large Language Models (AI4.0) entwickelt hat, mittels Zugriff auf die API-Schnittstellen in der gesamten Lieferkette. Anhand der Anwendungsbeispiele Ermittlung des CO2-Fußabdrucks von Bauteilen, Auswertung von Datenblättern, PCB- und OTS-Angebote sowie DfM-Checks und Kostenermittlung verdeutlichte Sebastian Schaal die Funktionalitäten.

Materialanalysen in der Elektronikfertigung

Viktoria Rawinski, Rawinski, Kreuzwertheim, begann ihren Beitrag über die Materialanalysen in der Elektronikfertigung mit Beispielen schlecht und gut sichtbarer Qualitätsmängel. Sogenannte Zebrastreifen oder Giraffenflecken sowie ähnliche gut sichtbare Probleme können auf unterschiedliche Fehlerursachen hinweisen, weshalb weitere Analysen erforderlich sind. Mittels FT-IR-Spektroskopie können die Chemie von Molekülen und die Zusammensetzung von Proben analysiert werden. Damit wird quasi ein Fingerabdruck erstellt und ist die Kunst dessen Lesens zur Ursachenfindung gefordert. Viktoria Rawinski beschrieb anhand mehrerer Beispiele, was die Resultate solcher Analysen sind. So können z. B. unvollständig ausgehärtete Lötstoppmasken beim Löten mit Flussmittelbestandteilen reagieren und dadurch zu Reinigungsproblemen führen.

Sebastian SchaalSebastian Schaal

Viktoria RawinskiViktoria Rawinski

Wolfgang MahantyWolfgang Mahanty

Anforderungen an ein Werkerassistenzsystem

Die Anforderungskriterien an ein Werkerassistenzsystem zeigte Wolfgang Mahanty, Optimum, Karlsruhe, auf. Dazu zählte er die derzeit bedeutendsten Herausforderungen für die Produktion auf, das sind High-Mix Low-Volume, Fachkräftemangel, Qualität, neues Personal und neue Prozesse sowie Produktivität und Rückverfolgbarkeit. Ein entsprechend gestaltetes Assistenzsystem erleichtert diese Herausforderungen, wie Wolfgang Mahanty am Beispiel des Werkerassistenzsystems Der Schlaue Klaus beschrieb. Das modulare System digitalisiert und automatisiert manuelle Prozesse und sorgt mit der integrierten Bildverarbeitung und automatischem Echtzeit-Feedback für Qualität und Produktivität. Bald wird eine weitere Version des Werkerassistenzsystems mit der Bezeichnung Soyonic verfügbar sein, bei der mittels Beamer die jeweiligen Montagepositionen für die Bauteile angezeigt werden.

High-End-, Starrflex- und Hochfrequenz-Leiterplatten

Eren Bektas, Optiprint, Berneck, Schweiz, stellte sein Unternehmen und dessen Portfolio vor, das v. a. (High-End-)Starrflex- und Hochfrequenz-Leiterplatten umfasst. Als HF-Materialien werden neben verschiedenen PTFE- auch Keramik- und Schaum-Basismaterialien verwendet. Damit werden anwendungsspezifische Aufbauten von einseitigen und doppelseitigen durchkontaktierten Leiterplatten über Multilayer bis hin zu Lösungen mit Mixed Materialien sowie integriertem Metallkern bzw. Metallkühlkörper realisiert. Die kleinsten realisierten L/S-Strukturen liegen bei 25 µm. Um noch kleinere Strukturen realisieren zu können, geht der Trend hin zu modifizierten semi-additiven Prozessen (mSAP). Bei diesen wird auf einer dünnen leitenden Schicht mit Fotoresisten ein negatives Leiterbild generiert. Auf den nicht vom Resist bedeckten Bereichen wird danach Kupfer galvanisch abgeschieden, bis die gewünschte Dicke erreicht ist. Anschließend wird der Resist entfernt und das endgültige Leiterbild durch Differenzätzen erzeugt. Eren Bektas informierte ferner über die Testmöglichkeiten, das Equipment und die Roadmap seines Hauses..

