VIER fragen an ... Jörg Püttbach

Jörg Püttbach (Foto: privat)
  • Titelbild: Jörg Püttbach (Foto: privat)

Jörg Püttbach, Vorstandsvorsitzender des Zentralverbands Oberflächentechnik e. V. (ZVO) sowie Eigner und CEO der BIA-Gruppe; Interview: Robert Piterek.

Die Wahlen sind gelaufen. Was ist Ihr vorläufiges Fazit aus Verbandssicht?

Das Positive an der Wahl ist, dass es für eine Zwei-Parteien-Koalition, für Schwarz-Rot, reicht. Somit ist eine einigermaßen zügige Einigung, die wir brauchen, auch möglich. Auch die Überlebensfähigkeit der Koalition sollte größer sein, als die von drei Parteien. Aus dieser Erwartungshaltung heraus ist das Ergebnis für die Wirtschaft und die mittelständischen Betriebe ganz in Ordnung. Ich rechne mit einer etwas wirtschaftsfreundlicheren Haltung.

»Ich rechne mit einer etwas wirtschaftsfreundlicheren Haltung«

Und in Bezug auf die Galvano- und Oberflächen­technik?

Wir als ZVO sind bereits sehr aktiv, unsere Themen in die Verhandlungsgruppen der Parteien hineinzuspielen. Es gibt dabei Themen, die uns besonders betreffen, wie Energie und Bürokratisierung. Bei Energie sieht es gut aus, weil wir da durch offene Türen laufen und ein Konsens zwischen CDU und SPD möglich ist. Grundsätzlich besteht bei den Themen Energie und Entbürokratisierung ein breiter Konsens mit vielen Verbänden, sodass ich durchaus Hoffnung habe, dass es dort in die richtige Richtung geht. Bei Themen wie Arbeitskosten, Arbeitsfolgekosten und Krankmeldungen ist das abzuwarten. Ebenso bei den Regulierungsthemen, die wir einbringen.

Sie haben die Krankheitsthematik gerade angesprochen. Neben Ihrem Verbandsamt sind Sie Geschäftsführer der BIA und zahlen eine Extraprämie für Mitarbeiter, die zur Arbeit kommen. Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?

Der Blick auf unsere Standorte in der Slowakei, Mexiko und in China erlaubt es uns, Krankheitsquoten zu vergleichen. Die Art der Lohnfortzahlung bei Krankheit ist nirgends so ausgeprägt wie in Deutschland und sie geht auch nirgendwo so stark zu Lasten des Arbeitgebers. In vielen anderen Ländern übernimmt der Staat die Lohnfortzahlung schon viel früher und dann auch nicht wie bei uns ab dem ersten Tag zu 100 Prozent, sondern in reduziertem Maße. Die Krankheitsquoten in anderen Ländern sind daher signifikant geringer. Mal schauen, ob sich die neue Regierung bei Lohnfortzahlung oder Karenztagen bewegt. Wir können als Arbeitgeber nur in die andere Richtung marschieren – was ja eigentlich paradox ist – und unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter noch einmal mit Extrageld belohnen, wenn sie zur Arbeit kommen. Wir zahlen einen bestimmten Stundensatz zusätzlich, den es aber nur dann gibt, wenn man zur Arbeit kommt. Er verfällt für den Monat komplett, wenn man mehr als zwei Tage in diesem Monat wegen Krankheit abwesend ist. Das Ergebnis ist überzeugend. Wir haben jetzt knapp drei Prozent weniger Ausfälle durch Krankheit, sieben statt zehn Prozent. Damit rechnet sich die Maßnahme auch ungefähr. Auf der einen Seite haben wir die Kosten der Zusatzprämie, auf der anderen bessere Planbarkeit mit mehr Fachkräften. Das hilft an allen Ecken und Enden. Wir machen das in einer Probezeit seit vergangenem August über zwölf Monate hinweg. Im Juli entscheiden wir, ob wir die Maßnahme verlängern oder etwas abändern. Es ist natürlich eine Verzweiflungstat. Überall sind die Krankheitsquoten hochgeschossen, auch in den Behörden. Jetzt nur die telefonische Krankheitsmeldung wieder abzuschaffen, greift zu kurz. Jemand, der bei der Arbeit erscheint, muss immer etwas mehr haben als der, der nicht da ist.

Haben Sie mit Blick auf den Arbeitsmarkt noch weitere Erwartungen an die Regierung?

Wir brauchen bei den Fachkräften ein gezielteres Fachkräfteanwerbeprogramm, weil wir Unterstützung aus dem Ausland brauchen. Doch bei der zu erwartenden Restriktion bei Migration und Asyl könnte es sein, dass die gezielte Anwerbung auf der Strecke bleibt. Zugleich brauchen wir Anreize, damit die Menschen eine Arbeit aufnehmen. Denn trotz Restrukturierungsdruck hängt die Entwicklung des Arbeitsmarkts davon ab, wie viel verfügbare Arbeitskräfte es gibt.

INFO

Jörg Püttbach hat sein Berufsleben mit einer Ausbildung zum Oberflächenbeschichter bei Blasberg Oberflächentechnik (heute MacDermid) in Solingen begonnen. Er studierte zeitweise in Aalen und kehrte später nach Solingen zurück, wo er sich zum Galvanotechniker und -meister weiter­bildete. Aus der Keimzelle der väterlichen Metallgalvanik Biacchessi formte er ab 1996 die BIA-Gruppe.

ZVO-Vorstandsvorsitzender ist er seit dem 1. Januar 2023.

 



  • Ausgabe: März
  • Jahr: 2025
  • Autoren: Robert Piterek
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