Wie Softwarelösungen zum Erfolgsfaktor werden

Nach einem Rückblick auf die Firmenhistorie erläuterte Roland Mair, Mair Elektronik, Schwaig, ausgehend von den Anforderungen und Erwartungen an ERP-Systeme, wie Softwarelösungen vom notwendigen Übel zum Erfolgsfaktor werden. Dazu beschrieb er die in seinem Unternehmen eigenentwickelte ERP-Lösung, die auf einer FileMaker Datenbank basiert. Vorteile dieser Lösung sind die Ad-hoc-Umsetzungsmöglichkeiten von Änderungen und neuen Funktionalitäten sowie die geringen Lizenzkosten. Dafür fallen allerdings Programmierkosten an und es besteht das Risiko der „Operation am offenen Herzen“. Roland Mair ging zudem auf die Anforderungen an die Datenbank sowie die Funktionalitäten der eigenen ERP-Lösung ein.

Eren BektasEren Bektas

Roland MairRoland Mair

Prof. Isabella WelpeProf. Isabella Welpe

Strategien für den Wandel

Über Strategien für den Wandel: Die Kraft der Innovation sprach Prof. Isabella Welpe, TU München. Die Aussage ‚Das haben wir schon immer so gemacht' blockiert vieles. Denn nicht die Stärksten überleben, sondern diejenigen, die sich an die neuen Erfolgsfaktoren der Digitalen Transformation anpassen. Gefragt sind nicht die Besten in der Technik, sondern die Fähigkeit, individuelle Lösungen anzubieten. Und die IT ist dazu da, dies zu ermöglichen. Innovation ist zwar mit Widerstand verbunden, braucht aber Talente. Um als Organisation für Talente attraktiv zu sein, ist laut Prof. Isabella Welpe Folgendes erforderlich:

  • Einzelperson statt Team, deshalb Meetings reduzieren/kürzen
  • Bürokratie abbauen/eliminieren, denn weniger ist mehr
  • Defaults (Normalfall) richtig setzen, insbesondere bei der Kommunikation
  • Klarheit/gute Organisation
  • Aktion/Tendenz zur Handlung
  • Wandel wichtig machen, dazu Partnerschaftspassiv vermeiden und Gewohnheiten ändern
  • Leadership mittels KI

Abschließend zählte sie die Möglichkeiten der KI auf und auch, was KI nicht kann.

Podiumsdiskussion zur Transformation im Maschinenbau

Ein besonderes Highlight der Konferenz war die Podiumsdiskussion, in der die Geschäftsführer der Veranstalterfirmen, moderiert von Prof. Isabella Welpe, aktuelle Herausforderungen und Chancen in der Branche erörterten.

Herausforderungen sind die notwendige Effizienzsteigerung durch Automation und KI in Verbindung mit Nachhaltigkeit, die von den Kunden gefordert wird und längerfristig u. a. wegen der beschränkten Ressourcen günstiger ist. Dabei ist der CO2-Fußabdruck, speziell der Scope 3, für die Maschinenbauer ein besonderes Problem. Diese Transformation ist ein permanenter Prozess, der nie endet. Eine Aufbruchstimmung muss wieder generiert werden. Dem entgegen stehen der Fachkräftemangel und weitere Standort-bedingte Schwierigkeiten wie Überregulierung und hohe Steuern. Lösungsmöglichkeiten sind die Entwicklung neuer Produkte z. B. für die Brennstoffzellentechnik und neuer Dienstleistungen wie das Vermieten oder Verleasen von Anlagen. Zudem sollte berücksichtigt werden, dass ein Prozess dann gut ist, wenn nichts mehr weggelassen werden kann – gilt auch für die eigene Bürokratie. Deshalb ist gut genug statt einer perfekten Lösung gefragt. Da auch die KI nicht fehlerfrei ist, ist bei kritischen Entscheidungen der Mensch gefordert. Um KI als Wissensdatenbank zu nutzen, muss eine entsprechende Infrastruktur aufgebaut werden. Auch Homeoffice mit Präsenzregelung, das für KI- und andere Spezialisten attraktiv ist, ist im Maschinenbau aufgrund des großen Produktionsanteils eine Herausforderung, denn Fairness für die gesamte Belegschaft ist gefordert. Das Management muss hier eine Balance finden. Ebenso ist die Führung gefordert, neue Wege zu gehen und Veränderungen umzusetzen (z. B. mit digitalen Plattformen), so dass die Ergebnisse besser werden.

Gefälschte Bauteile – die tickende Zeitbombe

Wolfgang Motzek, Coronex Electronic, Ratingen, informierte über die tickende Zeitbombe – gefälschte Bauteile aus Sicht eines EMS-Dienstleisters. Anhand von Statistiken verdeutlichte er zu Beginn, wie groß das Problem der gefälschten Bauteile (counterfeit components) inzwischen ist. Als Ursache hierfür wurde die Elektronikschrottbehandlung identifiziert, bei der zu über 80 % unbekannt ist, wie diese erfolgt. Mit Fotos und einem Video verdeutlichte er, was dabei mit den Bauteilen bis hin zum Wieder-auf-den-Markt-Bringen durch Distributoren passiert. Am Beispiel eines originalen IC und eines gefälschten IC zeigte Wolfgang Motzek die Unterscheidungsmerkmale auf und erläuterte die entsprechenden Prüfmöglichkeiten. Mittels Röntgeninspektion kann das Leadframe samt den Bonds des Chips, mittels Aceton-Wischtest kann die Kennzeichnung und mittels Mikroskop die Pin1-Position sowie -Markierung überprüft werden. Als Vorbeugungsmaßnahme gegen gefälschte Bauteile empfahl er einen Wareneingangsprüfplan mit Prüfschritten für alle Unterscheidungsmerkmale zu realisieren.

Managementsünden erkennen und vermeiden

Klaus Schuster, SG Automotive, Slovenske Konjice, Slowenien, zeigte anhand von humorvollen Anekdoten auf, wie man Managementsünden erkennen und vermeiden kann. Dabei gab er Inhalte seines Buches ‚11 Managementsünden, die Sie vermeiden sollten' wieder. U. a. ging er auf folgende Sünden ein:

  • Arbeit anderer machen
  • alles kontrollieren
  • nichts entscheiden/unterschreiben
  • alles selbst machen
  • sich unentbehrlich machen
  • Mitarbeiter (unbewusst) demotivieren

Klaus Schuster zog das Resümee: „Der Mitarbeiter denkt über das Arbeiten nach, der Manager über die Arbeit“ und gab abschließend den Tipp, sich mit anderen auszutauschen.

Wolfgang MotzekWolfgang Motzek

Klaus SchusterKlaus Schuster

Jörg HäfnerJörg Häfner

Lösungen für die Fertigung von Leistungselektronik

Über die Fertigung von Leistungselektronik – Trends, Herausforderungen und Umsetzung informierte Jörg Häfner, Schnaidt, Ammerbuch, im letzten Vortrag. Er stellte dazu vorab seine Firma und deren Portfolio vor. Die Leistungselektronik findet sich inzwischen fast überall. Deren massive Bauteile sind nicht standardisiert und für die THT-Montage konzipiert. Der Automationsgrad ist deshalb bisher gering. Hierfür werden von Schnaidt anwendungsspezifische Lösungen entwickelt. So werden, wie Jörg Häfner beispielhaft erläuterte, Lötrahmen zum Hightech-Werkstückträger mit Handlingshilfe. Auch für alle anderen Aufgaben in der Produktion wie z. B. für das Lackieren und das Prüfen werden mittels DfM optimale Lösungen für das Produkt realisiert, wie an Beispielen verdeutlicht wurde.

Zusätzlich zu den Vorträgen gab es ein Rahmenprogramm und viel Zeit zum Networking, so dass alle viele neue Informationen mit nach Hause nehmen konnten.

Artikelinformationen

  • Titelbild: Podiumsdiskussion mit Florian Chervaz, Christian Ortmann, Josef Jost, Stefan Heczko, Johannes Rehm, Prof. Isabella Welpe, Werner Kreibl und Josef Ernst (v.l.n.r.)
  • Ausgabe: Juni
  • Jahr: 2025
  • Autoren: Dipl.-Phys. Gustl Keller
  • Link: https://www.ee-kolleg.com/
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